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Sep 2019

Kino Kritik: Ad Astra

Themen: Film, TV & Presse |

USA 2019. Regie: James Gray. Darsteller: Brad Pitt, Tommy Lee Jones, Donald Sutherland, Liv Tyler, Ruth Negga u.a.

Offizielle Synopsis: In der nahen Zukunft leitet Astronaut Major Roy McBride ein Team, das die größte Antenne der Welt errichtet, mit deren Hilfe außerirdisches Leben im Universum aufgespürt werden soll. Da kommt es bei einem seiner Außeneinsätze plötzlich zu unerwarteten Stromstößen, die ihn fast das Leben kosten. Dieser Unfall steht nicht für sich allein. Vermehrt ist es auf der Erde in letzter Zeit zu unerwarteten Katastrophen gekommen. Feuer sind ausgebrochen, Flugzeuge abgestürzt. Ursache waren zunächst immer überaus heftige Stromschläge. Der US-Geheimdienst macht dafür radioaktive Explosionen in der Nähe des Neptuns verantwortlich. Dort ist, im Zuge des sogenannten „Lima Projekts”, ein Raumschiff verschwunden, 16 Jahre nachdem es ins All gestartet war.

Kritik: Alle reden von Rambo – ich nicht. Ich stand am Freitag vor dem Kino und entschied spontan, auf kathartisches Blutvergießen zu verzichten und stattdessen den Traum von der Reise ins All zu leben. Von AD ASTRA hatte ich bis auf ein paar dekorative Aufsteller bis dato noch nichts gesehen.

Trotz der Besetzung mit Brad Pitt darf man sich nicht täuschen lassen: der Film meint es ernst. Es geht ihm nicht um Effekte, Action oder aufgeheizte Konflikte, sondern um die Kontemplation der ewigen Fragen: sind wir allein? Wer sind wir überhaupt? Was ist das Ziel unserer Reise? Gibt es überhaupt ein Ziel?

Und so ist Roy McBride ein introvertierter, verstockter Mann mit sehr begrenztem Fokus, der in der Suche nach der “Lima Project” nicht nur die Erde retten, sondern auch Antworten finden will. Die Personen, die er trifft, sind nur Beiwerk, Werkzeuge seiner Mission, Etappen. Als könne der sture Blick nach vorne den Blick nach innen ersetzen.

Ihr merkt schon: Das ist nicht ARMAGEDDON oder SUPERNOVA, den versteht sich eher als Kopf-Science Fiction im Stil von Stanislaw Lem, SOLARIS vielleicht, oder Tom Godwins THE COLD EQUATIONS. Ein bisschen auch Major Tom, sei es Bowie oder Schilling. Das All ist hier nicht bunt und erhaben, sondern nur schwarz, leer und tödlich.

Und auf dieser Ebene funktioniert der Film auch sehr gut. Obwohl er nur sehr begrenzt die Mechanismen des Hollywood-Blockbusters bedient, bleibt er aufgrund seiner rätselhaften Geschichte und seiner permanenten Ortswechel spannend. Er zieht seinen Saft daraus, dass wir uns mit McBride auf eine Reise begehen, die nichts und alles bedeutet und deren Ausgang so oder so einen Neuanfang bedeutet. Das klingt zumindest in mir sehr nach.

Nun ist es kein Geheimnis, dass AD ASTRA vielleicht so geplant war, aber so nicht auf die Leinwand kommen konnte. Wie man im Internet nachlesen kann, hat sich das Studio wohl massiv eingemischt und neue Szenen ohne Involvierung des Regisseurs drehen lassen. Ich möchte mich da nicht auf ein Ratespiel einlassen, aber in der Tat wirkt AD ASTRA immer dann etwas “hingebogen”, wenn er unvermittelt und von der Story unabhängig aufwändige CGI-Actionsequenzen präsentiert, die in starkem Kontrast zum langsamen Flow und der sehr realistischen Darstellung der Weltraumbesiedlung stehen. Sei es der Zwischenfall auf der Antenne, das Verfolgungsrennen auf dem Mond oder die Attacke auf der Wissenschaftsstation – es sind nur Events, die keinerlei Mehrwert bringen außer dem, dass sie vielleicht den Schauwert des Films steigern.

Es lässt sich nicht bestreiten, dass diese Szenen etwas Schwung in einen ansonsten etwas kopflastigen SF-Film bringen, aber sie sind auch gleichermaßen deplatziert, weil ihre schiere Existenz unterstellt, AD ASTRA hätte sie nötig. Dem ist nicht so.

Gerade für einen Film, der sich einer vergleichsweise realistischen Darstellung unserer Zukunft im All verschrieben hat, finde ich auch diverse der grundlegenden Handlungs-Katalysatoren etwas zu vage ausformuliert. Wie genau erzeugt die “Lima Project” radioaktive Explosionen nahe des Neptuns? Wie können diese tatsächlich die Erde gefährden, nicht aber ein auf den Neptun zufliegendes Raumschiff? Warum war McBride senior so verbissen in die Idee, es müsse außerirdische Intelligenzen geben? Hier hätte ich mir etwas mehr Erklärbär gewünscht.

Trotzdem ist AD ASTRA eine positive Überraschung für Freunde anspruchsvoller SF, die in einer neuen Ära von Marvel/Star Wars/Transformers nicht gerade häufig bedient werden. Sowas läuft aktuell eher bei Netflix als auf der großen Leinwand, und darum sollte man den Film sogar im IMAX-Kino genießen, falls und wo man kann.

Fazit: Ein “hard SF”-Drama ohne Blockbuster-Ambitionen, dem sehr auffällig ein paar Actionszenen aufgepfropft wurden. Für Freunde “erwachsener” Science Fiction.

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Andreas
Andreas
24. September, 2019 08:20

Danke für die Kritik, jetzt freue ich mich noch mehr auf den Film.

Dietmar
24. September, 2019 13:02

Für Freunde „erwachsener“ Science Fiction.

Schön! Auf so etwas warte ich immer!

Stepnwolf
26. September, 2019 15:28

Aber als Schauwert funktioniert sowas wie die Verfolgungsjagd tatsächlich recht gut. Mir gefiel der realistische Touch des Weltraumabenteuers durchaus, wenn ich auch am Anfang mit den aufgesetzt philosophischen Geschwurbele von Pitts Figur weniger klar kam.

Wortvogel
Wortvogel
26. September, 2019 15:56
Reply to  Stepnwolf

Korrekt – aber die Frage ist halt immer, inwieweit ein Film wie dieser Schauwert braucht. Es ist ja nicht Transformers.

Björn Winkler
Björn Winkler
27. September, 2019 22:43

Was’n Quatsch. Ziemlich gut gemachter Quatsch, aber leider trotzdem Quatsch. Und zudem auch noch todlangweiliger Quatsch. Und die zu vielen kleinen Fehler bestärken mich um so mehr in meinem Gefühl, einfach nur ganz großen Quatsch gesehen zu haben …

… kann leider so gar nicht zustimmen, dass dieser Film “harte” oder “erwachsene” SciFi sein soll: 3 von 10 Punkte.

Christian Siegel
1. Oktober, 2019 16:02

Och, ich mochte diese Elemente, in der man uns eine Zukunftsvision unseres Sonnensystems zeigt, sehr. Gut, ok, der Umweg zur Raumstation war in der Tat unnötig, aber vor allem die Verfolgungsjagd auf dem Mond hatte es mir angetan. Das war einfach mal was völlig neues, und effekttechnisch beeindruckend umgesetzt. Da verzeihe ich auch, wenn die “in naher Zukunft” immer noch mit Mondrovern herumkurven die aussehen, als kämen sie aus dem 70er-Jahre-Bestand der NASA.

Brad Pitts Selbstfindungstrip sprach mich ebenfalls durchaus an (wie auch die hier präsentierte Antwort auf die Frage nach intelligentem Leben im All); nur mit den schwermütig-philosophischen Voice Over-Kommentaren Marke Terence Malick tat ich mir leider sehr schwer. Da wurde dem Zuschauer aus meiner Sicht zu oft das Denken abgenommen. Im Großen und Ganzen gebe ich dir aber recht – insbesondere auch was die Aussage betrifft, dass es schön ist, wenn sich so ein Film mal wieder ins Kino verirrt, statt “nur” auf Netflix (und allein aufgrund der Schauwerte ist der den IMAX-Besuch definitiv wert).

heino
heino
3. Oktober, 2019 11:01

Ich wollte den wirklich mögen, aber der scheitert ebenso wie “Interstellar” daran, dass die Macher auf höchst möglichen Realismus pochen und dann an den einfachsten physikalischen Grundlagen scheitern. Es ist z.B. hochgradig blödsinnig, Mc Bride für die Aufzeichnung eines Funkspruchs zum Mars zu karren, den er ebenso gut auf der Erde hätte aufnehmen können und von wo aus es über eine Relaisstation wesentlich schneller zum Neptun hätte gesendet werden können. Von dem wirklich lächerlichen Ende fange ich lieber erst gar nicht an, das treibt mir nur den Blutdruck hoch.
Was die großen Fragen angeht:Ja, da hätte man was draus machen können. In meinen Augen hat es der Film aber nicht geschafft, dazu etwas Interessantes oder gar Substantielles zu sagen. McBride fühlt sich allein und ist nicht in der Lage, mit anderen Menschen ordentlich zu kommunizieren? Das hätte sein Therapieprogramm (das ganz offensichtlich nichts taugt, wie überhaupt die psychologischen Überprüfungen der Astronauten nicht gut sein können, denn sonst wäre der Copilot niemals eingestellt worden) erkennen müssen.
Am schlimmsten finde ich aber die Vergeudung von Darstellern wie Tommy Lee Jones oder Liv Tyler, für deren Rollen man auch einfach Leute von der Strasse hätte engagieren können.
Fazit:langweiliger Schlonz ohne jegliche innere Logik, der nur durch schicke Bilder und einen guten Brad Pitt überhaupt eine Daseinsberechtigung hat.

Matts
Matts
3. Oktober, 2019 13:53

Ich finde, es spricht für den Film, dass ich schwer übermüdet reingegangen bin, und trotzdem die ganze Zeit über drangelieben bin. Obwohl Ad Astra ein langsames Tempo hat, hält er den Spannungsbogen gekonnt aufrecht.
Die Actionszene auf dem Mond war definitiv nicht nötig – aber ich fand sie trotzdem schick. Die mit dem SOS Signal hätte man sich wirklich schenken können.
Ich freue mich jedenfalls auch, dass solche Filme heute noch ins Kino kommen,