03
Aug 2009

Eine Menge leere Mengenlehre

Themen: Neues |

Es spricht nichts dagegen, eine Zahl zu entkonkretisieren, um eine Information verdaulicher zu machen. Wenn mein neuer Roman 98.676 Exemplare verkauft, sage ich in einer lockeren Konversation halt "Um die 100.000 verkaufte Exemplare". Das würde ich auch sagen, wenn es 101.897 Exemplare wären. Na gut, dann würde ich vielleicht "Über 100.000 verkaufte Exemplare" sagen…

Dagegen stehen Versuche, durch ungenaue Zahlenangaben relevante Tatsachen zu verschleiern – das nimmt mittlerweile Dimensionen an, die mich ärgern.

Ihr habt alle schon von diesen Robo-Anrufen gehört, bei denen man "ein Auto im Wert von 10.000 Euro oder eine Summe in bis zu gleicher Höhe" gewonnen hat. Der Trick ist klar: auch 2 Euro sind "bis zu" 10.000 Euro.

Oder die ewigen Radiowerbungen von Versicherungsmaklern, die "über 35" verschiedene Anbieter vergleichen – wieso "über 35"? Gibt es keine konkrete Zahl? Wäre es für die Werbung dann nicht knackiger, von "bis zu 50" oder "mehr als 3 Dutzend" zu reden?

Lustig wurde es vor ein paar Jahren, als eines dieser kostenlosen Werbe-Blättchen in den Videotheken einen Artikel über den Porno "Zazel" brachte, der für Bumsfilm-Verhältnisse ziemlich teuer war. Auf dem Cover des Magazins stand die Zeile: "Kostete fast über eine halbe Million!".

Fast über. Also unter.

Und gestern stieß ich auf dieses Cover eines amerikanischen Teenie-Magazins:

seventeen

"Over 459 Looks"?! Also 460? Oder doch näher an 500? Wenn man entkonkretisiert, sollte das doch eigentlich die Zahl vereinfachen, und nicht auswürfeln.

Konsequenter wäre es wohl nur noch so gewesen:

seventeen2

Vielleicht bin ich da auch einfach wieder zu sensibel…



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Baumi
3. August, 2009 23:00

Ist so ähnlich wie die Zeichenzählung (oder waren’s Wörter?) in der Statuszeile einer älteren Word-Version. Ich erinnere mich da an Aussagen wie "1.268 Zeichen (ein ungefährer Wert)".

Das konnte lustigerweise sogar bei einstelligen Zeichenzahlen vorkommen. Die Software wollte wohl immer auf der sicheren Seite sein, aber Runden war trotz allem tabu.

Muriel
3. August, 2009 23:37

Nein, du bist nicht zu empfindlich. Du sprichst mir aus der Seele, und ich danke dir dafür.

Muriel
3. August, 2009 23:54

Ergänzung: Mein Favorit wäre ja "Deutschland belegte dabei einen Platz unter den Top Ten", oder jede Variante davon. Wie schwer wäre es denn, zu verraten, welcher Platz genau belegt wurde?

Peroy
Peroy
4. August, 2009 01:29

In was für Videotheken treibt der sich denn rum… ?

Montana
Montana
4. August, 2009 08:14

Beliebt bei Autoherstellern: "Bis zu 2500 Euro für Ihren Gebrauchten." Toll, oder? Da muss die Bundesregierung noch lernen. 2500 Euro für jedes Auto? Diese Anfänger…

@Muriel: Und wenn es heißt: "X Deutsche unter den Top Y", war ein Deutscher garantiert Y-ter.

Solus
Solus
4. August, 2009 09:52

Die 459 ist natürlich eine Anspielung.
Anderes englisches Wort für "Look" – genau, Style. Und wer ist im Jahre 459 gestorben – der erste Säulenheilige Simeon STYLites.
Das ist also einfach nur ein christlicher Insider-Witz, bei dem sich der durchschnittliche, amerikanische Jugendliche vor Lachen wegräumt, wenn er das liest.

GrinsiKleinPo
GrinsiKleinPo
4. August, 2009 10:08

Es sind die zwei Seiten einer Münze. Auf der einen Seite will man ja den Interessenten locken ergo große, gute Zahlen, auf der anderen Seite will man sich aber auch nicht festnageln lassen, da man ja sonst gegebenenfalls die Unwahrheit gesagt haben könnte, was unter Umständen rechtliche Konsequenzen hat.

So nennt man irgendeine Zahl die realistisch klingt und relativiert sie bis zur Unkenntlichekeit.

Der ganze Vorgang ist alltäglich und hat schon so einige Jahre auf dem Buckel. Politiker machen das sehr gerne vor Wahlen oder bei Zahlen zur wirtschaftlichen Situation der Nation und Arbeitslosenzahlen.

Wortvogel
Wortvogel
4. August, 2009 11:37

@ Peroy: Die Heftchen lagen früher in jeder Videothek aus – als du noch nicht da rein durftest…

Peroy
Peroy
4. August, 2009 13:08

"@ Peroy: Die Heftchen lagen früher in jeder Videothek aus – als du noch nicht da rein durftest…"

Jaja, klar…

Marko
4. August, 2009 13:42

Und ich dachte immer, "Seventeen" kommt aus Holland …

Gruß,
Marko

Skrymir
Skrymir
4. August, 2009 13:53

Da kommentiere ich hier alle Jubeljahre mal und dann auch noch wegen einer Porno Anspielung…

Aber um zum Thema zu kommen, ich finde diese Spielereien bei völlig aus der Luft gegriffenen Werten leicht lächerlich.. wenn es aber um Grenzbeträge wie 100 oder 1000 usw. geht stört es mich sonderbarerweise nicht wirklich. Klar heißt "über 1000" auch nicht "1500" aber es klingt doch ganz anders als "über 32" für 33-35.

AlphaOrange
4. August, 2009 15:29

Hehe.. "fast über" ist auch einer meiner Favoriten unter unsinnigen Zahlenbeschönigungen.

Aber auch Aussagen wie "mindestens 30 bis 40 Prozent" find ich klasse.

UnderTakeThisLaw
14. August, 2009 05:52

Ich klicke hier und da, lese interessiert diesen Beitrag, lese danach die Biographie und stolpere über die Parenthese: (allein von “Apokalypse Eis” existieren mehr als ein Dutzend internationaler DVD-Fassungen).
Sachen gibts, man glaubt es kaum. 🙂

Wortvogel
Wortvogel
14. August, 2009 11:08

@ UnderTakeThisLaw: Das ist korrekt – "ein Dutzend" ist eine vereinfachte Mengenangabe, um eben nicht "mehr als 12" schreiben zu müssen. Plus: die genaue Zahl liegt mir gar nicht vor. Ich weiß von 12, aber es sind mit Sicherheit mehr. Weiter aus dem Fenster lehnen wäre demnach unaufrichtig.

Asmodeus
Asmodeus
14. August, 2009 11:38

Dutzend sind doch GENAU 12.
Oder liege ich da falsch?

Wortvogel
Wortvogel
14. August, 2009 11:42

@ Asmodeus: Natürlich. Aber darum geht es nicht – die Angabe 12 (= 1 Dutzend) ist gesichert, es gibt aber (unbewiesen) mehr. Darum wäre "mehr als 12" etwas irreführend gewesen, weil es "13" impliziert, oder zumindest eine genauere Kenntnis. "Mehr als ein Dutzend" hingegen ist von der Aussage her prägnant und richtig.

Asmodeus
Asmodeus
14. August, 2009 11:43

Ah, ok.
Mein Fehler.

Hab den Kontext nicht geschnallt, sorry

UnderTakeThisLaw
14. August, 2009 13:16

Ah, ok. 🙂
Passte irgendwie (fast) wie die Faust aufs Auge, da ich beides direkt hintereinander las. 😉