18
Aug 2017

Gastbeitrag: Cobra Force

Themen: Film, TV & Presse |

Es ist schon auffällig, dass drei Filmreviewer Texte für meine Abwesenheit geliefert haben – und alle drei italienische Genrebeiträge aus der eher trashigen Ecke gewählt haben. Echte Leidenschaft oder leichte Ziele? Heute haben wir einen Autor zu Gast, der eigentlich “nur” als Ersatz eingesprungen ist – was ich angesichts seiner kenntnisreichen und klugen Autopsie eines echten Italo-Krachers sehr begrüße. 

Christoph N. Kellerbach schreibt für die Tageszeitung RHEINISCHE POST, ist für deren RP ONLINE FILMKRITIKEN zuständig und verfasst seit Jahren Begleittexte für verschiedene Filmveröffentlichungen. Weitere Artikel und popkulturelle Beobachtungen von ihm gibt es unter anderem im X-Rated Horrorfilm-Magazin und bei www.MovieGeek.de

COBRA FORCE – Die Glorie des STRIKE COMMANDOS der Marke Mattei

Bruno Mattei ist einer jener italienischen Exploitation-Regisseure, dessen Namen man nun zur Zeit des Internets öfter hört, als noch in den 70er und 80er Jahren. Dies liegt sicherlich zum einem kleinen Teil daran, dass der gute Mattei früher meist unter einem seiner vielen Pseudonyme gearbeitet hat. So war er als Jordan B. Matthews und Bob Hunter unterwegs, während heute geht es um einen Streifen, den er als Vincent Dawn verfasst hat: COBRA FORCE, oder, wie er im Original heißt: STRIKE COMMANDO von 1987.

Doch das Mattei besonders seit der Zeit von YouTube und Co. einem immer größeren Publikum bekannt wurde, hat andere Gründe. Zum einen liegt es daran, dass seine Streifen oft unfreiwillig komisch sind und sich gnadenlos, oft einstellungsgetreu, bei großen Hollywoodproduktionen bedienen. Zum anderen liefern jene Werke genau jenen „so bad, it’s good“-Charme, der bei heutigen Video-Reviewern und deren Zuschauern so gut ankam. So war es mir vor einigen Jahren eine Freude zu sehen, dass gerade COBRA FORCE dank etlicher Online-Besprechungen doch noch zu jenem Kultfilm geworden ist, der er schon immer hätte sein sollen. Nicht umsonst ist die Videokassette bereits seit den späten 90er Jahren einer meiner stetigen Begleiter und ein Garant für einen unterhaltsamen Filmabend im Partykeller.

Die Geschichte des Films ist denkbar einfach: Sergeant Michael Ransom wird von Bruno Mattei in den Busch geschickt. Das Ganze spielt – mehr oder weniger – RAMBO 2 – DER AUFTRAG (RAMBO: FIRST BLOOD PART II; 1985) nach. Dabei sind etliche Sequenzen, wie beim Regisseur eben üblich, direkt aus dem großen Vorbild übernommen, ob es nun die Folterung von Ransom durch für den Vietcong arbeitende Russen ist, oder sein Verrat durch ein Mitglied seiner eigenen Truppe. Gespielt wird der Held dabei von niemand anderem als Reb Brown, der das Schreien und Schießen zu einer Kunstform gemacht hat. Egal, ob es nun DAS TIER 2 (HOWLING II – STIRBA WEREWOLF BITCH; 1985) oder der großartige CAGE FIGHTER (CAGE; 1989) sind: Wenn er eine Waffe im Anschlag hat und dabei einen wahren Urschrei loslassen kann, dann ist der Brown in seinem Element.

COBRA CRAZINESS – Die Feinheiten des Wahnsinns

COBRA FORCE ist von einem rein objektiven Standpunkt her im besten Fall uneben strukturiert und wirkt zu seinen bizarrsten Momente wie eine Parodie auf die Macho-Action der 80er Jahre. Doch auch dies ist typisch Bruno Mattei, der stets jene ihm zur Verfügung stehenden Elemente auf 110 Prozent hochdrehte. Wenn Ransom einem sterbenden Kind von Disneyland erzählt und er zwischendurch immer wieder ganze Scharen von wild zu Boden zappelnden Statisten scheinbar ohne hinzuschauen mit seinem Gewehr erledigt, dann gibt es nur zwei Arten von Zuschauer: Jene, die irritiert abschalten und jene, die das Gezeigte absolut feiern.

In der deutschen Synchronfassung gibt es einen weiteren brillanten Bonus, denn Rambo-Abklatsch Ransom wird von der Synchronstimme von – unter anderem – Sylvester Stallone, Thomas Danneberg, gesprochen. Dabei wussten die Übersetzer anscheinend ganz genau, was sie da für ein wunderbares Kleinod hatten und packten von sich aus noch ein paar goldige Momente ins Geschehen.

Bereits zu Beginn gibt es ein tolles Beispiel: Ransom und seine Kollegen brechen in das Lager des Feindes ein und machen ein Geräusch. Einer der Wächter wendet sich in die Richtung des Geräuschs und  fragt: „Ist da jemand?“ Und aus dem Busch gibt es, sinngemäß, zu hören: „Nein, hier ist niemand.“ Dies wird dann von dem feindlichen Soldaten mit einem „Ok.“ quittiert. Einfach nur wunderbar.

Aber was rede ich: Bereits vor dem eigentlichen Film beginnt der Spaß. Man muss sich nur einmal das epochale Cover anschauen. Dort fletscht Reb Brown seine Zähne, eingefangen in einem Moment nicht endender Wut, und schießt mit einer – wahrscheinlich – physikalisch absolut unmöglichen Waffe mit mehreren rotierenden Läufen, einem Granatenwerfer, sowie Zielfernrohr in Richtung des Betrachters, während hinter ihm der Dschungel, eine Horde schießender Bösewichte und ein Hubschrauber nur darauf warten, dass er sich umdreht, um sie zu durchsieben. Dieses Motiv ist derartig gekonnte Actionpoesie, dass einem da schon mal bei der Ansicht eine ultra-männliche Träne vor lauter Schönheit über die Wange laufen kann.

Bruno Mattei 2.0 – Der Einstiegspunkt in die Welt der Rip-Off-ploitation

Natürlich haben Filme ihre Inspirationen, doch Mattei präsentiert seine so offensichtlich, dass auch ungeübte Zuschauer ihre Freude haben können. Wenn man mit jemanden einen Filmabend macht, der „diese komische alten italienischen Filme“ nicht so sehr kennt, dann aber bei COBRA FORCE einen Lachkrampf bekommt, weil ihm eben die beklauten Blockbuster bekannt sind, dann hat Bruno Matteis Werk nicht nur oft seine besten Momente, sondern auch seine wichtigsten. Denn COBRA FORCE funktioniert so wunderbar als Einstieg für die wunderbare Welt der Rip-Off-ploitation, um auch mal etwas mainstreamigere Freunde und Kollegen in die kunterbunte Klauwelt der italienischen Filmindustrie einzuführen.

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Eben dies ist es, was dank etlicher YouTube-Reviewer dazu geführt hat, dass heutzutage Bruno Mattei und ebenso Reb Brown einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben, den sie zuvor nie besaßen. Aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, so ist COBRA FORCE in seiner schlichten Spielfreude, seiner ausgelassenen Präsentation, einfach nur ein Gewinn. Matteis ganze Inszenierung wirkt so, als würde man einem elfjährigen Jungen zuhören, der gerade zum ersten Mal RAMBO 2 gesehen hat und total begeistert ist: Manche Situationen werden überzeichnet, andere ausgelassen und zwischendurch fängt der Kleine dann noch einmal von vorne an. Eben jene kindliche Freude überträgt sich dabei auf den Zuschauer, selbst bei der zweiten oder zwanzigsten Sichtung.

Ein blaues und ein weinendes Auge

Bei all dem heiteren Actionkrawall, dem regelrecht unzählbaren Bodycount und einem Reb Brown im Testosteron-Overkill-Modus, gibt es leider am Ende eine bittere Note, was den Genuss von COBRA FORCE angeht. Denn leider ist die deutsche Fassung, so schön die Synchro auch ist, um gut 13 Minuten gekürzt. Neben zahlreichen zappelnden Schießbuden-Statisten gibt es einige entfernte Handlungssequenzen und sogar durchaus handlungsrelevante Momente, die von den hiesigen Schnittmeistern brutal entfernt wurden. Ein richtiges Verbrechen ist allerdings das nun fast völlig fehlende Finale, welches nicht nur wieder netten Krawall, sondern auch einen absolut absurden Endkampf enthielt. Eine offizielle ungekürzte DVD-Auswertung existiert leider bislang weltweit nicht und gerade bei der Vertonung wäre eine deutsche Variante natürlich Pflichtprogramm.

Aber ob im O-Ton oder nicht, in Form der VHS oder aus dem Internet: COBRA FORCE ist ein Werk, das man gesehen haben sollte, wenn man auch nur ansatzweise auf Action, Exploitation und jene Art von italienischen Rip-Offs steht, die heutigen Copyright-Anwälten die Schweißperlen auf die Stirn treiben würden. Das Beste kommt sogar noch: COBRA FORCE II (GET THE TERRORISTS; 1987) ist zwar nur eine Schöpfung des hiesigen Verleihs, mit HEROIN FORCE (TRAPPOLA DIABOLICA; 1988) existiert aber sogar eine echte Fortsetzung. Bei dieser gibt C-Actionstar Brent Huff die Hauptrolle und darf dabei Szenen aus LETHAL WEAPON (LETHAL WEAPON; 1987) und JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES (RAIDERS OF THE LOST ARC; 1981) nach. Man sieht, die Verknüpfungen hören bei Mattei eben niemals auf, die actionreiche Späße ebenso wenig. In diesem Sinne: Viel Spaß mit COBRA FORCE!

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5 Kommentare
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Markus
18. August, 2017 10:40

Sehr schön – gleich für den nächsten SchleFaZ-Abend im Expertenkreis vorgemerkt. Danke. (In den Beitrag haben sich übrigens noch drei, vier Tipper eingeschlichen.)

Jake
Jake
18. August, 2017 12:07

“…und schießt mit einer – wahrscheinlich – physikalisch absolut unmöglichen Waffe mit mehreren rotierenden Läufen, einem Granatenwerfer, sowie Zielfernrohr in Richtung des Betrachters…”

Und als Krönung ist vor dem Zielfernrohr alles schön zugebaut, damit man beim Durchgucken so ziemlich gar nix erkennen kann. 🙂

Amüsant ist auch das Cover des deutschen 18er-Tapes von Wonderworld, auf dem gleich zweimal in dicken Lettern “DER NEUE WELTSTAR REB BROWN” prangt. Da wurde wahrlich nicht gekleckert!

comicfreak
comicfreak
18. August, 2017 14:31

..oh ja, der Disneyland-Moment war eine Glanzleistung 😀
Danke an den Doc, dass der bei den Basterds lief

Daniel Spiegelberg
Daniel Spiegelberg
18. August, 2017 14:39

Eine echte Perle, ich bin verliebt. Da stimmt einfach alles (nicht). Ich muss die ungeschnittene Fassung haben. Ich werde sie finden.

Dr. Acula
18. August, 2017 16:26

Dafür konnte ich ja nix, den hatte der Christian Keßler im Gepäck 🙂
Wir hatten aber dafür den “Kampfgigante”.

Wer auf die deutsche Synchro keinen gesteigerten Wert legt (und jetzt auch keine Ansprüche an Bildqualität hat), kann die Uncut-Fassung bei einschlägigen Bootleg-Vertickern finden. Habt Ihr aber nicht von mir 🙂