29
Aug 2017

Here’s what happened: Heiße Tage, heiße Füße

Themen: Neues |

“Wear sunscreen. If I could offer you only one tip for the future, sunscreen would be it. The long term benefits of sunscreen have been proven by scientists.”

(Baz Luhrmann)

Das ist mein linker Fuß:

Wer genau hinschaut, sieht drei braune Verfärbungen. Das sind keine Altersflecken. Es sind Narben. Die habe ich seit Februar 1998 – und das hier ist ihre Geschichte.

Ich hatte mich mit einer Kollegin von ProSieben angefreundet und bei einer Silvesterfeier in einer Kneipe in Schwabing 1997/98 waren wir relativ angetüdelt auf die Idee gekommen, gemeinsam in Urlaub zu fahren – schließlich waren wir beide single und alleine am Strand liegen ist doof. Ich hatte diese Idee am nächsten Tag schon wieder vergessen, aber zu meiner Überraschung war es E. ernst – sie kam prompt mit einem Reisekatalog zu mir ins Büro.

Wenn ihr keine Ahnung habt, was ein Reisekatalog ist, dann fragt eure Eltern.

Ich weiß nicht, wie wir auf die Dominikanische Republik kamen – und auf einen „all inclusive“-Urlaub. Ich glaube, es hatte was damit zu tun, dass im angedachten Februar nur wenige Urlaubsgebiete auch Urlaubswetter bieten konnten. Die Türkei war damals noch nicht „hip“ und die DomRep noch nicht peinlich.

So ich mich recht erinnere, dauerte die Anreise satte 28 Stunden – mit Zwischenstopp in Düsseldorf und einer mehr als vierstündigen Busfahrt vor Ort. Aber es hatte sich gelohnt, denn für mein damaliges Verständnis war das schon eine ziemlich mondäne Sache. Heute wäre das für mich allenfalls Mittelklasse.

Als wir in die (getrennten) Zimmer eingecheckt hatten, schnappten E. und ich uns die üblichen Begrüßungscocktails und gingen runter zum Strand. Es war wohl später Nachmittag und der weiße Strand und das türkisfarbene Meer entschädigten uns für die lange Reise. Wir zogen die Schuhe aus, krempelten die Hosen hoch, ließen uns das warme Wasser über die Füße pladdern. Ich fasste die Entscheidung, ab dem nächsten Tag ausgiebig zu schwimmen. Das war genau meins. Und dann würde ich mich auch ordentlich eincremen – Sonnenbrand war nämlich nicht meins.

Schon beim Abendessen bemerkte ich, dass etwas nicht in Ordnung war. Meine Fußrücken juckten sehr stark unter den Socken und den Segeltuchschuhen. Als ich testweise im Waschraum mal nachschaute, musste ich feststellen, dass die Sonne in der DomRep augenscheinlich mit ganz anderer Intensität schien als bei uns daheim: ich hatte mir in den zwei Stunden am Strand die Füße massiv verbrannt. Krebsrot. Da half auch keine Kühlung und keine Creme mehr.

Im Bett in der ersten Nacht die Füße unter die Decke zu stecken, war unmöglich. Jede Berührung mit Textilien, mit Hausstaub gar brannte wie Feuer. Glücklicherweise war es sowieso zu heiß für Bettzeug. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie das ausgegangen wäre, wenn ich statt mit hochgekrempelten Hosenbeinen in Badehose am Strand gesessen hätte.

Ich fiel irgendwann in einen unruhigen Schlaf, in dem ich immer wieder unbewusst mit dem Zeh des einen Fußes am juckenden Rücken des anderen kratzte – und dann wachte ich auf, als ich es förmlich rrrratsch! machen hörte.

Habe ihr schon einmal reißendes Fleisch gehört?! Ich war sofort klar im Kopf, obwohl ich nicht wirklich Schmerzen spürte. Im Schein der Nachttischlampe konnte ich sehen, dass ich die verbrannte Haut auf dem linken Fuß bis auf das Fleisch hinunter abgerubbelt hatte. Es sah fies aus, als hätte ich den Fußrücken mit dem Käsehobel bearbeitet. Bis heute ist mir unklar, was genau da vor sich gegangen ist.

Natürlich versuchte ich nicht, um 4 Uhr nachts im Hotel am Arsch der Welt einen Arzt aufzutreiben. Stattdessen ging ich ins Bad, wickelte Klopapier um den Fuß, tunkte ihn ins Wasser und legte mich wieder ins Bett.

Am nächsten Morgen war der Fuß halbwegs verkrustet, wodurch er noch zerfleischter aussah. Und diverse Stücke Klopapier waren in die Kruste eingebacken. Das sah nicht gut aus. Das sah gar nicht gut aus.

Schuhe tragen war links damit undenkbar, ich humpelte – und mit der immer wieder aufbrechenden Kruste war an Wasserkontakt nicht zu denken. Ich war also schlappe 28 Stunden gereist, um weder baden noch die Gegend erkunden zu können. E. war Mensch genug, es sportlich zu sehen und mir keine Vorwürfe zu machen.

E. war allerdings auch Mensch genug, um am dritten Tag von mir einen Arztbesuch zu verlangen – die Wunde fing an zu eitern uns sah auch sonst nicht sehr hygienisch aus. Weil man uns im Club nicht weiterhelfen konnte, schnappten wir uns eines dieser Moped-Taxis und fuhren in die nächstgrößere Stadt, wo wir ein “centro medical” (oder so) fanden. Nach mehr als einer Stunde Wartezeit wurden wir in ein sauberes, aber für westliche Maßstäbe wenig vertrauenswürdiges Behandlungszimmer geführt.

Einem Arzt ist man ausgeliefert. Man muss glauben, dass der ordentlich studiert hat, nicht heimlich trinkt oder als Zulieferer für die Organmafia bezahlt wird. Dabei hilft die Kommunikation. Zwei, drei Minuten entspannter Smalltalk, beginnend mit “Na, was ist denn bei Ihnen das Problem?”. Schlecht daher, wenn der Arzt kein deutsch spricht. Und kein englisch. Und kein Hand und Fuß.

Ich konnte nichts anderes tun, als einfach meinen Fuß zu enthüllen und darauf zu vertrauen, dass der Arzt die Lage richtig einschätzen würde. Zuerst einmal runzelte er die Stirn, dann schüttelte er den Kopf. Aus einem Schränkchen nahm er Scheren, Gaze, Tinkturen. Ich hatte gehofft, er würde was draufschmieren und dann einfach verbinden. Stattdessen bedeutete er mir, dass er die brüchige Kruste erstmal entfernen müsse – sie war wohl zu verschmutzt und damit infektionsgefährdet.

Die nächsten fünf Minuten habe ich E. fast die Hand gebrochen, während der Arzt mit Pinzetten die aufgeweichte Kruste von meinem Fuß zupfte. Es tat nicht furchtbar weh – es ist nur ein Vorgehen und damit ein Gefühl, das man wirklich nicht braucht. Dann kam Salbe auf den Fuß, Gaze, ein Verband. Water/agua? No. No swim for you!

Sahne. Badeurlaub mit Badeverbot. Ich habe in den folgenden zehn Tagen VIELE Cocktails getrunken und einen Bierschnellsaufwettbewerb gewonnen:

In der zweiten Woche kam ein Zahnarzt aus Heidelberg ins Hotel. Der war so ein spinnerter Extremsportler. Als er meinen Verband sah, wollte er gleich wissen, was da los sei. Ich erzählte ihm meine Leidensgeschichte und er holte aus seinem Medizin-Pack eine fast schwarze Salbe: “Hier, schmier die sofort drauf”. Unfassbarerweise war die Wunde zwei Tage später komplett zu.

Wer jetzt mitgerechnet hat, wird feststellen, dass ich genau zum Abflug in die Heimat wieder gesund war. Man kann das negativ sehen – aber ich freute mich, wenigstens das Gepäck nicht humpelnd schleppen zu müssen. Stiff upper lip.

Daher habe ich also meine Narben auf dem Fuß. Ich bin überrascht, dass sie nicht größer oder knubbeliger geworden sind. Die Haut hat sich zur Mitte des Fußrückens hin wieder zusammengezogen, wie ein Turnbeutel, bei dem man an der Kordel zieht.

Ich würde gerne dramatisch enden und davon erzählen, dass ich manchmal nachts schweißgebadet aufwache, weil mich das Geräusch von reißendem Fleisch verfolgt. Aber dem ist nicht so. Dafür habe ich heute ich eine gewisse Disziplin, was Sonnenaufenthalte angeht. Mittlerweile kenne ich meine Grenzen so gut, dass es mir auf Ibiza gelungen ist, knackbraun zu werden – ohne Sonnenbrand oder Sonnencreme.

 



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S-Man
S-Man
29. August, 2017 12:58

Als Rettungsschwimmer und damit immer Ersthelfer-vor-Ort-Ansprechpartner in Kinderferienlagern hatte ich mal das uncoole Vergnügen, einem kleinen Mädchen, ca. 6 Jahre, ihren eiternden Schorf von der Wunde zu ziehen. So stelle ich mir das vor bei dir.

Habe nie ein tapfereres Kind erlebt!

Comicfreak
Comicfreak
29. August, 2017 19:36

..Göttergatte et moi sind in wanderurlaub in die Schweiz gefahren, nachdem ich mir am Abend vorher ein fünfmarkstückgroßes Loch in den Handrücken gebrannt hatte

S-Man
S-Man
30. August, 2017 23:19

Huch, danke, welch’ Ehre 🙂 Machst mich ja verlegen 🙂

Peroy
Peroy
15. September, 2017 19:00