08
Okt 2021

Parkomania in der BRD

Themen: Neues |

Ich könnte mittlerweile Bücher über das schreiben, was ich als PKW-Abzocke empfinde. Die Tatsache, dass die Städte immer mehr Parkflächen schließen und die Autofahrer damit in die überteuerten Parkhäuser zweier Mega-Unternehmen zwingen (Conti und Apcoa), ist für sich genommen schon ein Skandal. Versteht mich nicht falsch: ich bin für die weitgehende ent-autorisierung der Innenstädte. Aber dann ist die Kommune auch verpflichtet, Alternativen zu stellen. Und wenn sie das nicht tut, dann darf sie den Bürger nicht den Profitlern überlassen. Neben den Parkhäusern sehe ich die kommerziell betriebenen Radar-Säulen und die Supermarkt-Parkwächter als (nicht ganz so) neue Schikanen gegen die Autofahrer, die mittlerweile das Schicksal der Raucher teilen: es gilt als unfein, sich mit ihnen zu solidarisieren, auch wenn sie Recht haben.

Es läuft eigentlich immer nach dem gleichen Muster ab: man nimmt ein tatsächlich existierendes Problem (Raser, Falschparker), das bisher die Kommune oder das betroffene Unternehmen lösen mussten. Dann überträgt man die Kontrolle und die Abmahnung gegen Beteiligung an ein Privatunternehmen. So hat man keine Mühe mehr, schafft im Idealfall sogar Arbeitsplätze. Das Problem: Die Kontroll-Unternehmen haben natürlich Gewinnabsicht und sind auf Profitmaximierung aus. Im Klartext: sie wollen die Verstöße gar nicht reduzieren oder verhindern, weil sie von ihnen leben. Wer viele Knöllchen schreibt, hat die besseren Zahlen. Darum werden die Bestimmungen auch so streng wie möglich gefasst. Die eigentlich verantwortlichen Kommunen waschen ihre Hände in Unschuld – was mal mehr, mal weniger gut ankommt.

Ich hatte zu dem Thema ja schon über meine “Abenteuer” in England und in Trudering geschrieben. Nun ist ein neues Kapitel hinzu gekommen und ich möchte es primär deshalb mit euch teilen, weil es einen möglichen Ausweg aus der Kostenfalle aufzeigt.

So fahre ich manchmal, aber eher selten, zu einem großen Supermarkt in unserer Gegend. Bevorzugt dann, wenn ich auch Getränke und Katzengras brauche, die es in den dafür verantwortlichen Geschäften direkt nebenan gibt. Das war bis vor ein paar Monaten easy und weitgehend stressfrei – man musste nur aufpassen, nicht aus Versehen auf den schlecht markierten Behindertenparkplätzen zu halten, was aber auch nur mit pampigen Kommentaren anderer Kunden quittiert wurde.

Am 27.8. – einem Freitag – bog ich mal wieder auf das große Gelände ein und freute mich, gleich hinter der Einfahrt den ersten Parkplatz frei vorzufinden. Direkt am Eingang des Supermarktes. Also nix wie rein, dann raus aus dem Auto und brav mit Liste, Kuli und Einkaufswagen zur Erfüllung meiner Konsumentenpflicht. Viel war nicht zu erwerben, ich rechnete mit 20 Minuten, es wurden knapp 15.

Und dann fand ich das hier unter meiner Windschutzscheibe:

Knapp 25 Euro sollte mich der Spaß kosten. Ich schaute mich erstmal verwirrt um: Parkscheiben-Pflicht? Seit wann DAS denn?! Aber siehe da, weiter hinten auf dem Gelände entdeckte ich an den Seitenwänden des Marktes blaue Schilder, die wohl auf eine verpflichtende Kennzeichnung des Parkbeginns hinwiesen.

Hatte ich nicht gesehen – nicht von dem ersten Parkplatz auf dem Gelände aus. Und ein sattes Knöllchen nach gerade mal 15 Minuten? Aber klar: es war ja nicht der Supermarkt, der mir einen reinwürgen wollte. Man hatte es sich bequem gemacht und ein Unternehmen dafür angeheuert. Es gehört schon fast in den Bereich Ironie, dass mein Kassenzettel belegte, dass ich bei der Ausstellung des Knöllchens gerade meine Einkäufe bezahlt hatte.

Ich machte mich auf die Suche nach dem Aussteller meines Knöllchens – für ein Fördergespräch, wie meine LvA das immer ausdrückt. Allerdings scheinen diese Parkplatz-Sheriffs gerne nach getaner Arbeit im Gully zu verschwinden, um sich nicht dem Groll der Gestraften aussetzen zu müssen.

Kaum daheim, setzte ich mich an einen Rechner und verfasste eine Email folgenden Wortlauts:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu meiner großen Überraschung fand ich eben einen Strafzettel an
meinem Wagen, nachdem ich knapp 15 Minuten bei meinem örtlichen REWE
eingekauft hatte (Scan anbei). Bei näherer Lektüre stelle ich fest –
man möchte wohl satte 24,90 Euro von mir haben, weil ich keine
Parkscheibe hinterlegt hatte.

Auf dem ersten Parkplatz vor dem Supermarkt, auf dem ich geparkt habe,
ist beim Aussteigen kein entsprechendes Schild ersichtlich. Nach
Prüfung stellte ich fest, dass dieses ein paar Meter weiter hinten und
quer an der Mauer angebracht ist, wo ich es schlicht nicht sehen
konnte, als ich direkt zum Eingang gegangen bin. Es wäre ja kein
Problem gewesen – ich habe durchaus eine Parkscheibe. Ich bin nicht
renitent.

Ich halte es – abgesehen von der rechtlichen Fragwürdigkeit – für
nicht zielführend, Kunden für einen so albernen Lapsus gleich zur
Kasse zu bitten. Ein Zettel unter dem Scheibenwischer “denken Sie
nächstes Mal bitte an die Parkscheibe” wäre sicher effektiver, denn
dieser Strafzettel hat lediglich den Effekt, dass ich diesen
REWE-Markt künftig meiden werden. Wenn das im Sinne des Erfinders
ist…

Ich verstehe, dass Mittel und Wege gesucht werden, den Missbrauch des
Parkprivilegs zu ahnden. Das war hier aber eindeutig nicht der Fall.
Darum bitte ich Sie im Sinne der Fairness und Vernunft, diesen
Strafzettel zu stornieren.

Beste Grüße,

Torsten Dewi

Man sieht: ich wähle zwei Ansätze. Erstmal halte ich das Knöllchen in diesem Fall für ungerechtfertigt, und dann setze ich auch noch auf Kulanz, weil ein verärgerter Kunde mehr Probleme macht, als die Sache wert ist.

Es gehört zu den wenigen sicheren Erkenntnissen meines Lebens – im Umgang mit Kundenservice und Hotline immer erstmal freundlich bleiben. Sich den Namen des Mitarbeiters merken, mit Namen ansprechen, um Hilfe bitten statt Forderungen stellen. Das ist mitunter bares Geld wert. “Das ist ein Skandal- ich gehe damit zur Zeitung!” ist selten zielführend.

Tatsächlich ist die Antwort am nächsten Tag von vergleichbarem Tonfall:

Sehr geehrter Herr Dewi,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Gerne möchten wir Ihnen den Hintergrund für die Parkraumüberwachung erläutern:

Der Parkplatz vor Ort wurde leider immer häufiger durch „Fremdparker“ genutzt, so dass Kunden keine Möglichkeit hatten, für einen entspannten Einkauf schnell und unkompliziert einen freien Stellplatz zu finden. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurden wir mit der Parkraumüberwachung beauftragt und die Parkscheibenpflicht eingeführt. Nur mit einer ausgelegten Parkscheibe können wir unterscheiden, wer nur für die Dauer des Einkaufs den Parkplatz nutzt. Am von uns betreuten Parkplatz wurden mehrere gut sichtbare Hinweistafeln sowie unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen angebracht. Bei den von uns betreuten Flächen handelt es sich um privates Eigentum, so dass der Bußgeldkatalog hier keine Anwendung findet.

Sofern Sie Kunde in dem Rewe-Markt, Keferloher Str. 14A in 85540 Haar waren, können Sie uns gerne einen Kassenbeleg vom jeweiligen Zeitraum per Mail, Fax oder Brief unter Angabe des Aktenzeichens zusenden. Wir werden den Fall dann einmalig stornieren. Wir bitten Sie, zukünftig eine Parkscheibe im Frontbereich des Fahrzeugs auszulegen, bzw. die Parkdauer zu beachten, um Missverständnisse zu vermeiden. Vielen Dank.

Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag.

Ich bin in diesem Moment froh, den Kassenbeleg eher rein zufällig nicht weggeworfen zu haben. Ansonsten hätte ich es mit dem Beleg der Konto-Abbuchung versuchen müssen. Ich schicke den Scan, die Strafe wird storniert. Ich verkneife mir dennoch nicht diese abschließende Bemerkung:

Danke für die Rückmeldung. Das Problem, dass Menschen Supermarkt-Parkplätze als Dauerstandplätze missbrauchen, kenne und verstehe ich. Ich glaube halt nur, dass man eine Balance finden muss zwischen Ahndung und unnötiger Belästigung “ordentlicher” Kunden.

Warum ich euch das erzähle? Weil ich zeigen will, dass man sich mit ein wenig Fingerspitzengefühl eben doch wehren kann – sofern man nicht sehr offensichtlich die Spielregeln ignoriert hat. Tipp: sucht keinen Streit, sucht Einigung.

Neulich bin ich mal wieder beim selben Supermarkt eingekehrt – und siehe da, man hat die Menge der Schilder verdoppelt und vor dem Eingang noch mal das hier aufgestellt:

Immerhin.

Beim ALDI in der Nähe steht übrigens nur, man möge die Parkzeit nicht unnötig überschreiten. Scheint auch zu gehen.

Ich bleibe dennoch bei meiner Ausgangsthese. Die immer weitere Reduktion von Handlungsspielräumen und das immer stärker eingeforderte Pflichtverhalten nervt mich. Diese permanente Gängelung, dieses ewige nervöse “dürfen wir das hier überhaupt?”, die fast zwanghafte Suche nach Schildern mit Handlungsanweisungen reduzieren meine Freude, ein freier Bürger zu sein. Es muss nicht alles reguliert werden, was reguliert werden kann. Und nicht jeder Verstoß gegen eine Regel muss auch gleich kostenpflichtig geahndet werden.

War ja früher auch nicht nötig.



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comicfreak
comicfreak
8. Oktober, 2021 11:25

Meist bekommst du an der Kasse direkt ein Formular, auf das du den Kassenzettel klebst, dann ein Foto davon an die Mailadresse und wenn du nicht noch gerade “Fuck you” dazu schreibst ist es erledigt

Martin Däniken
Martin Däniken
8. Oktober, 2021 14:06

“Der Markt regelt…” bäh

Bin kein Autofahrer und bin hin und hergerissen:
Mit dem PKW`ler kann mans ja machen(Wer Auto fährt ist schuld,naja) und andererseits der Frust- und Wutlevel wird bei einigen ansteigen und den oder andereen ausrasten lassen (gibt dann was Schickes auf YT,hähä)!
Neben dem ganzen anderen Mist an der Backe sind Knöllchen echt anregend-weil AUTO-heilige Kuh.
Das meine ich Todernst…
Wenn jemand was am Auto macht, greift er die Privatsphäre des Einzelnen an!

Wenn sich irgendwelche Firmen bereichern und die Kohle nicht z.B. für Stadtverschönerung ausgegeben wird also einen gewissen Wert hat,isses schiete…
Wenn die Verträge von irgenswelchen Beamten genehmigt werden müssen, (obwohl Privatgelände?), naja ok.
Aber wenn Privatfirmen im öffentlichen Raum(vor Behörden) kassiereren wg Outsorcing, wirds interessant und teuer.
Ich denke bei solchen Sachen immer an die Entscheidungsprozesse:
-man kennt jemand
-diskrete private Verhandlungen(Ergebnis:neue Gartenterrasse)
-sch…egal(nicht mein Geld) hab eh keine Ahnung

Also sind Flugtaxis die Lösung?! 😉

PurpleDragon
PurpleDragon
8. Oktober, 2021 14:07

Als das bei unserem Aldi/Edeka Kombi Parkplatz eingeführt wurde, standen monatelang im Eingangsbereich vom Aldi (beim Edeka weiß ich es nicht mehr) genau solche großen Aufsteller mit “Bitte denken Sie an Ihre Parkscheibe”. Mittlerweile sind die Aufsteller verschwunden, dafür ist der Parkplatz großzügig mit Hinweisschildern gepflastert. Finde ich okay so. Zumal keine 100m weiter eine S-Bahn Haltestelle ist und der Parkplatz durchaus gerne als P+R genutzt wurde.

Fies fanden wir im Urlaub die Variante in Traben-Trabach. Der dortige Aldi/Edeka Kombi Parkplatz war teilweise mit diesen Plastikhubbeln bestückt, die automatisch die Parkzeit erfassen, und teilweise fehlten diese. Auf letzteren Parkplätzen musste man die Parkscheibe rauslegen. Wirklich gut gekennzeichnet waren die verschiedenen Bereiche nicht. Aufgefallen ist uns das erst nach unserem dritten Besuch auf dem Parkplatz. Ein Knöllchen haben wir zum Glück nicht bekommen, aber diese minimalen Unterschiede der Parkbuchten auf ein und dem selben Parkplatz fanden wir schon frech.

martzell
8. Oktober, 2021 14:53

Danke für die hervorragenden Beschwerdetexte.

Wenn’s wenigstens einheitlich wäre. Ich war monatelang, vielleicht sogar über ein Jahr, überzeugt mit Parkscheibe bei dem Lidl parken zu dürfen und musste jetzt 25 Euro teuer lernen dass die Parksensoren haben und minutengenau die Standzeit erfassen. Kassenzettel habe ich leider weggeworfen.

Gute Idee mit dem Kontoauszug als Nachweis dass ich eingekauft habe.

https://www.sat1.de/tv/fruehstuecksfernsehen/video/von-parken-und-petzern-clip

PabloD
PabloD
8. Oktober, 2021 15:33

Das Outsourcing von privaten (oder zumindest gepachteten) Parkraum an Drittfirmen kann ich ja irgendwie aus kapitalistischen Gründen noch nachvollziehen.
ABER: Es gibt tatsächlich kommerziell betriebenen Radar-Säulen? Wie ist denn da die konkrete Rechtslage? Und was kommt als nächstes: Kommerziell betriebene Ampeln (“Nur noch ein Werbespot und wir schalten auf Gelb!” oder besser gleich PayForGreen)? Eine Zebrastreifen-Flatrate?

Klaus
Klaus
8. Oktober, 2021 15:54

Ich habe in meinen frühen Zwanzigern mal in einem Supermarkt als 400-€-Kraft gearbeitet und habe auf dem Parkplatz eben dieses Supermarktes einen Strafzettel bekommen (wenn man fünf Stunden arbeitet, überschreitet man nun mal zwangsläufig die Maximalparkdauer und man ist auch nicht in der Position, alle 60 Minuten den Markt zu verlassen und die Scheibe nachzustellen/umzuparken). Damals brauchte es einigen Aufwand, bis der Strafzettel zurückgenommen wurde und ich vom Markt eine “Ich arbeite hier, lass mich in Frieden”-Karte gestellt bekommen habe.

comicfreak
comicfreak
12. Oktober, 2021 11:10
Reply to  Klaus

Das ist heftig

martzell
18. Oktober, 2021 07:40

Vielen Dank für die Idee mit dem Kontoauszug. Hat mir 25 Euro gespart.