08
Nov 2021

Adventskalender Apokalypse

Themen: Neues |

Mit jeder Faser meines Wesens müsste ich Adventskalender hassen. Ein der Religion aufgepfropfter Kommerz-Wahninn, der noch dazu in den letzten Jahren eskaliert ist, dass es einen schaudern macht. Bis in die 90er hatte man eigentlich nur die Wahl zwischen “Bild” und “Schokolade” hinter den Türchen – und glücklich war, wer Schokolade bekam. Besonders nachhaltige Eltern bastelten die Kalender selber, im schlimmsten Fall wurden die Kinder dafür rekrutiert, was den ganzen Sinn der Sache einer vagen Form von “gemeinsamer familiärer Aktivität” opferte.

Gebastelt wurde bei uns nicht. Ich wollte immer Schokolade. Ich bekam immer Schokolade. Und auch als ich nach der Schule zu Hause auszog, fand meine Mutter es ein paar Jahre lang angemessen, mir pünktlich zum Dezember einen Kalender zu schicken. Ich habe gemeckert, als sie das als “nicht mehr zeitgemäß” einstellte.

In meinen Augen sind die 90er und das Internet schuld, dass das Thema Adventskalender so ausgeufert ist. Man bekommt sie mit Playmobil, Bierdosen, Kosmetika, Sexspielzeug und Delikatessen.

Das hier ist wirklich nicht mehr zu rechtfertigen und gleichzeitig irgendwie geil:

Es ist durchaus möglich, mittlerweile fast 3000 Euro für einen Adventskalender auszugeben. Glaubt ihr nicht? Stimmt aber.

Das Problem ist für mich primär die mangelnde Nachhaltigkeit. Die schiere Menge an Verpackung und daraus resultierendem Verpackungsmüll stößt mir saurer auf als Apfelringe.

Und dennoch… ich habe jedes Jahr Adventskalender. Ich WILL jedes Jahr Adventskalender. Sie sind ein “guilty pleasure” wie das Feuerwerk an Silvester.

Die letzten zehn Jahre habe ich mich tatsächlich – aus Liebe zu England und zu After Eight – auf dieses dreidimensionale Modell beschränkt:

Unsere Patentochter hingegen bekam 24 Türchen mit dem Alter angemessener Kosmetika – unfassbar, was da in den Drogerien alles rumsteht.

Dieses Jahr ist es aber anders gelaufen, wenn auch irgendwie typisch für mich. Es trug sich nämlich zu, dass in der Nähe eine neue, sehr edle ALDI-Filiale eröffnete. Und statt wie üblich zum Wochenende im immer gleichen Supermarkt einzukaufen, entschieden wir uns spontan, da mal reinzuschneien. Ich war überrascht, dass die Adventskalender schon auslagen, In meinen Augen sollte es eine gesetzliche Regelung geben, dass der ganze Weihnachtskram erst ab der dritten Novemberwoche verkauft werden darf.

Ich war überrascht, dass ALDI eine recht große Auswahl an Adventskalendern hat. Die LvA deutete aber schnell und undezent an, dass sie mir bereits einen Kalender gekauft habe.

Wie der Wendler sagt: EGAL!

Und so griff ich aus schierer Gier bei diesem Monster zu – banana for scale:

Das Absurde daran: ich bin kein Fan von Pringles und lehne generell Chips-Aromen jenseits von Paprika ab. Aber wie ich gestern auf Facebook schrieb: manchmal drängelt sich der 5jährige in mir nach vorne, ruft “boah!”, und der 53jährige muss zum Geldbeutel greifen.

Und jetzt wird es wirklich cringy – wir haben Adventskalender für Katzen gekauft:

Nicht einen – zwei. Es soll ja keine Katze benachteiligt werden. “Mit Überraschung am 24.12.” – als ob’s das Viehzeug schert.

So hat der Untergang des Römischen Reichs begonnen. Mit Katzen-Adventskalendern. Sie sind ein genereller Gradmesser der Dekadenz einer überlebten Gesellschaft. Wie Klofußumpuschelungen. Davon bin ich überzeugt.

Auch meine Frau kaufte sich einen Adventskalender, natürlich ungleich vernünftiger, bescheidener und lobenswerter als ich:

Ganz klassisch. Fairtrade-Schokolade. Für 79 Cent. Mit Sicherheit nur deshalb, weil ich nun ein schlechtes Gewissen habe. Teuflisch.

Wie haltet ihr es denn mit den Adventskalendern? Ich will Antworten!

Bonus fun fact: Ich habe vor Jahren mal in Regensburg eine Reportage über eine Sammlerin historischer Adventskalender produziert.



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14 Kommentare
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Lars
Lars
8. November, 2021 09:45

Ja, es ist wirklich unglaublich, was es alles in Adventskalenderform gibt.

Ich bin Jahrgang 1980 und hatte als Kind einen von meiner Oma bestickten “Wandteppich” zum Aufhängen (mit Weihnachtsmotiven), an dem 24 kleine Ringe befestigt waren (schön nummeriert) und an diesen hingen pünktlich zum 1. Dezember dann jeweils ein kleines Päckchen. Und nicht nur ich hatte so einen Kalender, meine beiden Geschwister ebenfalls.
Als ich älter wurde, hat meine Mutter zum Teil etwas kostspieligere bzw. “zu große” Teile auf mehrere Päckchen “aufgeteilt”, einmal hatte sie ein Buch gekauft und das Cover abgemalt und zerschnitten auf diverse Päckchen verteilt. Erst als ich das “Puzzle” beisammen hatte, erhielt ich das Buch. Ja, ganz schön dekadent.

Inzwischen habe ich selbst zwei Kinder und bei dem älteren Kind habe ich “meinen” Adventskalender von damals wieder verwendet und die Tradition fortgeführt. Als Kind 2 auch in das Alter kam, hat meine Frau sich hingesetzt und für ihn ebenfalls einen solchen Wandteppich bestickt und jetzt setzen wir uns jedes Jahr im November hin und packen 48 kleine Päckchen. Klar sind da auch mal “nur” (?!) Süßigkeiten drin, aber wir halten auch immer in der Zeit Ausschau nach Kleinigkeiten, die da gut hineinpassen, manchmal auch “nützliche” Dinge wie leuchtende Anhänger für den Ranzen oder die Jacke für den Schulweg in der dunklen Jahreszeit.

Meine Frau und ich haben uns im letzten Jahr das erste Mal einen EXIT Adventskalender geleistet, von der Spielereihe, die so “Escape Room” Spiele für zu Hause herstellt. Da gab es dann jeden Tag ein kleines Rätsel. Das hat Spaß gemacht, daher dieses Jahr wieder. 🙂

noyse
noyse
8. November, 2021 10:24

Ne weile hab ich mir immer den Bierkalender gewünscht – das führte dazu dass sich die teile dann irgendwann zum 24.12 angesammelt haben und Heiligabend mal so 6-7 Biere ( zum Teil mit 6-8%) auszutrinken, ist dann doch mehr Arbeit als Freude. Danach gabs Adventskalender von Toms (https://rb.gy/w8js1g) weil ich deren Süssigkeiten mag. zwischendurch gabs immer mal wieder Edle Tropfen in Nuss 😉 Für die Frau gibt’s in der Regel einen Eilles Teekalender. Das Kind bekommt Schoki

Jojo
Jojo
8. November, 2021 10:51

Ich bin da ganz schön langweilig, meine Frau und ich schenken uns immer Adventskalender mit Schokolade drin – meistens von Lindt. Achja, einmal bekam ich einen Whiskey-Adventskalender (aber nicht für 3000€), das war für einen Whiskyaficionado wie mich natürlich auch sehr nice.
Für den Bub hatten wir, als er ganz klein war, einen selbstgebastelten, aber seit er Lego spielt kriegt er immer den Lego-Star-Wars-Kalender. Und freut sich wie Bolle.
Und dieses Jahr geht zuhause ein Gerücht um, dass ich eventuell einen Lego-Marvel-Kalender kriegen könnte (was ich auch sehr zu schätzen wüsste).

Last edited 2 Jahre zuvor by Jojo
Lothar
Lothar
8. November, 2021 11:12
Reply to  Jojo

Die LEGO-Kalender hatten wir die letzten Jahre auch immer aber genau genommen sind die meisst nur interessant wegen der Figuren. Ansonsten sind da ja nur Ministeinchen drin, mit denen man nicht so wahnsinnig viel mit anfangen kann.

Dieses Jahr habe ich daher den Weg des selbstgebauten Kalenders beschritten, ein Set “Qman 41305 Trans Collector Roaring Flame God General” fuer 35 EUR gekauft (die LEGO Kalender liegen ja in einem ähnlichen preislichen Rahmen) und die Teile anhand der Bauschritte der Anleitung auf 24 Säckchen verteilt, die Anfang Dezember dann den Weg ins Licht finden werden.
Da gibt es zwar keine Minifiguren, dafür deutlich mehr Bauspaß für’s Geld.

Last edited 2 Jahre zuvor by Lothar
comicfreak
comicfreak
8. November, 2021 11:24

Wir haben den veganen von Penny, mein (mittlerweile 33 jähriges) Patenkind will einen aus Säckchen befüllt haben.

Squirrelius
Squirrelius
8. November, 2021 12:46

Ich gönne mir jedes Jahr 24 Rubbellose. 23 für je 1€ und 1 für 10€.
Aber dieses Jahr kommt vlt noch der Adventskalender der Insel- Brauerei hinzu

Mick Briem
Mick Briem
8. November, 2021 13:23

Kein Fest ohne Kalender. Ich bin ein Fan der neuesten Kalender-Protz-Entwicklung mit allen ihren bizarren Auswüchsen. Ich feiere, dass es inzwischen Kalender für jeden noch so ausgefallenen Geschmack gibt, von Wurst bis Sex-Spielzeug, bleibe aber mit Lego oder Kosmetik meistens im gediegenen Rahmen. Dieses Jahr wird selbst gebastelt.

Mick Briem
Mick Briem
8. November, 2021 14:37
Reply to  Mick Briem

Oh, und Katzen-Adventskalender hatten meine alten Schätzchen auch jedes Jahr. Das Interesse hielt sich selbstverständlich in Grenzen. 🤣

Zeddi
Zeddi
8. November, 2021 14:46

Mein AG verkauft einen mit (Profi) Werkzeug, zb son Knarrenkasten, hinter jeder Tür nen Bit 🙂

Ich selbt mag die, vergess die aber nach ner halben Woche so das dann der sinn irgendwie “raus” ist,

Dr. Nick
Dr. Nick
8. November, 2021 16:35

Ich bekomme immer einen Selbstgebastelten von meiner Frau, mit Süßigkeiten gefüllte (leider nicht randvoll) Pausenbrot-Tüten, die sie am Treppengeländer aufhängt. Mit Wäscheklammern, die von 1 – 24 nummeriert sind.
Für meinen Sohn (ewiger Student) habe ich einen mit verschiedenen Chips-Sorten gekauft, aber der von Pringles war mir zu teuer. Der von Pringles aus meinem Supermarkt war übrigens deutlich kleiner als der auf Deinem Bild. Aber auch für jeden Tag mit einer kleinen Pringles-Dose. Ich glaube, unser ist jetzt von Chio.

Und meine Frau bekommt jedes Jahr einen von Kinder-Schokolade. Ein Riesen-Beschiss übrigens. Früher kosteten die mal 15 €, und es waren 24 Eier drin. Dann 20 € mit 24 Eiern. Jetzt 20 € mit ganzen 11 (elf!) Eiern drin, der Rest ist Kinderschokoladen-Bonbon-Kleinkram. Man bedenke, dass man für ein Ei deutlich unter einem Euro zahlt, wenn man sie einzeln kauft. Aber mit uns Kinds-Köpfen kann man es ja zu Weihnachten machen…

S-Man
S-Man
8. November, 2021 21:25

Aus purer Neugier, was man so alles in so einem Sexspielzeugkalender bekommt, haben wir mal einen angeschafft. Aber irgendwie hatte der was von “Resterampe”, lauter Kram, der vermutlich irgendwo in einem von diesen neuen, hippen Sexshops in den Ecken rumlag und keiner (aus verständlichen Gründen) jemals gekauft hat.

Ansonsten sind wir große Rätselfans, gerade wenn es um Escape Games geht. Da hatten wir auch schon zwei Kalender, waren aber auch beide enttäuschend, weil für routinierte Rätsler oft zu simpel. Täglich 20sec – fertig. Noch trauriger war der ähnlich gelagerte ???-Kalender. Die Rätsel waren eindeutig seeehr auf Kinder, statt auf “Alt”-Fans zugeschnitten und hatten hinter jeder Tür zusätzlich Platikabfall ala Yps/MickyMaus-Extra, dass leider nie irgendeinen Bezug zum eigentlichen Rätsel oder der Story hatte und jedes Mal direkt in die Tonne wanderte.

Prinzipiell mache ich mir nix aus Weihnachten generell bzw. aus Adventskalendern im Speziellen. Manchmal siegte halt die Neugier – was eigentlich immer bestraft wurde. Für dieses Jahr ist noch nix geplant. Mal sehen, obs so bleibt.

Stefan
9. November, 2021 23:17

Aus Neugier wollte ich mal schauen, ob es im DMAX-Shop Adventskalender gibt, und es. gibt. da. Adventskalender. Ich verlinke sie nicht, Ich sag nur: Unimog-Bausatz!
Bei uns gibt’s meist einen besseren Schokoadventskalender für uns und einen für die Tochter, sowie einen selbstgefüllten mit kleinen Spielsachen fürs Kind. Tinti hat auch nette, aber nur Badesachen sind dann doch zu einseitig. Aber sowas einzeln sind eine gute Füllung für einen gemischten. Früher hatte ich mal einen von Douglas, das war auch ganz nett.

koldir
koldir
11. November, 2021 16:03

Ich habe den “Kackende Tiere: Adventskalender” bei Amazon entdeckt. Stand jetzt: “Bestseller Nr 1 in Erotik Geschenkbücher” – mich wundert gar nichts mehr. 😀

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
26. November, 2021 20:58

Wir sind dieses Jahr auch ein wenig eskaliert: Zwei Bier-Kalender (To Ol & Mikkeller) für mich, zwei Beauty-Kalender für die Holde (einer hat aber nur 12 Türen…), ein Tee-Kalender, ein Gummibär-Kalender und zwei für die Hasen 🙈