15
Aug 2015

FFF 2015 Gastreview: Strangerland

Themen: Fantasy Filmf. 15, Film, TV & Presse, Neues |

Strangerland

strangerland_ver2Australien/Irland 2015, Regie: Kim Farrant. Darsteller: Hugo Weaving, Joseph Fiennes, Nicole Kidman, Lisa Flanagan, Meyene Wyatt, Maddison Brown, Nicholas Hamilton

Story: Die Familie Parker versucht sich an ihr neues Leben in einem 1500-Seelen-Kaff, tief im australischen Outback, 300 Meilen entfernt von der nächsten Stadt, zu gewöhnen. Vater Matthew (Joseph Fiennes) ist Apotheker im örtlichen Drugstore, Mama Catherine kümmert sich als Hausfrau um die Kinder, die fünfzehnjährige Lily und den vielleicht zehnjährigen Tommy. Eines Nachts verschwinden Lily und Tommy spurlos…

Detective David Rae findet schnell heraus, dass Lily eine „runaway“-Vorgeschichte hat – und der ganze Grund des Parkerschen Umzugs in die Pampa eine sexuelle Affäre, die Lily mit ihrem Lehrer Neil MacPherson pflegte, ist. Die Suchaktion bleibt ergebnislos und Catherine verzweifelt zusehends, erst recht, als sie Lilys Tagebuch findet und feststellt, dass Lily in der kurzen Zeit im Ort schon lustig dabei war, sich durch die männliche Bevölkerung zu poppen, u.a. war sie schon mit dem seit einem Unfall geistig behinderten Aborigene Burtie und dem örtlichen Skaterpunk Slug zugange. Zusätzliche Schärfe gewinnt diese Erkenntnis, weil Burtie der Bruder von David Raes Liebhaberin Coreen ist. Keinem Verdächtigen lässt sich aber ernsthaft ans Knie pinkeln und als Catherine Matthew vorwirft, die ganze Sache ziemlich gelassen hinzunehmen (er geht ganz normal zur Arbeit), fällt ihm erst mal auch nicht mehr ein, als Neil, eh schon im Besitz einer einstweiligen Verfügung gegen Matthew, einen Besuch abzustatten und Burtie zu verprügeln. Während Catherine sich zunehmen zu David Rae hingezogen fühlt, Gerüchte über familiären Missbrauch im Hause Parker die Runde machen und die Überlebenschancen im Outback für die Vermissten immer kleiner werden, hat Matthew eine Erleuchtung – er fährt in die Wüste und findet tatsächlich Tommy, doch der hat nicht nur den Sonnenbrand des Jahrtausends, sondern auch einen milden katatonischen Schock und kann nichts greifbares beitragen…

Kritik: Das FFF-Publikum, mit dem ich den Saal teilte, war sich weitgehend einig – das waren zwei Stunden verschwendete Lebenszeit. Was wiederum nur bedeutet, dass „Strangerland“ ein Film ist, der nicht unbedingt vor einem beinharten Genre-Publikum vorgeführt werden sollte. „Strangerland“, inszeniert von Kim Farrant, die sich bisher mit Dokumentationen und Kurzfilmen befasst hat, ist streng genommen kein Thriller, sondern ein reinrassiges Drama. Das mysteriöse Verschwinden von Lily und Tommy ist nur der Aufhänger, dessen Auflösung Farrant nicht primär interessiert. Vielmehr geht’s „Strangerland“ um die Frage, wie Familie und Umfeld mit dem plötzlichen (und vielleicht endgültigen) Verlust umgehen – Matthew, der versucht, soweit wie möglich „business as usual“ walten zu lassen und Catherine, die mit jeder neuen Erkenntnis darüber, dass ihre Tochter vielleicht einfach doch nur eine Schlampe ist, tiefer in Verzweiflung versinkt, aber niemanden hat, dem sie sich anvertrauen kann. Matthew blockt das Thema ab, weswegen sie sich an David hält. Dazu kommt die Position der Parkers als Neuankömmlinge/Outsider in einer weitgehend verschworenen Dorfgemeinschaft, in der jeder jeden kennt. Farrant nimmt sich Zeit, das Konstrukt unterschiedlicher Charakterbeziehungen aufzudröseln – Adrenalinjunkies sollten „Strangerland“ fernbleiben, denn „passieren“ in Form kinematischer Action tut in diesem Film nicht viel. Es ist ein Film über Emotionen, Schuld, und, last, but not least, das australische Outback als eigenem Charakter (praktisch wörtlich drückt sich eine Nebenfigur im Film so aus).

Fotografiert ist das toll (P.J. Dillon steht sonst bei hochwertigen TV-Produktionen wie „Ripper Street“ oder „Penny Dreadful“ hinter der Kamera), aber selbst Fans des spröden Dramas könnte es unterwegs zwischendurch mal etwas ZU betulich, zu vorsichtig werden. Ein wenig mehr Tempo dürfte „Strangerland“ schon haben. Dafür aber gibt Nicole Kidman in der Hauptrolle alles (inklusive full frontal nudity, sofern sie dafür kein body double benutzt hat). Joseph Fiennes kommt mir einmal mehr so vor, als spielte er auf Sparflamme (das macht seine emotionalen Ausbrüche zwar etwas wirkungsvoller, aber er gibt Matthew distanzierter und uninteressierter, als es nötig wäre), Hugo Weaving überzeugt in einer, äh, „Tommy-Lee-Jones“-Rolle.

Australisches Kino ist, wie man weiß, öfter mal sperrig und spröde – darauf muss man können, will man „Strangerland“ etwas abgewinnen. Ähnlich wie Weirs großer Klassiker „Picknick am Valentinstag“ nutzt er sein Mystery nur als Katalysator, ohne letztlich entscheidend an seiner Aufklärung interessiert zu sein. 

Toter Hund? Nicht mal’n Dingo.

Fazit: Nichts für Leute, die alles auserklärt haben wollen und mit Sicherheit kein Spannungskino, aber dank vor allem Nicole Kidmans Leistung durchaus für die Freunde des ruhigeren Dramas eine Überlegung wert. 6/10.

Doc Acula

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