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Mai 2012

Lupinchen F. – Wir Kinder vom Server Zwo oder: Fix & Foxi in der digitalen Drogenhölle

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Ich gestehe: ich habe geklaut. Ein Comic. Beim Zahnarzt.

Im Wartezimmer fiel mir vor ein paar Wochen ein “Fix & Foxi”-Heft in die Hände, das ich allein deshalb schon lesen musste, weil ich überrascht war, dass immer noch jemand “Fix & Foxi”-Hefte veröffentlicht. Wenn ich das Impressum richtig verstehe, steckt da auch schon lange kein großer Verlag mehr dahinter und die Bildgeschichten werden vermutlich relativ preiswert in Südeuropa angefertigt. Es gibt auch eine besserwisserische Strecke “Nutrikid”, die offensichtlich gesponsert ist. Von der “Micky Maus” habe ich mir nie vorschreiben lassen, was gesunde Ernährung ist…

Das Comic habe ich trotzdem stickum eingesackt. Weil es eine Geschichte enthält, die so moralinsauer und abgedreht, so unangemessen und albern ist, dass ich sie euch unbedingt scannen musste. Keine Sorge: Dieser Tage bringe ich das Heft zum Zahnarzt zurück. Schließlich müssen auch andere Patienten auf die Gefahren für die (mentale wie physische) Gesundheit ihrer Kinder hingewiesen werden.

Die Story heißt “Fremde Freunde” und beginnt schon angemessen depri: Es regnet, Lupinchen fühlt sich von ihren Kameraden vernachlässigt. Und was macht man, wenn man sozial vereinsamt und psychisch verwundbar ist? Man surft durchs Internet auf der Suche nach so genannten Freunden, logo:

Diese “Freunde” findet Lupinchen auch, und zwar in Form des Online-Rollenspiels “Welt woanders” (eine ziemlich knorke Umtextung von “Wortd of Warcraft”, wenn ich das mal anmerken darf). Doch vor den Spass am Hack & Slay hat der Hersteller die Erstellung eines Spielcharakters gesetzt, was Lupinchen keine Sekunde zögern lässt:

“Freie Bahn mit Marzipan” – die ist SO cool, die Kleine! Radical!

Erwartungsgemäß ist “Welt woanders” ein KLEINES bisschen anders als die Rollenspiele, die man kennt, wenn man schon jemals irgendein Rollenspiel gesehen hat:

Das sieht eher nach einer Zweckheirat von Terry Gilliam und Tim Burton aus. Das kann nur böse enden – insbesondere, weil wir schon ahnen, dass es sich hierbei um eine “Message-Geschichte” handelt. Tatsächlich scheint Lupinchen in der “Welt woanders” schnell dem digitalen Rausch anheim zu fallen:

Und wo der Rausch ist, ist die Sucht nicht weit:

Machen wir uns nichts vor: Lupinchen ist “drauf”. Ein Junkie. Verloren an das Kabel. Ränder unter den Augen, ein irres Grinsen – mich wundert, dass die Zeichner der Figur nicht noch eine Spritze mit Gummibärchen-Extrakt in die Armbeuge gemalt haben.

Der für diesen Fall etwas unglücklich benamste Fix und sein Bruder (Neffe? Cousin? Schwuler Lebensgefährte?) Foxi beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen. Wie jeder gute Junkie ist Lupinchen körperlich und mental am Ende, verleugnet aber jedes Problem und schottet sich total ab:

Blitzschnell kommen Fix & Foxi dahinter, was das Problem ist – eine Überdosis Videospiele. So, wie der sozialdemokratische Junglehrer durchaus mal einen Joint gut heißen kann, ohne gleich für die Freigabe harter Drogen zu sein, verstehen unsere beiden Füchse instinktiv, dass “hin und wieder mal” Online-Rollenspiel “ziemlich cool” sein kann:

An dieser Stelle hatte ich gehofft, die Autoren wären auch noch auf kindestaugliche Varianten von Beschaffungskriminalität gekommen – Lupinchen auf dem digitalen Babystrich? Aber nein, wir bleiben bei den Bemühungen von Fix & Foxi, Lupinchen “clean” zu bekommen. Was tun? Den Router mit der Axt zerlegen und Lupinchen deprogrammieren? Cold Turkey ohne WLAN und Facebook? Fix & Foxi entscheiden sich für eine Strategie, die bizarrerweise einem Drogen-Selbstversuch gleich kommt. Sie folgen Lupinchen in die “Welt woanders”:

Nun müsste man hier den Showdown erwarten, den schmerzhaften und opferlastigen Kampf um Lupinchens Seele. Aber “Fix & Foxi” ist nicht “French Connection 2” und darum sieht die Kleine (was ist sie eigentlich?) schnell ein, dass ihre Sucht aus dem Ruder gelaufen ist:

Glaubt ihr kein Wort, da spricht nur die Droge! Die würde euch alles erzählen, nur um dann doch wieder mit blutunterlaufenen Augen online zu gehen! Dem Junkie ist nicht zu trauen!

Okay, bei “Fix & Foxi” ist die Welt ein wenig einfacher gestrickt und durch eine simple Party kann Lupinchen wieder in die Gemeinschaft aufgenommen werden:

Ich unterstelle mal, dass es bei der Party keinen Alkohol gibt und niemand Lupinchen eine Pille steckt. Obwohl: Im Rahmen dieser Geschichte würde ja schon ein Smartphone mit einem entsprechenden App für den Rückfall reichen…

Was lernen wir aus “Fremde Freunde”? Online-Rollenspiele sind was für sozial vernachlässigte Mädchen, machen süchtig wie Crack und ihre Macht lässt sich nur dadurch brechen, dass man selber mitspielt.



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Karsten
Karsten
31. Mai, 2012 08:54

DAS hab ich meiner Frau auch erzählt.. wenn sie auch Warcraft spielt, ist das alles gar nicht mehr so schlimm. 😀 😀 Hat aber irgendwie nicht funktioniert.

Meine Tochter (1,5) sitzt beim Zocken übrigens total gerne bei mir und schaut dabei zu, wie ich mit meinem Schamanen durch die Prärie reite. Muss man sich da jetzt Gedanken machen?

PabloD
PabloD
31. Mai, 2012 09:01

Alter Falter, da qualmen einen ja die Socken (live und in echt!). Wenn jetzt noch Anne Töpfe mit dem Kochen anfängt, dann steht dem geliebten Discoabend ja auch kulinarisch nichts mehr im Wege. Holla, die Waldfee!

Marko
31. Mai, 2012 09:31

“Fix und Foxi”? Bei uns in der Schule waren “Paxi und Fixi” viel mehr angesagt …

holber
holber
31. Mai, 2012 10:07

Immerhin hat der Comicautor erkannt, das nicht der Spieler ne Schraube locker hat, sondern das man das Umfeld mit einbeziehen muss, wenn man analysieren möchte warum manche Kindern sich so in der Spiele reinziehen lassen.
In Zeiten der nie endenden Killerspieldebatte ist das schon mal eine Erfolg.

Peroy
Peroy
31. Mai, 2012 10:19

““Fix und Foxi”? Bei uns in der Schule waren “Paxi und Fixi” viel mehr angesagt …”

“Fick und Fotzi, die lesbischen Stewardess-Nymphomaninnen im Bumsbomber nach Bangkok”

Fake
Fake
31. Mai, 2012 10:30

Mich erinnert die Story stark an eine Folge von TBBT und zwar (nachgug Staffel 2 Episode 3:The Barbarian Sublimation/Das Conan-Spiel)
Von Sheldon neugierig gemacht verfällt Penny dort der Onlinesucht, inclusive Verwahrlosung. Die Versuche der Freunde ihr zu helfen, u.a. auch innerhalb des Spiels, schlagen fehl. Als sie zum Schluss bereit ist im Spiel mit der virtuellen Identität von Wolowitz auszugehen erkennt sie das sie ein Problem hat. 😉

Jochen
Jochen
31. Mai, 2012 10:52

das ist aber auch ein bisschen wie Teletubbies schaun und sich darüber beschweren das die Dialoge so eindimensional sind 😉

Jochen
Jochen
31. Mai, 2012 10:52

das ist aber auch ein bisschen wie Teletubbies schaun und sich darüber beschweren das die Dialoge so eindimensional sind 😉

Medienjunkie
31. Mai, 2012 11:34

Das FF-Heft ist übrigens schon seit Ende 2010 (zum wiederholten Male) eingestellt. Die Comics wurden aber tatsächlich von deutschen Zeichnerinnen gestaltet. Moralinsauer passt ja insoweit, als die Geschichten von Onkel Rolf das ja schon immer waren. Nur lockt man damit heute eben keine Kinder mehr vor dem Laptop hervor, auch nicht, wenn man die Figuren krampfhaft zu modernisieren versucht, wie zuletzt geschehen. Diese bemühte Jugendsprache wirkt ja auch einfach nur peinlich.

Dietmar
Dietmar
31. Mai, 2012 11:38

Autor: Ursula von der Leyen.

milan8888
milan8888
31. Mai, 2012 11:44

Das Cover sah noch so vielversprechend aus…

Karsten
Karsten
31. Mai, 2012 12:03

Wenn im letzten Panel alles wieder im Lot ist.. WARUM HAT SIE DANN EIN QUESTSYMBOL überm Kopf?? Ich möchte direkt mitm Rechtsklick drauf und schauen, welche Tiger ich für sie töten muss. 😀

Siehe auch:

http://wow.gamona.de/wp-content/gallery/guides/screen2075.jpg

OnkelFilmi
31. Mai, 2012 12:09

“Der für diesen Fall etwas unglücklich benamste Fix und sein Bruder (Neffe? Cousin? Schwuler Lebensgefährte?) Foxi beschließen…”

Zwillingsbruder.

“…darum sieht die Kleine (was ist sie eigentlich?)”

Das gleiche wie ihr Vetter Lupo – ein Wolf. Müsstest Du als alter Sinclair-Leser auch eigentlich wissen, ich sag mal nur: Lupina.

Mencken
Mencken
31. Mai, 2012 12:17

Fix & Foxi war ja schon immer für sozialdemokratische Gesamtschüler, passt doch ganz gut.

lostNerd
lostNerd
31. Mai, 2012 12:44

Ein Laufrad? Scheint doch eher ein koreanisches Spiel zu sein.

Comicfreak
Comicfreak
31. Mai, 2012 15:32

.. Karsten hat sich von Oma “Age of (The?) Empire” gewünscht.

justus_jonas
justus_jonas
31. Mai, 2012 16:43

@Mencken: “Für sozialdemokratische Gesamtschüler”?
Wenn das Rolf Kauka hört, dann rotiert er im Grab – und zwar rechtsrum.

Kai
Kai
31. Mai, 2012 17:57

“Online-Rollenspiele sind was für sozial vernachlässigte Mädchen, machen süchtig wie Crack…”

Hmmm, ich habe den Absatz jetzt bestimmt 10 mal gelesen, aber ich finde einfach keinen Fehler in der Aussage. 🙂

Achim
Achim
31. Mai, 2012 19:46

F&F war schon immer nur der Versuch eines Comic gewesen. War nie lustig, war nie unterhaltsam, war immer nur die totale Spießerscheiße.

DMJ
DMJ
31. Mai, 2012 19:48

Mei, das ist wirklich kurios und tatsächlich bizarr im Sinne der biederen, alten, originalen Kauka-Sachen. Sowohl, was die plumpe Belehrung, als auch die gequält jugendliche Sprache angeht. 😀

Achim
Achim
31. Mai, 2012 19:50

Immerhin war das 2010, damals waren so oRPGs ja noch fast aktuell.

G
G
31. Mai, 2012 22:18

Wenn mich ein Typ mit dem Nickname “OllerOlli” mit dem Spruch “Wollen wir Freunde sein?” online anquatschen würde, wäre ich wieder offline, bevor Lupinchen überhaupt “Interntsucht” sagen könnte…

Vineyard
Vineyard
28. Dezember, 2014 13:05

Irgendwie muss ich dabei an diesen Klassiker denken.

https://www.youtube.com/watch?v=VUj4UQ1swnA

Empfehle Min 3.50.^^

Ansonsten sag ich nur “Gallien in Gefahr”. (brrrr)

Sigur Ros
Sigur Ros
29. Dezember, 2014 11:17

Na ja, passt in der Tat ins Bild – F&F war schon immer der politisch korrekte, moralinsaure Sozialpädagogen-Abklatsch von Micky Maus. Zwar wurden die MM-Hefte und Lustigen Taschenbücher auch immer wieder modernisiert (modernere Themen, bemühte Jugendsprache), aber sie schaffen es dennoch wesentlich unterhaltsamer, sich den Problemen des Heranwachsens moderner Jugendlicher anzunehmen.