15
Jan 2017

Fantasy Filmfest White Nights 2017: The Transfiguration

Themen: FF White Nights 2017, Film, TV & Presse, Neues |

USA 2016. Regie: Michael O’Shea. Darsteller: Eric Ruffin, Chloe Levine, Aaron Moten, Danny Flaherty, Anna Friedman

Offizielle Synopsis: Milo ist vierzehn und lebt mit seinem älteren Bruder in einem heruntergekommenen Viertel von Queens. In der Schule gilt er als Freak, zu Hause vergöttert er alte Vampirschinken auf VHS und verbringt seine Zeit mit schrägen Naturdokus. Wenn Milo durch die Straßen der Stadt streift, fühlt er sich wie einer von den LOST BOYS und es dauert nicht lang, bis mehr und mehr blutleere Leichen seinen Weg pflastern und ihre Habseligkeiten sich hinter seinem Videostapel vermehren. Doch dann zieht eines Tages das Mädchen Sophie nebenan bei ihrem Großvater ein – und Milo findet unerwartet eine Freundin in der Außenseiterin. Plötzlich sieht er die Welt mit anderen Augen und schmiedet einen Plan, der Konsequenzen haben wird …

Kritik: Ich habe es mehrfach gesagt, ich sage es nochmal – das FFF sollte seine Planung etwas überdenken. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige weniger entspannte Zuschauer (z.B. Yetis) auf der Suche nach splatteriger Zerstreuung nicht gerade hoch erfreut sind, zum Auftakt der FFF White Nights eine Sozialstudie über emotional blockierte Jugendliche im Wohnförderungsghetto zu schauen, die nur marginale Genreelemente mitbringt. “The Transfiguration” ist keine leichte Kost, kein leichter Einsteig. Da wird einiges an Sitzfleisch aufgebraucht, was in den nächsten zwei Tagen anderweitig verplant ist.

Ich bin aber kein Yeti, ich habe auf dem FFF schon “End of Animal” und “Evolution” überlebt und so manchem oberflächlich die Geduld strapazierenden Introspektionsdrama einen Unterhaltungswert abgerungen. Und das gilt auch für “The Transfiguration”. Weil der Film trotz oder gerade aufgrund seiner extremen Langsamkeit einen genauen Blick entwickelt, weil die Figuren um Milo herum folgerichtig entwickelt werden und weil sein ganz persönliches Drama, das wir aus unaufdringlichen Details zusammen puzzeln können, schmerzhaft authentisch wirkt. 

Milos Glaube, ein Vampir zu sein, ist keine Spinnerei – es ist die logische Reaktion auf sein Umfeld, seine Überlebensstrategie. In ihr er hat er sich eingerichtet. Sophie bricht diese Schale auf, weil sie andere Ziele hat, Heilung und Neuanfang sucht. Dass Milo über den “point of no return” hinaus ist, zwingt den Film in die Erlösung, die kein Happy End sein kann.

Die Tatsache, dass “The Transfiguration” von Leuten gemacht wurde, die augenscheinlich den Projects-Alltag ebenso genau kennen wie die Geschichte der Kino-Vampire, sorgt für eine Fülle netter Details, die dann eben doch die arg gezogene Dramaturgie aufhübschen.

Schon klar: O’Sheas Film ist nichts für Gelegenheitsgucker, Gorebauern und Gruselfans. Aber ich ihr wisst ja, dass ich gerade deshalb zum FFF gehe, um Filme aus der Genreperipherie zu entdecken, die nicht für 3,99 Euro bei Müller auf dem Grabbeltisch zu kriegen sind. Und weil bei “The Transfiguration” die gemächliche Erzählgeschwindigkeit dem Konzept und nicht der mangelnden Kompetenz geschuldet ist, passt das auch ganz gut. 

Fazit: Eine extrem lakonische “black experience”-Variante von Romeros “Martin”, die wie das Original nicht von Tempo und Effekten lebt, sondern von der behutsamen Beobachtung gebrochener Lebensentwürfe. 6/10. Man müsste ein Yeti sein, um das nicht zu verstehen.

Shriek of the Yeti:

“Zielsicher als Auftakt ein gnadenloser Langweiler. Möchte gern ein “Martin” für heute sein, ist aber halt doch nur pretentious crap, in dem ein paar gute Ideen heillos vergammeln. 4/10.”

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6 Kommentare
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heino
heino
15. Januar, 2017 11:13

Der läuft bei uns als Abschlussfilm. Ist mir recht, da kann ich gegebenenfalls früher heimgehen……

Clemens
Clemens
15. Januar, 2017 12:20

deine kritik klingt aber positiver als deine bewertung mit 6/10 😉

heino
heino
16. Januar, 2017 16:54

Bei uns lief der zum Abschluss nach Invisible Guest, Hunt for the wilderpeople, Safe neighborhood und The Void. Und da hätte auch ein deutlich besserer Film schlechte Karten gehabt, weil die anderen Filme beim Publikum das Adrenalin hochgetrieben hatten.

Leider konnte ich dem Film abgesehen von den guten Darstellern aber auch nicht viel abgewinnen. Was Sophie an Milo findet – der ihr gegenüber immer sehr distanziert ist – hat sich mir nicht erschlossen und die Mischung aus Ghetto-Drama und Horror ist in meinen Augen überhaupt nicht gelungen. Das extrem verschleppte Tempo ist da auch nicht eben hilfreich.

3/10

Wortvogel
Wortvogel
16. Januar, 2017 16:57

@ Heino: Ich fand es sehr offensichtlich, dass Milo für Sophie ein Anker ist, weil er als einziger Mann in ihrem Umfeld nicht “aggressively male” ist, nicht säuft oder sie misshandelt. Aber ich kann gut verstehen, wenn man “The Transfiguration” erheblich zu langsam und zu vage findet – bei uns lief der ja als erster Film, da waren alle noch frisch.

heino
heino
16. Januar, 2017 17:43

Hm, das kann man in der Tat so sehen. Ändert aber nichts daran, dass der völlig an mir vorbei ging.

Marcus
Marcus
16. Januar, 2017 19:36

Der Film ist eine gut beobachtete Milieustudie auf die gleiche Weise, wie eine statisch vor die nächste Wand gestellte Kamera eine gut beobachtete Studie von Tapetenmustern ist. Die Einordnung ist nicht falsch, aber was will man damit?

Wer auch immer diesem Film was abgewinnen konnte, ich beneide ihn. Für mich war das einfach nur endlose, prätentiöse Langeweile, mit Figuren, die mich gar nicht scheren können, weil der Film sie mir nicht vorstellen mag. Und wie Heino schon sagt: Ghetto und Horror gehen hier nicht zusammen. 1/10.