06
Aug 2017

Kino Kritik: Valerian – Die Stadt der tausend Planeten

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

USA/Frankreich 2017. Regie: Luc Besson. Darsteller: Dane DeHaan, Cara Delevingne, Clive Owen, Rutger Hauer, Ethan Hawke, Rihanna u.a.

Offizielle Synopsis: Valerian und Laureline sind Spezialagenten der Regierung und mit der Aufrechterhaltung der Ordnung im gesamten Universum beauftragt. Während der verwegene Frauenheld Valerian es auf mehr als nur eine berufliche Beziehung mit seiner schönen Partnerin abgesehen hat, zeigt ihm die selbstbewusste Laureline jedoch die kalte Schulter. Auf Anordnung ihres Kommandanten begeben sich Valerian und Laureline auf eine Sondermission in die atemberaubende, intergalaktische Stadt Alpha: einer Mega-Metropole, die Tausende verschiedener Spezies aus den entlegensten Winkeln des Universums beheimatet. Die siebzehn Millionen Einwohner von Alpha haben sich über die Zeiten einander angenähert und ihre Talente, Technologien und Ressourcen zum Vorteil aller vereint. Doch nicht jeder auf Alpha verfolgt dieselben Ziele – tatsächlich sind im Verborgenen Kräfte am Werk, die alle Bewohner der Galaxie in große Gefahr stürzen könnten…

Kritik: Ja, über den hätte ich vielleicht schon vor zwei Wochen schreiben sollen, als ich ihn im Kino in Hamburg gesehen habe (gleiches gilt für Wonder Woman – kommt morgen). Aber eine Kinokritik verlangt Zeit, Geduld und das Kramen in der eigenen Expertise, das mache ich ungern zwischen Tür und Angel. Jetzt aber.

Die übliche Einleitung: Ich kenne die “Valerian”-Comics noch aus der Zeit, als sie in Deutschland in den 70ern in Zack-Heften zu finden waren. Gelesen habe ich sie damals nicht – als Sieben- oder Achtjähriger waren mir die Bilder zu überfrachtet, die Storys zu komplex. Ich konzentrierte mich lieber auf Lucky Luke, Asterix und Kai Falke. Darum kann ich auch nicht wirklich kompetent Auskunft geben, inwieweit “Valerian” eine vorlagengetreue Adaption ist. Das Drehbuch scheint verschiedene Elemente der Alben zu einer neuen Geschichte zu vereinen, aber in Sachen Optik nah dran zu bleiben.

Die Ähnlichkeiten von “Das fünfte Element” und “Valerian” sind schwer zu verleugnen: beides sind üppig bebilderte Action-Utopien von Luc Besson mit amerikanischen Stars, Gesangseinlagen und einer schrägen Mann/Frau-Beziehung im Mittelpunkt. Es regieren die Attribute “knallbunt” und “sehr laut”, eine kohärente Story ist nicht das Hauptinteresse der Beteiligten. Das Universum als Rummelplatz, eine Schaubude neben der nächsten, dann geht’s zur Achterbahn.

Man sollte allerdings nicht den Fehler machen, “Valerian” leichtfertig zu simplem “eye candy” zu erklären – ich habe mich über jede Kritik in dieser Richtung geärgert, weil es schlicht unzutreffend ist. Der Film HAT eine durchaus interessante Story und diese bedient ausnahmsweise mal nicht die “Bösewicht will Waffe finden, um Welt zu beherrschen”-Klischees. Stattdessen geht es um höchst menschliche, universelle Prinzipien, um Flucht und Vertreibung, Völkermord und Selbstbestimmung. Es ist ein Film zur Flüchtlingskrise, ein Film über Europa – der Kontinent der tausend Planeten, um im Bild zu bleiben. Dass Besson diese Geschichte anders als “Avatar” als unterhaltsamen Kinderquatsch inszeniert, ist weder überraschend noch verwerflich.

Über mehr als zwei Stunden bietet “Valerian” vielleicht nicht die realistischste Darstellung fremder Welten oder das spannendste fiktive Franchise-Universum der Filmgeschichte, aber er schüttet uns förmlich zu mit jugendlichem Elan, einem unwiderstehlichen Sense of Wonder und einer Großpackung atemloser Szenarien, in denen wir uns gerne etwas genauer umschauen würden. Ihm gelingt, woran viele aktuelle SF-Blockbuster versagen: er deutet ein “dahinter” an, Welten jenseits der Leinwand, die Abenteuer und Action versprechen. Wir können nur ahnen, was all die Wesen, Planeten und Technologien von “Valerian” noch für Geschichten bereit halten. Das entspricht einem Comic, bei dem man sich auch manchmal fragt, was wohl das Leben dieses einen bizarren Aliens im Hintergrund sein mag.

Im Gegensatz zu vielen anderen, ernsteren SF-Blockbustern gönnt sich “Valerian” zudem eine Menge Humor, ohne zynisch zu sein, und Erotik, ohne schmierig zu werden. Gerade die Tatsache, dass Lauraline ihrem Valerian nicht nur ebenbürtig, sondern in vielerlei Beziehung überlegen ist, stellt sich als Plus heraus und erinnert mich an den letzten “Jack Reacher”-Film, in dem Cobie Smulders altvertraute Klischees ad acta legt. Den habe ich nie besprochen, darum in zwei Zeilen: knallharter und straff inszenierter Military Thriller, besser als der Vorgänger und allemal den Ausleih-Euro wert.

Zurück zu “Valerian”: Man kann sich prima zurücklehnen und das 3D-Feuerwerk auf sich einprasseln lassen, während man ein knallrotes oder grünes Slushy schlürft.

Was mir den Film aber deutlich, massiv und fast irreparabel verleidet (verlitten?) hat, ist ein krasser Fehler in der Besetzung einer Hauptrolle. Und es ist NICHT Cara Delevingne, der hier im Gegensatz zu “Suicide Squad” nicht nur nicht nervt, sondern ein echtes Highlight darstellt. Ihre etwas blasierte und herablassende Art ist für Laureline perfekt, ihre harte Schale sympathisch brüchig und auch in Sachen Action schlägt sie sich gut.

Das Problem ist Dane DeHaan, den Hollywood unbedingt zu einem neuen DiCaprio aufbauen will, der sich aber besser zu einem neuen Brad Dourif eignet. Er ist kein Leading Man, ihm fehlt das Charisma, die Präsenz, um einen derart dominant wummernden Film zu tragen. DeHaan ist das schwarze Loch im Zentrum von “Valerian”, ein permanentes Ausrufezeichen eines Castingpatzers.

Um es mit “Mean Girls” zu sagen:

Trotz dieses Mankos habe ich mich prächtig amüsiert und wer auch mal auf einen “wild ride” ins Kino geht und ein Faible für franko-belgische Comickultur hat, der wird sicher hinterher sein Eintrittsgeld nicht zurück verlangen. Mehr Kino geht eigentlich nicht.

Fazit: Ein hochoktanes Kinocomic mit großen Schauwerten und dem Herz am rechten Fleck, das nur ein zentraler Besetzungsfehler und eine gewissen Fahrigkeit in der Narrative ausbremsen. Wird wie “Das fünfte Element” in zehn Jahren Kult sein.

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heino
heino
6. August, 2017 10:58

Ich fand den in jeder Hinsicht unterwältigend. Beide Hauptfiguren sind bloß behauptete Charaktere, er der obercoole Aufreißer, der sie – warum auch immer – unbedingt heiraten will, sie die sarkastische Bitch, die immer einen blöden Kommentar parat hat. Die Story fand ich in Ansätzen interessant, aber Besson verliert sich immer in Nebensächlichkeiten, wodurch der Film erhebliche Längen aufweist. Auch die Action-Szenen (bis auf die erste, die war gut) waren mir zu behäbig inszeniert. Clive Owen hätte ich mehr zu tun gewünscht, Rutger Hauer wird völlig vergeudet und das 3D war mal wieder völlig überflüssig. Insegesamt kann man den genau wie “Das 5. Element” mal gucken, aber das reicht dann auch.

Teleprompter
Teleprompter
6. August, 2017 11:14

Das 3D fand ich sogar teilweise ganz gelungen (zB die Flüge durch die Station), bzgl. der Figuren muss ich eher heino Recht geben, auch Cara und Clive bleiben für mich da sehr blass, sogar Rihanna kommt da besser rüber.

Am Ende steht dann noch ein zähes Finale, das im Vergleich zum Rest des Films fast schon erschreckend banal und unspektakulär wirkt.

Aber allein die Szene mit dem dimensionsverschobenen Markt lohnt den Eintritt.

Andreas
Andreas
6. August, 2017 11:55

Valerian ist sicherlich kein Ausfall und kein schlechter Film. Leider ist er aber zu viel – und lässt einen unbefriedigt zurück. Die Tanzeinlage von Rhianna – super, aber bitte, was soll das? Das nimmt Tempo raus, wobei der Film trotz der behaupteten Atemlosigkeit sowieso eher wie auf Valium zu laufen scheint.

Die bunten Bilder, sie sind wundervoll. Aber wie eine riesen Tüte Zucker, so möchte man dann auch irgendwann etwas, was einen wieder beruhigt – keine Chance.

Der Hauptdarsteller, au weh.

Die Story, nett, aber viel zu schwerfällig erzählt.

Es ist eindeutig zu merken, dass Luc Besson SEINEN Traum verfilmt. Seine Helden zeigt. Aber keinen Mut hat, auch mal was zu kürzen. Zu straffen. Der ganze Film hätte meiner Meinung nach eine zweite Hand gebraucht, die Dinge auch gerade zieht. Denn der Regisseur war so verliebt in seine Figuren, dass er sich nicht traut, sie auch mal in echte Gefahr zu bringen. In Konflikte. Und den Zuschauer nicht nur einen süßen, toll anzuschauenden Film, sondern einen spannenden, toll anzuschauenden Film.

So ist Valerian ein Schaulaufen der Möglichkeiten, ohne diese zu ergreifen. Sehr schade. Und schädlich – denn wer wird jetzt in den nächsten Jahren nochmal ein Sci-Fi-Projekt in Europa wagen? Argh…

Kai
Kai
6. August, 2017 15:27

Valerian war damals in den Zack-Heften? (kurzes googeln) Tatsächlich, hab ich aber null Erinnerung daran, nix hängen geblieben. Kai Falke fand ich auch toll. Muss an meinem Vornamen liegen. 🙂

Film noch nicht gesehen, ich geh erst mal in Dunkirk.

Nummer Neun
6. August, 2017 16:05

Der Film hat mich gut unterhalten, das ist ja eigentlich schon mal die Hauptsache. Sicherlich war die Hauptfigur vielleicht noch etwas zu jung und Clive Owen verschenkt, aber insgesamt mochte ich den Film. Und hätte tatsächlich Interesse an weiteren Geschichten aus diesem Universum.

Ob der letzte Satz deines Fazits allerdings eintreffen wird, das wage ich zu bezweifeln 🙂

S-Man
S-Man
6. August, 2017 17:16

Ich liebe ja lustige Zufälle. In dem Moment an dem ich diesen Beitrag lese… Läuft im Fernseher gerade der Abspann von Mean Girls 🙂

CthIngo
CthIngo
6. August, 2017 18:02

Uns hat’s der 3D-bedingte Grauschleier gründlich vermiest – keine bunten Welten wie auf den Pressebildern und im Trailer, stattdessen düster-gräuliches Mischmasch. Bei Avatar ging das doch auch besser, und der ist nun schon ein paar Jahre her…

heino
heino
6. August, 2017 18:10

Ich möchte noch anmerken, dass es mir schwerfällt, dem Regisseur/Autor von xenophobem Schwachsinn wie “Taken” oder “From Russia with love” die ach so humanistische Botschaft abzukaufen

Markus
6. August, 2017 18:29

Ich bin ja sehr gespannt, ob deine provokante These am Schluss zutreffen wird. 😁 Clive Owen fand ich gut, die Hauptdarsteller schwach, die Effekte zum Teil unfassbar beeindruckend.

http://www.sitzkartoffel.de/?p=1086

S-Man
S-Man
6. August, 2017 19:23

@Wortvogel Die Aussage überrascht mich. Bin gespannt auf diese Kritik 😉

Ich fand, das war nicht mehr und nicht weniger als ein durchschnittlicher US-Highschool-“Waah, die ist voll die fiese Zicke und deswegen doof”-Film. Auch wenns OffTopic ist, aber was genau fi dest du an dem Film großartig?

Andy
Andy
6. August, 2017 21:31

@Torsten Dewi
Danke für die Review und erschreckend wie sich
dein Eindruck mit meinem gleicht!
Dachte oft bei ”Dane DeHaan” schade das ”Der” die Rolle spielt!
Passte irgendwie nicht….null Charisma/Präsenz.
3D Fand ich auch top!

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
7. August, 2017 12:48

Als Zwölfjähriger hätte ich den Film wahrscheinlich enorm abgefeiert, so war er immerhin “gut” und zeigt dem dicken Schosch, wie ein unterhaltsamer “Episode 1”-Film hätte aussehen können *duckundweg*

Exverlobter
Exverlobter
7. August, 2017 20:53

Den Film wollte ich lieben. War leider enttäuscht. Lag größtenteils an DeHaan. Der Film wird der neue Goldstandard für eine fehlbesetzte Hauptrolle.
Hatte das Fünfte Element noch Bruce Motherfucking Willis, soll ich nun diesen halbstarken Zwöfljährigen als Major! abkaufen?
Das ist noch weitaus schlimmer als damals bei Chris Pine in Trek09. Und der hatte wenigstens halbwegs Leading-Man-Charisma. Fehlt DeHaan völlig. Als Charakterdarsteller ok, aber zu mehr reicht es nicht. Hätten sie halt nochmal Chris Pratt besetzen sollen, lol. Nun als alternative Version von Starlord.

Am besten hätte man das ganze Geld in eine Fortsetzung zu das Fünfte Element stecken sollen.

CthIngo
CthIngo
8. August, 2017 07:30

Hmpf, dann liegt’s an unserem Kino. Wir haben uns eh vorgenommen zukünftig nur noch das Savoy in Hamburg zu besuchen. Hammer-Saal, Bild und Ton.

Dietmar
6. Januar, 2020 11:18

Gestern lief der und ich habe gemeinsam mit Daniel da mal rein gesehen:

Abgesehen davon, dass die Raumstation für dieses Jahr prognostiziert deutlich zu groß ist, hat mir der Anfang sehr gefallen. Die Szene mit der sterbenden Prinzessin war toll aufgebaut und emotional. Dann kam der Major, seit neun Jahren erfolgreich im Dienst, ein tougher Typ, behauptet der Film, ins Bild – und war DeHaan. In Badehose. Ehrlich: Ein bisschen Körper aufbauen? Nur so ein bisschen, ja? Delevigne ist traumhaft schön und er ist … da. Irgendwie.

Dann kam die Szene, in der sie dieses kleine, knuddlige Tierchen erobern. Die Einheit wird ausgelöscht. Auch der Soldat, der mit der Heldin, erfolglos aber für sie amüsant und ihr sympathisch, flirtete, stirbt einen grausamen Tod, den sie sieht. Sie und der … Held (ähm) retten sich mit beherztem Sprung und sie sagt gespielt empört: “Die haben mein Kleid ruiniert.” oder so etwas. Sie soll also tough und überlegen sein, ist in meinen Augen aber herzlos und unsympathisch.

Und dann diese generischen Heldensprüche! “Showtime!” Das habe ich wirklich schon zu oft gehört. Oder: Der … Held: “Oh, nein!” Bösewicht: “Oh doch!”

Vielleicht hat die herzlose Schlunze noch eine Charakterentwicklung. Wir werden es nicht erfahren, denn wir haben abgeschaltet.

Aber DeHaan wird das Fitnessstudio nicht gefunden haben.