26
Apr 2016

Schirachs Terror-Dilemma: Mein Standpunkt

Themen: Neues |

Okay, ich mache das in einem eigenen Beitrag, damit es nicht in den Kommentaren versumpft.

Wenn ich es richtig sehe, sind meine Leser mehrheitlich der Meinung, dass der Pilot moralisch richtig gehandelt hat, aber verurteilt werden muss, weil Moral und Gesetz eben nicht deckungsgleich sind. Allerdings soll beim Strafmaß berücksichtigt werden, dass nicht der Pilot, sondern der Terrorist der Verbrecher ist und es ziemlich sicher ist, dass der Pilot mehrere zehntausend Menschen gerettet hat. Wie hätte die Öffentlichkeit wohl reagiert, wenn es zur totalen Katastrophe gekommen wäre – wissend, dass der Pilot die Maschine jederzeit hätte aufhalten können?!

Letztlich sehe ich es ähnlich. Moralisch ist die Tat des Piloten in meinen Augen nicht zu beanstanden und ich würde mir wünschen, ich hätte in einer solchen Situation den vergleichbaren Mut. Das ist eine einsame Entscheidung, außerhalb von Gesetz und Gesellschaft, vor die man hoffentlich nie gestellt wird. Es lässt sich leicht argumentieren "ja, aber das Flugzeug hätte ja auch noch abdrehen können, vielleicht hätte man den Terroristen überwältigen können" – aber für den Piloten in der Luft sind das eben keine Denkspiele und angesichts der 70.000 Menschen im Stadion muss die Frage "was, wenn genau das passiert, was angekündigt wurde?" absolute Priorität haben.

Aber es gibt eben auch noch die rechtliche Seite – unser System kann nicht funktionieren, wenn Menschen sich selbst für "über dem Gesetz" erklären und dafür womöglich noch einen Klaps auf die Schulter bekommen. Wir haben diese Hoheit abgegeben und wenn wir uns das Recht nehmen, gegen das Gesetz zu handeln, geben wir dem Gesetz impliziert das Recht, uns dafür entsprechend zu bestrafen.

Ich glaube, dass der Pilot nicht nur wusste, dass er 164 Menschen tötet und vermutlich/hoffentlich 70.000 rettet – er musste auch wissen, dass er sein eigenes Leben damit in der bisherigen Form beendet. Er nahm sich aus der Gesellschaft und ihren Gesetzen heraus, um eine Herrschaft über Leben und Tod zu haben. Das tat er gänzlich ohne Affekt, mangelnde Zurechnungsfähigkeit oder Gefahr für das eigene Leben. Und die Entscheidung, 164 Menschen zu töten, kann für uns nur erträglich werden, wenn die entsprechende Person damit auch ihren eigenen Anspruch auf Teilhabe am System aufgibt.

Ich meine deshalb, dass der Pilot wegen 164fachen Mordes verurteilt werden muss – und dass er es verstehen sollte. Weil die Verurteilung auch eine Hürde baut, verhindert, dass künftig jeder Depp "nach seinem besten Gewissen" handelt. Vor die Entscheidung, gegen die erklärten Werte und Ziele der Gesellschaft zu handeln, muss die Aufgabe der eigenen Teilhabe an der Gesellschaft stehen, die Gewissheit, den Rest des Lebens weg gesperrt zu werden.

Ich würde dem Piloten die Hand schütteln – bevor ich seine Zellentür abschließe.

Das ist allerdings keine Meinung, die ich für allgemeingültig richtig halte – es ist letztlich nur eine sehr persönliche Einschätzung, die für sich genommen keine andere Ansicht für falsch erklärt.

Interessanterweise scheinen die Theaterzuschauer tendenziell anders zu urteilen als wir hier. In fast allen Vorstellungen dominiert die Mehrheitsmeinung "unschuldig". Ich finde es großartig, dass man diese Ergebnisse sogar detailliert auf einer Webseite nachschlagen kann.

Ich möchte nichts in die Tatsache hinein interpretieren, dass ausgerechnet und nur in Dresden mehrheitlich auf "schuldig" plädiert wurde.

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flippah
flippah
26. April, 2016 11:17

Wieso Mord?

§ 211 StGB
Absatz 2:
Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Welche Mordmerkmale siehst du erfüllt?
Kategorie 1:
Mordlust – scheidet wohl aus
zur Befriedigung des Geschlechtstriebs – scheidet komplett aus
aus Habgier – scheidet komplett aus
aus niedrigen Beweggründen – ist das einzige, was irgendwie passen könnte, aber wohl eher auch nicht.

Kategorie 2:
heimtückisch – kann man so gelten lassen
grausam – eher nicht
mit gemeingefährlichen Mitteln – könnte gelten

Kategorie 3:
um eine andere Straftat zu ermöglichen – offensichtlich nicht
oder zu verdecken – offensichtlich nicht.

eines davon muss erfüllt sein, sonst ist es kein Mord, sondern Totschlag.

Wortvogel
Wortvogel
26. April, 2016 11:32

@ flippah: Ich halte grausam und heimtückisch für erfüllt. Aber das ist nur eine Laien-Meinung – letztlich müsste das ein Gericht entscheiden.

DJ Doena
26. April, 2016 11:36

Ich plädiere auf Nothilfe nach §32 StGB in Kombination mit Notstand nach §34 StGB.

Nothilfe ist das gleiche wie Notwehr nur eben zu Gunsten eines Dritten (in dem Fall die 70.000 Stadionbesucher).

Auf den Notstand berufe ich mich, weil ich die Nothilfe nicht nur gegen den Terroristen anwende, sondern auch die Rechtsgüter der 164 Geiseln verletze. Der Notstand erlaubt mir dies jedoch, weil "das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt"

https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__32.html
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__34.html
https://www.strafrecht-bundesweit.de/strafrecht-blog/notwehr-oder-nothilfe/

Earonn
Earonn
26. April, 2016 11:43

Wirklich interessantes Ergebnis.
Und für mich auch ein ganz tolles Beispiel des "modernen" Theaters, das wichtige, alte Probleme in aktuellem Bezug zeigt und zudem die Möglichkeiten der Technik ausnutzt.

Mencken
Mencken
26. April, 2016 11:46

Da der Pilot ja überlebt hat, stellt sich auch die Frage, ob er überhaupt die Entscheidung getroffen hat, 164 Menschen zu töten, bzw. Tötungsabsicht vorlag. Offensichtlich bestand beim herbeigeführten Absturz ja eine Überlebenschance, die beim Anschlag vielleicht nicht vorhanden oder geringer gewesen wäre. Finde es schon schwierig, da überhaupt Tötungsabsicht oder keine Gefahr für das Leben des Piloten (immerhin hat er ja überlebt) nachzuweisen.
Ob die Entscheidung rechtlich überhaupt zu beanstanden ist, ist zudem ja auch keinesfalls eindeutig. Statt eines Konflikts von Moral und Gesetz kann auf Pilotenseite in diesem Punkt keine Gewissheit vorliegen.

Wortvogel
Wortvogel
26. April, 2016 11:49

@ Mencken: "Offensichtlich bestand beim herbeigeführten Absturz ja eine Überlebenschance" – woraus schließt du das? Der Pilot des Kampfjets hat überlebt, nicht der Pilot der Passagiermaschine.

Peroy
Peroy
26. April, 2016 12:15

Ich sehe den Knackpunkt in der überganzenen Befehlskette, durch die eigenmächtige Entscheidung zum Abschuss ohne die Order eines Vorgesetzten abzuwarten. Im Prinzip halte ich es da für unerheblich, ob er keinen, einen, 164 oder 1000 Menschen umbringt um Anzahl X Menschen zu retten, die Entscheidung war eigenmächtig, eventuell verfrüht und darum unmoralisch. Moralisch richtig wäre es gewesen, bis zum Abschussbefehl zu warten oder nichts zu tun. Nach eigenem Gutdünken Menschen zu opfern ist unhaltbar, darum ist er einfach nur ein 164facher Mörder. Fertig.

AlphaOrange
AlphaOrange
26. April, 2016 12:43

Der Knackpunkt, den Peroy anmerkt, ist wirklich ein ganz bedeutender. Der Kampfpilot ist in dieser Situation die ausführende Instanz, aber nicht die entscheidende. Dafür gibt es andere Instanzen weiter oben in der Befehlskette und zwar solche, die auch über mehr Informationen in ihrer Entscheidungsfindung verfügen. Er trifft dann eine Entscheidung wider die Entscheidung anderer, die dazu ggf. eine bessere Grundlage haben.
Das wäre eigentlich das Fatale, wenn man ihn dann als unschuldig betrachten würde. Man würde nicht nur jedem Depp erlauben "nach bestem Gewissen" zu handeln – sondern auch noch "wider besseren Wissens".

Stephan
Stephan
26. April, 2016 12:55

@Wortvogel
Nö, das muss kein Gericht entscheiden, es ist ganz offensichtlich kein Mordmerkmal erfüllt.

Heimtücke und Grausamkeit entfallen bereits nach oberflächlicher Prüfung (wer in einem entführten Flugzeug sitzt mag zwar wehrlos sein, dies gründet aber gerade nicht auf seiner Arglosigkeit; der sofortige Tod durch eine Explosion in der Luft ist gerade das Gegenteil von grausam).
Zu diskutieren wäre das gemeingefährliche Mittel.Hierbei kommt es jedoch auf eine gemeine Gefahr (ob sie sich auch realisieren muss ist strittig) für weitere Personen als die unmittelbaren Opfer an. Dies könnte nur erfüllt werden, würde der Abschuss beispielsweise über einem Wohngebiet vorgenommen.

Bei der restlichen Bewertung bin ich bei Dir, ein Freispruch kommt schon aus Gründen der Wahrung der Rechtsordnung nicht in Frage. Die Strafe wäre m.E. jedoch wegen der besonderen Umstände zu mildern.

DMJ
DMJ
26. April, 2016 13:19

Wie Stephan schon sagte, sehe ich die Mordmerkmale auch nicht erfüllt, aber kann die "schuldig"-Sichtweise auch voll und ganz verstehen. Wie gesagt, auch ich komme nur über die wackelige Konstruktion eines übergesetzlichen Notstandes davon ab. Das Bundesverfassungsgericht hat derartige gezielte Tötungen ja auch untersagt.

Das Umgehen der Befehlskette halte ich aber nicht für so wesentlich, wie es so viele Leute hier tun. Schließlich hätte ein befehlender Offizier auch nicht mehr Recht zu töten. Nur wäre es dann eben er, der vor Gericht stünde, da man den Piloten dann wohl als Werkzeug ohne eigenen Täterwillen werten würde.

Proesterchen
Proesterchen
26. April, 2016 13:44

Nur um mal auf das Szenario zurück zu kommen, bei einer Entfernung von zehn Minuten zur AA hätte das Flugzeug in der Nähe von Stuttgart, Nürnberg, Passau oder sogar Südtirol sein können.

Zehn Minuten klingen wenig, aber von einem Notstand kann in keinem Fall die Rede sein.

Stephan
Stephan
26. April, 2016 14:13

@DJ Doena
Notwehr gem. § 32 scheidet aus, da durch sie nur Eingriffe in Rechtsgüter des Angreifers selbst (auch sein Leben) zu rechtfertigen sind. Die Tötung der Passagiere kann nicht darunter fallen.

Eine Rechtfertigung durch Notstand gem. §34 scheitert an der (anders als bei der Notwehr vorzunehmenden) Güterabwägung – eine Abwägung "Leben gegen Leben" scheitert am absoluten Lebensschutz unserer Rechtsordnung – selbst wenn wir eines gegen das einer Million abzuwägen hätten.

Der Vollständigkeit halber: Ein entschuldigender Notstand gem. § 35 scheitert am verlangten "Naheverhältnis" ("von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person").

Einzig zu denken wäre an einen "übergesetzlichen Notstand". Ob es den überhaupt geben darf und was seine Voraussetzungen wären, ist höchst umstritten. In jedem Fall würde er selbst im Falle seines Bejahens und Vorliegens nicht zu einer Rechtfertigung der Tat, sondern höchstens zu einem Wegfall der persönlich vorwerfbaren Schuld des Täters führen.

DMJ
DMJ
26. April, 2016 14:22

"In jedem Fall würde er selbst im Falle seines Bejahens und Vorliegens nicht zu einer Rechtfertigung der Tat, sondern höchstens zu einem Wegfall der persönlich vorwerfbaren Schuld des Täters führen."

Ja, den Punkt halte auch ich (als Vertreter der Gegenseite) für absolut wichtig. Der Abschuss ist in keinem Fall richtig (weswegen es auch keinesfalls Orden, Belohnungen oder Lob dafür geben darf), sondern nur dem Piloten nicht als echtes Tötungsdelikt anzulasten.

DJ Doena
26. April, 2016 14:23

@Stephan: §32 scheidet nicht aus. Eingriffe in die Rechtsgüter anderer sind zwar prinzipiell verboten, aber nicht grundsätzlichzlich.

Wenn mich jemand mit einem Messer angreift und ich greife eine Jacke, die rumliegt aber nicht mirgehört um den Angriff abzuwehren, habe ich mit der Beschädigung der Jacke Rechtsgüter eines Dritten verletzt. Aber genau dafür ist §34 da, um das zu rechtfertigen.

Und einen absoluten Lebensschutz kann es in unserer Rechtsordnung gar nicht mehr geben, seit §218a einen straflosen Schwangerschaftsabbruch erlaubt und hier ist das Leben der Mutter in den allermeisten Fällen nicht mal in Gefahr.

Proesterchen
Proesterchen
26. April, 2016 14:26

"Ich möchte nichts in die Tatsache hinein interpretieren, dass ausgerechnet und nur in Dresden mehrheitlich auf "schuldig" plädiert wurde."

Da kann man nur froh sein, dass wir keine Geschworenengerichte mehr haben.

Stephan
Stephan
26. April, 2016 14:54

@DJ Doena
Tut mir leid, aber das ist schlicht falsch. Um gerechtfertigt gem §32 zu sein, muss sich die Verteidigungshandlung gegen den Angreifer oder seine Rechtsgüter richten. Im vorliegenden Fall also gegen den Flugzeugentführer (meinethalben ließe sich über den Piloten diskutieren, der – wenn auch gezwungen – auch Angreifer sein könnte), sicherlich nicht gegen die Passagiere. Um es deutlich zu machen: Noch nicht einmal die Sachbeschädigung am Flugzeug (oder in Deinem Beispiel der Jacke) ließe sich durch §32 rechtfertigen.

Du willst auf den rechtfertigenden Notstand gem. §34 hinaus. Hier darf tatsächlich in den Rechtskreis Dritter eingegriffen werden, jedoch muss das verteidigte Rechtsgut das beeinträchtigte WESENTLICH überwiegen. Und eine solche Abwägung kann es (m.E. zurecht) zwischen Menschenleben nicht geben. Um auch hier den Unterschied aufzuzeigen: Die Beschädigung des Flugzeugs (oder eben der Jacke) zur Rettung von Menschenleben wäre nach §34 rechtfertigbar.

Was das ganze mit einem Schwangerschaftsabbruch zu tun haben soll, erschließt sich mir im übrigen nicht.

invincible warrior
invincible warrior
26. April, 2016 16:24

Wegen Befehlskette: Soweit ich weiß, reden wir hier über den Zivilrechtsprozess, und dort gibt es meines Wissens nach kein Gesetz, dass sich um eine Befehlskette dreht.
Somit würde der Herr Pilot 100% vor das Militärgericht und wohl nach Wehrstrafgesetz §19,3 zu mindestens 6 Monaten (bis zu 5 Jahren) verurteilt, weil er mit seinem Ungehorsam fahrlässig den Tod anderer verursacht hat. Daraus resultierend würde er auch unehrenhaft entlassen werden, was auch nicht unbeträchtlich ist, da der Herr als Kampfjetpilot auch einen höheren Offiziersrang bekleidet. Wenn er also aus dem Militärknast kommt (falls er zivilrechtlich frei gesprochen wurde), steht er trotzdem vor dem Nichts, denn als Zivilpilot (häufigste Weiteranstellung nach Austritt aus dem Militärdienst) wird er sicherlich von keiner Airline eingestellt.

Zivilrechtlich liegt aber sicherlich in der Stimmung des Richters und wie sehr der dem Plebs nachgibt. Vermute aber auf Totschlag mit Strafmaß in ähnlicher Höhe wie beim Militärgericht.

Peroy
Peroy
26. April, 2016 16:27

"Das Umgehen der Befehlskette halte ich aber nicht für so wesentlich, wie es so viele Leute hier tun. Schließlich hätte ein befehlender Offizier auch nicht mehr Recht zu töten."

Die Befehlskette ist in diesem Fall der essentielle Punkt, um den sich alles dreht. Es geht nämlich NICHT um das Recht zu töten. Das hat jeder Arsch auf der Welt in exakt dem gleichen Maß – per se nicht. Es geht um die Legitimation einer drastischen Aktion, die in diesem Fall zwangsläufg zivile Todesopfer fordert, durch die dafür autorisierten Instanzen. Kampfpilot XY ist ausführendes Organ, und es steht ihm nicht zu, diese Entscheidung zu treffen. Punkt. Verschlimmert wird das ganze übrigens noch durch verschiedene weitere Faktoren, die das Maß der Schuld imo noch vergrößern: man kann von einem ausgebildeten Kampfpiloten erwarten, dass er in "Stress-Situationen" (ich setze das mal aus gutem Grund in Anführungszeichen) nicht mental kurzschließt. Und ich bin hier nicht mal davon überzeugt, dass es sich um eine solche handelt, denn, überspitzt formuliert, kann es ihm scheissegal sein, wie die Situation ausgeht, denn er ist weder durch den Tod der Flugzeugpassagiere noch durch den der Zuschauer persönlich betroffen. Desweiteren sind zehn Minuten eine Ewigkeit in denen Gottweißwas noch passieren kann… wenn es heißen würde noch zwanzig Sekunden, jetzt oder nie, hmm, dann könnte man darüber nachdenken, vorher nicht, schon gar nicht ohne Befehl.

Klipp und klar runtergebrochen tötet der Pilot auf eigene Faust in dem Moment 164 Menschen. Und es ist Mord, denn ihm muss klar sein, dass nicht davon auszugehen ist, dass irgendjemand überlebt, wenn er das Flugzeug mit einer Rakete vom Himmel holt. Ob die Leute zehn Minuten später eh tot wären ist irrelevant. Ob er es tut, um POTENTIELL einer größeren Zahl Menschen das Leben zu retten, ist irrelevant. Ohne Befehl von oben ist er in dem Augenblick für mich nicht besser als ein Anders Breivik. Eigentlich ist er sogar schlimmer, denn der hat "nur" 77 Menschen gekillt…

Ich sehe nicht, wie da irgendwelche Strafmilderungen greifen sollen. Dem gehört auch nicht die Hand geschüttelt. Lachhaft. Übrigens, danke für den Dresden-Zusatz, der hinterrücks dann doch nochmal eine Wertung reindrückt.

Umgekehrt wird übrigens auch ein Schuh draus: der Pilot erhält den Abschussbefehl, tut es nicht, das Flugzeug kracht in die Arena, 70164 Menschen sterben. In dem Fall wäre er genauso schuldig, auch wenn da wohl nicht von Mord, sondern Unterlassung mit Todesfolge auszugehen wäre.

Ich persönlich begreife nicht, wie man auf "nicht schuldig" argumentieren kann… aber ich bin ja auch ein Soziopath…

DJ Doena
26. April, 2016 16:27

@Stephan: Der Schwangerschaftsabbruch sollte aufzeigen, dass wir als Gesellschaft durchaus Gründe finden, warum uns ein Leben doch nicht ganz so wichtig ist, wie ein anderes.

Und die Sidewinder-Rakete richtete sich in ihrer höchstmöglichen Präzision direkt gegen den Terroristen. Alles andere ist Collateral Damage. Bedauerlich aber unvermeidlich.

Was das BVerfG mit seiner Entscheidung im Prinzip beschlossen hat, ist dass das Verhalten der UN-Soldaten beim Srebrenica-Massaker völlig OK war. Sind halt 8000 Menschen tot. Hauptsache WIR haben uns nicht die Hände schmutzig gemacht (kein UNO-Soldat musste je nach Den Haag und sich für sein Verhalten rechtfertigen).

Peroy
Peroy
26. April, 2016 16:29

"Wegen Befehlskette: Soweit ich weiß, reden wir hier über den Zivilrechtsprozess, und dort gibt es meines Wissens nach kein Gesetz, dass sich um eine Befehlskette dreht.
Somit würde der Herr Pilot 100% vor das Militärgericht und wohl nach Wehrstrafgesetz §19,3 zu mindestens 6 Monaten (bis zu 5 Jahren) verurteilt, weil er mit seinem Ungehorsam fahrlässig den Tod anderer verursacht hat."

Wieso fahrlässig? Ichnsehe da keine Fahrlässigkeit, sondern eine eindeutige Tötungsabsicht.

Teleprompter
Teleprompter
26. April, 2016 16:35

@invincible warrior: Das ist natürlich kein "Zivilprozess" (damit meint man landläufig Streiterein unter Privaten, meist um Geld), sondern ein Strafprozess. Militär- oder Wehrstrafgerichte gibt es bei uns in Friedenszeiten überhaupt nicht, allenfalls Truppendienstgerichte, die einige rein interne Bundeswehrangelegenheiten aburteilen.

Das überwiegende Abstimmungsergebnis dürfte damit korrespondieren, wie das eventuell in hoffentlich nie eintretender Realität ablaufen könnte (so habe ich das jedenfalls nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gelesen): Der jeweils amtierende Verteidigungsminister gibt selbst den "ungesetzlichen" Abschussbefehl, tritt danach sofort zurück und zeigt sich selbst an. Damit wäre der Pilot (weitgehend) aus dem Schneider.

Übrigens wird "Terror" aktuell auch verfilmt. Ob das "Abstimmungselement" da irgendwie mit einbezogen wird, keine Ahnung.

Moss the TeXie
Moss the TeXie
26. April, 2016 16:39

@Peroy:

Nach eigenem Gutdünken Menschen zu opfern ist unhaltbar

Das gilt aber an jeder Stelle der Befehlskette (und sowieso immer und überall). Wenn es einen Schiessbefehl gegeben hätte, womit sonst wäre der denn „legitimiert“ als mit dem Gutdünken irgend eines Vorgesetzten?

Peroy
Peroy
26. April, 2016 16:50

"Das gilt aber an jeder Stelle der Befehlskette (und sowieso immer und überall). Wenn es einen Schiessbefehl gegeben hätte, womit sonst wäre der denn „legitimiert“ als mit dem Gutdünken irgend eines Vorgesetzten?"

Wasser fließt bergab, Scheisse schwimmt immer oben. Gratuliere, wunderbar polemisiert, aber so funktioniert nun mal das Militär. Es ist davon auszugehen, dass Führungsebenen nicht nach Lust und Laune entscheiden. Die Legitimierung durch das "Gutdünken" eines Vorgesetzten in Form eines direkten Befehls genügt, um den Piloten aus der Verantwortung zu holen, nur darum geht es. Um die Legitimation durch eine zur Entscheidung befähigten Instanz im Gegensatz zum eigenmächtigen Handeln eines dazu nicht befugten ausführenden Organs. Sollte zu verstehen sein.

Peroy
Peroy
26. April, 2016 16:58

Und was der Dewi oben schreibt, ist natürlich auch falschst. Damit er es auch versteht: der Pilot ist Robert Redford in "Captain America: The Winter Soldier".

Stephan
Stephan
26. April, 2016 17:02

@Doena

Du schreibst reichlich wirr und am Thema vorbei.

Der strafrechtliche Lebensschutz (insb. der §§211,212) beginnt mit der Geburt (als maßgeblicher Zeitpunkt gelten die Eröffnungswehen wenn ich mich recht entsinne), die den Schwangerschaftsabbruch betreffenden Normen gelten für einen anderen Schutzbereich (ob man das nun gut findet oder nicht). Der absolute Lebensschutz (der Fötus ist im juristischen Sinne kein Leben) wird durch die Fristenlösung nicht tangiert.

Zur "Sidewinder" die den Täter aus dem ansonsten intakt bleibenden Flugzeug ballert fällt mir allerdings ebensowenig ein, wie zu dem völlig fehlgehenden Srebrenica-Vergleich. Wie gesagt: Wirr.

Stephan
Stephan
26. April, 2016 17:08

Im übrigen zur Befehlskettentheorie: Die juristische Bewertung der Tat ändert sich durch einen Befehl des Vorgesetzten oder auch des Verteidigungsministers nicht. Ein illegaler Befehl darf nicht ausgeführt werden, das lernt bereits jeder Grundwehrdienstleistende. Allenfalls könnte sich der Pilot durch den Befehl in einem Erlaubnisirrtum befunden haben, was sich wieder lediglich auf Schuld-, jedoch nicht auf Rechtfertigungsebene auswirken würde.

Peroy
Peroy
26. April, 2016 17:16

OB der Befehl illegal gewesen ist, wird im Anschluss zu klären und wiederum ein eigener Fall für sich sein…

DJ Doena
26. April, 2016 17:35

@Stephan: Ich ziehe Bespiele zu realen Begebenheiten und Gesetzen und zeige auf wo die Argumentation hinkt, dass man das Flugzeug unter keinen Umständen abschießen dürfe.

Bisher läuft die Diskussion streng in die Richtung "Nur wer nichts macht, macht nichts verkehrt".

Wenn §218 nicht die Beendigung eines bereits existierenden Lebens wäre (nur für die Statistik, ich bin kein Pro-Lifer, ich sehe den Grund, warum Schwangerschaftsabbrüche zulässig sein können), warum wäre es sonst nach §218 prinzipiell überhaupt erstmal strafbar? Es gibt ja schließlich auch kein Gesetz, dass es mir verbietet, meine eigene Hand abzuschneiden. Den §218 kann es per Definition nur geben, weil das Rechtsgut einer Person betroffen ist.

Der Srebenica-Vergleich zeigt genau auf, was das BVerfG beschlossen hat: Nichtstun ist besser. Egal wieviele Menschen durch das Nichtstun ums Leben kommen.Die UNO-Soldaten hatten keinen Schießbefehl, also haben sich nicht geschossen und hatten hinterher keine Problem. Gut, 8000 Zivilisten waren tot, aber shit happens…

Proesterchen
Proesterchen
26. April, 2016 17:59

"Bisher läuft die Diskussion streng in die Richtung "Nur wer nichts macht, macht nichts verkehrt"."

Guess what, die 164 Menschen nicht zu töten ist in dieser Situation tatsächlich nicht strafbewehrt.

Fake
Fake
26. April, 2016 18:10

"Es ist davon auszugehen, dass Führungsebenen nicht nach Lust und Laune entscheiden"

Richtig. – daher kann man durchaus ihre Entscheidungen vorwegnehmen, falls man die zur Entscheidung notwendigen Faktoren kennt, was zumindest bei der Bundeswehr nicht verkehrt ist, solange man recht behält.

"Die Legitimierung durch das "Gutdünken" eines Vorgesetzten in Form eines direkten Befehls genügt, um den Piloten aus der Verantwortung zu holen"

Auch richtig, aber dann wäre sie trotzdem nur verschoben.
Das hat ja auch schon vor Jahren in D zu Diskussionen geführt: Hat überhaupt irgendjemand das Recht in diesem Fall Menschenleben gegeneinander abzuwägen?
und selbst wenn ja, wer?
Der Vorgesetzte eines Piloten oder einer Flugabwehrbatterie?
Der oberste Befehlshaber der Teilstreitkraft?
Verteidigungsminister oder Bundeskanzler/-präsident?
Hinzu kommt das man je höher man in der Hierarchie kommt des so länger dauert die Entscheidung.
Wäre es da nicht einfacher den ausführenden Soldaten zu legitimieren? 😉

Peroy
Peroy
26. April, 2016 18:16

"Richtig. – daher kann man durchaus ihre Entscheidungen vorwegnehmen, falls man die zur Entscheidung notwendigen Faktoren kennt, was zumindest bei der Bundeswehr nicht verkehrt ist, solange man recht behält."

Das ist der dümmste Scheiss, den ich seit langem gelesen habe, und gestern hat sich einer in Furzsprache mit mir unterhalten.

Stephan
Stephan
26. April, 2016 18:18

Dj Doena

Wo steht denn, dass Flugzeuge in keinem Fall abgeschossen werden dürfen? Das ist doch gerade die durch das Stück und vom Hausherren mittelbar gestellte Frage. Ich habe Dir bisher lediglich aufgezeigt, dass die von Dir angesprochenen Rechtfertigungsnormen rechtswissenschaftlich nicht auf den Fall anzuwenden sind. Das magst Du doof finden, aber es ist geltendes Recht in der Bundesrepublik.

Zu Deinen Beispielen: Sie passen leider nicht. Egal wie man sie dreht und wendet. Die Unabwägbarkeit menschlichen Lebens gegeneinander ist weitestgehend unstrittig, es steht Dir frei das anders zu sehen und irgendwie geartete Grenzen festlegen (Verhältnis 1:10 ist noch strafbar, 1:100 ist gerechtfertigt). Eine solche Rechtsauffassung wäre m.E. nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, diskussionswürdig wäre sie allemal (offensichtlich denken ja eine ganze Menge Bürger so wenn man sich die Befragung anschaut). Du wirst jedoch weder in der Diskussion zur Strafbarkeitserwägungen von Schwangerschaftsabbrüchen noch in Urteilen zu Srenrenica (ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu ist mir nicht bekannt und ließ sich auch nach oberflächlicher Recherche nicht ermitteln) passende Argumente dafür finden.

Um meine persönliche Meinung nochmals klar zu machen (die wohl auch mit der herrschenden Meinung in Lehre und Rechtssprechung korrespondiert):
Bei den aufgeworfenen Fragen kommt die Rechtsordnung und die menschliche Einordnung sozialverwerflichen Verhaltens an ihre Grenzen, die Frage nach richtig oder falsch wird praktisch unmöglich zu beantworten.
Ich persönlich halte es mit dem Wortvogel. Der Pilot sollte verurteilt werden. Aus Gründen des unbedingten Schutzes des Rechtsstaates und seiner Prinzipien. Seine Strafe sollte sehr milde ausfallen.

Nune
Nune
26. April, 2016 18:54

Hmm… vielleicht interpretierst du bzgl. Dresden tatsächlich etwas zuviel rein. Es war zwar mehrheitlich schuldig, allerdings knapp mehrheitlich. Knapp war es in anderen Städten auch. Und vielleicht hatte genau dieses Publikum eben eher die Argumentation im Hinterkopf, dass ein anderes Urteil "schlecht" für das funktionierende Rechtssystem wäre. Ich sehe das Publikum eines solchen Stücks aber auch nicht unbedingt als Bevölkerungsquerschnitt Dresdens.

Fake
Fake
26. April, 2016 19:42

"Das ist der dümmste Scheiss, den ich seit langem gelesen habe"

Wieso? Hab ich bei der Bundeswehr selbst so gemacht. Hingen zwar keine Menschenleben von ab, aber ich fand es besser als kleiner Hauptgefreiter statt 300m vom T-Bereich in die Kaserne zu latschen und den Zugführer zu fragen ob es nicht besser wäre statt weiter technischen Dienst durchzuführen sich um den Stromerzeuger zu kümmern, dessen Elektrik spinnt und aus dem Öl tropft (oder sogar Diesel?) – lieber gleich die Maschine aus und die Entfernung des Aggregats von der Halle mit Fahrzeugen und brennbaren Flüssigkeiten anzuordnen. Mein Vorgesetzter war zwar erstmal "not amused" – eigentlich wollte ich jmd zu ihm schicken, konnte aber erstmal niemanden entbehren, später hatte ich es glatt vergessen – hat aber als er ein paar Tage später den Unfallbericht gelesen hatte mir zu 100% korrektes Verhalten bestätigt.

Peroy
Peroy
26. April, 2016 20:01

Ich korrigiere… DAS ist das dümmste…

Baumi
Baumi
26. April, 2016 20:45

@Fake: Halte ich für nicht mit dieser Situation vergleichbar, da Du – anders als der Pilot – mit Deinem eigenmächtigen Handeln kein Kapitalverbrechen begangen hast.

Eine Analogie zu Deinem Beispiel wäre ein unbemannter Marschflugkörper, der auf das vollbesetzte Stadion zusteuert und über unbewohntem Gebiet von einem Piloten abgeschossen wird, ohne dass der sich dafür vorher die Erlaubnis von weiter oben holt.

AndreF
AndreF
27. April, 2016 08:50

@Peroy: Nur interessenhalber: Wie wäre es denn aus Deiner Sicht, wenn der Vorgesetzte des Piloten den Abschuss angeordnet hätte? Wäre der Vorgesetzte dann rechtlich und/oder moralisch "schuldig"? Wenn also im "Winter-Soldier" quasi nicht Robert Redford, sondern der komische Rat, mit dem er dauernd kommuniziert, die Entscheidung getroffen hätte, die Carrier samt Algorithmus einzusetzen?

Peroy
Peroy
27. April, 2016 10:37

Bei einer Vorgesetztenentscheidung von ranghöchster Ebene herab greift der "übergesetzliche Notstand". Wir reden beim Militär auch von einer legitimierten Autorität, nicht von so Schatten-Strippenziehern wie im Film…

Peroy
Peroy
27. April, 2016 12:14

Und wie ich schon sagte, bei einem konkreten Abschussbefehl hätte der Pilot das Flugzeug runterholen müssen. Keine Frage.

Exverlobter
Exverlobter
27. April, 2016 13:16

Btw, Lee Adama musste in Battlestar Galactica die gleiche Entscheidung treffen. Und beförderte 2000 Menschen ins Jenseits

Stuckimann
Stuckimann
27. April, 2016 17:44

@Exverlobter: Nicht ganz richtig, da nie aufgelöst wurde, ob zum Zeitpunkt der Zerstörung noch Menschen an Bord der Olympic Carrier waren. Das Schiff war immerhin zuvor drei Stunden lang verschollen und mutmaßlich in den Händen der Zylonen gewesen.

T
T
27. April, 2016 19:27

Wow. Nun driften Einige ja voll ab. Übergesetzlicher Notstand, Schwangerschaftsabbrüche…

Wer gegen den Befehl seiner Vorgesetzten 164 Menschenleben auslöscht wird dafür verurteilt. Und zwar nach jedem Strafgesetz in diesem Land. Sei es zivil oder militärisch. Was ist daran so schwer? Und ich finde daran auch nichts Schlimmes.

Gesetze regeln in diesem Land unser aller Zusammenleben und sorgen für ein gewisses Maß an Sicherheit. Wie der Wortvogel schon schrieb würde sonst "jeder Depp nach bestem Gewissen handeln." Hab ich persönlich nicht so sehr Bock drauf.

Moralisch einwandfrei ist die Entscheidung meines Erachtens übrigens nur, wenn der Pilot sicher sein konnte das die Drohungen umgesetzt werden. Darüber zu spekulieren wäre jetzt allerdings im Nebel stochern. Also gehe ich mal davon aus, dass das zutraf.

Exverlobter
Exverlobter
27. April, 2016 19:45

@ Stuckimann
aus der Galactica Wiki

"In their DVD and podcast commentaries of various episodes, Moore and Eick have stated that there were originally going to be live people on the Olympic Carrier at the time of its destruction, and that Apollo was going to see them before giving the order to attack, but the network would not allow them to do it, claiming that "33" was becoming too dark of an episode. Regardless, every subsequent reference to Olympic Carrier’s destruction has been written from the perspective that the ship was inhabited at the time of its destruction, whether or not its passengers were seen. "

Jor
Jor
27. April, 2016 20:18

Es ist schwer, weil ich z.B. mich mit der Richtigkeit des Gesetzes schwer tue. Gesetze werden von Menschen gemacht und sind weder immer gerecht noch moralisch richtig.

Der Paragraaf 175 fällt mir als prominentes Beispiel ein. Obwohl er klar gegen das Grundgesetz verstieß, urteilte das Bundesverfassungsgericht damals das Gesetz wäre legitim.
Heute vielleicht nur noch schwer zu begreifen, das Homosexuelle verfolgt und verurteilt wurden.

Selbst unser Grundgesetz ist also abwägbar und je individueller Prägung auslegbar bzw. von Richtern zu umgehen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass nach einem Anschlag der genau wegen diesem Dilemma erfolgreich durchgeführt worden konnte. Es einen Meinungsumschwung geben könnte, der die Parteien dazu führen konnte eine Grundgesetzänderung einzuführen.

Gesetze wie in der Lex Böhmermann der "Majestätsbeleidigung" brauchen auch erst einen Präzedezfall um eine Änderung herbeizuführen.

Heißt wenn es zur Tatzeit gegen Gesetze verstößt, dann haben auch die Politiker es in der Hand dieses Gesetz im nachhinein zu ändern und damit das Verhalten zu legitimieren.

T
T
27. April, 2016 21:20

@Jor: Das ist so nicht richtig.

Selbst wenn Gesetze im Nachhinein geändert werden legitimiert es nicht die Taten welche begangen wurden, während sie in Kraft waren. Bestraft wird ja nicht der Text an sich, sondern der Verstoß dagegen. Das nennt sich Rechtssicherheit. Wer gegen geltendes Recht verstößt, wird dafür bestraft. Ganz einfach.

Ein Beispiel: Du fährst in einer 70er Zone auf der Landstrasse 100 und wirst geblitzt. Eine Woche später wird diese entfernt. Du wirst trotzdem für die Geschwindigkeitsübertretung bestraft, weil Du an dieser Stelle vorher zu schnell warst.

Wird Böhmermann zum Beispiel verurteilt und eine Woche später das Gesetz gekippt, bleibt die Strafe in Kraft. Er würde sie sogar erhalten, wenn es mit dem heutigen Tage abgeschafft wird.

"Selbst unser Grundgesetz ist also abwägbar und je individueller Prägung auslegbar bzw. von Richtern zu umgehen." Ähm… Niemals. Wenn das Grundgesetz schon zu umgehen wäre, macht es ja keinen Sinn eines zu haben.

Peroy
Peroy
27. April, 2016 21:57

Können wir aufhören, darüber zu reden…? Bei mir dreht sich alles und ich hasse im Moment mehr als sonst…

Martin Daniken
Martin Daniken
27. April, 2016 22:08

Das größte Problem bei dieser Diskussion ist die Vermischung von juristischen Kontext mit Lebenserfahrung! Ein Gerichtsverfahren ist die Aufarbeitung einer Sekundenschnellen Entscheidung, die Wertung von persönlichen Ansichten in einer trockenen nüchternen Verhandlung. "Hinterher ist man immer SCHLAUER! " Und es geht darum das jemand schuldig sein muss…damit die Menschen sich gut fühlen können.

Wortvogel
Wortvogel
27. April, 2016 22:10

@ Martin Däniken: "Und es geht darum das jemand schuldig sein muss…damit die Menschen sich gut fühlen können." – es könnte aber jemand schuldig sein müssen, weil unsere Gesellschaft nur funktioniert, wenn Gesetze für alle gelten. Schon mal daran gedacht?

Nune
Nune
28. April, 2016 07:55

Aber wie sieht es mit Gesetzen aus, die in Ländern gelten/galten, die von uns als Unrechtsstaaten bezeichnet würden? Fragwürdige Gesetze, die bei uns keine Anwendung finden würden. Wenn die Gesellschaft sich danach richtet, dann funktioniert sie; vermutlich jedoch zum Leidwesen der durch dieses Gesetz zu Unrecht benachteiligten. Dies trifft für mich in Deutschland nicht zu und ich bin zufrieden mit unserer Gesetzgebung. Aber das "Problem" ist vielschichtiger als nur zu sagen "Ein Gesetz ist in Kraft, also funktioniert die Gesellschaft nur, wenn es konsequent angewandt wird.".

Ferdinand Fröhlich
Ferdinand Fröhlich
28. April, 2016 07:57

@T:
"Selbst wenn Gesetze im Nachhinein geändert werden legitimiert es nicht die Taten welche begangen wurden, während sie in Kraft waren. Bestraft wird ja nicht der Text an sich, sondern der Verstoß dagegen. Das nennt sich Rechtssicherheit. Wer gegen geltendes Recht verstößt, wird dafür bestraft. Ganz einfach."

Das ist so nicht ganz richtig.
Man betrachte den Fall Böhmermann. Wenn der Paragraf der Majestätsbeleidigung abgeschafft wird während der Prozess noch läuft, dann ist eine Verurteilung nicht mehr möglich.

Das sollte auch auf unseren Fall hier übertragbar sein.

Peroy
Peroy
28. April, 2016 08:41

Ich schreib' hier heute nachmittag nochmal was Längeres zu, freut euch drauf…

Jor
Jor
28. April, 2016 08:53

@T "Ähm… Niemals. Wenn das Grundgesetz schon zu umgehen wäre, macht es ja keinen Sinn eines zu haben."

Ich habe dir in meinem Post sogar das konkrete Beispiel genannt, bei dem das Grundgesetz umgangen wurde, bzw. anders ausgelegt wurde.
Ein anderes Beispiel was mir einfällt, ist die lange straffreie "Vergewaltigung in der Ehe" wie dies mit dem Grundgesetz vereinbar war?!

Zudem ist ein Grundgesetz auch veränderbar.

@Peroy
"Und wie ich schon sagte, bei einem konkreten Abschussbefehl hätte der Pilot das Flugzeug runterholen müssen. Keine Frage."
Das ist falsch, da der Pilot die Entscheidung des Gerichtes kennt, kann (vielleicht sogar muss) er den Befehl verweigern, ohne Strafe fürchten zu müssen.
Diese straffreie Unterlassung wurde eingeführt, damit Soldaten eben nicht blind Befehle gegen die Menschenwürde ausführen müssen.

Jake
Jake
28. April, 2016 08:59

Bin richtig überrascht, wie viel Diskussionsbedarf hier besteht. Ich persönlich sehe das genau so nüchtern wie Peroy (Post #18), nur den Breivik-Vergleich finde ich reichlich überzogen.

sergej
sergej
28. April, 2016 10:36
Stuckimann
Stuckimann
28. April, 2016 12:30

@ Exverlobter:

Oha, geheime behind-the-scenes Infos!

Der erste Post war aber trotzdem falsch, denn statt 2000 fiktiven Opfern waren es demnach "nur" 1345. ;-P

DMJ
DMJ
28. April, 2016 13:23

@Peroy:
Mit etwas Verspätung: Ich glaube, mir ist aufgegangen, wo wir aneinander vorbei reden.

In der Tat ist die Umgehung der Befehlskette ABSOLUT von Bedeutung, wenn es um diesen speziellen angeklagten Pilot ging. Denn dadurch hat er die Tat zu "seiner" gemacht. Hätte er nur den Befehl ausgeführt, wäre es etwas anderes gewesen, denn auch, wenn es ja das Recht gibt, Befehle zu verweigern, die gegen Menschenrechte o.ä. verstoßen, kann man von ihm in der Situation keine derartige Abwägung erwarten. In dem Fall säße jetzt der Offizier, der den Befehl gegeben hat vor Gericht.

Ich dachte da an die allgemeinere Schuldfrage, bei der es jetzt nicht wichtig ist, ob es um den Mann am Abzug, oder den am Befehlsstand geht, insofern hast du bei dieser speziellen Frage allerdings recht.

Peroy
Peroy
28. April, 2016 16:34

Der Dewi geht ins Theater und ich kann nachts nicht schlafen, weil sich mir der Eindruck aufdrängt, dass entweder ich bescheuert geworden bin, oder alle anderen bescheurt sind… wie Will Smith in "I, Robot", der sich fragt, ob der Gedanke, der letzte geistig gesunde Mensch auf der Welt zu sein, einen verrückt machen kann…

Ich stückele es mal Postingweise unter einer jeweiligen Überschrift…

Peroy
Peroy
28. April, 2016 16:38

"Mord oder nicht Mord?"

Mord, denn es liegt eine eindeutige Tötungsabsicht vor. In dem Moment, in dem der Pilot die Rakete abfeuert, muss ihm klar sein, dass das keiner überleben wird. Etwaige andersgeartete Versuche, das Flugzeug zur Landung zu bewegen, unternimmt er ja nicht. Ich weiß auch nicht, ob das überhaupt möglich ist, so eine Maschine durch gezielete Beschädigungen von außen oder bestimmte Manöver zur Landung zu bringen, ich habe mein Wissen über Flugzeuge aus 90er-Jahre-Actionfilmen… ich gehe davon aus, dass die nicht sehr akkurat sind, was das angeht…

Peroy
Peroy
28. April, 2016 16:49

"Moralisch ist die Tat des Piloten in meinen Augen nicht zu beanstanden und ich würde mir wünschen, ich hätte in einer solchen Situation den vergleichbaren Mut."

Ich behaupte, dass es KEINERLEI Mut erfordert, in einer Situation wie dieser ebenso wie der Pilot zu handeln. Das Flugzeug vom Himmel zu holen ist die einfachste und schnellste Lösung, um die Krise zu deeskalieren, die zudem die maximale Zahl ziviler Verluste mit sich bringt… und deshalb darf es nicht das erste sein, was man macht, sondern muss die allerletzte, extreme Notlösung sein, um den Supergau abzuwenden. Das findet übrigens auch seine Entsprechung im "Winter Soldier", wenn Redford kurz davor ist, 20 Millionen Menschen umzubringen (und im Grunde hat er ein gutes Argument, denn ich bin überzeugt, dass man, wenn man eine Liste mit den RICHTIGEN 20 Millionen Namen zum eliminieren hätte, auch in der Realität das Leben fürndie restlichen paar Milliarden Menschen SEHR viel angenehmer wäre) Jackson fragt, ob er den Mut hat, diesen Schritt mit ihm zu gehen… und dieser antwortet, dass er den Mut hat, ihn NICHT zu gehen…

Nein, ich führe mein Leben NICHT nach den Lehren eines Marvel-Films, aber es passt gerade so gut und außerdem hat jeder von euch verkackten Nerds den Streifen gesehen…

Stephan
Stephan
28. April, 2016 16:56

@Peroy

"Mord oder nicht Mord"

"ich habe mein Wissen über Flugzeuge aus 90er-Jahre-Actionfilmen"

Und Deine Rechtskenntnisse hast Du offensichtlich von LA Law…

Peroy
Peroy
28. April, 2016 17:08

Posting 1… "Mörder ist wer… heimtückisch… mit gemeingefährlichen Mitteln… einen Menschen tötet". Oder 164.

Das sehe ich als gegeben. Und ich sehe da NICHTS was das abmildert. Gerade, wenn man sich vor Augen hält, dass der Kampfpilot…

– für derartige Einsätze ausgebildet sein muss.
– NICHT um das eigene Leben fürchten muss.
– primär und unmittelbar die Verantwortung für die 164 Passagiere trägt und erst zehn Minuten in der Zukunft für die 70000 im Stadion.
– eigenmächtig und unautorisiert handelt

Ich denke da jetztbseit drei Tagen drüber nach und das einzige, was man ihm irgendwie, mit VIEL gutem Willen zugute halten kann, ist, dass er die Maschine über einem unbewohnten Gebiet abgeschossen hat als gerade eins da war um zu verhindern, dass das Ding mitten in eine Stadt kracht… und selbst da kann mir keiner erzählen, dass es zwischen Südtirol und Schießmichtot nur einen Kartoffelacker geben würde…

Es sei aber auch die Frage gestattet, ob es einen, der zwanglos 164 Menschen umbringt, großartig jucken würde, wenn es stattdessen 198 oder 212 wären…

Peroy
Peroy
28. April, 2016 17:42

"Ich würde dem Piloten die Hand schütteln – bevor ich seine Zellentür abschließe."

"Schrödinger s Urteil"…

Baumi
Baumi
28. April, 2016 18:58

@Peroy (#59, #61):

M.E. hängt die moralische Bewertung davon ab, ob man den Tod der Flugzeugpassagiere als unvermeidlich annimmt. Falls ja, gibt es – anders als im Trolley-Dilemma – keine Abwägung Leben gegen Leben, sondern nur die Frage, ob neben den 165 "garantierten" Opfern an Bord der Maschine auch noch bis zu 70.000 andere Menschen im Stadion getötet werden oder nicht. Aus dieser Perspektive würde der Nicht-Abschuss kein einziges Leben retten, sondern nur eine Menge vermeidbarer Opfer verursachen, umgekehrt würde durch den Abschuss niemand sterben, der sonst überlebt hätte, es würden aber tausende Leben gerettet. In so einem schwarz-weiß Szenario wäre für mich der Abschuss der Maschine durchaus als moralisch richtig zu werten.

Diese simple Argumentation fällt natürlich in dem Moment in sich zusammen, in dem man sie mit einer Realität konfrontiert, in der ungewiss ist, ob der Plan der Attentäter tatsächlich bis zum Ende durchgeführt wird, oder man davon ausgehen muss, dass der Abschuss der Maschine weitere unbeteiligte Opfer am Boden fordern wird.

So oder so gebe ich Dir aber Recht, dass die Tat juristisch als Mord zu einzustufen sein dürfte. Egal wie man zu Heimtücke und anderen Dingen argumentieren mag: Dass der absichtliche Abschuss eines Flugzeugs ein gemeingefährliches und in seinen destruktiven Auswirkungen vom Täter nicht komplett kontrollierbares Mittel zur Tötung ist, steht wohl außer Frage – und schon das Vorliegen eines Mordmerkmals reicht aus, um die Tat entsprechend einzustufen.

AndreF
AndreF
29. April, 2016 09:05

Hm. Ich verstehe zwar grds., wo die Leute, die mit der Befehlskette argumentieren, hinwollen. Überzeugen tut mich diese Argumentation aber nicht – da stellt sich m.E. das Problem, dass wir, soweit ich das überblicke (öffentliches Recht ist ne Weile her) in unserem System niemandem haben, der befugt wäre, eine solche Entscheidung zu treffen. Das klappt in der Militärdikatur, wo der oberster Herrscher anordnen darf, was er will; das klappt wahrscheinlich auch in Amerika, wo der Präsident deutlich weitreichendere Befugnisse als unsere Kanzlerin mit ihrer Richtlinienkompetenz hat. Bei uns sehe ich die Option nicht. Das betreffende Gesetz, das einen solchen Abschussbefehl ggf. legitimieren sollte, wurde vom Verfassungsgericht gekippt, soweit ich das noch richtig im Kopf habe. Mithin machte sich auch der etwaige oberste Vorgesetzte, und wenn es die Kanzlerin selbst wäre, streng juristisch strafbar, wenn er den Abschuss anordnet. Womit die Frage, ob es einen übergesetzlichen Notstand gibt, nur ne Etage höher verschoben wurde. Und WENN es für die Kanzlerin nen übergesetzlichen Notstand gibt, müsste der wiederum genauso für den Piloten selbst gelten. Ob der sich nebenbei noch aus anderen Gründen, wegen Befehlsverweigerung, strafbar macht, ist ne ganz andere Frage.

Jor
Jor
29. April, 2016 09:30

Die Prämise ist doch das der Pilot weiß, dass der Befehl nie kommen wird. Wäre es moralisch ein Unterschied für dich, wenn er die Maschine 100m vor dem Stadionaufprall abschießt, wenn klar ist, dass selbst bei einem Versuch ein ausweichen nicht mehr zu verhindern wäre?

"Der Dewi geht ins Theater und ich kann nachts nicht schlafen, weil sich mir der Eindruck aufdrängt, dass entweder ich bescheuert geworden bin, oder alle anderen bescheurt sind… wie Will Smith in "I, Robot", der sich fragt, ob der Gedanke, der letzte geistig gesunde Mensch auf der Welt zu sein, einen verrückt machen kann…"

Interessanter Punkt, dies ist mir auch oft in den Sinn gekommen.
Bis ich gemerkt habe, dass ich in Internetdiskussionen meine Meinungen und Einschätzungen so sehr gefestigt hatte, dass ich sämtlichen Personen die anderer Meinung waren unterstellt habe nicht richtig nachzudenken. Das sie, wenn sie doch nur etwas gesunden Menschenverstand gebrauchen würden, doch die selben Schlüsse ziehen müssten.

Irgendwann kam die Erkenntnis, dass viele der "Gegenseite" genauso ticken und eigentlich jeder nur noch seine Position raus schreit.
Seid dem versuche ich mehr zu reflektieren, die anderen Sichtweisen zu durchdenken. Auch führe ich Diskussionen manchmal einfach nicht weiter, wenn ich das Gefühl habe alles ist gesagt und es artet nur noch in das obige aus.
Der Vorteil ist, ich ziehe inzwischen persönlich weit mehr aus Internetdiskussionen und sie "belasten" mich weit weniger.

Peroy
Peroy
29. April, 2016 09:43

Wenn der Abschussbefehl nie kommen wird/gegeben werden kann, wieso dann überhaupt Kampfjets hochschicken? Weil Formationsflug so hübsch aussieht?

Mycroft
29. April, 2016 14:26

@Jor: Vergewaltigung in der Ehe war nicht "straffrei", es wurde merkwürdigerweise unter Nötigung bzw. Körperverletzung subsummiert.
Das faktische Problem, dass solche Fälle leider häufig nie zur Anzeige kamen, hat sich durch die Gesetzesänderung nicht geändert.

Zum Thema: Befehlskette ist ein Argument; vllt. warten die Vorgesetzten des Piloten aus guten Grund ab, weil die Entführer doch noch verhandeln, oder weil das Flugzeug sonst in keinem Kartoffelacker landet, sondern in einer Kleinstadt.
Oder irgendwer tüftelt gerade aus, wo man das Flugzeug treffen muss, dass es notlanden muss, und man will das dem Piloten durchgeben.
Oder jemand hätte in drei Minuten durchgegeben, dass die Arena evakuiert ist, und man das Flugzeug dort abstürzen lassen soll, nicht, dass sich die Entführer ein anderes Ziel ausdenken.

Ansonsten, wie ich in der Nachbardiskussion schon schrieb: Nötigung. "Wenn Du nicht 100+ Menschen tötest, töte ich 600 mal so viele." Und der Pilot könnte sich noch auf den Erlaubnisirrtum berufen. Und evt. gibt es in der Arena Menschen, die ihm nahe stehen, so dass ein Notstand vorliegt. (Die Wahrscheinlichkeit ist 600x höher als beim Flugzeug, UND er kann hinterher immer behaupten, er habe gedacht, irgendwer nahestehendes hätte mal erwähnt, zum Länderspiel zu fahren…)

Peroy
Peroy
29. April, 2016 15:21

Nötigung würde ich nur gelten lassen, wenn tatsächlich eine nahestehende Person im Stadion wäre. Ich gehe allerdings davon aus, dass dem nicht so ist.

Ansonsten müsste es imo so ablaufen: "Wenn du nicht 100+ Menschen tötest, töte ich 600 map so viele. – Mach' doch…"

Mycroft
29. April, 2016 16:50

Bei 70.000 Leuten? Theoretisch besteht die Möglichkeit. Praktisch hat der Pilot keine Möglichkeit, dies zu überprüfen. Selbst, wenn der Pilot nur als Schutzbehauptung die Vermutung, jemand ihm nahestehendes wäre vllt. im Stadion gewesen, in den Raum stellte, könnte ein Gericht zu dem Ergebnis kommen, diese Vermutung wäre sei nicht so abwegig, dass sie ignoriert werden dürfte. In dubio pro reo könnte man annehmen, dass er das wirklich befürchtet hat.

Ach, mal ein Beispiel aus dem richtigen Leben. Wenn ein Bundeswehroffizier die Bombardierung zweier feststeckender Tanklastzüge anordnet, die möglicherweise mal als Brandbomben dienen könnten, und dabei über 100 Zivilisten tötet, wird das ja auch nicht als Mord gewertet.
Der eigentliche Skandal wäre meines Erachtens, dass niemand die Allianz Arena evakuieren lässt. What the Frell.

Evo2Orange
Evo2Orange
29. April, 2016 17:32

Mal im Ernst, das ganze ist ein hingedrehtes Szenario, bei dem der Pilot aufgrund des Szenarios genau zwei Wahlmöglichkeiten habt: Flugzeug abschießen und Flugzeug nicht abschießen.
An Bord: Terroristen und "Geiseln", Ziel: Vollbesetztes Station. In einem Szenario sterben mit ziemlicher Sicherheit alle an Bord, im anderen mit ziemlicher Sicherheit alle im Stadion – und sicher im Flugzeug.
Natürlich gibt es "Zwischenlösungen" wie abdrängen, beschädigen etc. Und natürlich besteht in Realität auch die Möglichkeit das Station zu evakuieren aber das sind auch nur Auswege aus dem konstruierten Szenario.
Wir hatten – lange ist’s her – im Religionsunterricht genau diese Frage über Wochen diskutiert. Der Clou an dem ganzen ist: Man kann anhand der gängigen und allgemein akzeptierten moralischen Grundsätze BEIDE Wahlmöglichkeiten rechtfertigen.

Für diejenigen, die hier am lautstärksten auf "Mord" plädieren: Der Pilot wird nie auf Mord verurteilt werden. Und er wird nie einen Mord begangen haben. Zum einen sind die Mordmerkmale nicht erfüllt, zum Anderen sind die Menschen an Bord nicht das Ziel, sondern die Terroristen. Es ist für den Piloten auch nicht feststellbar, ob an Bord überhaupt noch ein Zivilist lebt, den er mit Absicht hinterrücks ermorden könnte. Das heißt, hier werden auch keine Menschenleben gegeneinander aufgewogen.
Würde er sich dem Befehl wiedersetzen und er zielt aus "Mordlust" auf das Flugzeug, wäre das moralisch anders zu werten!

Man muss dazu sagen, dass jeder, der in diesem Pilotensessel sitzt sich bei egal welcher Entscheidung am Ende vor Gericht wiederfinden wird.

PabloD
PabloD
3. Mai, 2016 12:25

Im Übrigen plädiert jetzt auch Dresden in der Gesamtzahl der Stimmen mehrheitlich für Freispruch.
Warum das hiesige Schauspielhaus allerdings der einzige Ort auf der Website ist, bei dem eine nicht 100%ige Freispruchquote mit "so oft SCHULDIG" gekennzeichnet wird, ist in der Tat merkwürdig (vgl. Braunschweig, Berlin, München, Nürnberg, etc..

Wortvogel
Wortvogel
3. Mai, 2016 17:03

@ Pablo: Bis letzte Woche stand Dresden noch als einzige Stadt auf rot.

PabloD
PabloD
4. Mai, 2016 13:57

@Wortvogel: Schon klar, ich wollte nur darauf hinweisen dass die auf der Website gezeigten Verhältnisse dynamischer Natur sind und ein den Moment widerspiegelndes Zwischenfazit nicht sehr aussagekräftig ist (Stralsund kann ganz leicht kippen, wie Ansbach oder Innsbruck entscheiden werden ist völlig ungewiss usw.).
Und es hatte mich halt gewundert, warum es in Dresden "12 Vorstellungen – 6x Schuldig", aber z.B. in Braunschweig "11 Vorstellungen – 8x Freispruch" heißt.

T.S.
T.S.
16. Oktober, 2016 03:31

Rechtlich hat er eine Straftat begangen. Wird er nicht verurteilt, versagt das Rechtssystem und das Vertrauen in dasselbige schwindet.

Wortvogel
Wortvogel
17. Oktober, 2016 11:13

@ T.S.: Schwindet das Vertrauen in das Rechtssystem nicht deutlich stärker, wenn der Bürger das Gefühl hat, es stünde nicht mehr für Gerechtigkeit und Gewissen?

sergej
sergej
17. Oktober, 2016 23:41

Am Wochenende wurde der Film und die Abstimmung auch bei mir am Wohnort gemacht. Laut Zeitung von heute große Mehrheit für nicht schuldig. Wie auch bei der Abstimmung in der ARD heute, wer es nicht mitbekommen haben sollte, 86,9% nicht schuldig, 13,1% für schuldig.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/zuschauer-sprechen-piloten-bei-terror-ihr-urteil-frei-14486109.html