10
Jan 2015

X-mas reloaded: Ein bescheidener Vorschlag

Themen: Neues |

Es begann als flüchtige Schnapsidee, verdichtet sich aber mittlerweile zur trunkenen Entschlossenheit. Ich glaube, ich verschiebe 2015 das Weihnachtsfest. Auf 2016.

Statt 24.12.2015 werde ich Heiligabend am 6. oder 7. Januar 2016 begehen.

Das klingt im ersten Augenblick albern, kontraproduktiv und gegen alle Vernunft. Aber hört mich an! Weihnachten ist Weihnachten. Man feiert, nachdem man das letzte Türchen am Adventskalender aufgemacht hat. Das ist seit 2000 Jahren so – oder zumindest, seit es Adventskalender mit einer 24er-Türchenteilung gibt. Also seit ungefähr 100 Jahren.

Es ist mir aber kürzlich aufgefallen, wie viel praktischer es wäre, das Fest zwei oder drei Wochen später zu feiern.

Haken wir erst einmal die klerikalen Bedenken ab: Der 24. bzw. 25. Dezember als Geburtstag Christi ist kein historisch belegter Termin. Im Gegenteil: Es ist historisch belegt, dass der Geburtstag des ollen Sandalenträgers aus opportunistischer Bequemlichkeit auf diesen Tag gelegt wurde. Wenn ich mal die Webseite WWW-Weihnachten.de zitieren darf:

“Der Geburtstag von Jesus ist eigentlich unbekannt. In alten Aufzeichnungen ist vom 20. Mai zu lesen, andere wiederrum sprechen vom 6. Januar (“Fest der Erscheinung des Herrn”) Der 25.Dezember als Tag an dem wir heute Weihnachten feiern, wurde von römischen Kopisten Furius Dionysius Filocalus im Jahr 354 festgelegt.”

Demnach wäre eine Verlegung des Heiligabend vielleicht auf den 6. Dezember, die Feier auf den 7. und 8. Januar genauso plausibel. Kein Grund, sich mit dem Papst zu streiten.

Darüber hinaus sind die Vorteile der verschobenen Weihnacht immens.

Fangen wir mit den finanziellen Einsparungen an: Adventskalender bekommt man ab dem zweiten Advent nachgeschmissen. 50, 60, 70 Prozent Preisnachlass sind die Norm. Da kann sich auch der Basis-Haushalt mal die Premium-Variante leisten.

Nicht anders bei den Leckereien für unter den Baum: Einfach von Amazon Prime tonnenweise Schokolade, Bonbons und Marzipan zeitig zum Fest schicken lassen, wenn der Rest der Republik sich schon ächzend die Wampe tätschelt. Schont zwar nicht den Cholesterinspiegel, dafür aber den Geldbeutel.

Wer es auf die Spitze treiben will, kommt auch bei den teuren Geschenken günstig rum. In genügend Foren kann man nach dem alten, hässlichen und überholten Heiligabend preiswert abstauben, was geschmacksverirrend geschenkt und angenommen wurde. Der weihnachtlichen Ehekrise verdankt man dann so manches Schnäppchen.

Und dann die Bäume! Nix mehr mit elenden Märschen zu Supermarkt-Parkplätzen! Einfach zwei, drei Tage nach den “offiziellen” Feiertagen vor dem Haus nachschauen,, was die Nachbarn rausgestellt haben. Breite Auswahl, alle Größen, alle Sorten, kostenfrei! Da kann man ruhig auch mal pro Zimmer einen Baum aufstellen, inkl. Gästeklo.

Vor allem aber: Zwei Wochen vor dem Fest hört das “Last Christmas”-Gejaule auf! Aus dem Äther dudelt endlich wieder die neutrale “Das Beste der 80er, 90er und die Hits von heute!”-Scheiße. Das Fernsehprogramm ist auch besser.

Die Klimaforschung habe ich ebenfalls auf meiner Seite: Der Heiligabend 2.0 liegt deutlich weiter im Winter und erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine weiße Weihnacht!

Jahaaa, mag nun so mancher einwerfen – aber was ist dann mit dem gemütlichen Spaziergang über den Weihnachtsmarkt, mit Glühwein und Zimtwaffel? Da halte ich zuerst mal entgegen: Gemütlicher Spaziergang – wann warst du denn das letzte Mal auf einem Weihnachtsmarkt, der einen gemütlichen Spaziergang erlaubt und nicht einer überteuerten Safari in Sachen drängelnder Großstadtspacken gleicht?

Als Neubewohner von Speyer löst sich das Weihnachtsmarktproblem für mich sowieso von selbst: In der Domstadt dauert der Budenzauber bis zum 7.1., also genau bis zu meinem Heiligabend 2.0.

Heiligabend 2.0 ist nicht nur entspannter, sondern auch flexibler – je nach der Aufteilung der Wochentage kann man sich den verschieben, wie es ins Lebenskorsett passt. Freiberufler? Feiert unter der Woche mit den Lieben. Angestellter? Beschert am Freitag Abend, dann muss er keinen Urlaub nehmen. Gerade in Zeiten von Patchwork-Familien erspart das Konzept ungemein Stress: Kindern können an einem Heiligabend zu Mama und Papa 2 gehen, an einem anderen Heiligabend zu Papa und Mama 2 (oder 3, oder 4). Keine Gezanke um die Fürsorge mehr!

Und was ist mit den Adventskalendern und ihren dann fälschlich von 1-24 nummerierten Türchen, höre ich euch schreien? Einfach: Man nummeriert die Türchen mit Edding von 14-7 um. Ein kleiner Preis für großen Komfort, wie ich finde. Oder man ist noch schlauer und erklärt die Türchen zum Countdown, öffnet am 14.12. Tür 24 und zählt dann einfach runter bis zum neuen Heiligabend. Ist sowieso spannender – sonst hätte Fritz Lang das auch nicht erfunden.

Mir ist klar, dass die Popularisierung der “späten Weihnacht” eine Kommerzialisierung nach sich ziehen würde. Zum Gelingen meines Plans ist es wichtig, dass nur maximal fünf Prozent der Bevölkerung umsatteln. Sonst rechnet es sich nämlich für die Discounter, die Schokoladen-Nikoläuse länger zum Vollpreis anzubieten. Und irgendein Vollidiot vom Formatradio hält es für witzig, den “Spätfeiererern” nochmal “Last Christmas” hinterher zu schicken.

Abgesehen davon: Wasserdichtes Konzept, finde ich.

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Armin
Armin
10. Januar, 2015 15:04

Na ob da die ganzen Kinderchen so begeistert wären, wenn sie länger auf ihre Geschenke warten müssten ;-).

Wortvogel
Wortvogel
10. Januar, 2015 15:08

@ Armin: Das musst du umdrehen – sie bekommen Geschenke, wenn alle anderen Kinder sich mit ihren schon langweilen. Und noch dazu kurz bevor die Schule wieder losgeht. SWAG! YOLO!

Daniel
Daniel
10. Januar, 2015 15:21

Und ich dachte bis kurz vor der Ziel-Geraden, Du hättest den tatsächlichen Knackpunkt nicht auf dem Schirm. Hast Du aber. Nur: Wie den lösen? Wie bekommst Du das Konzept dahin gewuppt, dass nur 5 (plusminus 2) Prozent Dir folgen, und der Rest weiter lemminghaft bei der Tradition bleibt? Bzw. dass nicht 95 Prozent auf den 6. Januar umsatteln? Interessantes Konzept, aber noch nicht wasserdicht. Zurück ans Reissbrett!

Wortvogel
Wortvogel
10. Januar, 2015 15:26

@ Daniel: Es ist doch so – den wahren Visionären folgen die Massen nicht.

Daniel
Daniel
10. Januar, 2015 15:29

… außer, sie erhoffen sich einen geldwerten Vorteil davon. Den Du hier im Detail vorgerechnet hast.

Dr. Acula
10. Januar, 2015 15:30

Och, von mir aus könnt ihr das Fest komplett auf den 7. verschieben, dann kann ich *endlich* mal richtig Geburtstag feiern 😛

Wortvogel
Wortvogel
10. Januar, 2015 15:33

@ Acula: ich hatte noch überlegt, ob ich den Verweis auf deinen Geburtstag reinnehmen soll – konnte mich aber nicht entscheiden, ob als Vor- oder Nachteil 🙂

S-Man
S-Man
10. Januar, 2015 15:47

Hm, ich verschiebe Weihnachten seit Jahren auf unbestimmte Zeit. Einfach immer einander lieb haben, Geschenke gehen auch am anderen Tagen als 24.12. – und überrascht mehr. Und Pfefferkuchen sollte es das ganze Jahr geben. fertig.

Wortvogel
Wortvogel
10. Januar, 2015 15:55

@ S-Man: Ganz im Ernst würde ich dagegen argumentieren, dass der Mensch Rituale und Zyklen braucht. Stell dir nur mal vor, wir würden Wochentage und Monate abschaffen und die Tage einfach durchnummerieren, gerne auch angefangen bei Christi Geburt. Dann wäre heute z.B. 735110, morgen 735111. Das wäre für die Psyche katastrophal, weil wir die Einordnung brauchen, die Etappen. Wochenende, Wochenanfang, Jahresende, Jahresanfang. Und so sehe ich als Atheist Weihnachten als ein wichtiges säkulares Ritual inklusive seiner Symbole.

Stephan
Stephan
10. Januar, 2015 16:10

Das machen bereits jetzt ca. 300 Millionen Christen so 😉

Olm
Olm
10. Januar, 2015 18:58

Schöne Idee… nur “etwas” zu spät. Was man so an seine orthodoxe Verwandschaft an Schnäppchen verschenken kann, alles zum halben Preis und immer noch pünktlich zum Fest am 6. Januar… kaum zu glauben.

Wortvogel
Wortvogel
10. Januar, 2015 19:39

@ Stephan/Olm: Ich weiß. Aber wir sind kein orthodoxes Land und hier kann man nur davon profitieren, wenn die Mehrheit römisch-katholisch bleibt.

S-Man
S-Man
10. Januar, 2015 20:57

@Wortvogel: das bestreite ich gar nicht. Ich sehe nur, dass dieses Weihnachten oft begründet wird mit Friede Freude Eierkuchen – Zeit. Warum kann man nicht immer freundlich zu einander sein? Nicht nur in Zeiten der Rituale. Warum braucht man einen Termin, um jemandem eine Freude zu machen? Oder anders herum, jemandem was schenken zu müssen, nur weil dieses Weihnachten ist? Das sind Rituale, die ich lächerlich finde. Klar braucht man eine gewisse Regelmäßigkeit, aber braucht man Weihnachten wirklich als Atheist? Stress und schlechte Musik überall. Ich kann farid verzichten. Es gibt trotzdem genug Rituale im Jahr.

comicfreak
comicfreak
10. Januar, 2015 21:01

..klingt gut.
Göttergatte hat ne große Sippschaft, da trifft man sich kreuz und quer traditionell und beschenkt die Kids,
das eigene Familienfest dann später und nur unter sich oder mit Freunden, die dann auch Zeit haben und nicht bei ihren Familien festhängen 😉

Wortvogel
Wortvogel
10. Januar, 2015 21:32

@ S-Man: ich widerspreche dir gar nicht – nur redest du von einem Idealfall und ich von der Realität. Sollten wir Rituale zur Freundlichkeit brauchen? Nein. Aber de facto brauchen die meisten Menschen sie. Braucht man als Atheist Weihnachten? Nein. Aber schön finden kann man es trotzdem – und deshalb braucht man es auch nicht abschaffen.

Wer kein Weihnachten feiern will, muss ja nicht. Aber als Atheist muss man deswegen lange noch nicht der “party pooper” sein.

S-Man
S-Man
10. Januar, 2015 23:32

🙂 Ich schlug ja nur noch eine Alternative vorher. Wer es mag soll es ruhig feiern – wann und wie er möchte. Nur verstehe ich eben den Zwang nicht, denn einige darin sehen. Aber darum ging es ja nicht.

Lars, too
10. Januar, 2015 23:45

Meine Freundin und ich haben so was ähnliches Anfang 2013 und Anfang 2014 gemacht. Da wir hier keine weiße Weihnacht bekamen, haben wir beim ersten Schneefall (war immer so gegen Ende Januar) stattdessen SCHNEINACHTEN gefeiert – nochmal kurz ein kleines Geschenkle für jeden organisiert, bisschen Weihnachtsdeko und -musik hergerichtet und einen Pseudo-Weihnachtsschmaus gekocht. 😀

sergej
sergej
11. Januar, 2015 00:17

Was kann man gegen “Last Christmas” haben?
https://www.youtube.com/watch?v=S6rZtIipew8
https://soundcloud.com/alkomerz/last-christmas-jeans-team

#1:
Man muss nur bei der Umstellung länger warten (z.B. 24.12.14 bis 6.1.2016), danach ist es wieder ein Jahr. Das werden die Kleinen schon schaffen. Oder einfach doppelt, einmal am traditionellen Datum und dann einfach Anfang Januar nochmal.

Und mit dem Datum, Ostern, der Tod Jesu, findet auch immer an einen anderen Datum statt. Was da theologisch kein Problem ist, sollte auch bei Weihnachten kein Problem sein.

AlphaOrange
AlphaOrange
11. Januar, 2015 15:51

Finde ich gut, würde ich in der Familie aber wohl niemanden von überzeugen können. Damit wiederum wäre dann immerhin das Scheitern an der 5-Prozent-Hürde gesichert.

Dana
Dana
11. Januar, 2015 23:00

Nur mal nebenbei bemerkt, feiert man in Italien soweit ich weiß Santa Lucia und das wird an dem vorgeschlagenen Datum gefeiert und die Kinder bekommen dann die ganze Bescherung. Da das dort aber alle machen funktioniert das mit den Angeboten dort nicht.

Jor
Jor
12. Januar, 2015 11:13

Verstehe denn Sinn nicht wirklich, außer den 30€ die man vielleicht spart. Sehe die Gefahr eher, dass er dann an Bedeutung verliert, wenn ich ihn einfach verschiebe wie ich gerade will. Nächstes Jahr dann: “Lass mal im Februar feiern, 6 Januar ist so nah an Silvester.” Im Februar ist man dann aber nicht in Stimmung.
Quasi eine Vorstufe von, “Wir feiern den gar nicht.”

Howie Munson
Howie Munson
12. Januar, 2015 21:10

@Jor: der Grund dafür, dass der erste Weihnachtstag am 25.12 ist, ist ein heidnischer.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sol_%28r%C3%B6mische_Mythologie%29#Beziehung_zum_Christentum

Und orthodox gerechnet ist es ja der traditionelle Tag.

Frank B.
Frank B.
20. Januar, 2015 03:11

Ganz guter Paralleluniversumsvorschlag, das mit dem Januar, trotzdem
(will hier nicht die Laune verderben): Bei Amazon (Prime) sollte man nichts kaufen. Niemals. Nichts. Aus humanen Gründen.