Fantasy Filmfest 2014 (11): Cold in July
Themen: Fantasy Filmf. 14, Film, TV & Presse, Neues |
Inhalt: Texas, 1989. Bilderrahmen-Verkäufer Richard überrascht des nachts im Haus einen Einbrecher und erschießt ihn. Kein Problem, laut Polizei war der Gauner ein hoffnungsloser Fall, dessen einziger Verwandter – sein Vater – ebenfalls den größten Teil seines Lebens im Knast verbracht hat. Dummerweise taucht dieser Vater pünktlich zur Beerdigung seines Sohnes auf und schwört Richard Rache. Glücklicherweise kann Russel festgenommen werden, bevor er der Familie des aufrechten Texaners etwas antut. Aber warum hat Richard langsam das Gefühl, dass an der ganze „Akte zu, Affe tot“-Routine der Polizei irgendwas nicht stimmt? Und warum sah der erschossene Einbrecher so gar nicht wie der Mann aus, den Richard laut Fahnungsposter auf dem Gewissen hat?
Kritik: That’s more like it! Es lohnt sich halt doch, wenn man sich bei den Klassikern bedient, in diesem Fall bei Hardboiled-Ikone Joe R. Lansdale. Sein Roman "Kalt brennt die Sonne über Texas" ist die Vorlage für diesen überlegenen Crime Thriller, in dem ein unbescholtener Bürger durch eine Notwehr-Tat in ein weitreichendes Komplott gezogen wird, mit seinen Feinden gemeinsame Sache machen muss – und am Ende „Texas justice“ mit dem ganz großen Kaliber verteilt. Glaubt man anfangs noch, den ganzen Plot vorhersagen zu können, weil Lansdale das typische „Bürger muss sich gegen Psychpath wehren und wächst dabei über sich hinaus“-Szenario wie in „Cape Fear“ baut, dreht „Cold in July“ schon nach 40 Minuten in eine völlig andere Richtung. Das kommt so unvermutet und doch so folgerichtig, dass man schlagartig wieder gebannt mitfiebert. Und dann führt Lansdale noch einen Charakter ein, den ich euch nicht spolern möchte, weil er prädestiniert ist, zur Kultfigur des Festivals zu werden.
Michael C. Hall, Sam Shepard und Don Johnson sind so ziemlich das geilste Protagonisten-Trio, das man sich vorstellen kann – und der Beweis, dass es eben doch einen Unterschied zwischen Schauspielern und Schauspiel-Legenden gibt. Mickle inszeniert straff und schnörkellos, präsentiert beeindruckende, aber nie gelackt wirkende Bilder, getragen von einem fast schon carpenter-esk minimalistischen Soundtrack.
Vorwerfen kann man „Cold in July“ allenfalls, dass es sich um einen waschechten Selbstjustiz-Streifen handelt, der allen NRA-Mitgliedern und stolzen Verfechtern des zweiten Verfassungszusatzes das Höschen feucht werden lassen dürfte. In dieser Welt ist das System korrupt und manche Schweinereien klärt ein echter Mann selbst, am besten mit einer doppelläufigen Schrotflinte. Ob diese sehr auffällig zur Schau getragene Moral vom Genuss des Films subtrahiert, muss jeder mit sich selbst ausmachen. Ich konnte damit leben.
Fazit: Ein großartiger, konstant vor sich hinköchelnder Crime Thriller mit einer herausragenden Besetzung und einigen Plot Twists, die jeder Voraussage trotzen. Streng genommen kein Genrefilm, aber auf jeden Fall ein lohnenswerter Kinobesuch. Don Johnson verdient sich abermals Kultstatus.
"Michael C. Hall, Sam Spepard und Don Johnson sind so ziemlich das geilste Protagonisten-Duo, das man sich vorstellen kann"
’n Duo mit drei Leuten kann ich mir nicht vorstellen…
"Der Jürgen Klinsmann und ich, wir waren ein gutes Trio. – Ich meine Quartett." (Fritz Walter, der Jüngere)
Fahnungsposter?
Jaaaaa, sehr schön! 😀
Habe das Buch gelesen, mag Lansdale sowieso, da freue ich mich natürlich, dass der Film auch gelungen zu sein scheint.
Den, ja tatsächlich eigentlich nicht vorhandenen Genrebezug könnte man ja zudem damit herleiten, dass das Geheimnis, welches die Feinde zusammenschließt, doch in eine Richtung geht, die auch zum Horror passt. 😉
Für mich hatte der Film leider zu große Handlungslücken.
Es wurde nie geklärt wer jetzt der Einbrecher wirklich war. Scheinbar einfach nur ein Einbrecher, aber warum dann die Finger entfernen? Wenn die Gerichtsmedizin eingeweiht war dann wäre das überflüssig, wenn nicht dann würden fehlende Finger doch erst recht sämtliche Alarmglocken losschrillen lassen innerhalb des Systems.
Und warum zur Hölle interessiert sich die Polizei so für den Vater des vermeindlichen Einbrechers? Die haben sich seit 15 Jahren oder so nicht mehr gesehen. Ihn zu verhaften nach der Psychoterroraktion bei Michael C Hall macht ja Sinn, aber warum zur Hölle ihn dann gleich heimlich umbringen? Das macht für mich einfach null Sinn. Der Vater denkt der Sohn ist tot, die Wahrscheinlichkeit einer Kontaktaufnahme mit dem lebenden Sohn ist 0, und mit dem Einbruch hat er sich mehr als Strafbar gemacht, ab ins Gefängnis und die Geschichte ist erledigt. Aber ihn umbringen? Ne sorry.
Yep. 9/10.