Kino-Kritik: “The Wolfman” (UPDATE!)
Themen: Film, TV & Presse, Neues |USA 2009. Regie: Joe Johnston. Darsteller: Benicio del Toro, Anthony Hopkins, Emily Blunt, Hugo Weaving
Story: Die Sorge um seinen Bruder treibt den Schauspieler Lawrence Talbot wieder zum Heimatsitz der Familie, Talbot Hall. Doch Ben ist tot, zerfleischt von einer Bestie. Nach weiteren Angriffen lässt sich kaum abstreiten, dass ein Werwolf die Gegend unsicher macht. Lawrence wird gebissen, und stellt fest, dass ein wesentlich älterer Werwolf ihn als Sündenbock missbrauchen will. Und bald ist wieder Vollmond…
Kritik: Machen wir uns nichts vor: aller Nostalgie zum Trotz war schon “The Wolf Man” von 1941 kein großer Wurf, und gehört nur sehr peripher zu den Universal-Klassikern seiner Ära. Die erste Hälfte ist der Film so nonchalant unverbindlich, dass es auch eine Komödie oder ein Krimi sein könnte, und wenn Meister Wolf dann endlich die sehr amerikanischen britischen Wälder durchstapft, wird es selten mehr als seicht albern. Zur Bedrohlichkeit des Monsters muss man nur wissen, dass beide Werwölfe des Films mit einem Spazierstock erschlagen werden – echten Terror stelle ich mir etwas zäher vor. Es braucht also keiner “Sakrileg!” zu schreien, weil sich Universal nach fast 70 Jahren entschlossen hat, den Heuler (har har) zu remaken.
Die Neuverfilmung “The Wolfman” stand lange Zeit unter keinem guten Stern – mehrere Regisseure sprangen ab, weil sie das von Universal verlangte Startdatum für illusorisch hielten. Schließlich sprang Joe Johnston in letzter Sekunde ein. Dann gab es massive Nachdrehs, um den Actionquotient aufzupeppen. Fast zwei Jahre verzögerte sich der Release, und Februar lässt nicht gerade auf große Hoffnungen seitens der Produktionsfirma schließen.
Zunächst einmal rechne ich dem Film an, dass er tatsächlich ein Remake ist, und keine freihändige “Neuinterpretation”: Der Plot ist in etwa gleich, er wurde nur um einen grundlegenden Konflikt erweitert (der zweite Werwolf), und die Personen wurden durch klarere Beziehungen stärker emotional aneinander gebunden. Das ist nicht nur legitim, das ist auch gut gedacht.
Nur leider ist gut gedacht nicht gleich gut gemacht, und die Straße zur Hölle bekanntlich gepflastert mit guten Absichten. “The Wolfman” ist ein schizophrener Film, der sich nicht entscheiden kann, ob er klassischer Grusel sein will, oder doch lieber Effekt-Spektakel, und mit vielen Dummheiten und hanebüchenen Detailfehlern ein Großteil der Zuschauersympathien verschenkt.
Über weite Strecken sieht “The Wolfman” zumindest gut aus. Der erste Akt ist durchaus stimmungsvoll, die Drehorte sind von Anfang an düster und bedrohlich (hier wurde ein Kardinalfehler des Originals nicht wiederholt), und Benicio del Toro gibt ein beneidenswert exaktes Faksimile von Lon Chaney jr. ab, mit Nuancen von Chaney sr. aus gut einem Dutzend Gruselklassiker untergemischt. Der Werwolf wird lange Zeit nur für Sekundenbruchteile (durchaus effektiv) gezeigt, und die erstaunlich gute CGI bei anderen Kreaturen (Bär, Reh) lässt endlich mal auf eine souveräne Integration der Computereffekte hoffen.
Aber schon am Anfang fällt auch auf, dass die Figuren entsetzlich blass geschrieben sind, dass ihre Beziehungen kaum Drama enthalten, und dass Emily Blunt einfach nicht die nötige sinnlich-melancholische Ausstrahlung für einen solchen Film hat. Über weite Strecken ist “The Wolfman” ein pudriges Kostümdrama im Stil der BBC, bemüht, aber letztlich arg steif.
Damit könnte ich leben. Nicht jeder moderne Gruselfilm muss Bonbon-Kino sein, und als Antidot zum versofteten Twilight-Ringelrein begrüße ich jeden Versuch, dem Horror wieder etwas dramatisches Gewicht zu verleihen. Leider verlässt “The Wolfman” dieser Mut nach ca. 40 Minuten, und in einer an “League of Extraordinary Gentlemen” erinnernden Verfolgungsjagd durch London geht alle Ambition flöten, die CGI behutsam in die Handlung zu integrieren. Zehn Minuten lang regiert peinliches Spektakel, bevor der Film zu seinem deutlich naturalistischeren Ton zurück findet. Ich kann nur vermuten, dass es sich hierbei um den Part handelt, der um des Boxoffice-Potentials willen nachgedreht wurde.
Aber die Reshoots sind nicht das Grundproblem. Auch das, was in diesem uneinheitlichen Gebräu aus diversen Rewrites noch vom Skript zu erahnen ist, lässt nicht darauf schließen, dass “The Wolfman” jemals das Potential hatte, ein moderner Klassiker zu werden. Ich greife mal willkürlich drei Beispiele heraus:
– Lawrence Talbot träumt von seiner Kindheit, von Sommertagen mit dem Bruder und der Mutter. Was für ein Bild findet Johnston, um das zu illustrieren? Das dümmstmögliche Klischee: Ben und Lawrence rennen lachend in Zeitlupe in Matrosenkostümchen um einen Springbrunnen, während um sie herum Blüten im Sonnenlicht glitzern. Billiger und penetranter geht es nicht mehr.
– Die Tatsache, dass Lawrence den Werwölf töten will, der ihn gebissen hat, ergibt eigentlich ein logisches Ende: Nur durch die Unterbrechung der Blutlinie kann er vom Fluch befreit werden. Doch obwohl das Skript immer mal die Möglichkeit einer Rettung erwähnt, wird dieser elementare Aspekt des Werwolf-Mythos am Schluss nicht erwähnt oder bedient.
– Als Werwolf Lawrence London in Panik versetzt, ruft Inspector Abberline einem Kutscher zu: “Telegraphieren sie Scotland Yard – sie sollen Waffen ausgeben!”. Man stelle sich das mal praktisch vor: Der Kutscher findet des nachts tatsächlich ein geöffnetes Telegraphenamt, von dem er Scotland Yard kabelt: “Geben Sie Waffen aus!”. Was genau würde der Pförtner vom Yard, bei dem das Telegramm landet, damit wohl machen? Und wie lange würde das schätzungsweise dauern?
So verschwenden sich gute Schauspieler und ein beträchtlicher Produktionsaufwand an einen Film, der vielleicht eine gute Idee war, mit der dann aber niemand etwas anzufangen wusste. Hier haben viele Köche den Brei verdorben, und es fehlt die starke Hand eines Regisseurs mit Vision. Das Original von “The Wolf Man” war ein Kind seiner Zeit, und “The Wolfman” schafft es nicht, das zu wiederholen. Er wirkt anachronistisch und unbeholfen. Wenn man dem Thema nichts Neues hinzu zu fügen hat (wie es zum Beispiel “Wolf”, “Wolfen”, oder “Pakt der Wölfe” gelungen ist), was soll die ganze Mühe dann?
Fazit: Komitee-Kino der ganz eingebildeten und missratenen Sorte.
UPDATE: Regisseur Joe Johnston hat mit Time Out ziemlich offen über die Produktionsprobleme des Films gesprochen – und wer nach diesem Artikel noch auf ein homogenes Kinoerlebnis hofft, dem ist nicht mehr zu helfen.
“Machen wir uns nichts vor: aller Nostalgie zum Trotz war schon “The Wolf Man” von 1941 kein großer Wurf, und gehört nur sehr peripher zu den Universal-Klassikern seiner Ära.”
Na ja, na ja…
Für das Remake verspricht allerdings schon der inflationär eingesetzte Trailer nichts Gutes: Das Design des Werwolfs ist schon ewig nicht mehr zeitgemäß (keine Schnauze ! Ein großes No-Go heutzutage…), die CGI-Tricks erinnern an “American Werwolf in Paris”… vielleicht reißt es Del Toro raus…
Schon Lovecraft hat in “Supernational Horror” Werwöfe als nicht gruselig eingestuft, und er hatte recht.
@ Peroy: Ich habe mir zur Vorbereitung das Original gestern noch mal angesehen – ein Schnarcher erster Kajüte.
Witzig, ganz genau so habe ich mir den Film nach dem Trailer auch vorgestellt.
Was den Pförtner angeht: Ist doch klar, er gibt Waffen aus.
“@ Peroy: Ich habe mir zur Vorbereitung das Original gestern noch mal angesehen – ein Schnarcher erster Kajüte.”
Na ja, na ja…
Schade, schade. Ich hatte ja fast Hoffnung………
Die gruseligste Werwolfgeschichte ist und bleibt Folge 14 der pink-grünen Hörspielklassiker-Gruselserie von H. G. Francis: “Die tödliche Begegnung mit dem Werwolf”. Find’ ich heute noch super. 🙂
Gruß,
Marko
Ich hab in einem “Horrorfilm” noch nie so gut geschlafen. Langweilig von Vorne bis Hinten.