Fantasy Filmfest 2022, Tag 6, Film 2: HUESERA
Themen: Fantasy Filmf. 22, Film, TV & Presse, Neues |Mexiko, Peru 2022. Regie: Michelle Garza Cervera. Darsteller: Alfonso Dosal, Mayra Batalla, Natalia Solián, Sonia Couoh
Offizielle Synopsis: Valeria und Raúl erwarten ein Kind. Die Eltern und Freunde des Paars sind überglücklich, nur Valeria selbst scheint sich über das in ihr heranwachsende Baby nicht richtig zu freuen. Begleitet wird ihre Schwangerschaft von etwas Finsterem, das sie aus dem Schatten heraus zu bedrohen scheint. Während das Kinderzimmer eingerichtet wird, driftet Valeria immer weiter in die Dunkelheit. Fernab der Realität wird sie von grauenvollen Visionen geplagt, insbesondere in Form einer knöchernen Spinnenfrau. Während sie gegen die Heimsuchungen kämpft und der Druck auf sie durch Ehemann und Familie stetig wächst, sucht sie Zuflucht in ihrem alten, sorgloseren Leben. Doch kann sie diesem Albtraum überhaupt noch entfliehen?
Kritik: Ich habe vor Jahren mal eine Theorie zum “weiblichen Horror” entwickelt, die da lautet: beim weiblichen Horror kommt die Gefahr immer von innen. Während männlich dominierte Genre-Filme auf externe Gefahren setzen (Vampire, Axtmörder, Aliens), kommt die wirkliche Angst der Frauen aus Fragen wie “Was ist, wenn mit meinem Baby was nicht stimmt?”, “Was, wenn ich meinem Partner nicht trauen kann?” und penetrant oft “Was, wenn ich den Verstand verliere?”. Denkt mal drüber nach: Verlust des Kindes oder schleichender Wahnsinn sind grob geschätzt in einem 90:10-Verhältnis die Probleme weiblicher Protagonistinnen. Mit acht Regisseurinnen auf diesem Festival ist es daher kein Wunder, dass diese Themen auch im FFF-Programm dominanter werden. Und das ist ein Problem, denn externe Probleme sind einfach konkreter, visueller und extrovertierter als der nagelkauende Zweifel an der eigenen Identität.
Regisseurin Cervera müht sich redlich, über die Legende der “Knochenfrau” die Ängste und Frustrationen von Valeria zu externalisieren, aber wie bei vielen anderen Filmen dieser Sorte wird das nach der Hälfte weitgehend fallen gelassen. Es geht halt doch mehr um die Frage, ob Valeria sich nach einer wilden Jugend in das Spießerleben mit Mann und Baby einfinden kann oder ob der Traum der Freiheit – beruflich wie sexuell – gelebt werden muss, um Glück zu finden.
Nehmen wir als Beispiel nur die Angewohnheit von Valeria, ständig mit den Knochen zu knacken, sei es in den Finger oder im Rücken. Ja, das klingt mitunter krass und ist ein Zeichen ihrer körperlichen Anspannung – aber sonst? Hat es null Bedeutung, obwohl es immer auffällig in Szene gesetzt wird. Die Regisseurin dazu im Interview: “Ich hielt das einfach für eine tolle Idee, Stress zu visualisieren.”
Normalerweise wäre das schon Grund genug, die Wertung unter 5 zu drücken. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich gehe nicht auf das Fantasy Filmfest, um mir die filmischen Aufarbeitungen der Frustrationen von Jungregisseuren anzuschauen. Ich verstehe, dass man als Künstler für das Geld bekommt, wofür man beim Therapeuten bezahlen müsste, aber mir reicht das als Anspruch und Anreiz nicht aus. Ob Valeria lieber lesbisch leben und als Schreinerin arbeiten möchte? Ich literally don’t give a fuck.
Dennoch muss man loben können, wo es angebracht ist: HUESERA ist visuell prächtig, profitiert von den Farben Mittelamerikas und der Lebensfreude der Menschen, die Probleme ganz anders angehen als unsereiner. Er hat mehr Energie, mehr Drive, mehr Lust als z.B. THE OGRE oder MOLOCH. Die westliche Wohlstands-Wehleidigkeit geht ihm erfreulich ab.
Fazit: Wieder ein Schwangerschaftshorror, diesmal dank des frischen kulturellen Backgrounds etwas lebendiger und interessanter in der formalen Gestaltung. Trotzdem bleibt das vage Gefühl, dass hier primär eine Regisseurin ihre eigenen Krisen therapeutisch verfilmt hat. 6 von 10 Punkten.
Der Frankster meint: “Und gleich nach THE TWIN noch ein Film mit einer Frau am Rande des Wahnsinns. Diesmal aber in einem interessanten Setting und mit einem plausiblen Finale.”
(Jung-)Autorinnen-Bingo par excellence, es wird wirklich jeder Aspekt bedient, Familiendruck, Schlaffipartner, sexuelle Erfüllung nur in sapphischer Liebe und genau genommen greift hier auch: “Das fällt Dir aber wirklich früh ein!”.
Val ist eine Protagonistin, wie sie mir so richtig auf die Eier geht, und jeden der Vorwürfe, die Familie, Mann und Freundin ihr machen, fühlte ich bestätigt. Man möchte laut: “Stimmt!”, in den Sall schreien.
Und doch, Natalia Solian macht das super, eigentlich alle Darsteller machen viel Spass, die Regie schmissig, Soundtrack ist ok, Effekte naja, aber tauglich, nur habe ich genug von sich windenden “nackten” in Fleischfarbeanzügen. Gab’s die dieses Jahr wieder im Ausverkauf?
Egal, stake Performance und gut inszeniert in interessantem Setting. Daumen hoch.
Auf der positiven Seite sieht der Film sehr gut aus, und die Hauptdarstellerin spielt sich wirklich die Seele aus dem Leib.
Leider blieb für mich die eigentliche Bedrohung die ganze Zeit über SEHR vage. Fiel im Film überhaupt einmal der Name “Huesera”? Ohne das Programmheft oder das Interview mit der Regisseurin hätte ich nicht die leisteste Ahnung was es mit dieser Legende auf sich hat und in welcher Beziehung das zu Valeria steht. So hat mich HUESERA leider am Ende etwas ratlos zurückgelassen.
Aber Frauen im Publikum können der ganzen Materie vielleicht noch etwas mehr abgewinnen.
Das ist das Problem – ich hatte es ja auch geschrieben: der Film interessiert sich letztlich für seinen eigenen Aufhänger nicht.