14
Sep 2011

“Harald Schmidt”: You’ve come a long way, baby…

Themen: Film, TV & Presse |

16 Jahre sind auch an ihm nicht spurlos vorbei gegangen:

Meine Meinung? Er könnte immer noch bessere Gagschreiber brauchen, gerade der Monolog zum Start ist oft genug mehr schmerzhaft als witzig. Audi flambé? Die kotzende Anne Will? Pubertär wäre noch das Freundlichste, was mir dazu einfällt.

Aber Schmidt hat die unerschütterliche Souveränität, die allen deutschen Konkurrenten bisher abgeht. Könnte ich einen Unterschied zu den alten SAT.1-Sendungen ausmachen, wäre es seine Fähigkeit, auch zugekauftes Material zu verinnerlichen, als hätte er sich die Pointen selbst ausgedacht. Das zeichnet den guten Late Night Moderator aus, das kann Letterman deutlich besser als Leno. Aber er verplempert immer noch zuviel Zeit, dehnt, wo er straffen müsste. Die Lobhudelei bei SPIEGEL online kann ich nicht unterschreiben.

“Sylt!” – beste Pointe des Abends. Vielleicht sollte sich der überraschend elegant gekleidete Olli Dittrich mal als Urlaubsvertretung vormerken lassen.

Der direkte Vergleich ist hier leider nicht möglich, weil SAT.1 die Einbindung der gestrigen Show nicht ermöglicht. Aber zumindet die allererste HSS von 1995 kann ich euch zeigen:

http://www.youtube.com/watch?v=2OyWV4zR9Is

Man kann viel diskutieren. Ist es erschreckend, wie wenig sich verändert, entwickelt, verbessert hat? Oder ist die Late Night Show, wenn sie einmal eingefahren ist, nicht genau das Format, an dem man über Jahrzehnte eben nicht rüttelt? Sind Pocher, Ruf und Engelke (letztlich auch Schmidt bei der ARD) gerade deswegen gescheitert, weil sie versucht haben, das eherne Konzept, wie es von Johnny Carson zementiert wurde, aufzubrechen?

1,39 Millionen Zuschauer. “Akte 20.11” davor hatte mehr. Produzent Fred Kogel hat neulich gesagt, es müssten schon über 1 Million sein. Ist die anfängliche Neugier der Zuschauer verflogen, könnte selbst die niedrig gelegte Messlatte ein Boomerang werden.

Und schließlich: Craig Ferguson bleibt das unerreichte Ideal.

http://www.youtube.com/watch?v=H3Qxa8BKdEk



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justus_jonas
justus_jonas
14. September, 2011 20:29

Zwei Tage in der Woche sind natürlich immer noch zu wenig. Problem bei deutschen “Late Night Shows” ist halt doch der Mangel an echten Stars hierzulande. So können bei Conan/Leno/Letterman/Ferguson/Kimmel… sich eben die echte Stars die Klinke in die Hand geben. Problem ist aber eigentlich eher, dass in den USA und GB in den Late Night Shows halt auch die Teile mit den Gästen durchgescripted (oder zumindest vorbesprochen sind). Da zünden dann auch die Gags. Das passiert bei Schmidt halt nur sehr selten. Da ist es harmloses Geplänkel und einmal die CD/Buch in die Kamera halten.

Andreas
Andreas
14. September, 2011 20:36

…craig ferguson ist auch für mich der beste der late night talker in den usa. eben weil er von der mittlerweile eher langweiligen norm abweicht und spontan ist! bzw. spontan wirkt, ich denke mal, da ist auch sehr viel professionalisiert. conan ist mittlerweile ein müder schatten seiner selbst, die quoten im cable tv wohl auch im keller. letterman ist der elder talksman, spontan ist da nix mehr, er ist eher eine institution. leno – kein kommentar. kimmel hab ich zuwenig gesehen, aber was ich gesehen habe, war leidlich lustig (selbst die webcam-folge als der strom ausgefallen war, gab nicht wirklich viel her). fallon ist wohl doch besser als anfangs gedacht (lorne michaels hat offenbar einen guten riecher für nachwuchs – er hatte damals ja auch conan durchgeboxt). und stewart/colbert passen mit ihren shows sowieso nicht in dieses klassische late night korsett. beide sind natürlich großartig, sehr klug und mit top writern ausgestattet. und trotzdem: der schotte schlägt sie in meinen augen alle. er ist leichte unterhaltung, schön durchgeknallt, manchmal klug, manchmal gaga (das pferd!)… und immer wieder unvorhersehbar. die frage ist nur: wie lange wird er das so noch machen und was kommt für ihn danach?
ach ja – und ich werde ihn live sehen. bin in zwei wochen in l.a. und hab natürlich tickets für ein late late show taping.
ach und noch was – entdeckt hab ich ihn durch diesen blog! vor jahren hat der wortvogel immer mal wieder ein paar youtube videos von ferguson verlinkt. bis dahin war ich conan-jünger. seit dem hat sich viel verändert. also nochmal: danke wortvogel!

Gregor
Gregor
14. September, 2011 21:08

@ Andreas: Lucky bastard!

Auf Ferguson bin ich auch dank Wortvogel gekommen – ein grosser Mann (also, Ferguson jetzt).

Jeff Kelly
Jeff Kelly
14. September, 2011 21:15

Nun, wie ich letzthin bereits im Fernsehlexikon gerantet hatte fehlt in Deutschland halt einfach der handwerkliche Unterbau für Comedy.

Hört man sich in den USA Interviews mit Autoren, Komikern und Schreibern an, so haben die eines gemeinsam, sie haben das Handwerk Comedy von der Pike auf gelernt.

Eigene Stand-Up Programme, Training im Improv-Theater, sei es nun UCB oder Second City und meistens als Autoren durch eine der klassischen “Schmieden” gegangen.

Manchmal schaffen die es dann zu eigener Berühmtheit oder vor die Kamera.

Kimmel hat u.a. 20 Jahre Radioerfahrung bei KROQ und war auch bei der “Man Show”
Fallon war Autor bei Conan und bei Saturday Night Life vor und hinter der Kamera tätig
Ferguson tritt seit den Achtzigern mit eigenem Material auf

Ähnliche Karrieren findet man bei (fast) allen in der Comedy-Branche, vor oder hinter der Bühne, ob als Agent oder Produzent.

Außerdem ist es üblich das die Presenter selbst am Material mitarbeiten

Dazu leisten sich selbst die Late Late Night Shows ab 0:30 Uhr ein Team von mehreren Autoren, die den Star mit zusätzlichem Material versorgen.

The Daily Show beschäftigt 12 Autoren (inclusive der Korrespondenten) und hat erfolgreiche Stars hervorgebracht und beschäftigt(e) so illustre Namen wie, Stephen Colbert, Steve Carell, Chefautor Ben Karlin (formals The Orion), Lewis Black (das ist der, den der Typ aus der Heute Show immer nachäfft), Rob Riggle und Ed Helms (The Office, The Hangover).

Ohne Saturday Night Live gäbe es eh die Hälfte der US Comedy nicht (von 30 Rock bis Parks and Recreation)

Selbst dann benötigen US Late Night Shows teilweise bis zu einem Jahr (Jimmy Fallon z.B.) um ihren eigenen Weg und Groove zu finden.

Da ist Schmidt mit den Begrenzten Möglichkeiten die er hat schon relativ gut dabei.

Auch wenn das ein Thomas “Ich habe von der Branche in der ich arbeite keine Ahnung” Bellut anders sieht. Er hat ja erst vor kurzem behauptet Deutsche ÖR-Sender müssten eine Serie vom Niveau Two and a half Men ja auch locker hinkriegen.

Er soll sich einfach mal anschauen, welchen Aufwand alleine die BBC (vom Budget her noch am ehesten mit ARD oder ZDF vergleichbar) treiben muss, damit ab und an mal eine Perle wie Coupling oder Sherlock rauskommt.

Jeff Kelly
Jeff Kelly
14. September, 2011 21:22

Übrigens würde ein Komiker, der sich so unverfroren am Material seiner Kollegen vergreift wie es z.B. die heute show tut, vermutlich keinen Fuss mehr auf den Boden kriegen. Auch da gibt es mit Dane Cook oder Carlos Mencia Beispiele.

Auch das kann man Schmidt anrechnen, dass er seinen eigenen Stil gefunden hat, selbst wenn nicht jeder Gag zündet.

2 Mal pro Woche bei einem Sender der nicht so träge und durchpolitisiert ist wie die ARD könnte ihm vielleicht zu altem Glanz verhelfen.

Peroy
Peroy
14. September, 2011 23:14

“16 Jahre sind auch ihm nicht spurlos vorbei gegangen:”

An ! AN ! *gnöh*

Howie Munson
Howie Munson
15. September, 2011 00:50

Übrigens würde ein Komiker, der sich so unverfroren am Material seiner Kollegen vergreift wie es z.B. die heute show tut, vermutlich keinen Fuss mehr auf den Boden kriegen

Bei wem wird sich zu unverfroren vergriffen?

( und wieso wird jetzt eine Sendung mit unter 60 Ausgaben mit über 600 Sendungen verglichen?? )

naja egal, zurück zum Thema: kommt mir das nur so vor oder hat Harald früher deutlich schneller gesprochen? Wie dem auch sein der solo-part war “früher” meiner Meinung jedenfalls besser…
(und bei “Bei ARD und ZDF reiern sie in die 1.Sitze” ist noch älter als die erste Sendung)
((sogar als Netzfundstelle ))

Dietmar
Dietmar
15. September, 2011 07:58

Craig Ferguson habe ich auch hier kennengelernt. Er ist großartig. Allen Imitaten fehlt die Leichtigkeit der Originale. Wo Stewart im Humor Ernstes vermittelt, ist die Heute-Show albern und belanglos. Besonders dies “passt auf, jetzt bin ich witzig” der Außenreporter ist nervend und spielt sich Klassen unter denen der Stewart-Show ab.

Bei Schmidt, er ist immer noch der beste hier, was aber eher an der Schwäche der anderen bzw. deren Fehlen liegt, finde ich seine ewige ironische Distanz zu allem mittlerweile sehr unlustig. Ferguson strahlt immer Nähe, Interesse und Begeisterungsfähigkeit aus.

Paddy-o
Paddy-o
15. September, 2011 12:19

Zum Schmidt kann ich nix sagen… dafür hab ich den in den letzten Jahren viel zu wenig sehen können.

Aber dafür, dass ich Craig (mein Idol, mein Held) durch Torsten kennengelernt habe, gibt es nochmal ein dickes dickes DANKE TORSTEN!!!! 🙂

MountainKing
15. September, 2011 13:36

Hab´gestern nach Fußball mal reingeschaut und war eigentlich schon deswegen guter Stimmung, weil endlich der mir einen nahezu physischen Widerwillen einflößende Kerner weg war, aber es zündet irgendwie einfach nicht mehr. Die ARD-Zeit habe ich nahezu komplett “übersehen”, vorher eigentlich viele Jahre regelmäßig geschaut. Vielleicht liegen mir inzwischen aber auch Daily Show/Colbert Report, (die ich nie verpasse) mehr, denn auch Conan und Letterman (die ich nur bei mich interessierenden Gästen mal schaue) finde ich nicht mehr so berauschend. Schon wegen der unglaublich nervigen Sidekicks. Ferguson ist da tatsächlich inzwischen der Beste.

Dietmar
Dietmar
15. September, 2011 13:55

@MountainKing: Oh ja, Kerner … ächz …

nameless
nameless
15. September, 2011 16:02

die ganz alten sendungen fand ich gar nicht mal so gut, die show war ende 90er bis 2003 am zenit.

und genau die ausgedehnten sachen wie playmobil, wichteln, etc. waren früher oftmals meine highlights. für letzteres fehlt allerdings auch die alte show-family; suzana, nathalie, andrack – speziell andrack, ein ansprechpartner und stichwortgeber über die ganze show hindurch fehlt deutlich. für zerlett allein ist das nichts und bauerfeind oder sonstigen, die hin und wieder mit mäßigen sketches auftauchen, trau ich das auch nicht zu.

ps: sherlock war enttäuschend. schwache plots (ja, orientiert sich an den originalen, diese wurden jedoch arg verschlimmbessert) und der charakter sollte wohl sowas wie detective house darstellen, ist aber überwiegend einfach nur unsympathisch.

Jeff Kelly
Jeff Kelly
15. September, 2011 17:19

Umgekehrt, House hat sich an Sherlock Holmes orientiert.

Peroy
Peroy
15. September, 2011 18:05

Und dann die versemmelte Sherlock-Neuauflage wieder an House…

TRESIE
15. September, 2011 19:15

Tja, zur Qualität der Gagschreibern sag ich mal nix. Hab ich nämlich schon. Und weil es einfach wie die Faust aufs Auge passt, dieser Link, der mit Ingo Appelt und Emil Steinberger Humor an sich und ab Minute 45 mit mir die Gagschreiber-Hintergründe beleuchtet. http://www.swr.de/nachtcafe/-/id=200198/did=8600848/pv=video/nid=200198/1ena3yq/index.html

Jeff Kelly
Jeff Kelly
15. September, 2011 21:12

@Peroy: Wie das gehen soll verstehst wohl nur du.

Jeff Kelly
Jeff Kelly
15. September, 2011 21:19

@TRESIE. Ich musste leider nach dem ersten Satz des “Gagschreibers” abschalten, weil es da schon nicht mehr auszuhalten war. Die Weltformel des Witzes, der immer drei Elemente hat, egal ob es ein Tittenwitz oder ein anderer Gag ist.

FFFFFFFUUUUUUUUUUUU

Peroy
Peroy
15. September, 2011 22:08

“@Peroy: Wie das gehen soll verstehst wohl nur du.”

Ja, ich versteh’ das.

TRESIE
15. September, 2011 23:24

@ Jeff. Das musst du erklären…

nameless
nameless
15. September, 2011 23:38

“Ja, ich versteh’ das.”

dito.

Trantor
Trantor
15. September, 2011 23:58

@Jeff: kleiner Tipp: Der Gagschreiber, Tresie…. könnten, Du weißt schon, gleiche Person, und so, aber *psst*

Peroy
Peroy
16. September, 2011 00:29

Nein, lass’ ihn mal machen… ich will wissen, was bei rauskommt… 8)

Gagsie
Gagsie
16. September, 2011 09:26

“Meine Meinung? Er könnte immer noch bessere Gagschreiber brauchen, …”

Lange Jahre war ich einer von denen – natürlich von den Guten!!!

Aber wer ebenfalls glaubt, dass Harald für den Anfangsmonolog keine guten Gags bekommt, der suche in den Untiefen des Netzes folgende SAT.1-Folge:
Harald erklärt, dass er die Zeit vergessen hat und keine Monolog-Gags auswählen konnte.
Deshalb liest er dem Publikum die GESAMTE Gag-Vorauswahl vor und lässt das Publikum bewerten.

Da waren damals natürlich auch viele mäßige Dinger dabei, aber es gab ebenso derart viele satirische Glanzstücke, dass im Netz gleich vermutet wurde, das sei überhaupt keine normale Vorauswahl gewesen – “VIEL ZU GUT”!

Weshalb Harald dann so maue Gags auswählt?
Meine Meinung (u.a.): Wer einmal bei der Aufzeichnung war, der weiß, dass dieses Studiopublikum nicht auf der Suche nach feinsinniger Satire ist………

Jeff Kelly
Jeff Kelly
16. September, 2011 09:56

Meine Antwort würde jetzt nicht großartig anders ausfallen, egal ob es sich bei TRESIE um den im Nachtcafe aufgetretenen Gagschreiber handelt oder nicht.

Die ersten 45 Minuten der Sendung waren schon kaum erträglich aber diesem Herren dabei zuzuhören wie er sein Handwerk erklärt war für mich noch schwieriger.

Allerdings erklärt es leider so viel über den Zustand und die Qualität des Humors im deutschen Fernsehen. Ich könnte versuchen meinen Standpunkt weiter auszuführen allerdings würde das vermutlich sehr lang ausfallen und würde vermutlich viele Gegenüberstellungen mit amerikanischen und britischen Komikern und Autoren enthalten.

Sagen wir es so, die Sendung hat mir ein für alle Mal klar gemacht, warum Humor im deutschen Fernsehen so ist wie er ist und warum sich daran auch in Zukunft wohl nichts ändern wird.

Da Ich jemand bin, der von der aktuellen Comedykultur in DE nicht angesprochen (sogar eher vertrieben) wird finde ich das jetzt eher schlecht aber YMMV.

Ich konnte bei den Ausführungen der Anwesenden jedenfalls meine Fassungslosigkeit kaum beherrschen

TRESIE
16. September, 2011 14:32

@ Gagsie
Die Bandbreite der Gag-Auswahl ist groß.
Gestern hat Harald, der tatsächlich seinen Stand-up aus einer Vorauswahl zusammenstellt, offensichtlich daneben gegriffen. Und das auch thematisiert.

@JEFF
Du ziehst dich aber ganz schön billig aus der Affäre. Nur Gepolter… keine Argumente.

Peroy
Peroy
16. September, 2011 14:44

“Gestern hat Harald, der tatsächlich seinen Stand-up aus einer Vorauswahl zusammenstellt, offensichtlich daneben gegriffen. Und das auch thematisiert.”

Das war dann auch lustiger als die Witzchen, die davor kamen… warum nicht einfach darauf verzichten und jeden Abend einfach 15 Minuten lang das Publikum beleidigen ? 8)

Mencken
Mencken
16. September, 2011 16:41

Jeff hat doch recht, ein internationaler Vergleich macht die Unterschiede doch überdeutlich, da muss man doch nicht noch extra die verlinkte Sendung im Detail auseinandernehmen.
Letztendlich läuft es ohnehin auf die üblichen zwei Positionen hinaus, es gibt die Gruppe, die Wert auf die Herkunft legt (wie auch bei den ganzen Genre-Diskussionen) und Schmidt im Kontext der deutschen Fernseh- und Humorindustrie bewertet, und es gibt eine zweite Gruppe, der die Herkunft schlichtweg egal ist und die Schmidt dementsprechend einfach danach bewertet, ob es andere besser können.

Howie Munson
Howie Munson
16. September, 2011 17:15

also gibt sich schmidt weder bei der Auswahl noch bei der Präsentation soviel mühe wie früher…. und er spricht langsamer damit zwei Pointen weniger gebraucht werden. *duck*

@Menken: mir ist sogar egal ob es andere besser können. *g*

@Jeff: das mit der heut-show hast aber nicht erklärt… geht es dir ums Setting der nachgemachten Nachrichtensendung oder um die Gags an sich? Und woher weißt du, dass die anderen sich nicht auch “inspirieren” lassen haben bzw. dass das abgesprochen ist.

Jeff Kelly
Jeff Kelly
16. September, 2011 19:57

Ich werde wohl nicht mehr dazu kommen, große Textwände zu schreiben, wenn der Hausherr morgen das Blog zusperrt.

Zum durchschnittlichen Karriereweg der Leute habe ich ja oben schon genug gesagt.

Was Komiker im englischsprachigen Ausland antreibt ist die Suche nach der eigenen Stimme, der eigenen Haltung und der Art von Bühnenarbeit, die einem einzigartig macht.

Diese “Stimme” zu finden ist langwierig, harte Arbeit und manche schaffen es nie ihren eigenen Weg zu finden.

Da ist dann auch die Unterscheidung innerhalb der Szene ganz eindeutig zwischen den “Hacks” die außer abgehangenen Witzen und einem altbackenem Stil nichts drauf haben und Komikern die einen eigenen Stil gefunden haben.

Da sind die unterschiedlichsten Herangehensweisen zu sehen, welche Inhalte präsentiert werden, wie die Kadenz der Sprache eingesetzt wird, ob es eher in “Bits” oder einem Monolog aufgeteilt ist etc.

Hört man sich Marc Marins Podcast oder die anderer Komiker an kann man in den Interviews ganz unterschiedliche Herangehensweisen erleben.

Außerdem haben Ausnahmetalente die Sichtweise der Branche immer wieder neu kalibriert, ob es nun George Carlin war, der als erster mit Geschichten arbeitete und damit ganz anders war als die Komiker seiner Zeit die hauptsächlich mit reinen Witzchen und Pointen gearbeitet hatten. Robin Williams der die Anarchie in der Komik hoffähig gemacht hat oder Seinfeld der die Komik im absolut banalen und alltäglichen fand.

Jeder Komiker der als Stand Up auftritt oder als Autor arbeitet versucht seine eigene Stimme zu finden und zu schärfen. Was funktioniert wird dabei am Publikum getestet.

Anglo-amerikanische Komiker verwenden Material auch nicht so lange weil es irgendwann alt und schal wird.

Schreibt man für einen anderen versucht man dessen Stil so treu wie möglich abzubilden. Head-Writer und Team arbeiten eng mit dem Host der Show (der meist selbst Komiker ist) zusammen und viele Berühmtheiten der amerikanischen und englischen Szene haben sich so ihre ersten Sporen verdient

Nichts ist deshalb schlechter angesehen als Kopisten und Leute die 08/15-Nummern aufführen.

Diese Herangehensweise gibt es in Deutschland so gar nicht, einerseits weil uns die Mittel fehlen, wir haben schließlich kaum Comedy-Clubs oder Improvisationstheater, andererseits weil es von wenigen Ausnahmen abgesehen bei uns kaum Leute gibt die diesen Beruf mit dem notwendigen Fokus ausüben und ihn auch entsprechend lieben.

Was mir im Nachtcafé präsentiert wurde ist komplett orthogonal dazu, dass beginnt schon dabei, dass gerne zugegeben wird wo man abschaut. (Anstatt sich zu überlegen was man eigenes machen kann) und endet bei der Aussage “Eigentlich funktioniert ein Witz immer gleich, egal ob es Tittenwitz oder was anderes ist.” Gepaart mit der Haltung das es egal ist für wen man schreibt, weil eh alles das selbe ist.

Für die meisten Stand Ups wäre nichts ein größerer Horror als so zu klingen und zu agieren wie ein anderer der Branche und fast jeder ist darauf aus sein Handwerk über die Jahre zu verfeinern.

Davon sah ich in der von dir verlinkten Sendung, mit Verlaub, allerdings nichts und das lässt mich einfach sprachlos zurück.

Wenn mal wieder das Gespräch darauf kommen sollte warum wir Deutschen nicht etwas ähnliches wie die Briten hinkriegen könnten weiss ich jetzt die Antwort.

Jeff Kelly
Jeff Kelly
16. September, 2011 20:08

Zur Heute Show ist zu sagen, dass sie versucht eine 1:1 Kopie des Originals zu sein.

Das geht beim Design des Studios los, erstreckt sich über die Struktur der Sendung und geht bis hin zu den Korrespondenten.

Dabei kopiert man nicht nur Struktur, Look und Aufbau sondern äfft sogar teilweise die Komiker, die im Original auftreten, nach.

Lewis Black in der Daily Show
http://www.thedailyshow.com/watch/wed-may-11-2011/back-in-black—america-s-next-top-enemy

und Hassknecht in der heute show
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/beitrag/video/1357708/Hassknecht-kocht

Das ist schon schlimm genug finde ich, dass dabei aber noch nicht einmal im Ansatz die Qualität des Originals erreicht wird finde ich noch schlimmer.

Am schlimmsten finde ich aber dass man nicht einmal versucht herauszufinden ob man nicht eine typisch deutsche Version der daily show machen könnte die besser auf die deutsche Zielgruppe und unsere Art von Humor (und politischer Landschaft) passt.

Marcus
Marcus
16. September, 2011 20:10

Zeit für ein Outing: ja, ich mag die heute-show.

Peroy
Peroy
16. September, 2011 20:31

“Zeit für ein Outing: ja, ich mag die heute-show.”

Schwuchtel…

Siehst du, das ist auch Humor. 8)

Howie Munson
Howie Munson
16. September, 2011 22:16

Am schlimmsten finde ich aber dass man nicht einmal versucht herauszufinden ob man nicht eine typisch deutsche Version der daily show machen könnte die besser auf die deutsche Zielgruppe und unsere Art von Humor (und politischer Landschaft) passt.

Rudis Tagesshow? Die Wochenshow? Samstag Nacht News? huch das gab es ja alles vor 96 schon, sowas aber auch… und dann gab es noch die Freitag Nacht News…

mal davon ab das die heute Nachrichten eben ein ähnlicheres Studio als die dailyshow haben, aber da halt stehen und nicht sitzen…

Hassknecht ist eher ne Parody auf den “Kommentar” bei den Tagesthemen (aber Kommentare gibt es ab und zu eben auch bei ZDF-Nachrichten)… jedenfalls deutliche eher als der verlinkte Black, allenfalls die Körpersprache ist imitiert.

und wen imitiert Sonneborn? http://www.youtube.com/watch?v=yW405x_18_0

hilti
hilti
17. September, 2011 03:13

Was Komiker im englischsprachigen Ausland antreibt ist die Suche nach der eigenen Stimme, der eigenen Haltung und der Art von Bühnenarbeit, die einem einzigartig macht.

Diese “Stimme” zu finden ist langwierig, harte Arbeit und manche schaffen es nie ihren eigenen Weg zu finden.

Ist mir ja fast peinlich zu schreiben, aber mein ersten Gedanke als ich das las war: Das hat ja selbst Fips Asmussen geschafft. Die Bewertung überlasse ich dem geneigten Leser…

TRESIE
17. September, 2011 07:52

@ Jeff
Nun, das klingt schon mal fundierter, als dein erstes „Gepolter“ vermuten ließ. Und dass die deutsche Komiker-/Comedy-Szene eine andere und kürzere Tradition hat, dass die Auftrittsmöglichkeiten andere sind als in den USA, ist nicht von der Hand zu weisen.
Gleichwohl besteht in Deutschland eine große und unter dem Fernsehradar stattfindende Szene leidensfähiger und engagierter Comedians, die nach ihrer Farbe und ihrem Ton suchen. Ihnen Fleiß und harte Arbeit abzusprechen, ist nicht fair und dass sie sich an den Besten und großen Vorbildern orientieren auch nicht. Da wird auch unter den zehntausenden Nachwuchskünstlern im angelsächsischen Raum nicht anders sein.
In den Großstädten gibt es eine Reihe etablierter Comedy-Clubs und Kleinkunstbühnen, die sich dem Genre Comedy verschrieben haben. Und wer mag kann an sechs von sieben Tagen andere Künstler sehen.
Was Regeln betrifft, so lautet die erste beim in dem Bereich ja nicht unbekannten Autor John Vorhaus (The Comic Tool Box): Klaue von anderen!
Ich finde das fragwürdig und würde es selbst (zumindest nicht bewusst) nie tun. Vorhaus zielt sicher auf das Lernen von Mechanismen ab, in dem man Texte anderer nachbaut.
Und wo wir schon bei Struktur sind. Verbalgags bestehen mehrheitlich immer aus den drei genannten Teilen und für die meisten visuellen Gags gilt das auch. Ob diese dann in Geschichten oder als Pointenreihung präsentiert werden und in welcher sprachlichen Form ändert daran wenig.
Schreibt man für andere, versucht man deren Stil nach zu bilden. Ganz recht. Unterschiedliche Stile zu beherrschen, gehört ebenfalls zum Schreibhandwerk.
Dass es egal ist, für wen man schreibt, hat keiner behauptet. Es ging nur um die gleiche Struktur, die von der Präsentation, der Wirkung nach außen, zu trennen ist.
Anders ausgedrückt: Ein Slumhütte in Brasilien, ein Farmhaus in den USA, ein französisches Chalet und deutsches Reihenhaus weisen große Unterschiede auf. Und doch: Alle haben einen Fußboden, Wände und ein Dach.