Fantasy Filmfest 2022, Tag 8, Film 3: PIGGY
Themen: Fantasy Filmf. 22, Film, TV & Presse, Neues |Spanien 2022. Regie: Carlota Pereda. Darsteller: Laura Galán, Carmen Machi, Fernando Delgado-Hierro, Julián Valcárcel, José Pastor, Claudia Salas
Offizielle Synopsis: Die Sommertage in Südspanien sind quälend lang und heiß. Während die Kleinstadt im Freibad Erfrischung sucht, hält sich Sara verschämt zurück, denn ihre Körperfülle macht sie bei den populären Mädels zur Zielscheibe gnadenlosen Spotts. Aber heute ist alles anders, denn ein Mensch verliert sein Leben, drei Mädchen verschwinden und Sara kommt dem psychopathischen Killer gefährlich nahe. Bald liegen Wohl und Wehe in den Händen eines Mädchens, das alle nur „Schweinchen“ nennen.
Kritik: Auch diesen Plot haben wir schon mannigfaltig gehört: Ein Serienkiller geht um und schlachtet bevorzugt die beliebten und reichen Kids ab. Es liegt an der Außenseiterin, den Kampf aufzunehmen. Hätte PIGGY sich an diese Vorgabe bis zum dritten Akt gehalten, wäre das eine 5, maximal eine 6 geworden. Aber Carlota Pereda ist clever genug, aus dem Konstrukt mehr heraus zu pressen, als ihre anglo-amerikanischen Kollegen vielleicht getan hätten.
Sara ist nicht dick, nicht mollig, nicht übergewichtig. Sie ist fett in einem Maße, dass das Hinschauen Unwohlsein verursacht, wenn sie im Bikini aus der Freibad-Kabine kommt. Sie ist das Produkt einer lieblosen, vom Fleisch besessenen Familie. Die Ablehnung ihrer Umwelt ist grausam, aber Sara ist entschlossen, sich davon nicht klein kriegen zu lassen.
Die Entführung der Schul-Beautys und die Bekanntschaft mit dem Killer wird schnell zur moralischen Twilight Zone, die auch dem Zuschauer die Einordnung schwer macht. Haben die eiskalten Bitches, die Piggy noch beim Rettungsversuch verhöhnen, das Leben wirklich verdient? Und wäre Sara bei dem Serienkiller, der sie liebt und respektiert, nicht vielleicht besser aufgehoben? Wenn wir unser Umfeld nicht nach objektiven (letztlich nicht existenten) Moralvorstellungen einordnen, sondern nach der Art, wie das Umfeld mit uns umgeht – haben der Killer und Piggy einander als liebendes Paar nicht ehrlich verdient?
Nein, das ist kein Film über das Stockholm-Syndrom, in dem ein perfider Verbrecher eine hilflose Geisel "umdreht". Sara weiß, womit sie es zu tun hat. Ihre Einschätzung der Lage und ihrer Optionen ist absolut nachvollziehbar. Und darum wird es auch nagelbeißend spannend, als sie im Finale die wirklich wichtige Entscheidung treffen muss.
Was der Film allerdings ausblendet: Der Triumph von Sara wird kurzlebig sein, weil die Welt, in der sie lebt, sich letztlich nicht ändert.
Fazit: Ein erinnerungswürdiger Serienkiller-Film mit einer bemerkenswerten Protagonistin, die nicht billig zur Heldin stilisiert wird, sondern gerade durch ihre Umstände in einen moralischen Zwiespalt gerät. Keine leichte Kost. 8 von 10 Punkten.
Der Frankster meint: "Kurz vor dem Festival-Finale noch ein echtes Highlight aus Spanien."
Na, das kam mir ja gleich bekannt vor. War vorher ein feiner Kurzfilm, der mir schon zu gefallen wusste:
https://denkfabrikblog.de/2020/07/22/kurzfilm-cerdita-piggy/
Danke für den Link!