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Okt 2017

Daddel Kritik: Super Nintendo Classic Mini

Themen: Neues |

Es gibt einen Grund, warum ich (abgesehen von Casual Games) auf meinem Blog keine Computerspiele bespreche. Es gibt einen Grund, warum ich das heute doch tue. Beides hängt mit dem Super Nintendo Entertainment System (von hier an SNES) zusammen. Es war die letzte Konsole bzw. das letzte System, auf dem ich leidenschaftlich gedaddelt habe. Das Ende meiner Jugend als Gamer, nach Philips G7000, Atari VCS, C64 und Gameboy.

Ich hatte die Konsole Ende 1992 von Nintendo bekommen, weil ich für den GONG und die TV Serien damals immer wieder Spiele besprochen habe, meistens Umsetzungen von Serien und Kinofilmen (Star Trek, Simpsons, etc.). Es war die Zeit, als es noch nicht ehrenrührig war, Presse-Exemplare zu behalten, und so stapelten sich daheim bald die Cartridges mit den neusten Spielen, für die ich nie einen Pfennig bezahlen musste. Es kam der Gameboy dazu, das Sega Mega Drive, verschiedene Zusatzgeräte. Ich besuchte die Nürnberger Spielwarenmesse, die Präsentation von “Die Ottifanten” in Hamburg (inkl. Live-Konzert von Waalkes), die Internationale Funkausstellung in Berlin.

Mit dem Wechsel zu ProSieben 1995 fand meine Tätigkeit als Game-Reviewer schlagartig ein Ende – und mein Interesse an Videospielen ehrlich gesagt auch. Ich bin rausgewachsen aus dem Thema. Während Freunde von mir die Playstation kauften oder das Nintendo 64 oder die Sega Dreamcast, war ich froh, wieder mehr Platz im Wohnzimmer zu haben und nicht mehr permanent über Kabel zu stolpern. Das SNES wurde erst eingemottet, dann verhökert.

Genau deswegen ist das SNES aber auch die von mir heilig gesprochene Konsole, Höhepunkt und krönender Abschluss der “klassischen” Videospiel-Ära, bevor alles mit Videosequenzen und 3D-Rendering aufgeblasen wurde, bevor “first person perspective” und “ego shooter” neu definierten, wie ein gutes Game auszusehen hat. Für mich heißt Konsolenspiel bis heute: 2D, hüpfen, ballern, sichtbare Pixel, Dudelmusik, Hauptsache bunt und mit präziser Kollisionsabfrage der Fairness wegen. In diesen Belangen war das SNES unschlagbar und wird es immer sein. It’s the playability, stupid!

Und genau deswegen habe ich entgegen aller Vernunft auch zugeschlagen, als dieses kleine Teil bei Amazon für den Bruchteil einer Sekunde bestellbar war:

Klaromat, ich könnte mir für die Hälfte des Preises eine portable Variante aus China zulegen, die auch noch Arcade-Spiele emuliert, Fotos macht und Ebooks anzeigt. Ich könnte sämtliche Spiele (und mehr) auch im Browser daddeln. Es gibt die alten Konsolen für eine Handvoll Euro auf dem Trödelmarkt.

Aber das ist alles egal. Das hier ist von Nintendo. Das Original. Mit den original Controllern, die ich geliebt habe und die genau die maximale Menge an Buttons haben, die ich gerade noch vertragen kann. Die Auswahl der Spiele ist ein tatsächliches “best of” – ich kann mich gut erinnern, von Nintendo zur Präsentation von “Donkey Kong Country” in den Tierpark Hellabrunn eingeladen worden zu sein. Die Grafik hat uns schier vom Hocker gehauen!

Nein, nein, Browser hin, Emulator her – ich will wieder vor dem Fernseher sitzen, den verkabelten Controller in der Hand, den Bildschirm anfluchend, bis die LvA reinkommt und sagt: “Alles gut bei dir?”. Ich will wieder 25 sein.

Also habe ich die Konsole gekauft und bespreche sie nun für euch.

Zuerst einmal: Die Auswahl der Spiele entspricht nicht nur zu 90 Prozent dem, was ich selber in die Top20 verortet hätte – es ist auch eine verdammt repräsentative Übersicht dessen, was die Konsole so großartig gemacht hat:

  • Contra III The Alien Wars
  • Donkey Kong Country
  • EarthBound
  • Final Fantasy III
  • F-ZERO
  • Kirby Super Star
  • Kirby’s Dream Course
  • The Legend of Zelda: A Link to the Past
  • Mega Man X
  • Secret of Mana
  • Star Fox
  • Star Fox 2
  • Street Fighter II Turbo: Hyper Fighting
  • Super Castlevania IV
  • Super Ghouls ’n Ghosts
  • Super Mario Kart
  • Super Mario RPG: Legend of the Seven Stars
  • Super Mario World
  • Super Metroid
  • Super Punch-Out!!
  • Yoshi’s Island

Bunte Racing Games, krachende Action, fordernde Rollenspiele, Arcade-Klassiker, Legenden wie “Street Fighter II” und “Mega Man X”. Und obendrauf noch das bis dato unveröffentlichte “Star Fox 2”. Oh happy happy joy joy!

Die Hardware selbst ist kleiner, als man angesichts der Bilder denken würde – man hat halt doch immer noch das Format des Originals im Kopf:

Die Konsole: Nicht mal so groß wie ein CD-Walkman aus der gleichen Ära. Sehr gut gearbeitet, so wertig oder so plasticky (je nach Ansichtssache) wie das Original. Die Cartridge-Klappe ist ein Fake, die Controller-Anschlüsse auch (hinter denen verbirgt sich der eigentliche Port für die Joypads).

Die Controller: in Größe und Haptik wie immer. Perfekt. Meine Daumen fühlen sich sofort heimisch.

Die Installation: kinderleicht. USB-Kabel für den Strom und HDMI-Kabel für Bild und Ton in den Fernseher plömpeln und ab geht’s.

Und damit sind wir auch schon bei einem der größten Vorzüge des SNES Classic Mini: Die Konsole ist für den Gebrauch an HD-Fernsehern optimiert und produziert ein kristallklares Bild. Dazu gleich mehr.

Wer jemals mit “on screen menus” zu tun hatte, wird sich in der Präsentation der Spiele und den entsprechenden Einstellungen sofort zurecht finden. Das ist sympathisch homogen, sehr flüssig und optisch ansprechend:

Wie es sich gehört, kann man Spielstände bequem abspeichern und laden und in den Einstellungen noch ein wenig experimentieren, um die bevorzugte Darstellung zu erhalten. Alle Spiele werden mit den original “pack shots” vorgestellt. Da kommt Nostalgie auf. “Star Fox 2” muss man sich erst freispielen, das halte ich für eine bezaubernde Idee.

Ich starte mit “Castlevania”, weil ich dieses Spiel trotz seines Kultfaktors nie gespielt habe. Und ich bin erschüttert: Das sieht in einem Maße pixelig und grobschlächtig aus, dass ich vermuten muss, die Bildschirmauflösung falsch eingestellt zu haben.

Und damit kommen wir zur einzig wirklichen Crux der Konsole: Die Grafik ist so schlecht, weil sie so gut ist. In HD kann man jeden einzelnen Pixel erkennen, da verschwimmt nichts und kein subkutanes Flimmern homogenisiert den Eindruck. Auf einmal wird klar, dass die hochwertige Arcade-Grafik von damals wie aus Lego montiert ausgesehen hätte, wenn unsere Fernseher das hätten darstellen können. SNES 2017 heißt: Klötzchen für Klötzchen Kwaliteit.

Es ist eine Gewöhnungssache, dass die Spiele nun gleichzeitig besser und schlechter aussehen als vor 25 Jahren. Um den Effekt abzufedern, kann man in den Einstellungen auf einen CRT-Modus umschalten, der die Darstellung eines Röhrenfernsehers simuliert. Das funktioniert – mit dem Ergebnis, dass die Spiele nun wieder besser aussehen, weil sie schlechter dargestellt werden. Das nostalgische Gefühl wird mit einem schwammigeren Bild in Sachen Farbe und Schärfe erkauft. Ich denke, hier muss jeder für sich entscheiden, was ihm wichtig ist – ich selber bleibe nach 15 Minuten Experimentiererei dann doch wieder bei der “reinen” HD-Auflösung.

Hier bekommt ihr eine etwas genauere Übersicht der gebotenen Spiele:

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Und wie spielen sich die Klassiker nun, nach 25 Jahren Auszeit? Kurz gesagt: perfekt. Es zahlt sich aus, dass hier der Hersteller selber Zugriff auf die Original-Hardware und die Spiele hatte. Es wird sicher ein paar Gamer-Geeks geben, die irgendwelche minimalen Details zu bemäkeln finden, aber ich konnte keinen Unterschied zu der vertrauten Experience feststellen. Das Spielgefühl, das Klicken des Controllers, das direkte Feedback vom Knopfdruck zum Geschehen auf dem Bildschirm – perfekt. Das kann kein Emulator, kein virtueller Controller auf dem Tablet, keine Tastatur bieten.

Und so werde ich jetzt vermutlich eine Woche lang immer wieder mal ein Stündchen am Fernseher und gleichzeitig in meiner Jugend daddeln, um die Konsole danach in gute Hände abzugeben. Weil die Vergangenheit ein schöner Ort ist, in dem man sich allerdings nicht ständig verlieren sollte, wenn einen die Gegenwart braucht.

Machen wir uns nichts vor: Man kann heute Hunderte Games kostenlos aus den Amazon- und Apple-Stores laden, die vergleichbaren Spaß bei besserer Grafik und besserem Sound liefern. Die Spieleszene hat sich weiter entwickelt. Und wer sein SNES nicht heiß und innig geliebt hat, kann die knapp 100 Euro wahrlich besser anlegen. Es ist ein Nischenprodukt für eine Nischennostalgie. Aber bei drückt der kleine Kasten halt genau die richtige Knöpfe. Hooray for Nintendo.

Und das ist ja noch nicht mal das Ende vom Lied. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie DAS auf dem großen Fernseher in HD aussieht…

P.S.: Natürlich bin ich neugierig, ob bald jemand das System hackt und eine Möglichkeit findet, weitere Spiele auf die Konsole zu laden. Es ist schließlich die perfekte Hardware-Basis, um die SNES-Klassiker auf modernen Fernsehern zu spielen. Andererseits: es ist gut, wie es ist. Man soll es mit der Retro-Daddelei auch nicht übertreiben.



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Marko
2. Oktober, 2017 10:23

Yeah! 🙂 Nicht zu vergessen die Neuankündigung von Atari: https://www.ataribox.com/

Retro ist nach wie vor hip. Ich schätze, Nintendo wird auch noch das n64 als Miniversion rausbringen, die wären ja schön blöd, sich die Kohle entgehen zu lassen – Mini-NES und Mini-SNES gingen/gehen weg wie warme Semmeln.

Ich persönlich hätte mir allerdings eher portable Geräte gewünscht, das käme sowohl der Nutzung entgegen (mal schnell abends im Bett oder unterwegs) als auch der Darstellung (Retrospiele sehen auf 5-Zoll-Bildschirmen entzückend aus). Naja, kommt ja vielleicht noch…

S-Man
S-Man
2. Oktober, 2017 10:57

Hi wenn ich mir das so anschaue, gibt es aber immernoch einen Slot, um die alten Spiele wieder rausholen zu können, oder?

Marko
2. Oktober, 2017 11:19
Reply to  S-Man

Zumal die alten Cartridges doch locker breiter sein dürften als die komplette Minikonsole.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
2. Oktober, 2017 12:11

Danke für den Hinweis mit dem portablen Emulations-Dingens, da werde ich in Hongkong mal die Augen nach aufhalten 😀

Bin immer eher der Sega-Fan gewesen, daher reizt mich das Mini-SNES nicht sonderlich, zumal ich das Original eh noch rumstehen habe und die Bestände so absurd schnell ausverkauft waren, dass man jetzt für unter 300€ eh keins mehr bekommt. Da lobe ich mir meinen Retro-Pie, der enthält auch mehr als die 20+ Spiele. Doof auch, dass von Contra die US-Version enthalten ist und nicht Probotector.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
4. Oktober, 2017 13:15
Reply to  Torsten Dewi

Na mal schauen, was die Chinesen so abziehen 😀 Ich werde berichten.

@Retro-Pie: Grauzone ja, aber ich hab die Module eh im Schrank und da ich das SNES nur schwer an einen modernen TV angeschlossen bekomme, muss halt die Lösung herhalten. Zumal es den SNES-Controller mit USB-Anschluss gibt, ist einen Ticken leichter als das Original, kommt dem “Real-Feel” aber sehr nah 😉 Und in Asien gibt es die sogar mit Bluetooth als Wireless-Version, ist mir aber zu viel Gefrickel.

Das mit Probotector wusste ich auch jahrelang nicht, finde aber die Roboter auch cooler als die Mucki-Söldner (besonders den kleinen aus der MD-Variante).

Sehr geil auf jeden Fall, dass beim Mini-SNES “Final Fantasy VI” und “Super Mario RPG” enthalten sind, beide Spiele blieben PAL-Zockern seinerzeit verwehrt.

DMJ
DMJ
2. Oktober, 2017 13:52

Hach… Ich habe keine Hoffnung, dennoch stelle ich mir immer wieder gerne vor, Nintendo würde irgendwann mal ein paar mehr Exemplare von NES- und SNES-Mini herstellen… denn eine günstige Sekunde auf Amazon habe ich leider nicht erwischt und die Wucherpreise von Händlern mag ich rein aus Prinzip schon nicht zahlen.

Aber ich stelle es mir schon als leckeren Nostalgie-Flash vor und sei es nur wegen des Controllers… (und dass auf dem SNES einiges drauf ist, was wir hier in Deutschland damals ja gar nicht abgekriegt haben, ist natürlich auch reizvoll).

invincible warrior
invincible warrior
4. Oktober, 2017 04:26
Reply to  DMJ

Nintendo wird noch einige nachproduzieren (auch NES Mini) und zumindest in den USA hatten sie eine ordentliche Anzahl an Konsolen ausgeliefert, keine Ahnung wie das in Deutschland ist.

Der NES und SNES Mini basieren übrigens auf dem gleichen SoC (Platine), haben also grundsätzlich die gleichen Schwächen und hacks nahezu gleich. Zur Zeit wird daran gearbeitet, das Tool auch kompatibel zu machen, sollte schon bald released werden (Entwickler sagt, er ist diese Woche beschäftigt, aber vermutlich nächste Woche)

Karsten
2. Oktober, 2017 17:56

Da ich erst noch einen Test zu Divinity: Original Sin 2 (großartiges Oldschool-RPG mit Rundenkämpfen) fertig schreiben durfte, konnte ich mich bisher leider nur kurz der Nostalgiereise hingeben: 10 Minuten Mario Kart, bisschen Mario World, Schnupperminuten mit Link. Ich freue mich aber schon auf die nächsten Tage, dann ist mehr Zeit 🙂

Sebastian
2. Oktober, 2017 20:06

Neben Starfox 2 gibt es für deutsche Nutzer noch was anderes neues: Contra 3 in der Ur-Fassung. Hierzulande gab es das nur als Super Probotector, in dem die Menschen gegen Roboter ausgetauscht wurden. Ich fand diese Art der Indizierungsvermeidung immer eher kurios-interessant als störend, und so war’s halt.
Um Pixel-Effekte zu vermeiden, bieten Emus ja immer noch mehr Filter-Optionen, die teils wirklich taugen. Hätte ich hier auch gefunden, und auch wenn das Kabel etwas länger ist als beim unverschämt kurzen Mini-NES-Kabel, ist es immer noch etwas kurz. Jim Sterling hat gewitzelt, dass man den Käufer dazu bringen möchte, wie als Kind direkt vor dem TV zu sitzen, für das volle Nostalgiegefühl. Geht aber auch ohne, die Spielauswahl ist wirklich fantastisch.

invincible warrior
invincible warrior
4. Oktober, 2017 04:14
Reply to  Sebastian

Ich weiß noch, wie ich bei einem Verwandten das erste mal einen SNES sah und der hatte Super Probotector MIT ROBOTERN – wie cool ist das denn! Direkt gesuchtet. Seit ich aber weiß, dass das eigentlich Ramboverschnitte sein sollen, verlor das Spiel einiges an seinen Reiz. Als Kind fand ich eben Roboter viel cooler als ein schweißgebadeter Halbnackter, richtig geändert hat sich das für mich immer noch nicht.

lostNerd
lostNerd
4. Oktober, 2017 22:41

Es mag ja kostenlose Spiele geben die besser aussehen, Spielerisch kommen die aber an solche Meisterwerke wie Yoshis Island, Super Metroid oder Final Fantasy VI sicher nicht heran.

Also mal abgeshen von der von Cave Story. Das ist wirkich genial und immer noch freeware.

invincible warrior
invincible warrior
5. Oktober, 2017 04:28
Reply to  lostNerd

Man kann aber auch hier freiwillig den Entwickler unterstützen, gibt glaube ich für jedes wichtigere Abspielgerät auch ein Cave Story +, zuletzt released für die Nintendo Switch.
https://www.youtube.com/watch?v=_J-ceG38QqY

sH81m
sH81m
5. Oktober, 2017 21:00

Das stimmt natürlich. Cave Story+ ist auch eines der wenigen Spiele die ich für 3 Systeme (PC, WII, 3DS) gekauft habe.

Howie Munson
Howie Munson
18. Oktober, 2017 11:56

Und das ist ja noch nicht mal das Ende vom Lied. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie DAS auf dem großen Fernseher in HD aussieht…

Im gegensatz zu den Nintendo Minis ist THEc64 ohne “First party” support, hat schon ein teil-gescheitertes Crowdfunding mit sehr dürftiger Informationpolitik hinter sich (als 1:1 remake sowie Handheld) und wird wohl “nur” Epyx und Hewson Spiele haben wie vor zehn jahren der C64DTV…..

Also erstmal abwarten was am Ende wirklich lieferbar ist, möglichweise ist es dann doch gut.