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Jul 2011

Disposable Dozen (11): Hobo with a Shotgun

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

hobo-with-a-shotgun-2 USA / Kanada 2011. Regie: Jason Eisener. Darsteller: Rutger Hauer, Gregory Smith, Robb Wells, Brian Downey, Jeremy Akerman, Molly Dunsworth

Story: Eine recht- und morallose Stadt, irgendwo, vielleicht in den frühen 80ern: Obdachlose töten sich vor laufender Kamera für ein paar Dollars, Gangster haben die Polizei unter Kontrolle, niemand ist sicher. Bis der Obdachlose kommt. Eigentlich will er nur einen Rasenmäher kaufen, doch er freundet sich mit der geschundenen Prostituierten Abby an und beschließt, den Abschaum von der Straße zu fegen – mit einer Schrotflinte. Doch die schmutzigen Könige der Stadt sind nicht bereit, sich die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Bald schon färben sich die Straßen rot. Doch in der Gewalt steckt keine (Er)Lösung, das weiß der Obdachlose nur zu gut…

Kritik: Als kurze Info nur vorab – “Hobo with a Shotgun” basiert wie “Machete” auf einem Fake-Trailer aus “Grindhouse”:

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Man darf sich zu allererst mal freuen, dass die Macher – anders als bei “Machete” – den farblosen Hauptdarsteller des Trailers ersetzt haben. Durch Rutger Hauer. Und dass Hauer so eine richtig schöne müde-traurige Charakterperformance abliefert, die ihn endgültig als “first choice” nicht mehr für den Helden, aber doch für den Mentor, die Vaterfigur, den Weisen empfiehlt. Seine Falten erzählen Geschichten, aus seiner Stimme tropft rauchige Wehmut. Einstmals strahlende Augen glimmen schwach, schwächer werdend.

“Hobo with a Shotgun” ist die Geschichte eines Mannes, der nach einem verlorenen Leben in einer verlorenen Welt nur noch seinen ganz privaten Frieden sucht – aber angesichts des moralischen Vakuums seiner Umgebung immer wieder gezwungen wird, Blut mit Blut zu begleichen, Gewalt mit Gewalt. In einer Welt, die Sodom wie Disneyland aussehen lässt, führt er das Prinzip alttestamentarischer Rache wieder ein.

Das alles könnte eine Meditation über den Verfall der Stadt sein, ihrer Werte, eine Anklage des Systems, das zu allererst sich selbst schützt, statt dem Bürger das Leben zu bieten, für dessen Versprechen er sich einst der urbanen Gemeinschaft angeschlossen hat. Gewalt provoziert Gewalt, niemals Lösungen. Der Neuanfang muss im Glauben an das Recht des Einzelnen im Schutz der Vielen liegen. Versagt das System, frisst es sich selbst.

Allerdings heißt dieser Film “Hobo with a Shotgun” und ist die Verlängerung eines von Grindhouse-Filmen besoffenen Quentin Tarantino. Also wird das Problem lieber drastisch-enthusiastisch illustriert, um dann in einer melancholischen Gewaltorgie genau die Ekelhaftigkeiten zu zelebrieren, die in der Narrative verdammt werden. Anspruch und Ausführung finden nie zusammen, als Kritik an urbaner Gewaltexzesse ist “Hobo” so glaubwürdig wie “Reefer Madnees” als Drogenaufklärung.
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“Hobo” nutzt soziale Missstände nicht zur Sozialkritik, sondern ausschließlich zur so verlogenen wie zynischen Exploitation. Im Schutz der Schwachen propagiert er doch nur wieder das Recht des Stärkeren und steht damit in der Tradition von “Exterminator”, “Ein Mann sieht rot”, “Dirty Harry”, “Die Klasse von 1984” und diverser anderer Vigilante-Streifen der 70er und 80er Jahre.

Aber das macht er richtig gut.

Lässt man jeden Anspruch an den Anspruch fahren, ist “Hobo with Shotgun” tatsächlich ein legitimer Grindhouse-Heuler mit einem starken Aufhänger, exzessiver Gewalt, hohlem Pathos, einem überzeugenden Protagonisten und jeder Menge preiswertem Schauwerten. Schon lange wurde auf der Leinwand nicht mehr so umfangreich, blutig und spitzig gestorben. Auf political correctness wird konsequent verzichtet, der gesamte Film lebt und atmet den Geist der “video nasties”. Überdrehte Farben und eine bestenfalls fahrige Inszenierung erinnern zusätzlich an die Defizite der schmutzigen VHS-Kracher aus den Zeiten, da man seine Filme am Ende noch zurück spulen musste, um nicht eine Strafmark zahlen zu müssen. Zumal Eiseners Streifen im Gegensatz zu “Machete”, “Grindhouse” und “Drive Angry” die Wurzeln des B-Films nicht durch ein zu üppiges Budget oder überblasenes Casting verrät.

Grindhouse, indeed.

Fazit: “Hobo” ist sehr gut darin, so miserabel wie seine Vorbilder zu sein. Ein räudiger, gewaltverliebter, in seinem Pathos komplett unglaubwürdiger Rückfall in die Ära der Selbstjustiz-Thriller mit einem grandiosen Rutger Hauer. Da wird dem alternden Trashoholiker warm ums Herz.

Vorsicht – dieser Trailer ist mindestens ab 16, NSFW, und nichts für zarte Gemüter:

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Moss
2. Juli, 2011 22:44

Erster. 😉
Und weil ich grade keine direkte Mailadresse des Herrn Wortvogel finde (sollte sowas nicht im Impressum stehen!?): folgende Seite könnte Dir ein bißchen Spaß machen: der B-Film-Titelgenerator
Gute Nacht!

Peroy
Peroy
2. Juli, 2011 23:17

““Hobo” ist sehr gut darin, so miserabel wie seine Vorbilder zu sein.”
Äh, ist das jetzt eine Empfehlung… ? Ein “House of the Devil” war dann wohl sogar noch besser darin, so miserabel wie seine Vorbilder zu sein, denn der war noch langweiliger als diese…

Marcus
Marcus
3. Juli, 2011 00:14

SEHEN WILL!!!! 🙁

XXX
XXX
3. Juli, 2011 00:27

“Lässt man jeden Anspruch an den Anspruch fahren”
Wobei ich bei einem Titel wie HOBO WITH A SHOTGUN gar nicht auf die Idee käme, etwas anderes als feiste Exploitation zu erwarten. 😉

Marcus
Marcus
3. Juli, 2011 01:42

@XXX: außerdem kann es ja kein Kunstkino sein – fehlt ja der Goldrahmen.

Marcus
Marcus
3. Juli, 2011 01:44

@Torsten: das fällt mir ja jetzt erst auf: “Man darf sich zu allererst mal freuen, dass die Macher – anders als bei “Machete” – den farblosen Hauptdarsteller des Trailers ersetzt haben.”
Wen findest Du farblos? DANNY FUCKIN’ TREJO?! 😯

Peroy
Peroy
3. Juli, 2011 01:54

“@Torsten: das fällt mir ja jetzt erst auf: “Man darf sich zu allererst mal freuen, dass die Macher – anders als bei “Machete” – den farblosen Hauptdarsteller des Trailers ersetzt haben.”
Wen findest Du farblos? DANNY FUCKIN’ TREJO?! :shock:”
Oh, den Satz hab’ ich bein Lesen gar nicht registriert… vermutlich weil nicht sein kann was nicht sein darf was nicht ist…
Verbuchen wir es als typischen Dewiismus…

Wortvogel
Wortvogel
3. Juli, 2011 07:44

Da habe ich mich vielleicht missverständlich ausgedrückt – man hat den Darsteller ausgetauscht, der im Fall von “Hobo with a Shotgun” sehr farblos war.
Und vergleichbar mit “House of the Devil” ist “Hobo” nicht, weil die Vorlagen zwar auch miserabel sind, aber niemals langweilig.

heino
heino
3. Juli, 2011 13:38

Mal ne blöde Frage:was will ein Obdachloser mit einem Rasenmäher?
Ansonsten sieht der Trailer nach einer Menge lustigem Krawall aus, aber das war bei “Planet Terror” und “Death Proof” auch so und die fand ich beide mies. Kann ich also abwarten…..

Marcus
Marcus
3. Juli, 2011 14:11

@heino: “Mal ne blöde Frage:was will ein Obdachloser mit einem Rasenmäher?”
Rasenmähen?! 😆

PAL
PAL
3. Juli, 2011 14:51

@heino: die frage hab ich mir auch sofort gestellt
@Marcus: Welchen Rasen? Per definitionem haben Obdachlose eben weder Haus noch Garten. Oder kampiert er auf öffentlichem Rasengrund und der ist ihm zu lang?…eieiei…das wird mich noch ne Weile beschäftigen.

XXX
XXX
3. Juli, 2011 15:16

Obdachlose waren in der Regel nicht immer Obdachlose. Für den Hobo mit der Wumme steht der Rasenmäher für etwas, das er verloren hat.

heino
heino
3. Juli, 2011 17:26

“Obdachlose waren in der Regel nicht immer Obdachlose. Für den Hobo mit der Wumme steht der Rasenmäher für etwas, das er verloren hat.”
Mag sein. Ich habe allerdings noch keinen Obdachlosen gesehen, der z.B. um Geld für eine neue Büchersammlung gebeten hätte. Oder um mal bei unsereiner als Zielgruppe zu bleiben, eine neue Heimkino-Anlage. Die haben für gewöhnlich dringendere Probleme.

Gerd
Gerd
3. Juli, 2011 17:57

@XXX:
““Lässt man jeden Anspruch an den Anspruch fahren”
Wobei ich bei einem Titel wie HOBO WITH A SHOTGUN gar nicht auf die Idee käme, etwas anderes als feiste Exploitation zu erwarten.”
Das habe ich mir auch gedacht ;D

Achim
Achim
3. Juli, 2011 20:06

Die Frage mit dem Rasenmäher habe ich mir auch spontan gestellt.
“blutig und spitzig gestorben.” spRitzig?
Und ganz ehrlich, ich warte auf “Machete Kills”, wann soll der den rauskommen? Chopper mit Gatlinggeschützen auf den Lenkern kann ich gar nicht genug sehen, und in Machete war dessen Rolle viel zu klein!
Achje, jetzt der Name also auch drüber, wenn man schreibt, rutscht der Mauszeiger nicht mehr so leicht rein.

XXX
XXX
3. Juli, 2011 20:08

Heino, sieh’s dir einfach an, dann wirst du verstehen, wofür der Rasenmäher als Metapher steht. Glaube dir gerne, dass dich noch kein Penner angebettelt hat, weil er sich was anderes als Schnaps kaufen wollte. HOBO ist aber auch kein Sozialdrama, in dem es besonders realistisch zugehen würde.

heino
heino
3. Juli, 2011 21:09

@XXX:ist mir schon klar, ich finde das halt nur als grundlegende Idee ziemlich dämlich. Dass man bei Rodriguez und Tarantino eher nicht auf eine Sozialstudie hoffen sollte, versteht sich von selbst:-)

TomHorn
TomHorn
4. Juli, 2011 11:38

@Moss: Wegen des B-Movie-Title-Generators. Das Ding spuckt 2 Titel pro Sekunde aus. Wie mach ich das Ding langsamer? Oder muss ich dafür extra drei meiner Kerne ausschalten?
@Topic: Ist denn schon eine RC2-DVD draußen?

Jürgen
Jürgen
4. Juli, 2011 13:53

Ich hab den Film auch bereits gesehen, und ich glaube,eher tritt der Papst aus der Kirche aus, bevor die FSK diesen Film “Uncut” durchwinkt.
Menschliche Pinatas,geröstete Schulkinder,abgeschossene bzw abgetrennte Körperteile….Nein ich glaub wirklich nicht, das dieser Film hierzulande eine Chance hat.
Natürlich hat “Universum” die Möglichkeit, den Film der “Spio” vorzulegen…Aber ganz ehrlich, nicht einmal da räum ich denen grosse Chancen ein.
Wenn sie Eier in der Hose haben, machen sie es wie “Splendid” bei “I saw the Devil” und lassen ihn von einen unabhängigen Juristen auf seine strafrechtliche Relevanz prüfen.
Ansonsten, seh ich nur den Weg über Österreich.

DMJ
DMJ
4. Juli, 2011 21:58

Habe ihn auch schon sehen können und war auch sehr angetan!
Vielleicht nicht der beste Film der neuen Grindhouse-Reihe, aber auf jeden Fall der beste richtig grindhousige! Tarantinos “Death Proof” war ja eine perfekte Nachahmung von allem, was damals schlecht war (ergo auch selbst schlecht), während Rodriguez Filme einen Heidenspaß machten, aber trotz etwas Bildfehlern zu offensichtlich zu groß, reichlich und qualitativ waren, um das Ziel des Projektes zu erfüllen.
“Hobo” hingegen fühlt sich fast vollständig nach den dreckigen, alten Billigvideoreißern an, auch wenn er sie wohl noch etwas mit seine exzessiven Gewalt übertrifft. Und wie der Vogel schon sagte, übernimmt er ja sogar das moralische Kuddelmuddel der Zeit, in der ja auch gern irgendeine Aussage oder so behauptet, aber ganz offensichtlich nicht wirklich vertreten, sondern nur für Gemetzel vorgeschoben war (ähnlich wie ja “Machete” nicht wirklich ernsthaft was zur Einwandererfrage sagt). Hauer regiert hier aber auf jeden Fall und ist eine Idealbesetzung.
(Und den Rasenmäher will er weniger als Symbol, denn als Verdientmöglichkeit, mit der er fremder Leute Rasen mähen kann. 😉 )

Achim
Achim
4. Juli, 2011 22:18

Death Proof fand ich recht gut, nuir leider war die Kinoversion einfach zu lang geraten, vermutlich wären nur 70 – 75 Minuten mehr gewesen.

TGL
TGL
24. Januar, 2014 00:03

Schon ein paar Tage her deine Kritik, aber ich habe ihn heute nacht dann noch gesehen. Ich mag Horror und Splatter (die alten Slasherreihen, Child’s play, Shining, Machete, Saw, …, finde auch den ersten Hostel besser als seinen Ruf…), aber Hobo hat bei mir etliche Probleme, die ihn für mich komplett ungeniessbar gemacht haben:
– Exzessive und humorfreie Gewalt gegen Unschuldige, die – solange es nur Männer trifft – dem Hobo egal zu sein scheint
– Baby mit Waffe bedroht ist für mich nicht politisch unkorrekt, sondern einfach nur eklig
– Noch mal getoppt von der Bus-Szene
Ansonsten war die Gewalt weder sozialkritisch, noch stilisiert oder elegant, noch in irgendeiner Form befriedigend oder auch nur technisch interessant/abwechslungsreich, es war nur eine Dauerblutgespritze ohne Aufbau, Höhepunkte oder Schlussgag.
Die Bösen waren überdrehte Kasperlefiguren, die Motivation der Leute tat schon weh:
– Man kann jederzeit getötet werden, aber man bleibt mit Frau und Kind brav da
– Wenn der irre Sohn Kinder ermordet, wird man als Reaktion zum Mörder an weiteren Unschuldigen (incl. Frau mit Kind im Müllcontainer), damit nicht noch mehr Kinder geröstet werden, aber an einen Aufstand denkt keiner
– Eine schwache Rede einer unbekannten Tussie reicht aber aus, dass man leicht verspätet plötzlich doch zum Gegenangriff übergeht
Dazu passten die romantischen Passagen nicht zum Restton, die Unverletzbarkeit unseres Hobos war nicht satirisch, sondern nur dämlich (Schlittschuhschnitte in den Rücken schlossen sich anscheinend 5 Minuten später spurlos), geladene Waffen beim Pfandleiher finde ich auch etwas seltsam, sein Überleben nach dem Angriff auf den Sohnemann am Anfang ist genauso unerklärlich wie das Überleben seiner Freundin nach dem Besuch der Plaque, nachdem sie das gesamte Personal vorher grundlos hingerichtet haben.
Ich verzeihe Filmen viele Schwächen (ich mag auch die Fast&Furious-Reihe, habe alle Friday-Teile (bis auf das Remake) irgendwo geniessen können und “The Room” muss ich unbedingt mal in die Finger kriegen), aber es muss schon irgendwas Positives dem Schrott gegenüberstehen – und da finde ich beim Hobo weder Humor, noch eine gute Geschichte, noch erinnerungswerte Szenen oder oder oder – und dass Rutger Hauer seine Rolle vernünftig gespielt hat, reicht wirklich nicht aus.