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Mrz 2012

Das letzte Geheimnis des alten Koffers

Themen: Neues |

Okay, ich hab’s euch versprochen – ein Schmankerl hat der Koffer noch zu bieten, ein Unikat, das ich verloren wähnte, vielleicht verloren hoffte.

Doch zuerst noch ein paar Zeilen Background: Ich schreibe, seit ich schreiben kann. Es war kein Talent, das gefördert werden musste, keine Neigung, die es zu entdecken galt. Ich musste schreiben. Immer wieder, immer mehr.

Irgendwann, da muss ich 10 gewesen sein, wollte meine Mutter einen VHS-Kurs besuchen, um Schreibmaschine schreiben zu können. Mein Vater brachte von Mannesmann eine elektrische Schreibmaschine mit, die ausgemustert worden war. Das war kein tragbares Gerät, wie man es heute vielleicht noch kennt – es war ein Industrie-Monster aus Stahl und Gusseisen, knapp 20 Kilo schwer, bei dem jedes Mal der Tisch bebte, wenn der Schlitten rechts anschlug. Jeder Tastendruck knallte wie ein Schuss.

Das hier ist NICHT die Schreibmaschine, aber eine ähnliche:

Meine Mutter verlor schnell das Interesse an der Schreibmaschine, sie landete auf dem Boden des Kleiderschranks. Und immer, wenn ich nachmittags von der Schule kam und niemand da war, schlich ich mich ins Schlafzimmer meiner Eltern. Ich zerrte und ruckelte an der Maschine, bis sie endlich vor dem Kleiderschrank auf den Boden kippte. Heben konnte ich sie ja nicht. Sie summte, wenn man den Kippschalter an der Seite umlegte. Dann spannte ich umständlich ein Blatt Papier ein – und fing an zu tippen.

Ich war nicht sicher genug in der Bedienung, um auf Groß- und Kleinschreibung zu achten. Die ersten Texte, Ideen und Kurzgeschichten tippte ich komplett in Großschrift, danach stieg ich um der Lesbarkeit willen auf Kleinschrift um. Ich liebte es, meine Gedanken in perfekten Buchstaben zu sehen statt in der Sauklaue, die aus meinem Füller lief. Maschinenschrift hatte was Ernstes, was Erwachsenes. Sie gebot Respekt, den meine Handschrift nicht verlangen konnte.

Ich war vielleicht 12, als ich auf die Idee kam, einen eigenen Horror-Roman zu schreiben. Damals las ich ein “John Sinclair”-Heftchen nach dem anderen und mein Erzählstil war völlig von Jason Dark definiert, man könnte auch verseucht sagen. So wie er wollte ich schreiben. Knarrig, männlich, gruselig, mit peitschenden Sätzen und aufgewühlten Emotionen!

Also schrieb ich einen Horror-Western. Mit 12 Jahren. Oder 13. Ich hatte keine Ahnung, wie Cowboys heißen oder wo es in Amerika Wüsten gibt. Ich hatte schon Probleme, mir glaubwürdig klingende Ortsnamen auszudenken.

Aber ich wollte das schreiben. Ich musste das schreiben.

Und hier, liebe Freunde, ist die erste Seite von “Die Halbmond-Hexe”:

“Clayton Caruso”? Himmel hilf! Den Rest erspare ich euch.

Ich glaube, sechs Seiten habe ich durchgehalten, bevor mein unsteter jugendlicher Drang mich der Science Fiction in die Arme trieb. Hatte vielleicht mit der aufkommenden Heimcomputer-Welle und den trendigen Weltraum-Spielen zu tun. Von meinem SF-Epos schaffte ich zwei Seiten.

Kein großer oder Ehrfurcht gebietender Anfang. Aber ein Anfang. Und es ist kein Ende in Sicht…



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G
G
28. März, 2012 19:43

Also so weit weg warst du damals nicht von den aktuellen Sinclair-Romanen. 😉

Lukas
28. März, 2012 19:44

Fertig schreiben!

Moss
28. März, 2012 20:00

Das war die Zeit, wenn der Mond mit der ihm zur Verfügung stehenden Kraft die Hälfte seinerselbst beleuchtete.

Grandios. Derart brillanten Unfug braucht die Welt.

Marcus
Marcus
28. März, 2012 20:08

Hmtja – was soll ich sagen?

Du hast den Sinclair-Stil schon damals ausgezeichnet getroffen. Wenn mir einer das vorgelesen und behauptet hätte, das sei aus einem von denen, ich hätte es geglaubt.

Andererseits kann ich den Schreibstil der Sinclair-Heftchen sehr gut mit einem Wort zusammenfassen: GRÄSSLICH.

Ich habe seinerzeit noch als Schüler (muss also in den 90ern gewesen sein) einmal einen Schwung Sinclair mit in einen Urlaub mit meinen Eltern genommen. Danach sah ich schleunigst zu, dass ich zu Stephen King zurückkam. Da erzählt mir wenigstens keiner am Anfang jeder Actionszene, wie Sinclair “gedankenschnell (Anmerkung des Zitierers: ELF!) seine Pistole zückte!”. Die Idiotendiktion und die unfassbare Armut des Vokabulars haben mir effektiver als jede Deutschstunde beigebracht, was “schlechte Schreibe” ist.

Andererseits: dabei dachten vermutlich Dutzende junger Menschen: hey, DAS kann ich auch. Vielleicht sogar besser. Auch ein Verdienst. 😉

Clayton Caruso aus der Nevadawüste
Clayton Caruso aus der Nevadawüste
28. März, 2012 20:13

Ich weiß gar nicht was du hast, die Namen sind doch super!

Halt, stop: Cletus Caruso wäre noch eine winzige Spur besser gewesen!

Marcus
Marcus
28. März, 2012 20:31

“Cletus Caruso wäre noch eine winzige Spur besser gewesen!”

Das war sein Bruder…. 😀

Moebius
Moebius
28. März, 2012 20:46

“Ja, es war wohl vor allem der Hass, der ihn in dieser kühlen Sommernacht der Jahres 1854 in der Wüste hinter einem Stein hocken liess”

Entweder das, oder der Bohneneintopf.

Peter Krause
28. März, 2012 20:51

“Striff” finde ich Klasse. Echte Männerstories brauchen starke Verben.

Achim
Achim
28. März, 2012 21:20

1854?
Ohne Internet sei dir verziehen, dass ER eine Winchester hatte.
Vermutlich auch einen mit Patronen zu ladenden Colt? Da weiß ich aus dem Gedächtnis, dass 1854 noch längst nicht hinhaut.
Winchester gibts seit 1860.

Dennkost
28. März, 2012 21:34

Wäre das nichts für den Roder-Verlag?

reptile
reptile
28. März, 2012 21:34

Oh, sehr genial. So ging es mir in der Kindheit eine Zeit lang auch.
Die Schreibmaschine, die ich mir wünschte, habe ich aber leider nie bekommen. Meine erste Inspiration war auch ein John Sinclair Heft.
Ich weiß noch, dass ich daraufhin meinen eigenen Dämonenjäger erschaffen wollte. Jack Dalton glaube ich war der Name. In der ersten Geschichte mußte Jack gegen einen Werewolf antreten und besiegte ihn mit einem magischen Colt. Die Geschichte verfasste ich mangels Schreibmaschine per Hand. Leider ist das Ding verschollen.

Und Schreiben war auch lange Zeit kein große Thema mehr in meinem Leben. Jetzt, seid einigen Jahren wieder. Allerdings mehr im Sachbereich. Dem Geschichten erzählen nähere ich mich erst langsam wieder.

Wortvogel
Wortvogel
28. März, 2012 21:37

@ Marcus: Ich würde durchaus sagen, dass Herr Rellegerd meine Schreibstil auf Jahre hinaus versaut hat. Ich musste mir diese alberne Schreibe regelrecht wieder abtrainieren.

@ Dennkost: In der Tat erinnert mich John Asht stilistisch an billige Groschenromane der übleren Art.

Snyder
Snyder
28. März, 2012 21:47

naja, ich will ja nix sagen, meine erste Kurzgeschichte begann mit einer Variation von “Es war eine dunkle und stürmische Nacht”

Wortvogel
Wortvogel
28. März, 2012 21:50

Meine ersten zwei Zeilen finde ich heute noch so “vintage Sinclair”, dass es mir fast Schmerzen verursacht.

Shah
Shah
29. März, 2012 01:57

Na und? ist doch super. Man schämt sich doch auch nicht mehr, dass die ersten gelesenen Zeilen “Mein erster Wackelzahn” oder die Pixi-hefte waren….. also 😉

S-Man
S-Man
29. März, 2012 08:48

Also gegen den Kram, kommen meine ersten Schreibversuche nicht im ansatz ran. Ich habe mich jahrelang meinen Klassenkameraden überlegen gefühlt, weil ich (Achtung!) dichten konnte… Ähem. Zumindest hat das meine (aus heutiger Sicht sehr beschränkte) Lehrerin gemeint, die mich weiter dazu ermutigte, unrhythmische AABB-“Gedichte” zu schreiben. Dabei handelte es sich durchaus gern auch mal um gesellschaftskritische Stücke, wie das in der Talentshow der 4. Klasse vor aller Welt inbrünstig herausgehauene “Tier-Umwelt-Gedicht”, was inhaltlich an dein gestern veröffentlichtes malerisches Kunstwerk herankommt. Und genauso lyrisch, poetisch und sowas war, wie dein Bild malerisch perfekt 😀 Auch das war eine AABB-Reimsammlung und (festhalten!) Refrains nach jeder der sagenhaften drei sechszeiligen Strophen. Oh Mann. Meine Lehrerin hatte es echt zu gut mit mir gemeint, glaube ich – aber von Förderung keine Spur. Jedenfalls habe ich es mir so unglaublich leicht gemacht, und allen Menschen in meinem Umkreis zu jedem erdenklichen Anlass, eine Stunde vor Angst etwas hinzureimen, was ich dann als “liebevolles” Geschenk überreichen konnte. Schlussendlich ist meinem Vater die Gute Miene zum bösen Spiel irgendwie ausgegangen und hat mal Tacheles gesprochen und meinte, er könne diesen Gedichten nichts abgewinnen. Ich gab schlagartig die Dichterei auf und gründete den Turtles-Club. 😀

@Moss: Ja, grandioser Satz. Den müsste man in so ein kleinen, vergilbten Holzrahmen über den Schreibtisch hängen. Er ist episch genug, aber zum Schmunzeln und Motivieren genügt er dennoch 😀

Gregor
29. März, 2012 11:14

Herzig finde ich die sexuellen Untertöne.

“Sie spürte es mit jeder Faser ihres schwarzmagischen Körpers.”

“Und sie war gekommen!”

“Mit einer nie gekannten Gewalt explodierte der Fels. […] Sie war gekommen.”

“Doch es war nicht die Angst, die ihm eiskalte Schauer über den Rücken jagte, sondern die Erregung […]”

o_O

Peroy
Peroy
29. März, 2012 11:27

Ich bin doch… einigermaßen enttäuscht…

DMJ
DMJ
29. März, 2012 11:43

Ob man es nun erstrebenswert finden mag, oder nicht, aber du hast den Rellergerd-Stil wirklich erstaunlich exakt getroffen!

Den Namen “Clayton Caruso” finde ich aber auch ziemlich cool. Wenn du ihn nicht mehr magst – kann ich ihn haben? Keine Ahnung, ob ich ihn mal irgendwo untergebracht kriege, aber er regiert.

Exverlobter
Exverlobter
29. März, 2012 12:38

Mit 13 oder 14 wurde ich auch zum Hobby-Autor. Ich schrieb ein 40 seitiges Drehbuch zu einem Star Trek Fanfilm, den ein paar Kumpels und ich tatsächlich realisieren wollten (das war zu der Zeit als Robert Amper relativ populär mit seinen Highlander-Projekten wurde und es ihm alle nachmachen wollten). Aus der Planungsphase sind wir zwar nie rausgekommen, aber zumindest das Drehbuch wurde von mir vollendet.
Habe es demletzt mal wieder auf einer alten Diskette gefunden.
Mittlerweile muss ich sagen: Gott sei Dank haben wir diesen Schund nie verfilmt. FanFic gequirlte Scheiße zum Abkotzen.
Wenn nicht mal das Drehbuch passt, kann aus dem Fanfilm auch nix werden.

BTW, bin übrigens immer noch der Meinung, dass die bislang besten Hobbyfilmer aus der Redaktion der Zeitschrift Gamestar in München kommen.
Die Serie “Raumschiff Gamestar” ist IMO immer noch das kultigste aus dem Amateur-Bereich.

Achim
Achim
29. März, 2012 20:00

S-Man, du hast es als Kind gemacht, du hast damit aufgehört, das ehrt dich.

Wie viele Reimverbrecher laufen in der Republik frei herum, reimen ohne Versmaß und nennen sich Dichter?

Viel zu viele!

Peter Krause
29. März, 2012 20:25

@Achim: ich dachte, die nennen sich Rapper …

Will Tippin
Will Tippin
29. März, 2012 20:53

Hatte in der achten oder neunten Klasse mal einen Science-Fiction-Roman gestartet. Leicht totalitäre Welt mit besoffenem Hauptdarsteller, die Grundstory hatte ich aus einem “Gespenster-Geschichten”-Comic (wie auch immer das hieß): Mann macht bei Zeitreise-Experimenten mit, tritt versehentlich auf ein Ur-Insekt und kommt in eine veränderte Gegenwart zurück. Gibts da nicht eine passende Verfilmung dazu, irgendwas mit Thunder? Beim Kellerausmisten ist mir das Heft (ja, handschriftlich) letztens in die Hände gefallen, offenbar hatte ich zwei Versionen des Anfangs (allzu weit war ich nicht gekommen) entworfen, wovon der eine gar nicht mal so schlecht ist. Fehlt nur noch mein “Silly and Stupid” – Comic, der ist verschollen…

CthIngo
CthIngo
29. März, 2012 22:07

Dämonenjäger Mark Holland.
In DIN A5 Schulheftchen reingeschrieben, nix Schreibmaschine. Und sogar die Cover selbst gemalt:
http://postimage.org/image/vdecz7zbn/ (mal sehen ob das geht?)
Nur vier Teile geschrieben, aber Titel für weitere hundert (oder so) ausgedacht (im Sinclair-Stil) 🙂

Wortvogel
Wortvogel
29. März, 2012 22:14

@ Will Tippin: “A sound of thunder”. Besser ist aber die deutsche Studenten-Kurzfilm-Variante “Ausgestorben” von Michael Pohl:

http://youtu.be/DX4nwRT_sug

Wortvogel
Wortvogel
30. März, 2012 13:45

@ Cthingo: Sensationell! Großes Tennis! Ganz klasse! Ich mag vor allem die “FOLGENschwersten Fälle”!!!