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Aug 2009

Wirre Werbung: Anzeigen aus der “Titanic” in den frühen 80er Jahren

Themen: Film, TV & Presse |

Ich arbeite derzeit an einem etwas größeren Blog-Eintrag zu einem grundsatzphilosophischen Thema. Um Bildmaterial zu  beschaffen, war es nötig, meine Sammlung alter “Titanic”-Hefte zu durchstöbern. Dabei stieß ich auf so viele bezaubernde und interessante Anzeigen, dass ich mich entschloss, ein paar davon für euch zu scannen.

Alle Bilder sind klickbar!

Wusstet ihr zum Beispiel, dass für die ersten Videokassetten mit Kinofilmen, die in den Handel kamen, noch der Videotheken-Einkaufspreis bezahlt werden musste? Das ging ganz schön ins Geld:

videofilme

298 Tacken – ohne Extras! Dafür bekommt man heute ganze Box-Sets PLUS prima DVD-Player. Und ein “Cinema”-Jahresabo obendrauf.

Und das galt nicht nur für die aktuellen Hits:

Videoklassiker

Hübsch auch, wie hausgemacht damals die Singles von wirklich populären Bands dem Zielpublikum angekündigt wurden:

singlenews

Geradezu bizarr und bis in die Details studierenswert auch die Werbemater dieses (nicht wirklich billigen) Bahnangebots  – “Mit transalpino in die City, where boys and girls are chic and pretty”:

transalpino

Und Grundgütiger ja – “Fruit of the Loom” galt damals als begehrenswerte Marke, und beglückte den Markt mit Augenkrebs verursachenden Billig-Kollektionen:

fruit

Tube Socks als Fashion Statement – das muss man sich erstmal trauen!

Überrascht hat mich, dass sich die Anzeigen in der “Titanic” relativ paritätisch drei Industriezweigen zuordnen lassen.

Viele Inserate stammen von Tabakfirmen, die entweder französische Zigaretten, oder lose Krümel verkaufen wollten – gerne mit reiselustigen jungen Leuten in schlabberigen Klamotten:

drehtabak

Der nächste große Inserent in dem Satiremagazin waren Buchhändler, die oft mit Appetit machenden Obskur-Titeln warben:

wohlthat

Was mag aus dem Laden wohl geworden sein?!

Vergleichsweise unschlagbar ist die “Titanic” im Bereich “Magazine, von denen man anderswo nie was gehört hat”:

twen

Oder hat jemand ein paar Ausgaben von der hier?

trends

Wir sind noch nicht fertig – hier ein Heft für alle, denen Öko-Test nicht links, autonom, und staatsfeindlich genug ist:

neugier

Merke! Lasse deinem hippen Grafiker keine freie Hand bei der Gestaltung deiner Magazin-Werbung:

fame

Und wenn man über die “linkskurve” auch sonst nichts Gutes zu sagen wusste – sie war immerhin schneller als der SPIEGEL:

linkskurve

Das alles – PLUS ein exklusives Poster vom Häuserkampf!

Was waren die 80er für ein tolles Jahrzehnt! Da machte es sogar noch Spass, die Werbungen zu lesen…



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Dr. Acula
21. August, 2009 08:28

Wohlthats Wohlfeile Bücher gibt’s übrigens noch – zumindest in Berlin ist das noch eine lokale Kette “normaler” Buchläden. Hab da das ein oder andere Mal einkauft…

Marko
21. August, 2009 09:29

“Wusstet ihr zum Beispiel, dass für die ersten Videokassetten mit Kinofilmen, die in den Handel kamen, noch der Videotheken-Einkaufspreis bezahlt werden musste?”

Ohja, daran erinnere ich mich noch zu gut. Für einen Jugendlichen damals war es eine HORROR-Vorstellung, ein aus der Videothek ausgeliehenes Tape zu verlieren — das musste man damals nämlich zu eben diesen Einkaufspreisen ersetzen. Drei Videos ausgeliehen, an der Bushaltestelle liegengelassen, zack, Pleite. (Ist zum Glück nicht mir passiert …)

Gruß,
Marko

Dr. Acula
21. August, 2009 09:53

Ich müsste in irgendeiner meiner Kisten auch noch einen der ersten JPC-Kataloge rumliegen haben. Schnäppchen: der erste WERNER-Film für nur 498,– DM!

Joël
21. August, 2009 09:54

Lustig, wie sich Luxemburg zwischen all diese Weltstädte und Reiseziele für jugendliche Backpacker geschlichen hat. Cochem ist auch nicht wirklich weit weg von hier. Ich hätte gerne mal die Gesichter der Leute gesehen, die voller Abenteuerdrang hier angekommen sind.

Muriel
21. August, 2009 10:06

Hat eigentlich irgendjemand wirklich Videos gekauft, damals? Wer zahlt denn dreihundert D-Mark für “Auf dem Highway ist die Hölle los”?

Lutz
Lutz
21. August, 2009 10:07

Bin ja immer noch PC-amputiert, daher beschränke ich mich derzeit meistens aufs lesen. (grummel)

Da sind schon ein paar Prachtstücke dabei. Das mit den Preisen für Videokassetten hat mich wirklich etwas überrascht, aber eigentlich ist ja jeder neue Scheiß erstmal hoffnungslos überteuert und es gibt immer genug Leute, die unbedingt von Anfang an dabei sein wollen und jeden Preis ausgeben.

Den absoluten Nostalgiekick gab für mich aber die Schlange bei den “März Single News”. Ich hatte früher auch so ein paar von den Dingern. Ich glaube, wenn ich in einigen alten Kartons krame, find ich sogar noch eine. Aber irgendwie habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr daran gedacht.

Die Zeitschriftenwerbung, die ich am stärksten mit den 80ern verbinde, sind und bleiben aber die “Sea Monkeys”. Das liegt aber vermutlich daran, dass ich halt Kind war und mir unbedingt so einen Zoo lustig lachender Unterwasserwesen zulegen wollte. (http://blog.kaputtendorf.de/2005/02/12/kennt-ihr-das-noch/)

Gregor
21. August, 2009 11:59

Der Staat kürzt Sozialhilfe! Bombe aus dem Müll! Bauchtanz!

Klaus
Klaus
21. August, 2009 12:23

“Wohlthats Wohlfeile Bücher” hat in Hamburg auch noch Filialen. Eine Mischung aus ca. 50% normalem Buchladen und 50% Restekiste/Remitenten.

GrinsiKleinPo
GrinsiKleinPo
21. August, 2009 13:28

Ist doch erstaunlich wie sich in 20 Jahren ein linksalternativer Buchladen zu einer Kette entwickelt, gelle? Das selbe habe ich in HH mit einem sehr speziellem Buchladen erlebt. Vom roten Underground und Tip in Sachen linker Literatur hin zu Vollesoterikern. Der Laden wird immer noch von der Erstbesatzung geführt.

Sirk
Sirk
21. August, 2009 17:50

Na, aber die “Twen” könnte man kennen, die hatte in ihrer Ursprungsform in den 60ern Kultstatus. Die Anzeige hier wirbt offenbar für den (letztlich erfolglosen) Versuch einer Wiederbelebung. Guckst du hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Twen_%28Zeitschrift%29

(Die “Neugier” würde mich aber mal interessieren… alleine schon, weil ich wissen will, warum man kein gelbes oder rotes Plastik kaufen soll…)

Dr. Acula
21. August, 2009 18:01

Interessant ist übrigens, dass lt. Wikipedia “Neugier” wirklich die spätere “Öko-Test” ist…

Lite
Lite
21. August, 2009 19:06

Die Strassenszene der Anzeige von transalpino erinnert etwas an die Comics “Invasion aus dem Alltag” und “Flucht aus Berlin” von Seyfried. Also was das besetzte Haus angeht mein ich.
Mich dünkt, das zweitausendeins früher auch mal anzeigen in der machart von wohlthat gestaltet hat, mit denselben osbkuren titeln.

Moss
21. August, 2009 20:36

Wohlthat gibt es noch, in der That 😉 — zumindest dem Namen nach. Die «Wohlthat’sche Buchhandlung» (so heißen die richtig) wurde Anfang 2005 von Weltbild gekauft, die gut ein Jahr später mit Hugendubel fusionierten. Da kam dann die «Deutsche Buch Handels GmbH» dabei ’raus. Drüben in Heidelberg gibt’s übrigens auch noch einen Wohlthat-Laden. GuxDu http://www.wohlthat.de/ .

Was die Plattenwerbung angeht: LPs (sic: Vinyl!) zweier der dort beworbenen Bands besitze ich auch noch. Ich verrate nicht, welche. Es waren die, die mit den wenigsten Gitarren auskamen. 😉

@GrinsiKleinPo: Naja, Tagtraum hat sich auch vom Hippieladen mit handgeschriebenen Rechnungen und einem ebensolchen Begleitbrief in jeder Lieferung (im Patchouli-imprägnierten Versandkarton) zum Alles-Mögliche-Internetshop gemausert. Nix Neues also.

@Sirk: weil im gelben und roten Plastik damals Cadmium drin war, als Weichmacher oder Flammschutz oder Farbstoff oder irgendwas.

@Lite: das war garantiert Seyfried.inspiriert, schon, weil der iirc damals schon Werbewuselbilder für irgendwas anderes gemacht hatte — Nikotinkram, afaik.

So, genug kluggeschissen …

GrinsiKleinPo
GrinsiKleinPo
21. August, 2009 22:42

@Sirk: Wahrscheinlich weil die Farben Schwermetalle enthalten zB Cadmium (siehe hier -> http://de.wikipedia.org/wiki/Cadmium)

G
G
22. August, 2009 01:36

Sagt mal, war der Grafiker von “Fame” farbenblind oder auf Drogen (oder beides)?

GrinsiKleinPo
GrinsiKleinPo
22. August, 2009 06:21

@G: Es waren die 80ziger, dieser Umsand mag die eine oder andere Entgleisung in den Medien entschuldigen.

kurtiklaas
kurtiklaas
22. August, 2009 19:01

@Videos:
Sehr schön war auch, wenn man auf’s falsche Medium gesetzt hatte.
Wir dachten damals, Qualität setzt sich durch und kauften einen Betamax-Recorder – für den es dann kurze Zeit später keine Verleihcassetten und später auch keine Kaufcassetten mehr gab.
Schlimmer ging’s nur den Video-2000-Losern, für die man nach Markteinführung praktisch kein Zubehör mehr gab.

Übrigens kosteten auch die Leercassetten damals so um die 20 DM (3 Stück für 50 Mark haben wir als Schnäppchen verkauft).

Vielen Dank für die nette Erinnerung daran, dass damals nicht alles besser war 😉

Sebastian
23. August, 2009 01:52

Also beim Bund hatten wir Video 2000 – im Jahr 2003 😀

Peroy
Peroy
23. August, 2009 04:18

“Es waren die 80ziger, dieser Umsand mag die eine oder andere Entgleisung in den Medien entschuldigen.”

Aber welche Ausrede hast du… ? Die “Achtzigziger”… ? “Umsand”… ?

Lari
Lari
23. August, 2009 10:23

Ich hab noch irgendwo ‘ne Anzeige für das originale Klapperschlange – Tape für knapp 400,- DM liegen. Müsste (Pornos ausgenommen) die erste in Deutschland erhältliche Videocassette gewesen sein.

GrinsiKleinPo
GrinsiKleinPo
23. August, 2009 10:54

@Peroy: Drogenflashback?

Paddy-o
Paddy-o
24. August, 2009 08:06

>>Sagt mal, war der Grafiker von “Fame” farbenblind oder auf Drogen (oder beides)?

Hmm mich erinnert die Anzeige ein wenig an die Architekten von “Sven” aus HIMYM 😉

UND an Mike Myers’ tolle ‘Sprockets’-Performances bei SNL: http://www.youtube.com/watch?v=QHZR9SA5pOg

Paddy-o
Paddy-o
24. August, 2009 08:12

Komische Effekte bei den Kommentaren 😛

Ferdi
Ferdi
27. August, 2009 00:33

Dass sich sich der gute Javaanse Jongens in 20 Jahren von 4,30 DM auf 4,90 € verdoppelteuert hat, finde ich gar nicht mal so schlimm. Wenn man das ohne Tabaksteuererhöhungen und inflationsbereinigt sieht, sind das bestimmt nur läppische 10% teurer oder so. Angesichts der Tatsache, dass wir alle heute mal locker mehr als 10% mehr als damals verdienen, komme ich zu folgendem Schluss:
Früher war doch nicht alles besser.
Mfg, Ferdi

Hollito
28. August, 2009 15:18

Altenbeken – Berlin hat auch was. 😉

Und von Palais Schaumburg hab ich auch noch irgendwo ne LP.

Olsen
29. August, 2009 14:52

“Tube Socks als Fashion Statement” – Fünf Worte, vier davon Englisch. Nicht schlecht.