23
Feb. 2020

Trolls World / Under ConTROLL / Goblin (2):
Die Filmkritik

Themen: Film, TV & Presse |

Deutschland 2015-19. Regie: Eric Hordes. Darsteller: Eva Habermann, Billie Zöckler, Helmut Krauss, Katy Karrenbauer, Jirí Lábus, George Hardy, Désirée Nick, Cecilia Pillado, Ralf Bauer, Britta Selling, Desirée Altig, Lutz van der Horst, Julian David u.a.

Story: Vor 600 Jahren wurde die Marquess von Baden von einem Troll besessen, der mit Hilfe eines unbefleckten Jungmanns das Tor zur Trollwelt öffnen wollte. Von einem Zauberer in Stein verwandelt, erwacht der Troll im modernen Baden-Baden und ergreift nun von der schrägen Vanessa Besitz. Sie macht sich auf die Suche nach dem Zauberbuch und einem Amulett, um damit erneut das Ende der Menschenwelt herauf zu beschwören. Doch der tatterige Dr. Fischer und die quirlige Antiquitätenhändlerin Tipi sind dem bösartigen Fabelwesen bereits auf der Spur. Doch kommen sie noch rechtzeitig, um nicht nur Vanessa zu befreien, sondern auch die Tugend des depperten Charlie zu retten?!

Kritik: Ich frage mich ernsthaft, wie ich den Film besprechen soll. Stecke ich da nicht selber zu tief drin? Kann man einen Film, der Gegenstand eines ungemein hässlichen (primär einseitig geführten) Konflikts war, in den ich widerwillig verwickelt wurde, noch halbwegs neutral bewerten? Ist nicht egal, was ich schreibe, weil die Beteiligten sowieso schon entschieden haben, was sie von meiner Meinung halten?

"I have become a movie critic not because it’s easy – but because it’s hard!"
(John F. Kennedy)

https://youtu.be/Pp2ToTYanB0

Das gleich vorab: Mit Maßstäben wie "gut" oder "schlecht" kann man einem Film wie TROLLS WORLD (ich bleibe jetzt einfach mal bei dem Titel) nur begrenzt beikommen. Weil er selber nicht weiß, was er will. Er scheint ständig auf und ab zu hüpfen und zu brüllen "schaut her, ich bin ein total schlechter Trash-Film", um sich damit gegen jede Kritik zu immunisieren, aber für einen total schlechten Trash-Film geben sich alle Beteiligten erheblich zu viel Mühe. TROLLS WORLD ist nie schlecht genug, um ein grandioser Scheißfilm mit Dosenbier-Qualität zu sein. Er ist aber auch nie gut genug, um echten Kultstatus zu rechtfertigen.

Müsste man das Dilemma des Films auf einen Punkt bringen, wäre es der Mangel an Fokus. Im Drehbuch, bei der Regie, bei der Schauspielerführung. Gute Filme haben einen singulären Fokus, eine singuläre Idee, der sie alles unterordnen, von der Story über die Effekte bis zu den Darstellern.

TROLLS WORLD hingegen ist die Sammelkiste schräger Ideen von Eric Hordes, ein Konglomerat gespielter Witze und pubertärer Referenzen, das er gar nicht erst in den Rahmen seiner Geschichte zu pressen versucht. Die eigentliche Troll-Story ist komplett gerade heraus und würde Stoff für ein familientaugliches Fantasy-Abenteuer abgeben. Aber gefühlt alle 30 Sekunden hält Hordes seinen Film an, dreht sich zum Publikum und sagt wahlweise "kennt ihr den schon?" oder "erinnert ich euch noch hier dran?". Wie lange er sich und uns dann mit einem völlig aus der Luft gegriffenen Zwischenstopp aufhält, variiert. Irgendwann verheddert er sich immer, vergisst die Pointe, und macht mit dem Troll-Plot weiter. Nichts fügt sich zusammen, es kann nicht zusammen wachsen, was einfach nicht zusammen gehört. ADHD – The Movie.

Die These, man könne einfach unzusammenhängende Schnapsideen zu einem Film zusammen schütten, erinnert weniger an die legendären Zucker/Abrahams/Zucker-Parodien als an die unsäglichen Witz-Wühlkisten des Duos Friedman/Seltzer. Nichts hat Kontext, nichts wird parodiert oder aufgearbeitet.

Wer sich die Inhaltsgabe oben durchliest, erfährt alles, was er an Story braucht. Darum geht es im Film. Nicht mehr, nicht weniger. Es lässt sich daher legitim fragen, warum ich folgende Laufzeit fressenden Aspekte nicht erwähnt habe:

  • Die Gegenwart des TROLL 2-Hauptdarstellers George Hardy
  • Die große Arabello-Show, in der sich die Beteiligten zu Deppen machen
  • Die Sequenz mit dem "Gendarm von Saint-Tropez"
  • Die aufwändige Herstellung einer Tarnkappe
  • Die Cousine Helga
  • Die dicke Nachbarin

Diese geschätzt 30 Minuten allein haben in der Handlung nichts zu suchen, haben nichts mit ihr zu tun. Es sind einfach Sachen, die Eric Hordes wohl an irgendeinem Punkt lustig fand. Darum hat er sie in seinem Film untergebracht. Nicht eingebaut. Untergebracht. Irgendwie, irgendwo, irgendwann.

Es ist alles Fett, aber kein Fleisch.

Das wirre Resultat ist auch die Verantwortung eines Drehbuchautors, der sich weder vom Produzenten noch vom Regisseur was sagen lässt – weil es sich immer um ein und die selbe Person handelt. Wo ein guter Regisseur auch ein schlechtes Skript straff und unterhaltsam inszenieren kann, lässt Hordes wieder jeden Fokus vermissen. Die Pointen sitzen nicht, redundante Szenen und Dialoge ziehen sich wie Kaugummi, an keiner Stelle scheint er sich zu fragen, was denn nicht ihn, sondern das Publikum interessieren könnte. TROLLS WORLD ist Eric Hordes' Sandkasten, da lässt er niemanden an sein Schippchen.

Diese hibbelige Hysterie überträgt sich leider auch auf die Darsteller, die allesamt auf 11 drehen, was ihnen sicher Spaß gemacht hat, aber manchmal so wirkt, als stünde man nüchtern zu später Stunde bei einer Prunksitzung. Jeder Film lebt davon, dass er normale Figuren hat, die mit ausgefallenen Figuren kontrastiert werden. Davon, dass wir die Figuren und ihr Dilemma verstehen. Davon, dass wir auf ihrer Seite stehen. TROLLS WORLD besteht nur aus schrillen Karikaturen, die für die Kamera Fratzen schneiden und die Zunge rausstrecken. Er ist weder an nachvollziehbaren Charakteren noch an nachvollziehbaren Emotionen interessiert. Und ohne die trägt ein Film keine 90 Minuten – auch keine gewollt überdrehte Trash-Granate.

Das ist alles sehr frustrierend, gerade weil TROLLS WORLD so viel mitbringt, was einen viel besseren Film möglich gemacht hätte, auch als Trash-Granate. Die Kameraarbeit von Nicolas Miebach ist extrem breit, bunt und flüssig. Die Effekte von Jörg Steegmüller in Sachen Maske, Kostümen und Kreaturen sind beispiellos im deutschen Independent-Bereich. Eine Vielzahl an Locations, Statisten und Szenen beweist, dass hier weit mehr Mühe investiert wurde, als wir vom deutschen Genrefilm gewöhnt sind. Der Films wirkt überraschend und erfreulich "polished". In seinen besten Momenten sieht TROLLS WORLD keinen Deut schlechter aus als das, was Firmen wie Constantin alljährlich ins Kino pushen. Und das für einen Bruchteil des Preises.

Das gilt auch für die Besetzung. Habermann, Karrenbauer, Krauss, Zöckler, Bauer – Profis, mit denen man leicht richtig gute Filme drehen kann, die sich alle schon längst bewiesen haben. Sie haben nur leider für die Gelegenheit, mal "die Sau rauszulassen", auf den Anspruch verzichtet haben, das in einem für sie respektablen Rahmen zu tun.

Man merkt, dass sich alle bemühen, dass sie an einem Strang ziehen, dass sie mit Begeisterung dabei sind. Aber auch die besten Profis können nur mit dem arbeiten, was man ihnen in die Hand gibt. Und das war in diesem Fall ein zu dünnes und mit zu viel Unfug aufgeblasenes Skript ohne tatsächlichen Kern.

Aus Autorensicht hätte man das sehr leicht anders handhaben können, vielleicht sogar müssen: Hauptfigur der Story ist nicht Vanessa, denn als Troll-Besessene ist sie Katalysator und Bösewicht. Die natürliche Hauptfigur ist Natalja, ihre Tochter. Sie hat nämlich Motiv und Motivation: sie will ihre Mutter vom Trollfluch befreien und verhindern, dass ihr Freund den dunklen Mächten geopfert wird. Mit ihr als Zentrum kann man locker drei Akte bauen, an denen sich all die anderen schrägen Figuren und Pointen aufhängen lassen.

In der Regie hätte ich die Hälfte der Referenzen und In-Jokes rausgeschmissen (u.a. die gesamte, schmerzhaft unkomische Arabello-Nummer), die tatsächliche Gefahr durch den Troll stärker etabliert und vor allem die Darsteller an die Leine genommen. Viel ist gut, aber mehr ist nicht immer besser. Die Clownereien passen gut bei Figuren, die nur am Rande mitspielen, wie Ralf Bauer. Da kann man das machen. Aber die Protagonisten müssen in einem solchen Film ernster genommen werden, wenn sie lustig sein sollen, so widersinnig das vielleicht klingt.

Eine ganz andere Frage ist, ob man den Film ausgehend von der Hordes-Fassung in der Postproduktion noch hätte retten können. Ich habe da meine Zweifel. Das Skript ist das Skript, die non-existente Regie wird auch knapper nicht besser. Am Schnittpult hätte ich persönlich noch mal mindestens 15 Minuten rausgeschnitten, um die verbleibenden 80 Minuten auf einem akzeptablen Tempo zu halten. Hätte es geholfen? Wer weiß.

Ich hatte anfänglich den Eindruck, dass TROLLS WORLD ein Film ist, der aus wenig (Geld, Zeit) sehr viel macht (Look, Effekte, Darsteller). Leider ist es umgekehrt ein Film, der aus viel (Look, Effekte, Darsteller) eher wenig (Unterhaltung, Spannung, Witz) macht. Weil er sich doch nicht der Idee verpflichten kann, ECHTEN Trash zu generieren – obwohl ich selber nicht weiß, wie der in Deutschland aussehen könnte.

Mein primärer Gedanke, als ich nach dem ersten Screening aus dem Kino kam? "Mann, was hätte man mit der Besetzung, den Effekten und der Kamera für einen geilen Independent-Film drehen können". Und das kann es doch nicht sein.

Vielleicht stecke ich aber tatsächlich zu tief drin. Vielleicht kann man, wenn man das ganze Drama nicht miterlebt hat, TROLLS WORLD für eine launig-schräge Fantasy-Farce mit durchgeknallten Darstellern und bunten Momenten halten. Aber diese Frage müssen andere beantworten.

Fazit: Ein überdrehter Kinderquatsch mit beeindruckendem Aufwand und engagierten Darstellern, der sich leider ständig verläuft und mit unnötigem Gehampel Laufzeit verschenkt, die bei der eigentlichen Story besser aufgehoben wäre.

P.S.: Über die Frage, welche der beiden kursierenden Fassungen des Film die "bessere" ist, sprechen wir morgen.



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Jojo
Jojo
23. Februar, 2020 17:40

Aufschrei der Hordes-Horde in 3 … 2 …. 1 ……

Stefan
Stefan
23. Februar, 2020 17:45

Kleiner Typo, 20015 sollte 2015 sein oder? 😉

Thies
Thies
23. Februar, 2020 17:54

Auch hier kann ich nicht anders als den Vergleich mit "Nur über meine Leiche" zu suchen. Da spielte die Riemann ihre Rolle völlig straight und gab damit Christoph M. Ort den nötigen Rahmen um an den richtigen Stellen über die Strenge zu schlagen. Beide zusammen waren so glaubwürdig, dass man in ihrer Gegenwart sogar einen sprechenden Truthahn akzeptierte. Ich hatte damals gehofft, dass andere Filmemacher diesem Beispiel folgen würden. So wie es aussieht war diese Hoffnung vergebens.

Tante Jay
Tante Jay
23. Februar, 2020 17:54

War nett, dich kennengelernt zu haben. ^^

Comicfreak
Comicfreak
23. Februar, 2020 18:45

.. Gut, jetzt will ich den Film sehen, ich nehm auch mein Nackenkissen mit wegen erwartetem Schleudertrauma

Jake
Jake
24. Februar, 2020 10:22

Im April startet der neue DreamWorks-Output TROLLS WORLD TOUR in den Kinos und nun heißt das Hordes-Teil plötzlich TROLLS WORLD? Da fährt wohl jemand die "The Asylum-Strategie".

Mencken
Mencken
24. Februar, 2020 19:03

Welche Version ist denn jetzt Gegenstand der Kritik? Laut Titel und Coverfoto ja anscheinend die Habermann-Version, aber der Text scheinbar auch auf die Horses-Version zu beziehen?