OK Boomer: Journalisten, Göttern gleich
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Ich muss Abbitte leisten. Wie es aussieht, habe ich bei meinen bisherigen Text-Autopsien einen Beitrag übersehen. Den hole ich nun nach, bevor ich mich dem neusten Pamphlet der journalistischen KiTa widme.
Schon den Titel möchte ich bestreiten:
Wir brauchen keine Jahrhunderttalente
Jahrhunderttalente (Sokrates, Mozart, Kant, DJ Bobo) bringen nicht nur die Zivilisation mit Schub voran, sondern stellen auch Ankerpunkte der Geschichte dar. Anders als andere Ankerpunkte (Attila, Hitler, Manson, Scooter) markieren sie positiv besetzte Umbrüche, erinnern nicht nur an das Potenzial des Menschen, sondern auch an seine Möglichkeit, tatsächlichen Wandel zu initiieren. Wer meint, dass es keine “Jahrhunderttalente” brauche, der hat keine Ambition, selber eins zu sein. Die Gefahr besteht hier allerdings sowieso nicht.
Noch immer geistert männlicher Genie- und Götterwahn durch die Journalisten-Welt. Warum wir in Zukunft lieber atheistisch schreiben sollten und der Journalismus keine Stars braucht.
Wow. Das ist in nur drei Zeilen an so vielen Stellen falsch, dass ich nicht mal genau weiß, wo ich anfangen soll. Der Genie- und Götterwahn ist demnach ein männlicher. Ich bin fast beeindruckt, dass Marlene Knobloch (oder wer immer den Anreißer zu ihrem Text geschrieben hat) keine zwei Sätze braucht, um die Schuld wieder mal meinem Geschlecht zu zu schieben. Das lässt nur den Schluss zu, dass es entweder keine weiblichen Jahrhundertgenies gegeben hat (Marie Curie? Frida Kahlo? Agatha Christie? Nicht mal Helene Fischer?!), oder dass diese über jede Kritik erhaben sind und eben doch weiterhin gepriesen gehören.
Wir sollten in Zukunft lieber “atheistisch schreiben”? Man beachte, dass wir smooth vom Genie- zum Götterwahn abbiegen (was ja nicht wirklich deckungsgleich ist), um die Forderung nach “atheistisch schreiben” zu legitimieren. Dass das Kokolores ist, wird schon klar, wenn ich statt Götterwahn einfach den Begriff Geniekult verwende. Es geht nicht um Religion. Und darum sind diese Sprachbilder so entsetzlich blödsinnig.
Der Journalismus braucht Stars so sehr, wie die Geschichte Genies braucht. Sie sind Leuchttürme, Vorbilder, Ideale, nach denen man strebt. Der Kult ums Mittelmaß als vermeintlich faireres Weltbild hat Kurt Vonnegut in HARRISON BERGERON schon perfekt entlarvt. Und wem das zu viel Lektüre ist – hier in 10 Minuten:
Eigentlich dachte ich: Die fetten Jahre sind vorbei. Die letzten Zigarillos ausgedrückt. Die letzten Stern-Firmenautos verpfändet. Die Austernschalen inzwischen Seifenhalter. Oft genug haben mir ältere Journalisten ihre Trauerreden von der guten alten Zeit vorgetragen, von diesem großen Rausch namens „früher“.
Klar, es sind wieder nur die alten Redaktions-Chauvis, die ihren Lastern und Pfründen nachweinen. Als ob Journalistinnen diesen Trauergesang nicht ebenso anstimmen würden! Als hätten die vielen Frauen in den Redaktionen nicht auch von der unfassbaren Menge an Geld profitiert, die in den goldenen Jahren durch das Pressewesen gereicht wurde. Es war damals alles einfacher, langsamer, überschaubarer und besser bezahlt. Wer das nicht sieht und es nicht bedauert, war nicht dabei und ist neidisch.
Ich sprach mein Beileid aus und dachte insgeheim: Na, vielleicht funktioniert das Katern paritätischer als die Party.
Ich könnte das ganz hässlich umdrehen: Als die Männer noch “das Sagen” hatten in den Verlagen, da lief es besser. Auch für die Frauen. Aber das wäre genauso dumm wie das Non-Argument, das Ende der goldenen Ära des Printjournalismus wäre zum paritätischen Ausgleich irgendwie notwendig gewesen. Beides hängt nicht zusammen.
Ich dachte, jetzt wo die Männer nicht mehr samt „Begleiterin“ zum „Anrecherchieren“ nach „Ecuador“ fliegen dürfen, bleiben wir alle zusammen auf dem Boden.
Schämen sich die Autorinnen nicht manchmal für die dummen Konsalik-Klischees, die sie über den Journalismus raushauen? Oder ist das schlicht ihre ehrliche Weltsicht, die sich mangels Erfahrung tatsächlich aus der Belletristik speist? Und denkt niemand an die arme “Begleiterin”, die nun AUCH zu Hause bleiben muss?!
Ich verstehe übrigens die Anführungszeichen bei der “Begleiterin” und der “Anrecherche”, aber bei “Ecuador”?
Aber die Cognacfahne hält sich hartnäckig, zusammen mit dem rauschhaften Selbstverständnis, das die Macht des Publizierens entfalten kann: Götter auf Weiß, die Diagnosen für die Bundesrepublik stellen, intellektuelle Infusionen verteilen im Glauben, ohne ihre Beobachtungen würde die Welt einen kollektiven Hirntod sterben.
Ja, es gab und gibt solche Männer. Markwort, Wagner, Müller-Vogg. Ob die allerdings weniger von sich besoffen sind als Schwarzer, Riekel oder Stokowski, das sei mal dahin gestellt. Tausche Cognac gegen Prosecco. Selbst wenn wir unterstellen, dass Männer ihren Machteinfluss in anmaßender Weise überschätzen, dann müssten wir erstmal den Gegenbeweis erbringen, dass Frauen in gleicher Position es nicht ebenso tun würden. “Wir sind keine egoistischen Arschlöcher” lässt halt oft nur die zweite Hälfte “… weil man uns keine Gelegenheit gibt” weg.
Göttlichkeit ist angesichts der aktuellen Medienkrise Blasphemie.
Das ist… dumm. Abgesehen davon, dass der permanente Religionsvergleich die Diskussion total vergiftet, ist “Göttlichkeit” kein Problem, allenfalls “Göttlichkeitsanspruch”. Ich bin auch nicht sicher, ob die Autorin alle ihre Fremdwörter nachgeschlagen hat – Göttlichkeit ist also Gotteslästerung?
Was der Journalismus gerade braucht, sind keine „Jahrhunderttalente“ wie Relotius.
Willkommen beim Strohmann. Relotius war kein Jahrhunderttalent. Er war ein Lügner und Betrüger. Die hier präsentierte Ablehnung von Relotius beruht nicht auf einer schädlichen Auswirkung seiner Arbeit oder seiner Strahlwirkung, sondern auf seinem nicht-journalistischen Verhalten. DAS lässt sich aber eben NICHT auf die Branche übertragen. Es ist bezeichnend, dass Knobloch keinem einzigen tatsächlich aktiven Großjournalisten ans Bein pinkeln möchte – oder kann. Wer weiß, wen man irgendwann mal um eine Festanstellung anhauen muss, gelle?
Wir brauchen keine vom Nordwind des Henri-Nannen-Preises, der Höhenluft der Spiegel-Gesellschaftsressort-Leitung und der süßen Brise der Bestätigung getragenen Stars.
Ja ja, ich habe das Argument verstanden – es fehlt mir die Begründung. Braucht die Schauspielerei keine Oscars? Die Medizin keine Nobelpreise? Lena Meyer-Landrut keinen Bravo-OTTO?
Die Welt aus Missgunst, Neid und Erfolgsdruck, die auch Juan Moreno in seinem Buch Tausend Zeilen Lüge beschreibt, ist Schuld daran, dass ein Relotius dem Journalismus dermaßen schaden konnte.
Missgunst, Neid und Erfolgsdruck sind in jeder Branche, die von Reputation lebt und davon, dass man Dinge herausfindet, die andere Menschen nicht preisgeben wollen, unvermeidlich. Schon die Missgunst und der Neid, der aus diesen Zeilen von Knobloch suppt, ist ein Beleg dafür. Und den Erfolgsdruck wird Knobloch spüren, sobald sie die Blase der Journalistenschule verlässt. Man wird diese Mechanismen nicht eliminieren, in dem man die Besten der Branche absägt oder diskreditiert.
Es mag eine Altersfrage sein, aber Marlene Knobloch wird auch noch feststellen, dass Relotius “dem Journalismus” nicht geschadet hat. Der ist älter, robuster und standfester, als sie ahnt. Der Journalismus hat Hearst überlebt, den STÜRMER, Ulrike Meinhof und Hitlers Tagebücher. Er wird an Relotius nicht lange leiden – schon gar nicht im Ausland, wo man die Geschichte kaum wahrgenommen hat. Ein Blick über den Tellerrand hilft.
Randbemerkung: Es gehört zu den sauren Ironien der Branche, dass auch Juan Moreno seinen Ruf und seine Popularität aktuell Claas Relotius verdankt.
Wenn der Nachname zur Persönlichkeitsdefinition reicht, weiß man: Mann hat es geschafft. Ein Wort. Ein Name. Ein Versprechen. Augstein, Plasberg, Feldenkirchen, Aust, Poschardt, Reichelt, Broder, Prantl, Martenstein, Fleischhauer. Natürlich reden wir hier über Männer.
Es gehört zu den Eigenheiten der Sprache, dass man Menschen auf ihren Nachnamen reduziert, wenn dieser unverwechselbar genug ist – oder den Vornamen (Elvis). Mir geht die Erkenntnis ab, was daran falsch sein soll. Ist der Aufstieg zur Marke per se verdammenswert?
Das Genie stand den Frauen nie, schon Brechts Ghostwriterinnen haben vom Meister keinen Ruhm, sondern Kinder bekommen.
Ahhh, das Problem mit dem Genie ist nicht das Genie, sondern die Tatsache, dass beim Genie der Frauenanteil nicht stimmt. Zeit für eine Quote. Mein Vorschlag;: Bis 2030 müssen 35 Prozent aller Genies Frauen sein, bis 2050 muss Parität herrschen. Zu diesem Zweck werden die Maßstäbe für die Definition des Begriffes angepasst: So kann zum gendergerechten Ausgleich Hengameh Yaghoobifarah sich künftig als leistungsgleich mit Mark Twain sehen und die Chefredakteurin der BRAVO darf keinen geringeren Status haben als der ehemalige Herausgeber des SPIEGEL.
Ich will keinem dieser Männer ihr Talent absprechen.
Das ist so eine “Ich bin kein Rassist, aber…”-Nummer. Es folgt IMMER das Gegenteil. Im Übrigen bin ich froh und dankbar, dass Knobloch Aust, Augstein und Prantl das Talent nicht abspricht. Das hätte Tränen gegeben.
Guter, genauer, kontroverser, scharfsinniger Journalismus verdient Aufmerksamkeit.
Diesen zu lernen und zu produzieren scheint aber nicht der Fokus, oder?
Auch uns wird gesagt, dass wir ein Profil brauchen, die richtige Belichtung. Wir werden für eine Welt ausgebildet, in der wir zu Marken werden müssen. Twitter ist Pflicht. Aufmerksamkeit und das richtige Profil sind wichtig.
Was ja so ziemlich das Gegenteil des oben Gesagten ist. Wobei mir schwant, dass sich im “richtigen” Profil schon wieder die klugscheißerische Anmaßung versteckt, wie der Erfolgsjournalist zu sein habe (außer weiblich, BiPOC, möglichst queer und idealerweise noch mit Migrationshintergrund).
Vielleicht ist es aber noch entlarvender: dieses “man muss zu einer Marke werden” wird als Selbstzweck missverstanden. Dabei ist die Marke die Belohnung für geleisteten guten Journalismus. Man kann den Teil mit der harten Arbeit nicht überspringen und direkt zur Markenformung übergehen, auch wenn ich das Gefühl habe, dass es bei Autorinnen wie Stokowski und Yaghoobifarah genau so abläuft. Es sind “Leermarken”, die Prominenz ohne Leistung darstellen. Maximale Selbstdarstellung im Stile von Reality-TV, die auch tatsächlich so funktioniert: man erklärt sich mit markigen Worten zur Marke, bis andere es glauben, auf den Zug aufspringen und damit den Markenanspruch verstärken. So wird man von der kleinen bento-Listicle-Schreiberin zur vielgelesenen Kolumnistin, zur Buchautorin, zur gut bezahlten Rednerin. Dass tatsächliche journalistische Leistung stickum ausgelassen wurde, danach fragt irgendwann keiner mehr.
Und das ist okay, aber zu oft ist die Medienbranche mit sich selbst beschäftigt, labelt sich mit Superlativen, sucht das Genie im Dschungel des Who-is-Who.
Es war eine Weile lang lustig, dass der Nachwuchs die Nabelschau der Branche beklagt und dabei selber nur zur Nabelschau der eigenen Befindlichkeiten fähig ist. Langsam wird es mitleiderregend.
Wer kommt den Politikern am nächsten? Und wer auf die Party? Das Geschachere um Bedeutung läuft Gefahr, zur Überinterpretation von Oberflächlichkeiten zu werden, bis irgendwann in Martin Schulz‘ Grillzange mehr hineingelesen wird als in den Koalitionsvertrag.
Alles Private ist politisch. Ein Spruch aus der Zeit vor Marlene Knobloch. Wer glaubt, er könne investigativen Journalismus leisten, in dem er aus der Ferne öffentliche Verlautbarungen genau durchliest, hat die ganze Nummer nicht verstanden. Und gerade der Nachwuchs, der massiv auf Soziale Netzwerke setzt, sollte nicht mäkeln, dass ältere Semester kleine schwarze Bücher haben und auch mal einen Minister um Mitternacht anrufen können. Der Stammtisch war unser Facebook, die Hotelbar unser Chatroom.
Was wir brauchen, ist Demut, denn wenn wir mal ehrlich sind: Der Cognac ist schon lange leer. Stellen werden abgebaut, die Abozahlen sinken, die Zeitungen kämpfen um ihre Leser.
Wir machen das hier schon lange genug, dass ich euch die Erkenntnis überlassen kann, dass Knobloch mit “wir” natürlich nicht sich und die Ihren meint. Demut brauchen alle anderen. Das haben die anderen Essays ja auch druckvoll bewiesen, in denen von Demut weit und breit nichts zu merken war.
Das Geld für Freie, für große Reportagen, für Reisen – es fehlt.
Abgesehen davon, dass es längst nicht überall und für jeden fehlt, ist das eine bedauerliche Tatsache, die weder die Journalisten verschuldet haben noch sich dafür schelten lassen müssen.
Es ist nicht die Zeit für Eitelkeit, sondern die für Ehrlichkeit. Redakteure übernehmen Doppelstellen, arbeiten bis nachts, verzichten auf ihren Schlaf für schrumpfende Gehälter.
Ganz genau. Und was die nicht noch obendrauf brauchen, sind besserwissende Beitragsschreiber, die ihnen erklären, dass sie das immer falsch gemacht haben, immer noch falsch machen, und glücklicherweise bald obsolet sind.
Zu vieles funktioniert noch nicht im digitalen Journalismus und zu vieles funktioniert inzwischen ohne klassischen Journalismus.
Was funktioniert “ohne klassischen Journalismus”? Hier wäre mir ein erklärender Nachsatz hilfreich gewesen. Und dass es auch “ohne klassischen Journalismus” geht, ist genau die bedauerliche Fehleinschätzung, auf die ich oben hingewiesen habe. Klassischer Journalismus ist nämlich – Journalismus. Texte wie dieser machen schmerzhaft klar, dass es nicht ohne geht. Weil dann so etwas dabei rauskommt.
Talente können, sollen und müssen gefördert werden, aber Ellbogen, Futterneid und Ruhm-Spekulation sind out of time.
Sie meint “outdated”.
Fürwahr, man kann das menschliche Wesen verleugnen, verbannen kann man es aber damit nicht. Und ich bin sicher, dass sie sich entsetzt abwenden würde, wenn Knobloch auch nur in die Köpfe ihrer Klassenkollegen gucken könnte. Unter all der antrainierten Fairness, der propagierten Egalität und der sorgsam gedrechselten Sprache finden sich da nämlich, wie ich sehr stark annehme: Ellbogen, Futterneid und Ruhm-Spekulation.
Wir brauchen keine „Stimmen einer Generation“, „Alpha-Journalisten“ und „Jahrhunderttalente“. Wir brauchen guten Journalismus, jeden Leser und vielleicht eine Aspirin.
Ich mache es mir nun einfach: Ich würde lieber wieder etwas von einer “Stimme meiner Generation” oder einem “Jahrhunderttalent” lesen als von Marlene Knobloch (die insgeheim natürlich stolz wäre, wenn irgendwer sie ein Jahrhunderttalent nennen würde). Nicht mal zum Abschluss gelingt es ihr, auch nur halbgar zu erklären, warum “Alpha-Journalismus” und “guter Journalismus” sich ausschließen – oder ob sie sich vielleicht nicht sogar bedingen.
Wir stellen fest – der übliche Sums, der mit einer provokanten, aber auf tönernen Füßen stehenden These aufmacht und sich dann in Tangenten verliert, die rein gar nichts mit dem Thema zu tun haben, ihm aber oft genug widersprechen.
Am Ende geht es IMMER darum, dass die Männer, ihre Macht und deren Missbrauch das unterliegende Problem von ALLEM sind. Die schöne neue Welt ist einfach gestrickt.
Mag sein, dass der Journalismus neues Blut braucht – ich wäre aber froh, wenn dieses neue Blut etwas mehr argumentative wie sprachliche Substanz mitbringen könnte. Das hier ist allenfalls Plasma.
P.S.: Es schmerzt fast, dass ausgerechnet der oben erwähnte Fleischhauer einen sehr schönen Artikel geschrieben hat über die betroffen-befindliche Art von Gefühlsduseljournalismus, den die Absolventen der Journalistenschule augenscheinlich zum Ideal erhoben haben.
Ich hab ein Problem mit deinem Text.
Niemand will einen Boxkampf sehen, in dem ein sich gnadenlos überschätzendes Mädchen aus der Fitnessbox-Kurs im lokalen Studio sich von einem ausgebildeten Boxer nach Strich und Faden verdreschen lässt, weil sie meint, sie könne auch boxen. Man würde nach drei Hieben beschämt zur Seite schauen.
Und hier? Das Gegenteil. Dein Text macht vom ersten bis zum letzten Satz Spaß. Also mir zumindest. Ich hoffe, das Schreiben hat dir entweder auch Spaß gemacht oder es hatte zumindest diese kathartische Wirkung, die man sich manchmal erhofft, wenn man sich etwas von der Seele schreibt.)
(Und nein, das schreibe ich nicht, um meinen Fehltritt aus dem anderen Thema auszubügeln.)
“Ich hoffe, das Schreiben hat dir entweder auch Spaß gemacht oder es hatte zumindest diese kathartische Wirkung” – ich gestehe, dass es beides ist.
Ich glaube, jeder kennt das: Etwas regt ihn so auf, dass da etwas raus muss. Und währenddessen schlägt das um, das was raus musste, ist raus, und dann kommt der Spaß an der Sache dazu.
Beides liest man aus deinem Text (und aus den anderen aus dieser kleinen Serie) raus. Und ich denke, das ist ein Kompliment.
Ich zitiere dazu gerne nur halb sarkastisch den Text von Elvis “Trouble”:
If you’re looking for trouble
You came to the right place
If you’re looking for trouble
Just look right in my face
I was born standing up
And talking back
…
I’ve never looked for trouble
But I’ve never ran
I don’t take no orders
From no kind of man
I’m only made out
Of flesh, blood and bone
But if you’re gonna start a rumble
Don’t you try it on alone
Damit kann ich mich identifizieren. Mit dem Text, und damit, ihn nur, aber wenigstens dann doch halb sarkastisch zu zitieren.
Ich würde mir auch so einen Boxkampf ansehen.
Warum sollte sich jemand motiviert fühlen, eine Schule zu besuchen, deren Absolventen so etwas fabrizieren?
Ihr Text ist nicht aus der Position “Ich gucke am Elfenbeintum hoch und sehe, wo das Gemauer bröckelt”, ihr Text ist ein aus der Theaterloge zum Parkett runter geschrienes “Ich sag euch jetzt mal mit meinem Überblick, was hier schief läuft!”.
Das ist per se schon unsympathisch.
Wobei ein mir unsympathischer Standpunkt ja noch trotzdem virtuos dargelegt sein könnte, oder zumindest handwerklich sauber. Aber auch das ist ja beides nicht der Fall.
Und, um in ihrem Bild zu bleiben: Sie hat gar keine Karte für die Theaterloge. Und schau auch noch nicht mal wirklich aufs Parkett.
Yep, da hat sich quasi die Tochter der Theaterputzfrau rein geschlichen und kritisiert einen Klassiker, aus Prinzip, nicht weil sie ihn gesehen hat oder kennt.
Solange man mit solchen Texten noch seinen Lebensunterhalt verdient (?), kann es dem Journalismus noch nicht schlecht genug gehen.
Da es ein Text von einer Journalistenschule ist, glaube ich nicht, dass die damit Geld verdient. Und ich ja sowieso nicht – nicht mal Schmerzensgeld.
Ich halte es durchaus für möglich dass sie gemeint haben könnte, die Zeit für Ruhm-Spekulation, Neid etc. sei abgelaufen bzw. am ablaufen. Also erst in jüngster Vergangenheit. Outdated sehe ich doch eher als etwas, das bereits länger und allgemein anerkannt nicht mehr modern ist.
Es ist irrelevant, was gemeint ist – eine Phrase “out of time” gibt es in diesem Kontext schlicht nicht.
Outdated ist aber die einzig passende Formulierung hier. Out of time wäre “aus der Zeit gefallen” und passt keinesfalls. Viel besser finde ich aber noch den “Göttlichkeit ist Blasphemie” Satz.
Oh Mann, ich hoffe soooo sehr, dass irgendwann mal eine der Autorinnen/einer der Autoren die Eier(stöcke) hat, hier aufzuschlagen.
Die Autorin sollte sich ihren Lebensunterhalt als Schankmaid verdienen. Da kann sie mit solch Geblubber bei Betrunkenen Sympathiepunkte kriegen. Aber auf keinen Fall wird es möglich sein, vom Schreiben leben zu können, wenn sie so unfähig ist, Gedanken in Worte zu fassen.
Mein Eindruck ist, dass sie ihre Gedanken sehr präzise formuliert – für ihre Zielgruppe. Was das eigentliche Problem darstellt – mehr als selbstgerechte Phrasen, die glauben, “das Gute” zu fördern und fordern, ist da nicht. Vielleicht wird von ihrem Publikum auch nicht mehr als das verlangt.
Die junge Schreibergeneration folgt nicht jenem moralischen Kompass, mit dem wir Älteren mehr oder minder erfolgreich durchs Leben segeln. Ihr Horizont ist der Rand einer Scheibe. A slice of reality.
Sie sehen sich als der schwarze Monolith. Wir sind die Affen. Zeigt uns das Feuer. Also sprach Klickathustra.
Der unterkomplexe Blick der Neo-Missionare geht durch eine Art Retina-Display hinaus in eine verkommene, primitive Welt, die geläutert werden muss. Den Up- und Downvote-Counter ständig im Sichtfeld, ist alles dem Like-Faktor unterworfen.
Komplexe Entscheidungsprozesse, Diskussionskultur, Lust am kontroversen Diskurs reduziert auf Sekundenbruchteile. Klick.
In meinem Umfeld sind Studenten, Ecke 20 bis 23. Menschen mit tatsächlich sehr gutem NC, die alles vor 1990 fürs Paläozoikum halten, Allgemeinwissen ergoogeln, auf jede noch so sanfte Anleitung oder gar Korrektur so empfindlich reagieren, als hätte man vorgeschlagen, ihre Katze zu vergewaltigen.
Abweichender Meinung? Dabei Ü30? Zack: “Boomer” und neuerdings “Karen” (nicht mehr nur für durchdrehende Exemplare, mind you) sind nicht etwa Kampfbegriffe, sondern völlig akzeptable Instant-Urteile, die bei der exklusiven Schwarmintelligenz immerhin zu wissendem Gekicher führen. Intoleranz, die sich selbst die Sünde erlässt.
Ein neuer Tonfall. Die alte Moral weint irgendwo leise im toten Winkel. In der Form, in der Kaltblütigkeit früher alles undenkbar.
Diese hier präsentierten Schreibschüler sind meiner Einschätzung nach tatsächlich perfekt in ihrer Rolle als Sprachrohre jener Generation angekommen. In Haltung, Tonfall, Ansprache. Was sie nicht verstehen können/wollen/sollen: Genau das beschreibt ihr Scheitern.
Ab einem bestimmten Punkt muss man Kinder loslassen. Machen lassen. Diese Prozesse sind nicht aufzuhalten. Nur auszuhalten.
Die heutige junge Generation kann man im Gros nicht mehr “abholen”. Niemand mehr da, sie sind schon losgefahren. Wie weit sie wohl kommen?
P.S. Bitte Fehler zu entschuldigen. Bin zu alt für exzellente Handy-Handhabung.
Ich denke, diese Worte verdienen das, was war, bevor es “Likes” gab:
Ein “Das hat mir gefallen, was du da geschrieben hast.”
“Ab einem bestimmten Punkt muss man Kinder loslassen. Machen lassen. Diese Prozesse sind nicht aufzuhalten. Nur auszuhalten.” – das kann ich so nicht sehen, weil ich das so nicht sehen will. Um ein Klischee auszubuddeln: wir waren doch auch mal jung. Ich habe damals auch (mangels Erfahrung) viel Unfug geglaubt. Das hat sich mit den Jahren und an der Realität neu justiert. Warum sollte das bei dieser Generation nicht auch so sein?
Klischees sind Wahrheiten. Die darf man gern bemühen.
Wir gereiften Nostalgeeks sind Kinder der Morgenröte. Einst geküsst vom ersten Licht des Tages, getragen vom Rückenwind der Möglichkeiten.
Sie sind Kinder des Sonnenuntergangs. Das Licht schwindet, das Gesicht klamm vom Hauch der Unmöglichkeiten.
Schlicht eine andere Realität. Die erste ihrer Art. Generation Doom (D-Generation?) hatte nie die Chance, wie wir zu werden, das mag ich ihr zugestehen. Man kann vielleicht nicht Gleiches von ihr verlangen. Dass sie ihre Situation zu krawallig angeht, steht allerdings außer Frage.
Jene Journalisten-Schlüpflinge sind nicht nur Zuschauer oder Statisten der lauten Aufführung. Als Multiplikatoren tragen sie Verantwortung. Der werden sie nicht gerecht, würdigen sich qua aktuellem Rollenverständnis zum Brandbeschleuniger herab.
Man muss sie loslassen. Vielleicht erwacht dann die wahre Ethik dieses Berufsstandes in ihnen, so romantisiert sie auch ist.
Einzelne werden erwachen und sich anders Gehör verschaffen wollen. Würdevoller. Die Frage ist, ob es wirkmächtige Vordenker wie Schirrmacher oder Willemsen sein werden (deren beruhigende, ermutigende Eloquenz mehr denn je fehlt)… oder Magermilch-Varianten.
Geeks sind Träumer. Insofern will ich an einen zumindest halbwegs guten Fortgang glauben. Sollte das moderne Eskalations-Algebra aber weiterhin ohne Wellenbrecher greifen, stehen wir erst am Anfang von Entwicklungen, die wir für Dystopien hielten. Auch auf diesem Sektor.
Die Neo-Journaille braucht einen Reformator. Oder, ‘n Eckchen kleiner, einen Vordenker. Sehen ist verstehen. Lobo? Stokowski, wenn ihr das plumpe Genderspiel zu albern wird? Wir werden sehen.
Ich finde es schön zu lesen, wie jemand der inhaltvoll mit Stil schreiben kann, gegen jemanden anschreibt, der seine Plattitüden mit geistvollen Ausdruck verwechselt. Auf die eine Schulter tippt Hybris und sagt der Tante: “Äh, lass das mal, das ist selbst für mich zu viel!” Auf die andere Alice Schwarzer und flüstert: “Fein, mein Mädchen.” Derweil Dunning und Kruger ihr schon längst mit der Keule einen verplättet haben. Natürlich ohne, dass sie es gemerkt hätte. So funktionieren Dunning und Kruger.
Neben der ganzen Nervsackigkeit dieser Möchtegern-Journalistin ist es besonders ärgerlich, mit welcher unbedarften Leichtigkeit sie nebenbei und unnötig das Bild des “militanten Atheisten” bedient.
Es gibt so viel schöne Berufe! Warum muss sie schreiben?! Ich weiß es! Weil sie selbst (!) das Bild des hehren Journalismus aus alten Tagen hat und sich als etwas “Besseres” fühlt. Blöd für sie, dass ihre Qualität echte Standards nicht erreicht.
Auch wenn wir beide einander vielleicht nie wirklich verstehen werden: Darf ich das Wort “Nervsackigkeit” in meinen aktiven Wortschatz überführen?
Daraus vermutlich zu konstruierende Gender-Probleme übernehme ich dann.
Nicht polemisch gemeint: Wer stellt solche Leute eigentlich fest ein, jetzt, wo es Bento nicht mehr gibt? Gibt es IRGENDein ernstzunehmendes Medium (also eines, das ein Gehalt zahlt, von dem man leben kann) in Deutschland, bei dem die handwerklichen Anforderungen so niedrig sind, dass ein/e Chefredakteur/in diese Texte liest und direkt sagt „Ahaa, auf genau SIE haben wir gewartet“?
taz.