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Mrz 2021

Ice ice baby: Diät-Delikatesse Eiskrem?

Themen: Neues |

Ich hatte euch das hier vor ein paar Tagen ja schon einmal gezeigt:

In kurz: Ab Mai gibt es bei EDEKA kalorienarmes, proteinreiches Eis. Für einen Eisfanatiker auf Diät wie mich klingt das nach einer Verheißung, dem goldenen Vlies, dem Heiligen Gral, dem Füllhorn aus dem Foodparadies. Vor allem, weil sich die Daten schier unglaublich lesen: dekadente Sorten wie Cookie Dough und Salted Caramel mit gerade mal 350 Kalorien – nicht pro 100 Gramm, sondern PRO BECHER! Das sind nicht die üblichen langweiligen 10, 20 Prozent weniger Kalorien. Im Vergleich zu normalen Eiskübeln sprechen wir hier von einem VIERTEL bzw. einem DRITTEL an Fettmachern! Da ist der Spruch “Genuss ohne Reue” wirklich mal angebracht.

Beziehungsweise … er wäre angebracht. Wenn das denn alles so stimmen würde. Wir halten uns erstmal an die Faustregel: wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es vermutlich auch nicht wahr.

Ein Leser wies mich darauf hin, dass es von anderen Marken solches Eis schon längst gebe. Und in der Tat hatte ich z.B. die Becher von Breyers bei HIT bereits gesehen, aber stehen gelassen.

Nun war aber meine Neugier geweckt. Da ich während meiner Fastenzeit auf Eis weitgehend verzichte, könnte so eine Light-Version den Verlustschmerz lindern. Muss ja nicht perfekt sein, nur ausreichend gut.

Bis zu den Edeka-Sorten ist es noch eine Weile hin, also schaute ich mich gestern nach den verfügbaren Varianten um und nahm dabei einen ausführlichen Fit for Fun-Test als Grundlage, um die angeblich besten Sorten zu finden. Mein Ausflug zu Kaufland und Netto war von Erfolg geprägt und ich brachte heim:

Bei Oppo gilt die Kalorienangabe für einen halben Becher, verdoppeln wir also auf 342. Zum direkten Vergleich legte ich mir auch noch das hier in den Warenkorb:

Ein Schwergewicht mit unverantwortlichen 1130 Kalorien.

Bevor ich überhaupt daran denken kann, die Sorten geschmacklich gegeneinander antreten zu lassen, muss “der große Schmu” enthüllt werden, der Trick, mit dem hier ein üblicherweise extrem süß-fettes Produkt diättauglich geschwindelt wird.

Wir ignorieren erstmal, dass die Becher der Light-Varianten etwas kleiner sind – zumeist 475ml gegen die üblichen 500ml. Das lasse ich durchgehen. Das versendet sich. Gerade mal 5 Prozent. Aber wenn man die Becher in die Hand nimmt, ist der Unterschied abgesehen von der Größe sofort überdeutlich.

Die Light-Eiskrems sind erheblich… leichter. Nicht im Sinne von “light”, sondern im Sinne von “weniger schwer”. Denn die Milliliter-Angabe auf der Packung bezieht sich auf das Volumen, nicht aber die Dichte des Eises.

Nun ist das nicht neu – Verbraucherschützer beschweren sich seit Jahren, dass durch immer offensichtlicheres “hochstrudeln” von Eis die Packung gleich groß bleibt, der Inhalt aber wie Bauschaum hochgepumpt ist und damit unter dem Strich abnimmt. Die Firmen rechtfertigen das mit einer angeblich von den Kunden gewünschten verbesserten Cremigkeit.

Die neuen kalorienarmen Eissorten treiben das allerdings auf die Spitze – ein Großteil der “gesparten” Kalorien ist schlicht der gesparten Eismasse zu verdanken, die durch den fast gleich großen Becher geschickt kaschiert wird. Vergleichen wir doch mal – das ist das normale Eis, das ich bei Netto gekauft habe:

Das Gewicht entspricht ungefähr 85 Prozent der Masse. In Ordnung.

Und hier das Light-Eis aus dem gleichen Haus von Halo Top:

Hier entspricht das Gewicht erstaunlicherweise nur 54 Prozent der Masse.

Grob gerechnet bekommt man also in Wirklichkeit nur 60 Prozent der Eiskrem, die andere Becher gleicher Größe liefern. Demnach müsste man 40 Prozent auf die Kalorien aufschlagen, um einen echten Vergleichswert zu bekommen. Machen wir das doch mal: 533 Kalorien. Immer noch nicht die 1130 Kalorien, die das reguläre Crunchy Almond-Eis auf die Hüfte bringt. Aber auf einmal isst man nicht mehr ein Viertel, sondern die Hälfte der verhassten Kalorien.

Aber damit kommen wir immer noch nicht zum Geschmack. Dafür, dass man bei Oppo und bei Halo Top weniger Produkt bekommt, darf man wenigstens an der Kasse kräftig draufzahlen. Die Light-Versionen kosten nämlich locker das Doppelte:

Oppo verlangt sogar noch 50 Cent mehr:

Nicht exakt gerechnet, im Ergebnis aber korrekt ist demnach die Aussage: für gut die Hälfte an Eis darf man das Doppelte bezahlen. Die Kosten sind demnach proportional vier Mal so hoch!

Der Fairness halber muss ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es bei LIDL tatsächlich eine Hausmarke für vertretbare 3,99 Euro gibt. Und Edeka holt mit seinen Bechern für voraussichtlich 2,99 Euro das Light-Eis endgültig in den Normalpreis-Bereich, natürlich immer noch mit der Einschränkung, dass man weniger fürs Geld bekommt.

Es muss jeder Kunde für sich entscheiden, ob er die vielen Tricks (Bechergröße, ml-Angaben, Kalorien nach Becher berechnet) für bewusste Verarsche hält oder ob er sich auf den Standpunkt stellt “Preis und Inhalt stehen korrekt auf der Packung, wer nicht lesen kann, ist selber schuld”. Es ist kein Betrug, aber geschickte Verschleierung.

Kommen wir nun aber zu der Frage des Geschmacks. Diät bedeutet Verzicht, und niemand kann ernsthaft glauben, die kalorienreduzierten Sorten würden geschmacklich mit “normalem” Eis mithalten können. Wäre das so einfach, würde ja niemand mehr normales Eis essen. Coke Zero ist nicht Coke und Becks light nicht Becks.

Wie schmeckt es also, das viermal so teure Supereis für Figurbewusste?

In einem Wort: mäßig. Und das, obwohl ich mir schon die beiden Top-Sorten des Fit for Fun-Tests gekauft hatte.

Fangen wir mit dem Halo Top “peanut butter cup” an – die Menge an Sauce und Extras, die in das Eis gestrudelt wurde, hält sich SEHR in Grenzen. Klar, alle Extras (Krokant. Schokolade, Cookie Dough) sind massive Kalorienträger, die Crunch-Dichte von Ben & Jerrys darf man nicht erwarten. Das Eis ist durchaus cremig, das Erdnussaroma ist vielleicht nicht omnipräsent, aber gut schmeckbar. Der erste Löffel erfreut…

… bis er in sich zusammen fällt. Jeder Physiker hätte es vorher sagen können und es ist ein Grundproblem dieser Eissorten: die aufgeschäumte Masse verliert im Mund augenblicklich an Volumen und Cremigkeit. Wie bei Schlagsahne entweicht die Luft und man hat sofort nur noch ein wenig dickflüssige Erdnussmilch auf der Zunge. Das befriedigende Erlebnis, das Eis ausgiebig zu lutschen und damit zu genießen, geht weitgehend flöten.

So bekommt man für den doppelten Preis nicht nur die Hälfte an Eis, sondern löffelt dieses auch schneller weg, weil die Substanz fehlt. Man zahlt an allen Ecken und Enden drauf.

Beim Oppo ist es nicht anders: die Menge als Salzkaramell-Sauce ist sehr überschaubar, es gibt einen seltsam artifiziellen Nachgeschmack – aber vor allem ist jeder Löffel nur ein sehr kurzes Vergnügen. Die Geschmacksnerven fühlen sich ein wenig ausgetrickst. Das “great taste” auf der Packung kann ich nicht unterschreiben.

Nochmal: das Eis schmeckt nicht schlecht, wenn man wegen der Kalorienersparnis keinen zu strengen Maßstab anlegt. Die Cremigkeit ist auch okay. Aber von einem mit normalem Eis vergleichbaren Genuss zu sprechen, halte ich für verwegen.

Zum direkten Vergleich habe ich direkt danach noch mal drei Löffel vom preiswerten Crunchy Almond weggeschlabbert – kein Vergleich. Meilen besser.

So kann mein Urteil nur lauten: Finger weg. Dieses Eis taugt weder als Genuss noch als Ausrede, um während der Diät weniger zu sündigen. Dafür ist es zu wenig, zu teuer, zu freudlos. Ich bin nicht der Erste, der das sagt, und nicht der Letzte: lieber etwas weniger Eis, dafür “richtiges”. Oder ein Sorbet aus Früchten machen. Eine Diät ist schließlich kein Ponyhof.

Ich werde allerdings die Edeka-Variante in Augenschein nehmen, wenn sie auf den Markt kommt, besonders die Sorte Cookie Dough. Meine Prognose: sehr wenig Cookie Dough. Aber wenn der Preis ausnahmsweise mal stimmt, kann man das zumindest vertreten.

Ich glaube außerdem, dass der Preis dieser Sorten mittelfristig sinken wird. Die Firmen nehmen momentan das Geld der “early adopter” mit, die sich von den Verheißungen des Light-Eis blenden lassen. Wenn einmal etabliert ist, dass man die fehlenden Kalorien mit fehlendem Geschmack bezahlt und der Reiz des Neuen wegfällt, regelt sich das von selber. Aktuell ist Goldrausch.

Und nun? Ich mache mir weiterhin mein Eis selbst. Meine Pfefferminz-Schoko-Butterkeks-Sorte ist legendär. Weil es ein ziemlicher Aufwand ist, reduziert sich die konsumierte Menge sowieso auf einen Becher alle zwei oder vier Wochen.

Sehr ihr das anders? Ist mehr immer besser – außer bei Kalorien? Darf der Geschmack leiden, wenn die Figur profitiert?



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comicfreak
comicfreak
10. März, 2021 13:08

Der Genuss kommt zuerst.
Was haben wir als Kinder ausgiebigst jede Süßigkeit in die Länge gezogen (nicht wegen der Kalorien, sondern weil es selten(er) was gab)? Das hat unser Verständnis von Genuss und sinnlicher Freude mitgeprägt.
Also lieber weniger / seltener, aber zum in die Länge ziehen

Dizoneros
Dizoneros
10. März, 2021 13:16

“Meine Pfefferminz-Schoko-Butterkeks-Sorte ist legendär.”

Making-of. Making-of.

Spandauer
Spandauer
10. März, 2021 13:20

Ich esse gerne das Florida-Eis, gibt es bei Kaufland, Rewe etc.
Sehr kompaktes Eis, ohne die teure Luft, mit überschaubaren Kalorien und sehr lecker.
“Wassereis” Kirsch mit 140 kcal pro 100 g oder
“Milcheis” Cookie mit 212 kcal pro 100 g
https://www.floridaeis.de/sortiment/#500ml_milcheis

Katie
Katie
10. März, 2021 15:07

Und jetzt zum Wesentlichen: wir brauchen das Pfefferminzeis-Rezept!!! 😀

Katie
Katie
10. März, 2021 21:09
Reply to  Torsten Dewi

Vielen Dank!! 🙂

Feivel
Feivel
10. März, 2021 15:48

Kleiner Tipp von der Eiscreme-Front: Versuch mal das klassische Schokoeis (ohne Gedöns, SCNR) – also falls man dich normalerweise damit fangen kann. Analog zu den veganen Varianten, die ja auch auf alles verzichten, was das Leben schön macht, “kickt” das geschmacklich noch am meisten (zumindest bei der LIDL-Eigenmarke).
Es rettet das Protein-Eis zwar nicht über die von dir aufgeführten Punkte hinweg, aber es ist nochmal eine Klasse beser als die hellen Sorten.

Was du als fehlendes Mundgefühl beschreibst, dieses Zusammenfallen, hab ich beim ersten Probieren intuitiv als “trocken” wahrgenommen. Als würde man was gefriergetrocknetes essen.

Thies
Thies
10. März, 2021 19:16

Ich hatte mal so eine extrem aufgeschäumte Sorte mit Keks-Stücken probiert. Hier wurde offenbar der Cremigkeit wegen “nachgebessert” und nicht um Kalorien zu kaschieren. Das war zwar geschmacklich okay, aber von der Konsistenz fühlte es sich an, als würde ich einen etwas festeren Milchshake löffeln.

Und ich kann mich erinnern, dass Chio mal versucht hatte mit einem Fettersatz kalorienarme Chips auf den Markt zu bringen. Hat sich offensichtlich nicht durchgesetzt.

Ach und eine Frage noch: was soll dieses extra hinweisen auf den Proteingehalt auf solchen Produkten. Ich hab das neulich auch auf einem Pudding im Kühlregal gelesen und kann mir nicht vorstellen, dass damit nur Bodybuilder angesprochen werden sollen.

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
11. März, 2021 03:06
Reply to  Torsten Dewi

Naja, Protein fördert ja auch Muskelaufbau. Wenn man dazu also noch Sport treibt, kann das extra Protein schon dabei helfen, diese aufzubauen und damit langfristig Fett zu verlieren.

Moepinat0r
Moepinat0r
11. März, 2021 12:27

Schon, nur bringen die 2g im Pudding nix wenn die gains durch 20g fett und Zucker zunichte gemacht werden. Kein Bodybuilder würde zum aufbauen der Muskelmasse zu solchen Produkten greifen, das ist nichts als zynische bauernfängerei.

Stefan
10. März, 2021 19:42

Kennst du die Eismischungen von Foodspring?
https://www.foodspring.de/protein-ice-cream
Man kommt bei der Zubereitung auf 520 Gramm bei 880 Kalorien, aber kaum Zucker. Ich hatte mal die Erdbeerversion, schmeckte ganz gut. Man könnte die Mischungen auch aufpimpen, Schoko mit Keksen etc. Nachteil: Mit 10 Euro ziemlich teuer.

Feivel
Feivel
10. März, 2021 23:02
Reply to  Stefan

10 Euro! Dann muss das Eis aber mindestens so gut sein wie 12 Minuten Katusin.

takeshi
takeshi
11. März, 2021 08:44

Ich kann deiner Einschätzung nur zustimmen.
Ich habe gestern bei REWE die Peanut-Butter-Variante von Breyers mitgenommen und mir abends bei ein paar Folgen von “My Name is Earl” gegönnt.
Das Auslöffeln des 465ml Bechers hat doppelt so lange gedauert, wie ein etwa gleich großer Becher meines mir sonst geschmacklich am meisten zusagenden Herstellers Florida-Eis, denn der Geschmack des Breyers war leider besch… eiden.
Der Edeka-Variante werde ich trotzdem eine Chance geben.

Moepinat0r
Moepinat0r
11. März, 2021 12:49

Danke für den ausführlichen Test. Mein persönliches „Review“ beschränkte sich darauf 3 verschiedene Becher Halo Top zu kaufen und auszulöffeln (natürlich nicht alle auf einmal). Ich wusste dass es teuer war und eher bescheiden geschmeckt hat, aber dass die auch noch an der Masse geknausert haben, finde ich geradezu frech. Ich hoffe das Edeka Eis taugt da mehr.
Übrigens, hast du die Anweisung befolgt und das Eis erstmal 10 min stehen lassen, damit es cremiger wird? Ich hab’s probiert und… es hat nix gebracht. Schmeckte meines Erachtens nach immer noch „kreidig“.

Andreas
Andreas
11. März, 2021 18:15

Ich esse fast ausschließlich Bananeneis, meist ein paar gefrorene Bananen aus dem Froster ein schluck Hafermisch, 1-2 Eiswürfel, ab in den Mixer.
In letzter Zeit hole ich mir 1 mal im Monat von Rewe das Banana-Chunck Eis (400g Becher, 225kcal auf 100g). Das ist genau mein Geschmack.

Mencken
Mencken
12. März, 2021 10:25

Ich hole mir mein Eis immer von der Eisdiele, insofern fehlt mir da jeglicher Überblick. Genußprodukte in Light-Form finde ich aber schon als Idee absurd, wenn ich bereits soweit bin, dass ich Kalorien zählen muss, dann scheint es mir selbstverständlich zu sein, dass “Genussprodukte” ausgelassen werden sollten. Bisher war ich allerdings auch noch nie in einer derartigen Situation, wenn ich mal zugenommen habe, war das mit mehr Sport und ggf. mal 1-2 Wochen fasten eigentlich immer problemlos zu korrigieren.

Flay
Flay
14. März, 2021 08:51

Mir geht es ganz ähnlich, ich könnte jeden Tag nen ganzen Eisbottich (mit Sahne) futtern und hab dann immer noch Hunger, muss dafür aber dann zwischendurch halt immer mal abnehmen. Mehrere Tage am Stück Fasten (also nur Trinken, Nulldiät) halte ich allerdings viel leichter durch, weil dann nach der Anfangsphase das Hungergefühl weggeht…ständige Hungerwellen, begleitet von Rettungswürfen gegen die eigene Willenskraft, wie der geneigte Pen&Paper-Zocker sagen würde, machen das Abnehmen echt zäh. Man will ja nicht dauernd schlechte Laune haben. Würde daher wenn überhaupt nur gelegentlich nen Proteinshake trinken, sowie die obligatorische Multivitaminpille – bloß nix mit Zucker während dem Fasten.