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Mrz 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (32) Heute: Charley Varrick

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

varrick1USA 1973. Regie: Don Siegel. Darsteller: Walther Matthau, Andrew Robinson, Howard Vernon, Joe Don Baker, Sheree North

Don Siegel war ein Mann. So ein richtiger. Er drehte Männer-Filme. Von Männern, mit Männern, über Männer, für Männer. Männer-Themen, erzählt aus Männer-Sicht. Gerne mit Clint Eastwood. Auch ein Mann. Wie Sam Peckinpah, Sam Fuller, später Walter Hill, Oliver Stone, Paul Schrader. Der Mann ist einsam, die Straße staubig, und ein schneller Tod beendet gut ein schmutziges Leben.

Ich mag Siegel-Filme. Sie haben diese konsequente Weltsicht, die klaren Ziele: Ausbruch aus dem Gefängnis, Raub von 750.000 Dollar, Flucht vor der Mafia. Keine moralische Reflektion Reflexion, nur Konzentration auf die Aufgabe. Wer für uns ist, sind die Guten. Wer gegen uns ist, sind die Bösen. Moral? Ein Zeichen von Schwäche. Ehre vielleicht, aber auch die ist keine Lebensversicherung.

„Charley Varrick“ gehört zu den wenigen Siegel-Filmen, die ich nie ganz gesehen hatte. Als ich jünger war, mochte ich keine Filme, in denen Verbrecher die Hauptfiguren waren. Ich wollte echte Helden. Außerdem irritierte mich die Vorstellung von Matthau als Charakterdarsteller. Schließlich kannte ich den nur aus lustigen Komödien mit Jack Lemmon. Und der banale Titel sagte mir auch nicht zu.

Angesichts der Tatsache, dass ich mittlerweile ein Siegel-Fan bin, und Matthau in „Stoppt die Todesfahrt der U 1-2-3!“ seine Kompetenz im Drama-Bereich bewiesen hat, musste ich mir „Charley Varrick“ für die „Movie-Mania 2009“ einfach zur Seite legen.

Es geht um Charley Varrick, einen ehemaligen Kunstflieger, dem das Geschäft mit Pestizid-Flügen bankrott gegangen ist, und der mit seiner Frau Nadine und zwei Komplizen nun kleine Banken auf dem Land ausraubt. Bei seinem aktuellen Coup in Tres Cruces werden Nadine und ein Handlanger erschossen, Varrick und der leicht psychopathische Harmon können gerade so entkommen. Das Problem: die Beute beläuft sich auf unglaubliche 750.000 Dollar. Mafia-Geld, ganz klar. Und schon schickt das organisierte Verbrechen den eiskalten „Mr. Molly“ los, um aufzuräumen. Charley ahnt, dass er kaum eine Chance hat, Harmon im Zaum zu halten, und der Mafia zu entkommen – aber das heißt nicht, dass er es nicht versuchen wird…

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Tatsächlich enttäuscht der Film nicht. Alle Siegel-Standards werden erfüllt: dynamische Actionszenen, harte schweigsame Kerle, jeder legt jeden rein, und die Rechnung wird mit Blei bezahlt.Dazu das staubige New Mexico, alte Ami-Schlitten, und die Männer-Darsteller Joe Don Baker („Mitchell!“) und Howard Vernon noch ohne Plauze. Von der Kameraarbeit bis zur Musik, vom Schnitt bis zu den Locations – „Charley Varrick“ ist ein Klassiker des 70er Männer-Kinos. Siegel in Bestform.

Normales Leben kommt in diesem Film ebenso wenig vor wie die Polizei – das ist allenfalls Hintergrundrauschen. Für Siegel ist jeder Mensch gebrochen, jeder Charakter gestrandet. Es gibt keine übergeordneten Systeme mehr, man macht sein Schicksal selbst. Am Ende warten nicht Glück oder das Haus im Grünen, sondern bestenfalls die Atempause, die ausnahmsweise gefüllte Brieftasche, das nächste Versteck. Man entflieht der Situation, nicht dem Spiel an sich.

Natürlich kann man das Casting von Matthau kritisieren – hätte auf Varrick nicht besser ein Typ wie Eastwood gepasst? Besonders, wenn Varrick am Ende eine edle und bildhübsche Sekretärin lässig aufreißt, hat man das Gefühl, er spielt außerhalb seiner Liga. Andererseits: wo Matthau vielleicht etwas Härte fehlt, bringt er nuschelige Introspektion mit. Wir merken, dass Varrick die einzige Figur ist, die mit der nötigen Vorsicht agiert. Er ist flexibel, hat keine Scheuklappen auf. Er setzt sich durch seine wenig autoritäre Art von allen coolen Gangstern seiner Umgebung ab – und überlebt gerade deshalb.

Doch es gibt auch einen Punkt, der mir wirklich aufgestoßen ist. Es hat Tradition, dass Frauen in den Filmen von Siegel, Hill, Stone etc. nur hübsches Beiwerk sind. Sie sind schwach, lüstern, korrupt, billig, einfach zu manipulieren. Aber in „Charley Varrick“ wird das auf eine Spitze getrieben, mit der ich mich nicht mehr wohl fühle, die ich auch nicht rechtfertigen möchte. Das beginnt schon damit, dass Charley erstaunlich wenig Regung zeigt, als seine große Liebe Nadine erschossen wird. Man mag es noch unter „harte Männer heulen nicht“ verbuchen, aber die Frauen, denen wir im Rest des Films begegnen, dienen nur der männlichen Befriedigung. Schlimmer noch: Die Männer signalisieren ihr sexuelles Interesse durch Androhung (Charley und die Sekretärin) oder Ausübung (Molly und Jewell) von Gewalt – und die Frauen geben sich mit Freude hin. Trotzdem erlaubt sich der Killer (!) Molly die Grundregel: „Ich schlafe nicht mit Huren – zumindest nicht wissentlich“. In der Welt von „Charley Varrick“ ist das kein Problem, sind doch letztlich alle Frauen Huren, auch die unbezahlten.

Eigentlich wollte ich den Absatz über den unangenehmen Sexismus des Films mit einem launig-widerprüchlichen „Und Titten gibt es auch keine zu sehen!“ abschließen, aber dazu ist es mir tatsächlich zu ernst. Obwohl ich begeistert bin von der technischen und inhaltlichen Qualität, hat mich dieser Aspekt wirklich geärgert. Das sei bitte im Protokoll vermerkt.

Mit diesem Abstrich aber trotzdem: ein ganz feiner Actionkrimi aus einer Ära, als das Genre in voller Blüte stand.

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Dieter
Dieter
2. März, 2009 00:52

Ich habe den Film vor bestimmt 20 Jahren gesehen und fand den richtig gut. Das mit den Frauen stimmt, wenn ich das so lese, aber damals habe ich das nicht bemerkt, weil bei mir der Film eben als echter Männerfilm lief.

Matthau finde ich glänzend besetzt: Eastwood scheint viel mehr zum Helden geboren und immer irgendwie Herr der Lage, während Matthau mehr ein Durchschnittstyp ist, um den ich Angst hatte. Zudem erscheint er dadurch mehr durch die Umstände zu dem gemacht worden zu sein, eben nicht dazu geboren. Das gibt der Figur Glaubwürdigkeit.

Dieter
Dieter
2. März, 2009 00:56

Ach ja: Und Molly ist ein Killer, den man so richtig schön hassen kann!

Ben
Ben
2. März, 2009 01:22

Werter Herr Dewi, Sie machen immer wieder den gleichen Fehler: Et heißt Reflexion, nicht Reflektion..
😉

Wortvogel
Wortvogel
2. März, 2009 01:30

@ werter Herr Ben: potato, potatoe 🙂

Man lernt nie aus!

Baumi
2. März, 2009 01:36

Und wo wir schon beim Tippfehler-Verbessern sind: Bitte “autoritäre” statt “authoritäre”.

Und danke für den Filmtipp – trotz der Einschränkungen.

🙂

Stephan
Stephan
2. März, 2009 12:06

Hat der Film einen deutschen Titel? Die Geschichte kommt mir sehr bekannt vor (insb. mit Matthau), aber der Titel sagt mir gar nix.

Wortvogel
Wortvogel
2. März, 2009 12:09

@ Stephan: Da schau mer doch mal ganz lässig auf das Szenenfoto 😉

Peroy
Peroy
2. März, 2009 12:10

Man werfe einen Blick auf die Bilder…

Peroy
Peroy
2. März, 2009 12:10

Zwei Dumme ein Gedanke…

Dirk
2. März, 2009 12:20

Hab den neulich mal auf MGM oder so gesehen, zumindest die zweite Hälfte, und war auch sehr positiv überrascht. Ein guter Film, auch wenn es wirklich eine untypische Rolle für Matthau ist.

Stephan
Stephan
2. März, 2009 12:21

Ah, der Film heißt Tres Cruces. Hätte ich ja gleich sehen müssen 😉

Danke!

Dieter
Dieter
2. März, 2009 13:17

😀

Mencken
Mencken
2. März, 2009 19:40

Guter Film, das Frauenbild fand ich immer folgerichtig (wenn auch zweifelhaft) – der Film macht sich eben die Sichtweise seiner Protagonisten zu eigen und in einer Welt, in der allein das Recht des Stärkeren gilt, erscheint mir ein derartiges Frauenbild durchaus vorstellbar. Wenn ich mich recht erinnere, tötet Charleys Frau auch einige Polizisten zu Beginn und wird als recht amoralisch (aber auch vordergründig “stärker als Charley) skizziert – zumindest in diesem Fall scheint mir der Umgang mit den Figuren also allein nicht geschlechterspezifischen Moralvorstellungen geschuldet zu sein (aber auch lange her, daß ich den Film gesehen habe, mag ich heutzutage anders sehen).