Fantasy Filmfest 2021 Tag 2, Film 1: SEE FOR ME
Themen: Fantasy Filmf. 21, Film, TV & Presse, Neues |Kanada 2021. Regie: Randall Okita. Darsteller: Skyler Davenport, Kim Coates, Jessica Parker Kennedy, Laura Vandervoort, Matthew Gouveia
Offizielle Synopsis: Einst war Sophie die größte Nachwuchshoffnung ihres Skiteams, doch seit die rebellische Teenagerin bei einem Unfall erblindete, ist ihr Traum von der großen Sportkarriere in weite Ferne gerückt. Als Housesitterin verdient sie sich etwas Geld dazu, und so landet sie eines Abends in der modernen Luxusvilla von Debra, um während deren Abwesenheit Anwesen und Katze zu hüten. Leider hat es ein diebisches Trio genau dann auf den prall gefüllten Tresor im Haus abgesehen und dabei steht Sophie im Weg. Ihre einzige Hoffnung, die Nacht zu überleben, ist die ehemalige Elitesoldatin Kelly, die das blinde Mädchen mittels einer modernen Sehhilfe-App aus der Ferne in den ungleichen Kampf gegen ihre Widersacher hetzt.
Kritik: Neben "Horror Noire" (also Filmen, in denen schwarze Protagonisten den Schrecken auch der sozialen Isolation überleben müssen) ist "Horror Handicap" seit ein paar Jahren schwer in – Geschichten, bei denen die Helden durch körperliche Behinderungen zusätzliche Hemmnisse mitbringen. Taub, stumm, blind, an den Rollstuhl gefesselt – schlechte Karten für die Zombie-Invasion oder den Vampir im Keller. Sollte man meinen. Aber nein: entgegen aller Wahrscheinlichkeit wird der Kampf mit der körperlichen Einschränkung ebenso gewonnen wie der Kampf mit dem Bösewicht. Oft genug entpuppt sich das Handicap als Vorteil und im Finale als siegentscheidend.
Wenn der Autor keinen hanebüchenen Unsinn schreibt, kann das sehr unterhaltsam sein. Oft genug aber wird die "Behinderte sind nicht schlechter, nur anders"-Karte zusammen mit der Gutgläubigkeit des Zuschauers überreizt. Und SEE FOR ME ist ein sehr gutes Beispiel dafür.
Versteht mich nicht falsch: mir ist klar, dass das ein Film ist. Filme müssen nicht, können nicht realistisch sein, schon gar nicht in diesem Genre. Dass eine blinde junge Frau drei bewaffnete Gangster in einem ihr unbekannten riesigen Haus besiegen kann? Kaum zu glauben – aber ich glaube es um des Entertainments wegen. Dass sie dabei zufällig die Hilfe einer gerade entdeckten App mit einer Expertin am anderen Ende nutzt? Geschenkt – James Bond hatte schon mal ein Auto, das sich unsichtbar machen konnte. Dass das Handy von Sophie schon so viel Licht abstrahlt, dass man sie eigentlich jederzeit sofort sehen müsste? Wurscht – die Sturmtruppen schießen ja auch immer vorbei. It’s only a movie.
Was ich SEE FOR ME nicht abkaufe, ist die Grundidee: dass IRGENDJEMAND ein blindes Mädchen anheuert, um eine gigantische Villa samt Katze zu sitten. Sie könnte sich verletzen, elementare Dinge nicht finden, Wertgegenstände beschädigen, aus Versehen die Katze aussperren – es wäre sicherer, das Tier mit einem 10 Kilo-Sack Futter allein zu lassen, als jemandem wie Sophie die Verantwortung zu übertragen. DAS glaube ich keine Sekunde.
Nimmt man diesen Haken der Konstruktion als gegeben, dann entwickelt sich die Story ziemlich exakt so, wie es diese Sorte Film vorgibt. Da bricht nichts nach links oder rechts aus, alle "Überraschungen" sind Genre-Standards und man ist eigentlich nur beeindruckt, dass der Autor Sophie relativ ambivalent hält und ihre Loyalitäten immer wieder schwanken.
Von dieser Sorte "kanadischer Thriller" gibt es auf dem FFF immer drei bis fünf. Sie sind die Definition von "solide", selten wirklich schlecht, aber auch nie wirklich begeisternd. Die belegte Stulle zwischen dem Haferbrei von DESOLATION und dem Chili Cheese Burger von BLISS.
Fazit: Grundsolider, aber damit auch völlig spießiger Home Invasion-Thriller kanadischster Machart, der seine Prämisse überstrapaziert, als Lückenfüller am Nachmittag aber durchaus seine Pflicht erfüllt. 6 von 10 Punkten.
Dein Einwand ist tatsächlich genau das, was ich mir beim Durchlesen des von dir verlinkten Festivalpdfs dachte.
Kleiner Vergleich:
Don’t breathe. Heimatland. Ich zu Hause.
See for me. ich in Tokio. Komplett verloren.
Davon abgesehen, dass ich zu Hause auch keine Chance hätte 🙂 Obwohl, ich weiß, wo meine Werkzeuge sind….