19
Okt 2021

Fantasy Filmfest 2021 Tag 2, Film 2: BROADCAST SIGNAL INTRUSION

Themen: Fantasy Filmf. 21, Film, TV & Presse, Neues |

USA 2021. Regie: Jacob Gentry. Darsteller: Harry Shum Jr., Jennifer Jelsema, Kelley Mack Michael B. Woods, Justin Welborn

Offizielle Synopsis: Die späten 90er Jahre. James führt seit dem Tod seiner Frau ein zurückgezogenes Leben. In einer Selbsthilfegruppe versucht er den Verlust zu verarbeiten, doch loslassen kann er nicht. In seinem Job als Videoarchivar hält er das Programm eines Fernsehsenders aus Chicago auf VHS-Kassetten für die Nachwelt fest. Als er dabei zufällig auf einen Hackerangriff auf das TV-Signal stößt, beginnt für ihn der Abstieg in eine Parallelwelt. In der gekaperten Übertragung spricht eine unheimliche Figur in Latexmaske mit verzerrter Stimme. Nach der Entschlüsselung der Worte glaubt er, Hinweise auf eine Verschwörung gefunden zu haben, aber auch auf das Schicksal seiner Frau. Immer tiefer gräbt sich James in den Kaninchenbau aus Tapes und möglichen Botschaften und Antworten.

Kritik: Es zeigt sich mal wieder, dass die Autoren des Programmhefts die Filme entweder nicht gesehen oder verstanden haben. James hält mitnichten “das Programm eines Fernsehsenders aus Chicago auf VHS-Kassetten für die Nachwelt fest” – er ist dafür verantwortlich, die alten Kassetten-Archive auf DVD zu überspielen. Das ist auch der Grund, warum er in den alten Aufnahmen auf die Hacker-Einspielungen stößt. Nur in diesem Kontext ergibt die Handlung irgendeinen Sinn.

Regisseur Gentry sandte zu Beginn eine nette Videobotschaft, in der er auf die sehr offensichtliche Inspiration für seinen Film verweist – den “Max Headroom-Incident” von 1987, der hier gut aufgearbeitet wird:

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Auf diesen Zug – und auf Paranoia-Thriller wie PARALLAX VIEW und DREI TAGE DES CONDOR – möchte BROADCAST SIGNAL INTRUSION aufspringen. Das muss man wissen, denn diese Sorte Film verlangt vom Zuschauer, dass er sich einlässt. Dass es keine konkreten Spuren gibt. Dass der Protagonist Verbindungen zu sehen glaubt, die nur vielleicht real sind. Es ist ein sumpfiges, schwammiges Terrain, bei dem auf A und B zwar C folgt, aber sich jederzeit herausstellen kann, dass A nie existiert hat und C deshalb nicht logisch auf B folgt. Oder doch?

Die BSI sind ein interessanter Background für einen Paranoia-Thriller, das steht außer Frage. Warum hackt jemand TV-Signale, um wirre Szenen in lokale Programme einzuspeisen? Spaß, Herausforderung, Drohung, Geständnis – oder Signal der Illuminati an Gleichgesinnte? James fotografiert Screenshots, spult Kassetten durch, recherchiert alte Zeitungsausschnitte, puzzelt sich Theorien zusammen. Da scheint ETWAS zu sein, ein Zusammenhang, ein Kontext. Die Spuren führen ihn schließlich aus dem Archiv in die “reale” Welt und dann ins amerikanische Hinterland. Uralte Telefonnummern, immer noch geschaltet, ad acta gelegte Kriminalfälle, niemals aufgeklärt.

Das ist nicht schlecht gespielt und nicht schlecht erzählt. Es ist auch eine faszinierende Rückschau in die letzte Ära des Analogen, in der Magnetbänder abgetastet wurden und Aufnahmen flackerig waren. Der Übergang zum Digitalen, die Transformation der interpretierbaren Welle in das harte Bit.

Aber letztlich ist es dann doch sehr dünn – James fehlt die persönliche Motivation, wir verstehen den Hunger nicht, der ihn dazu treibt, die BSI zu recherchieren. Die Verschwörung nimmt keinen größeren Kontext an, niemand ist wirklich hinter ihm her, im Grunde genommen könnte er die Nachforschungen jederzeit folgenlos einstellen. Und am Ende haben wir zwar eine vage Ahnung, welchem Zweck die BSI dienen sollten – aber WARUM, das bleibt komplett im Nebel. Nichts ist wirklich zwingend, und darum entwickelt BROADCAST SIGNAL INTRUSION auch nie den Vorwärtsdrang der Vorbilder, die Unausweichlichkeit des Geschehens.

Harry Shum ist zudem als Hauptdarsteller bestenfalls okay. Der vielbeschäftigte Tänzer mit TV-Erfahrung ist nie ausreichend fertig, paranoid oder unberechenbar.

Zu diesem Thema wäre ein kompetente Doku vielleicht die bessere Wahl.

Fazit: Eine interessante Hommage an die Paranoia-Thriller der 70er, die letztlich aus der Grundidee zu wenig macht und über die Laufzeit zu wenig Druck aufbaut. Jacob Gentry ist nicht Alan J. Pakula. 6 von 10 Punkten.

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