07
Apr 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (66) Heute: Bigger Stronger Faster

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

bsf1USA 2008. Regie: Chris Bell. Mitwirkende: Mark Bell, Mike Bell, Christian Boeving, Rick Collins, Donald Hooton u.a.

Diese Dokumentation ist mir schon mehrfach ans Herz gelegt worden, von Leuten, die sich auskennen. Zuerst war ich sehr skeptisch: Ich habe zum Thema “Steroide im Sport” eine recht klare Meinung (geht nicht), und es stand kaum zu erwarten, dass diese Doku etwas daran ändert.

Als ich dann hörte, dass die Macher selber “aus der Szene” sind, hatte ich noch viel weniger Lust, mir den Film anzusehen: aufgepumpte Pharma-Apologeten, sowas hat mir gerade noch gefehlt!

Und nicht zuletzt: Ich musste damit rechnen, dass in “Bigger Stronger Faster” Leute zu sehen sind, die sich Sachen in den Körper spritzen. Und was Spritzen angeht, bin ich ein totales Mädchen. Darum habe ich bis heute weder “Christiane F.” noch “Trainspotting” gesehen.

Aber vorgestern hatte ich nach diversen Spielfilmen mal wieder Lust auf eine Dokumentation, und ich dachte mir: “Reinschauen schadet nicht”.

105 Minuten später war ich so be- wie entgeistert.

“Bigger Stronger Faster” ist das Kind von Chris Bell, dessen Brüder Mike und Mark regelmäßig Steroide spritzen, um ihre sportlichen Träume zu verwirklichen (mit unterschiedlichem Erfolg). Chris, der moralische Bedenken hat, macht sich auf, um den Mythos “Steroid-Missbrauch” zu dokumentieren. Er trifft viele Sportler (die freimütig zugeben, massiv zu dopen), Politiker (die keine Ahnung haben, wie Steroide wirken), und Journalisten (die nicht schreiben, was sie wissen – weil es dem Zeitgeist widerspricht). Je mehr sich Chris mit dem Thema beschäftigt, desto deutlicher wird klar, dass es hier um wissenschaftlichen Budenzauber geht, um nur angeblich “sauberen Sport”, und vor allem um den Traum, ganz vorne dabei sein zu können – egal, welchen Preis man dafür bezahlen muss.

Kein Wunder, dass Gregg Valentino, Thema meines allerersten Blog-Beitrages, auch vorkommt.

BSF ist erfreulich frei von einer klaren Aussage. So scheint Bell am Anfang bemüht, die Gefahren des Steroid-Gebrauchs kleinzureden (mit durchaus überzeugenden Argumenten). Die Parallelen zu Marihuana sind offensichtlich: warum etwas verbieten, das durchaus in der Eigenverantwortung der Menschen liegen sollte, und das bei ordentlicher Anwendung erstaunliche Vorzüge besitzt? Sind Menschen wie Hulk Hogan und Arnold Schwarzenegger nicht der Beweis, dass jahrelange Steroid-Kuren eben nicht zwangsweise in den Abgrund führen?

bsf2

Doch dann schwenkt Bell langsam um: es wird deutlich, dass die Motive, aus denen heraus Menschen Steroide nehmen, sehr bedenklich sind: mangelndes Selbstbewusstsein, krankhafter Ehrgeiz, Eitelkeit. Viele der Gesprächspartner reden lässig davon, dass es doch ganz okay sei, Steroide zu benutzen – aber als sie es ihren Lebenspartnern oder kleinen Kindern erzählen sollen, werden sie plötzlich stumm wie die Fische.

Hier driftet BSF dann in den politisch-soziologischen Bereich, den der Untertitel “The Side Effects of Being American” schon andeutet: der Zwang, immer siegen zu müssen, ist in der amerikanischen Natur verankert. In der Schule wird bereits ausgesiebt. Schön der Satz: “Schon der Zweite ist der erste Verlierer”. Man ist etwas, wenn man etwas Besonderes ist. Dabeisein ist eben doch nicht alles. Viele der interviewten Sportler sind an diesem Druck augenscheinlich zerbrochen – und erkennen es nicht einmal. Chris’ Bruder Mike, der ein “normales” Leben führen könnte, sich aber am unerreichbaren Traum der Wrestling-Karriere aufreibt, ist eine erschütternd tragische Figur.

Für Amerika zählt der Sieg, nicht die Fairness. Der Sieg macht Amerika zum “best country in the world”. Sauberkeit und Anstand werden verlangt, aber nicht überprüft, und im Zweifelsfall zählt nur das Ergebnis. BSF illustriert das im Mikro- wie im Makrobereich:

  • Arnold Schwarzenegger hat offen zugegeben, früher Steroide gespritzt zu haben – sagt sogar, er würde es unter denselben Umständen heute wieder tun. Als Gouverneur vertritt er jedoch ein striktes Anti-Doping-Programm. Bei seinem eigenen Bodybuilding-Turnier “Arnold Classics” sind medizinische Tests allerdings unerwünscht.
  • Chris Bells Eltern sind enttäuscht und entsetzt, als Chris seinen Bruder Mark als Steroid-Junkie outet. Sie wollen, dass er unbedingt die Finger davon lässt – Doping ist in ihren Augen unmoralisch und gefährlich. Trotzdem jubeln sie begeistert, als er einen neuen Rekord im Gewichtheben aufstellt – dank Steroiden.

body

In bewundernswerter Klarheit verdeutlicht Bell, dass es im Fall von Steroiden kein richtig oder falsch gibt, und dass die Probleme hausgemacht sind. Er verteidigt Steroide, klagt aber gleichzeitig die Gesellschaft an, die ihren Gebrauch nötig macht. Die Dokumentation ist voll von diesen Momenten, in denen sich die Menschen in die Tasche lügen, um ihr offensichtlich brüchiges Weltbild aufrecht zu erhalten:

  • Da ist Donald Hooton, der seit dem Selbstmord seines 17jährigen Sohnes einen Kreuzzug gegen Steroide führt – aber rundweg bestreitet, die anderen Medikamente des Jungen (u.a. Antidepressiva) könnten zum Suizid beigetragen haben
  • Da ist der alternde Bodybuilder, der mit Stallone trainierte (und eine Gastrolle in “Over the top” spielte), mittlerweile in einem runtergekommenen Van auf dem Parkplatz vor “seinem” Fitnessstudio lebt, aber auch mit 50 noch daran glaubt, dass der amerikanische Traum für ihn wahr wird
  • Da ist die monströse Bodybuilderin, die ihr völlig verzerrtes Gesicht in die Kamera hält und sagt: “Ich möchte weiterhin weiblich wirken, darum habe ich mich auch so sehr operieren lassen”
  • Da ist die amerikanische Luftwaffe, die für ihre Kampfpiloten genau jene Medikamente als Fitmacher ausgibt, die im zivilen Leben als Drogen verboten sind (übrigens als einzige Armee der Welt – und im Irak-Krieg wurden dadurch ein paar Kanadier von aufgeputschten Piloten “versehentlich” über den Haufen geschossen)

Sie alle unterwerfen sich dem absurden Druck überhöhter Erwartungen. Besonders entlarvend, als ein Experte die GI Joe-Puppen der 60er bis 90er Jahre vergleicht – vom normalen Mann zum Muskelmonster. Was das für ein Körperbild prägt, ist leicht auszurechnen.

Der einzige Vorwurf, den ich Bell mache, ist die Umgehung der einzigen Frage, die ich beim Thema Steroid-Freigabe für relevant halte: was wird dann aus dem Profi-Sport? Es ist ja okay, wenn sich Stallone aufpumpt, um für “The Expendables” fit zu sein – aber es steht zu befürchten, dass Sportler wandelnde Drogenlabors werden, wenn man leistungsfördernde Mittel freigibt. Wie soll dann noch ordentlich gemessen werden? Was ist ein Sieg dann noch wert? Bell umschifft das Problem, konzentriert sich auf den privaten Ge/Missbrauch von Steroiden. In meinen Augen handelt es sich dabei in der Tat um ein “victimless crime” – welches allerdings eine katastrophale Vorbildwirkung haben dürfte.

BSF gehört zu den wenigen Dokumentationen, die mein Weltbild nicht ergänzt, sondern es total auf den Kopf gestellt haben. Es ist soviel radikale neue Information in meinen Kopf gepresst worden, dass ich noch lange darüber nachdenken werde.

Kein Film über eine Droge – ein Film über eine Lebenslüge, im großen wie im kleinen Maßstab.

Kurzum: Die Dokumentation des Jahres.

http://www.youtube.com/watch?v=D8nOKJTL6Tg

P.S.: Wenig Spritzen – puuuhhh…



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Dr. Acula
7. April, 2009 11:32

Als Fußnote sei noch gesagt, dass Mike Bell kurz nach Fertigstellung des Films verstarb: http://en.wikipedia.org/wiki/Mike_Bell_(wrestler)

Peroy
Peroy
7. April, 2009 11:42

Erkennt auf dem Bodybuilder-Foto außer mir noch jemand eine fiese Alien-Fresse in den Muskelmassen… ?

Wortvogel
Wortvogel
7. April, 2009 12:03

@ Doc: Wow, das ist zu gruselig-passend, um wahr zu sein…

@ Peroy: The nipples are looking at YOU, kid…

mob
mob
7. April, 2009 12:08

mein kommentar taucht leider nicht auf… liegts an den links?

Moss
7. April, 2009 12:15

Danke für die Rezension! Ich fragte mich auch schon, ob ich das angucken will. Jetzt will ich, obgleich ich vermute, mein Weltbild bestätigt zu bekommen. Schaunmermal.

Meine ehemals panische Spritzenangst habe ich übrigens schon als Kind mithilfe eines Psychologen besiegt, nachdem ich mit sechs Jahren einem Arzt im Krankenhaus die Spritze, die er mir in die Hinterbacke schieben wollte, ins Gesicht geschlagen hatte. Glücklicherweise war nix Schlimmes drin …

@Peroy: Hier, ich.

Asmodeus
Asmodeus
7. April, 2009 12:17

Den Film werde ich mir wohl anschauen.

Schon vor paar Jahren als (mal wieder) einer der Fahrraddopingskandale durchs Land ging war ich der Meinung, dass Menschen die unter einem so großen Erfolgsdruck stehen, die mit diesem Erfolg sich selbst und ihre Familie ernähren müssen, die einfach gewinnen MüSSEN, zwangsläufig zu Doping greifen.

Ich glaube sogar ich selbst würde auch dopen wenn es darum geht meine Familie durchzubringen.

Wortvogel
Wortvogel
7. April, 2009 12:19

@ Moss: Das Problem meiner Spritzenphobie – die habe ich nicht seit meiner Kindheit. Das ging erst in der Pubertät los. Und sogar, wenn Spritzen auf dem Bildschirm zu sehen sind, muss ich wegschauen. Aber ich habe das soweit im Griff, dass ich notwendige Behandlungen durchstehe.

Stephan
Stephan
7. April, 2009 12:21

@Torsten
Ganz klare Phallus-Angst die Deine unterdrückten homoerotischen Neigungen ausdrückt. Manchmal ist eine Spritze eben nicht nur eine Spritze.

PabloD
PabloD
7. April, 2009 12:22

“In bewundernswerter Klarheit verdeutlicht Bell, dass es im Fall von Steroiden kein richtig oder falsch gibt[…]”

Für mich gibt es da sehr wohl nur ein falsch (aber ich bin auch mehr oder weniger Pazifist, halte Frauen die Tür auf und kann mit Komasaufen nix anfangen). Wenn Vorher-Fetti durchs Training allein nicht den Nachher-Muskelkörper erreicht, dann soll er das verdammtnochmal akzeptieren. Ich würde auch gern mal Stephen Hawking mit neuen wasserfesten Argumenten im Bereich Astrophysik in Grund und Boden diskutieren oder Deutschland zum nächsten WM-Titel schießen (vom Fliegen oder mich unsichtbar machen ganz zu schweigen 🙂 ), aber die Chancen stehen nunmal eher schlecht. Nicht jeder kann alles, nur weil er es bei anderen gesehen hat. Mal davon abgesehen, dass die mit Steroiden aupgepumpten Körper z.T. nur noch widerlich eklig aussehen.

Wortvogel
Wortvogel
7. April, 2009 12:28

@ Stephan: Ich unterdrücke meine homoerotischen Neigungen so wenig wie Craig Ferguson – siehe meine Auslassungen zu Dolph Lundgren und Brad Harris 😉

@ Pablo: Wer hat das Recht, einer Person den Gebrauch von Steroiden zu verbieten, wenn dieser niemand anderem schadet als der Person selbst? Habe ich nicht das RECHT, meinen Körper zu gestalten, wie es mir beliebt? Will man demnächst Bulimie, Piercing, und Haartöner verbieten?

Außerdem haben Steroide viele positive Eigenschaften (werden ja auch permanent bei “House” eingesetzt), und dienen der Rekonvaleszenz. Die Verdammung von Steroiden ist vergleichsweise willkürlich (wie auch Marihuana), und eher einem gesellschaftlichen Stigma geduldet, als einer wirklichen Gefahr.

Proesterchen
Proesterchen
7. April, 2009 12:45

@PabloD

Aber ist es nicht gerade der springende Punkt, dass hier sehr wohl ein Mittel existiert, dass die Erfüllung dieses Ziels ermöglicht? Würdest Du auch nein sagen, wenn es eine Spritze gäbe, die Dir einen Deiner aufgezählten Träume erfüllen helfen könnte?

Mich stört die Verlogenheit im vornehmlich sauberen Sport viel mehr, als dass manche auf Kosten der eigenen Gesundheit einem für mich persönlich nicht erstrebenswerten Körperbild hinterherlaufen.

Lari
Lari
7. April, 2009 12:51

“was wird dann aus dem Profi-Sport?”

Dass die Frage in der Doku außen vor gelassen wird, halte ich für nachvollziehbar. Würde eine Freigabe für Steroide aus Zuschauersicht viel ändern? Profi-Sport ist (erst recht in den USA) eine Show, die nicht zwangsläufig oder vorrangig etwas mit einem sportlichen Gedanken zu tun hat. Du würdest ja auch nicht der Musikindustrie vorwerfen, dass sie nicht die Ideale der Hippies lebt. Wer echten Sport sehen will, guckt sich lieber irgendein Kreisligaspiel an, bei dem die Spieler vor der Partie höchstens mal mit einem Kasten Billigbier dopen.

PabloD
PabloD
7. April, 2009 13:02

@Wortvogel: es ist natürlich schwierig zu diskutieren, welche Mittel man in welchem Bereich einsetzen darf und welche nicht. Fakt ist, dass man durch den Einsatz von Steroiden im Wettkampfsport (und dabei ist es egal ob Tour de France oder Bodybuilding) immer auch seinen Konkurrenten schadet, da man seine eigene Leistung künstlich hochpusht. Dass es mehr oder weniger alle tun, macht es auch nicht besser. Und ich halte es ebenfalls nicht für klug, sämtliche Substanzen, die einigermaßen kontrolliert in der Medizin genutzt werden (auf z.T. sehr differenzierten Gebieten), ohne Beschränkung auf den freien Markt zu werfen. Zumal die Grenzen zwischen “ich schade ja nur mir selbst” und “es hat Auswirkungen auf andere” immer fließend sind (Stichwort: Türsteher).

Wortvogel
Wortvogel
7. April, 2009 13:11

@ Pablo: Ja, aber nun redest du von Wettkampf, und da sind wir uns ja einig. Ich rede aber vom privaten Gebrauch von Steroiden. Und wegen ein paar durchgeknallten Türstehern (die sicher nicht Steroide brauchen, um Schlägereien anzufangen) wird das Recht auf körperliche Selbstbestimmung nicht weniger relevant. “es hat immer Auswirkungen auf andere” wäre zuerst einmal ein Grund, Alkohol komplett zu verbieten.

PabloD
PabloD
7. April, 2009 13:24

@Proesterchen: Ich habe mir tatsächlich vorhin beim Tippen diese Frage gestellt und weiss ehrlich gesagt nicht, ob ich es ablehnen würde (yeah, Doppelmoral). Aber falls es z.B. ‘ne Pille für Unsichtbarkeit geben sollte, würde ich das Ding am Liebsten unter Verschluss gehalten sehen. Klar wäre es vermutlich cool es mal selbst auszuprobieren, aber wenn ich dran denke, dass das dann grundsätzlich jeder machen könnte (und ich will weder, dass mich Verwandte noch entflohene Psychopathen heimlich aufm Klo besuchen), habe ich eher Angst vor den Folgen. Und da sind wir wieder beim obigen Argument: nicht alles, was es gibt, muss zwangsläufig für jeden verfügbar sein. Ich weiss natürlich, dass die Realität anders aussieht (bereits schon bei vielen Lebensmitteln), aber ich lehne im Vorfeld künstlich zugeführte Stoffe zur Leistungssteigerung eindeutig ab. Vielleicht bin ich auch deshalb bisher ganz gut ohne irgendwelchen Drogenversuche ausgekommen (ausgenommen Alkohol und Koffein).

Peroy
Peroy
7. April, 2009 13:27

Unsichtbarkeit ist ja keine wirkliche Bedrohung, weil sobald die Farbrezeptoren in den Augen auch transparent werden, ist der Unsichtbare eh blind und man selbst erkennt ihn prima an den Staub-Ablagerungen oder der freischwebenden Kotze… 8)

Wortvogel
Wortvogel
7. April, 2009 13:31

@ Pablo: Eben – ist nicht heuchlerisch, die eigenen Drogen (in diesem Fall Koffein und Alkohol) als akzeptabel auszuklammern? Würden wir alle Steroide freigeben, und dafür Alkohol verbieten – die gesellschaftlichen Folgen wären zuerst einmal positiv (weniger Tote durch betrunkene Autofahrer, weniger Komasaufen).

Und was ist mit den Grauzonen – wenn Kranke z.B. Steroide brauchen? Notwendig, klar. Was ist aber mit dem Krebskranken, der Marihuana raucht, weil es den Schmerz lindert? Muss das illegal sein?

Steroide sind außerdem nicht nur zum Muskelaufbau, sondern auch zur Rekonvaleszenz notwendig. Sie helfen dem Körper, zu heilen und sich zu erholen. Ist das strafbar?

Gerade weil es zuviele Grauzonen gibt, und weil der gesellschaftliche Schaden durch Steroide sich in Grenzen hält (wieder: vom Leistungssport abgesehen), muss es jedem selbst überlassen sein, was er mit seinem Körper tut.

Sie es wie die Frage der Abtreibung: Mein Bizeps gehört mir!

voerdus
voerdus
7. April, 2009 14:13

Warum den Leistungssport außen vorlassen?
Ich mein ob ich nun Steroide nehme um schneller Schwimmen zu können oder den neuesten Hightech-Schwimmanzug der mir die Zehntelsekunden ermöglicht die ich brauche, ich seh da keinen großen Unterschied mehr.
Beim so genannten Spitzensport geht es letztendlich ja auch nur noch um die Show und ums Geld verdienen über Werbung die Publicity braucht.
Es muss immer neue Rekorde geben, sonst wird es doch schnell langweilig. Kein Wunder, dass es bei den Olympischen Spielen praktisch keine Amateur-Regelungen mehr gibt.

Wortvogel
Wortvogel
7. April, 2009 14:49

@ Voerdus: Ich sehe da schon einen Unterschied, ob der Fußballer bessere Schuhe anzieht – oder ob ich mir Pharmaerzeugnisse in den Körper pumpe, deren Effekte kaum zu kontrollieren sind.

Die Freigabe von Doping für den Leistungssport spielt in meinen Augen deshalb auf einer anderen Ebene, weil hier aktiv Druck auf die Beteiligten ausgeübt wird. Die Einnahme von Steroiden in dem Bereich ist dann keine freie Entscheidung mehr. DAS ist mein Problem. Ob sich Oleg aus der Muckibude Steroide spritzt, um Madleen in der Dorfdisco zu beeindrucken, ist sein Bier.

Thomas
Thomas
7. April, 2009 14:58

Und dann rennt einer Jamaikaner die 100m in neuem Fabelrekord, wobei er die letzten 20m austrudelt.
Da fühle ich mich schon verarscht. Zum einen weil ich nicht weiss ob er gedopt war zum anderen das mir durch die ganzen Dopingskandale der Gedanke, dass er einfach nur ein begnadeter Läufer ist, weggewischt wird.
Das mittels immer besseren Materials oder Trainingsmethoden auch Leistung gesteigert wird, bleibt aussen vor.
Zum privaten Gebrauch: Wer sich irgendwas verabreicht nur um es sich einfacher zu machen an sein Ziel zu kommen und es sich nicht erarbeiten zu müssen ist ein bemitleidenswerter Mensch. Seine Wampe loszuwerden und ein paar Muckis aufzubauen benötigt halt Willensstärke und ein Wandel der Gewohnheiten. Wer das nicht kann greift zur Spritze.

Wortvogel
Wortvogel
7. April, 2009 15:01

@ Thomas: Ich glaube, du siehst das zu simpel: Niemand spritzt Steroide, um ohne Mühe Muckis zu kriegen. Die meisten dieser Jungs reißen sich ja trotzdem den Arsch auf im Fitnessstudio. Doping ist ein Zusatz, kein Ersatz. Bemitleidenswert? Vielleicht. Aber das sind Männer mit Toupets und Frauen mit Silikonbrüsten auch.

Thomas
Thomas
7. April, 2009 15:11

Das stimmt wohl, aber man muss für den selben Effekt wesentlich weniger machen. Die sich 5 mal die Woche im Fitnessstudio aufhalten haben ja auch Muskelberge als Ziel (warum auch immer). Und das möglichst schnell.
Da ich selbst öfter trainiere und öfter das Studio gewechselt habe kenne ich die Klientel (teilweise und auch nur in meiner Region) und das waren meistens Jungs die nur daran gedacht haben im Sommer den fettesten Bizeps in der Disse zu haben.
Das man trotzdem trainieren muss und sich nicht Abends bei ner Tüte Chips ne Spritze reinknallt sollte klar sein^^.

mob
mob
7. April, 2009 15:11

zweiter versuch:
hab den film noch nicht gesehen, aber steht jetzt auf meiner liste.
als haeufiger us-sport-im-tv-seher bin ich natuerlich zwangslaeufig auch schon mit dem thema in beruehrung gekommen.
vor einiger zeit hat sich der kanadische autor craig davidson 16 wochen steroide im selbsterversuch gespritzt. mit beaengstigenden resultaten. dazu finden sich von ihm mehrere artikel im netz.

hier: http://www.esquire.com/features/steroids-0408
hier: http://www.guardian.co.uk/lifeandstyle/2008/may/18/healthandwellbeing.features1
und fuer alle die es lieber deutsch moegen hier: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/26373 (wobei mich etwas wundert, dass sueddeutsche.de von “unser autor” spricht…)

Thomas
Thomas
7. April, 2009 15:17

achja zu den Spritzen. Gregg Valentino vom Anfang des Trailers ist ja in “Gregg Valentino – The man whose arms exploded” zu sehen wie er sich mehrmals eine Spritze in den entzündeten Bizeps rammt. Ich bin nicht so der empfindliche Typ aber da musste ich abschalten. Wer sichs trotzdem antun möchte findets auf Youtube.

mencken
mencken
7. April, 2009 17:20

Zumindest im Profisportbereich wäre eine Legalisierung nebst Einnahme unter ärztlicher Betreuung vermutlich die sinnvollste Lösung und würde nebenbei auch noch etliche Sportarten erheblich aufwerten.

Diese GI Joe geschichte kannte ich zwar schon, finde sie aber immer noch nicht so entlarvend oder aussagekräftig – da könnten durchaus auch andere Faktoren entscheidend gewesen sein (größerer “Realismus” – die leute wissen heute einfach, daß Elitetruppen und sonstige Personen, die auch körperliche Hochleistungen erbringen müssen über entsprechende Fitness verfügen müssen) und selbst wenn man das Ganze auf Veränderungen des optimalen Körperbildes reduziert ist das ein Argument, das immer noch gefährlich nahe an den “realistische Spielzeugpistolen (oder Killercomputerspiele) machen die heutige Jugend zu den Gewalttätern der Zukunft”-Argumenten und nebenbei analog im falle der Barbiepuppen wohl auch schon längst widerlegt (zum allgemeinen Erstaunen wollen die meisten Mädchen dann wohl doch nicht nur Prinzessin o.Ä. werden oder enden als rein materiell fixierte BWL-Studentinnen).

Stephan
Stephan
7. April, 2009 17:59

@mencken
Hey, nix gegen BWL-Studentinnen in rosa Blüschen und mit Perl-Ohrsteckern – Beuteschema!

Zum Profi-Sport:
Und wer schaut sich das dann noch an, wenn es nicht mehr um die Leistung der Sportler geht, sondern darum, wer den besseren Mediziner hat? Der Radsport zeigt es – die Leute wenden sich angewidert ab. Zurecht!

International durchsetzbare, radikale Dopingkontrollen. Wer einmal verweigert wird gesperrt. Wer positiv getestet wird, wird gesperrt. Wessen Land sich den Kontrollen nicht beugt – ihr versteht das Prinzip.
Die Bekämpfung von Doping scheitert nicht in erster Linie an kriminellen Sportlern und immer ausgebuffteren Ärzten, sondern am Funktionärswesen. Wenn es dazu noch eines Beweises bedurft hätte, hat den spätestens die Farce, die sich Olympia 2008 nannte, gebracht.

Wortvogel
Wortvogel
7. April, 2009 18:05

@ Stephan: Das sehe ich auch so. Gleichzeitig bin ich aber für eine Freigabe von leistungssteigernden Mitteln im privaten Bereich, weil jeder das für sich selbst entscheiden muss. Das könnte zu einer bizarren Situation führen: Hobbyläufer, die schneller sind als Olympioniken!

Stephan
Stephan
7. April, 2009 18:16

@Torsten
Ich bin allgemein für eine weitesgehende Freigabe von Substanzen aller Art für Erwachsene. Wenn ich mich lustig aus dem Leben ballern möchte, dann ist das meine Sache (und jetzt komm mir keiner mit den Krankenkassenkosten).

mencken
mencken
7. April, 2009 18:40

@Stephan: denke ich nicht, eine Legalisierung würde ja gerade zur Chancengleichheit beitragen (und somit den Leistungsaspekt stärken, da hinsichtlich der “Hilfsmittel” ja wieder Chancengleichheit besteht).
Beim Radsport sehe ich das Problem auch darin, daß Doping dort momentan mit “unfairem Vorteil gegenüber der Konkurrenz” gleichgesetzt wird und das daraus resultierende Fehlen eines echten Wettbewerbs die Leute abschreckt, aber auch hier würde eine kontrollierte Freigabe Abhilfe schaffen. Es stört sich ja auch niemand daran, daß z.B. beim Wintersport die Ausrüstung auch entscheidend sein kann und manche Länder da einfach bessere Voraussetzungen haben, insofern sehe ich auch analog beim Doping keine größeren Probleme.

voerdus
voerdus
7. April, 2009 18:58

“Die Einnahme von Steroiden in dem Bereich ist dann keine freie Entscheidung mehr. DAS ist mein Problem.”

Wer sich heute entscheidet im Leistungssport ganz vorne mit dabei zu sein, schluckt auch schon massenweiße Nahrungsergänzungsmittel, hat einen ultra strengen Diätplan und rackert seinen Körper in so mancher Sportart innerhalb von 10 Jahren zu Grunde. Ob da nun noch ein bei Missbrauch destruktiver Faktor dazu kommt macht den braten auch nicht mehr fett.
Wer im Leistungssport oben mitspielen will der muss vorher wissen was er seinem Körper antut.
Von einem Zwang kann da in meinen Augen nicht unbedingt eine Rede sein.
Der Zuschauer will ja neue Rekorde sehen, in Peking waren alle begeistert als in den Schwimmhallen ein Rekord nach dem anderen fiel, dass brach Quote.
Das einzige was mich stört wenn ich Sport konsumiere ist eben, man weiß nicht ob der neue 100m-Rekord-Läufer gedopt war oder nicht.
Für mich werden die Leistungen der Tour de France Fahrer deswegen nicht weniger beeindruckend, aber die Heuchelei und die Lügen der Fahrer, die sind für mich der wirklich bittere Beigeschmack.

@Stephan
Der Sportler ist der der immer im Rampenlicht steht, trotzdem werden nicht umsonst Unmengen an Gelder in die Ausrüstung, Entwicklung, Ärzte, Ernährungberater, Physeotherapeuten etc. investiert.
Wer hat den besten Trainer, welcher Pysiotherapeut kriegt die Muskeln am lockersten, welcher Arzt erstellt den besten auf den Sportler abgestimmten Ernährungsplan.
Wenn es mir wirklich nur um die sportliche Leistung und den Ehrgeiz des einzelnen Sportlers geht bin ich in meinen Augen als Zuschauer bei Amateurwettkämpfen besser aufgehoben. Denn da kämpft der Athlet wirklich ohne hochprofessionelle Unterstützung und nur um sich zu messen.

Asmodeus
Asmodeus
7. April, 2009 19:21

“Für mich werden die Leistungen der Tour de France Fahrer deswegen nicht weniger beeindruckend, aber die Heuchelei und die Lügen der Fahrer, die sind für mich der wirklich bittere Beigeschmack.”

Genau so ist es doch.
Die Leute fahren immernoch XX Kilometer wo Normalsterbliche schon längst keine Lunge mehr haben. Das ist immernoch bewundernswert.
Und nur weil sich jemand Epo spritzt wird er nicht zu einer Maschine die Kilometer abrackert ohne Ende.

Ich selbst muss Epo spritzen (medizinische Gründe) und der Effekt ist absolut minimal.

Sogar wenn es eine wesentlich höhere Dosis wäre, hätte ich nicht plötzlich die Ausdauer an so einer Tour teilzunehmen.

Heino
Heino
7. April, 2009 20:03

Ich denke nicht, dass die Zuschauer wegend es Dopings wegbleiben. Meiner Ansicht nach verlieren die betroffenen Sportarten an Attraktivität, weil bei harten Dopingkontrollen die ehemaligen Galionsfiguren wie z.B. Jan Ulrich auffliegen und dadurch nur noch “No-Names” im Rennen sind. Die Fußball-WM wäre auch für die meisten Leute nicht mehr interessant, wenn die Favoriten durch Doping ausfielen und stattdessen Jamaika gegen Burkina Faso im Finale stehen würde.

Eigentlich habe ich zum Gebrauch von Steroiden keine wirkliche Meinung, weil ich mich noch nie damit auseinander gesetzt habe. Im Profi-Sport ist die Sachlage allerdings für mich eindeutig:wer absichtlich dopt, verschafft sich einen unfairen Vorteil (längeres Durchhaltevermöge etc.) und hat es deswegen verdient, dafür auch bestraft zu werden.

realstar
realstar
7. April, 2009 20:57

Kam eigentlich die Szene wo Valentino sich überschüssiges Blut mit einer Spritze absaugt auch vor ? Erinnere mich nicht mehr, zulange her dass ich die Doku gesehen habe. Das war jedenfalls schon heftig.

gabor
gabor
8. April, 2009 14:15

Danke für den Tipp! Großartige Doku.

Cybermike
28. April, 2009 18:44

Wahnsinns Doku, bin ja selber Wrestlingfan, kannte Bell auch schon vorher vom Hören, aber das der so Krass abgeht und die anderen Sportler gleich mit, ist Erschreckend, sehr Sehenswert: “BIGGER, STRONGER, FASTER” Offizielle HP: http://www.biggerstrongerfastermovie.com/

Lutz
Lutz
20. Mai, 2009 01:44

Auch von mir noch einmal danke für den Tipp. Habe den Film jetzt endlich gesehen.

Ich stimme deiner Kritik in allen Punkten zu. Ich habe mich an einigen Stellen im Film regelrecht geärgert, dass die einfach so mit Fakten meiner Sichtweise wiedersprechen. Was fällt denen ein? In der Hinsicht haben sie mein Weltbild auch auf den Kopf gestellt.

Aber trotzdem kann ich sagen, dass ich jetzt noch klarer gegen Steroide Stellung beziehen kann. Die gesundheitlichen Aspekte mögen geringer geworden sein. Die moralischen Bedenken sind aber für mich umso deutlicher hervorgetreten.

Vanessa H.
Vanessa H.
16. November, 2010 12:02

Hallo ich bin vanessa h.
Ich finde so etwas einfach nur wiederlich. Ich frag mich wie man so etwas mit sich machen kann.
Es ist doch garnicht schön…..einfach Hässlich!!!!!!!!!!!!!!!