17
Mai 2017

Provokation als Publicity: Nina Hagen Edition

Themen: Film, TV & Presse |

Über Nina Hagens musikalisches Können und ihre musikhistorische Bedeutung kann ich nichts sagen – ich kenne zu wenig von ihr, um kompetent zu sein. Das bisschen, was ich kenne, finde ich manchmal erfrischend rebellisch, manchmal aber auch maßlos affektiert.

Der “öffentliche Mensch” Nina Hagen ist mir allerdings schon immer ungeheuer auf den Keks gegangen, weil die Frau eine Eigenschaft hat, die mich triggert: sie taumelt von einer Scheißidee zu nächsten, von der Sucht in die Sekte, mutiert von der Anarcho-Braut zur Volks-Mama – und verlangt für jeden ihrer Hirnfurze lautstark Respekt. Zumindest, bis sich ihr infantiles Gemüt dem nächsten Schnickschnack widmet. Ein Respekt übrigens, den sie ihren Gesprächspartnern nicht angedeihen lässt. Wer Nina widerspricht, ist doof und gemein. Hätte sie ein Schippchen, würde sie damit werfen.

Das ist keine neue Erkenntnis und lässt sich anhand von Talkshow-Ausschnitten aus vier Jahrzehnten belegen – Frau Hagen mag sich permanent wandeln, der Kern ihres unsäglich dummen Wesens bleibt aber erhalten. Die totale Ichbezogenheit und geradezu kindliche Begeisterung für die eigenen halbgaren Überzeugungen sind der rote Faden in ihrem Leben, das seit dem Ende der Musik-Karriere nur noch aus PR in eigener Sache besteht.

Ende 76 aus der DDR in den Westen emigriert, macht Nina schon 1979 als “Spießerschreck” die Talkshows unsicher. Das ist in der miefigen Bundesrepublik damals wenigstens noch unterhaltsam:

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Die deutschen Moderatoren sind gewöhnlich zu höflich, um der ausgeflippten Sängerin angemessen Widerstand zu leisten. Darum ist es umso interessanter zu sehen, wie David Letterman die sprachlich nicht sattelfeste Nina mit konsequentem sarkastischen Nachfragen in Schach hält. Es zeigt sich auch, dass die Exil-Kommunistin immer noch jedem Londoner Ding nachrennt: “She can do extensions, which is very ‘in’ in London.”

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In den 90ern ist Nina als Musikerin schon nicht mehr gefragt, ihre ganze Anarcho-Protest-Nummer hat sich überlebt. Natürlich weiß sie aus eigenen intimen Erfahrungen mit harten Drogen, wie man Drogensüchtigen helfen muss – genau verraten will sie die Methode aber wohl nicht, eine junge Angela Merkel anschreien ist wichtiger:

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Irgendwann entdeckt la Hagen dann auch Ufos und Engel für sich und bringt der Welt die frohe Botschaft kosmischen Friedens – kritische Nachfragen durch eine souveräne Jutta Ditfurth konterte sie ebenso souverän mit Body Shaming:

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Privat würde man eine derart unflätige Schreihälsin sicher nicht mehr einladen. Nun ist es aber so, dass derlei Spektakel gut für Schlagzeilen und damit auch gut für die Quoten ist. Krakeelerei bedeutet zumindest bei Maischberger nicht Hausverbot. weshalb sich das Spiel ein paar Jahre später wiederholt, als die Ex-Musikerin erneut völlig um sich selbst kreist und damit Joachim Bublath aus der Sendung treibt:

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Kann man das wild und ungezähmt finden, freigeistig und anarchisch? MAN schon. ICH nicht. Ich gebe allerdings zu, dass der voyeuristische Unterhaltungswert von Nina Hagen beträchtlich ist und Thomas Nöske sie treffend beschrieben hat:

“Eigentlich muß man Nina Hagen für voll nehmen, weil für halb keine zweite Hälfte bekannt ist und sie für Nichts deutlich zuviel ist.”

Oder wie die BRAVO so schön titelt:



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Heino
Heino
17. Mai, 2017 11:28

Ihr Gehabe fand ich auch immer unerträglich, aber sie ist tatsächlich eine fantastische Sängerin. Ob sie darüber hinaus musikalische Fähigkeiten besitzt, weiß ich nicht. Da ihre erste LP aber von den späteren Spliff-Leuten als “Nina Hagen Band” eingespielt wurde, hat sie zumindest damals wohl keine weiteren instrumentellen Kenntnisse gebraucht, denn das waren ausgewiesene Studio-Cracks, die genau wussten, was sie taten.

Jake
Jake
17. Mai, 2017 16:21

Talkrunden oder Interviews mit Nina Hagen nerven mich ähnlich wie solche mit Otto Waalkes (bei Helge Schneider ist es manchmal auch grenzwertig). Mich macht das total kirre, wenn Personen nicht in der Lage sind, ihre “Rolle” abzulegen und ein normales Gespräch zu führen. Wobei Nina Hagen wahrscheinlich aber eher keine Rolle spielt, sondern wirklich so unerträglich ist. Meine Meinung: Ihre Bekanntheit hat sie in erster Linie ihrem nervigen Auftreten zu verdanken und nicht ihrem musikalischen Können.

Dietmar
17. Mai, 2017 23:07

Punk ist nicht so meins. Sie hat einen gewaltigen Stimmumfang. Und das war´s auch schon für mich. Ansonsten ist sie eine sehr ekelhafte Person, die mit einer schönen Tochter gesegnet ist.

Tante Jay
18. Mai, 2017 14:57

Eine Seite von Nina Hagen (die ich auch unmöglich finde), die man so nicht kennt – sie unterstützt aktiv ein Sterbehospiz und geht auch ins Hospiz um dort zu helfen. Sie redet mit den Leuten, hilft bei der Pflege, unterstützt finanziell.

Nicht alles ist schlecht. Sie ist eine unerträgliche, hochinfantile Nervensäge, aber eine mit Herz.

http://www.ksta.de/damit-der-abschied-nicht-so-duester-ist-14367790

Sigur Ros
Sigur Ros
22. Mai, 2017 16:58

Frau Hagen hat eine fatale Ähnlichkeit mit Henryk M. Broder, dessen ähnlich peinlich-affige Art Stefan Niggemeier vor ein paar Jahren mal sehr treffend kommentiert hat: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/10041/henryk-m-broder/
Denselben Text hätte man fast 1:1 auch über Frau Hagen schreiben können, nur, dass ihre Reizthemen halt nicht Islam und Klimawandel, sondern Ufos, Gott und Esoterik sind: Sie zieht halt die Show ab und macht die Witze, die von ihr erwartet werden – und wenn sie dann mal wieder eine Treffer gelandet hat, jubeln die Fans und haben die Hater einen neuen Aufreger. Ob sie dabei, wie hier spekuliert, nur eine Rolle spielt (was schlimm genug wäre) oder wirklich so ist (was noch viel schlimmer wäre) und ob sie das alles wirklich immer noch ernst meint, ist schwer einzuschätzen, peinlich ist dieses egomanisch-pubertäre Getue (zumal von einer mittlerweile Ü60-Jährigen) allemal. Kein Wunder, dass Cosma immer noch Single ist…

Sigur Ros
Sigur Ros
22. Mai, 2017 18:04

@Torsten: Eben das meinte ich ja. Arme Cosma, sieht gut aus und ist, so wie sie auftritt, sicher auch ganz sympatisch und in Ordnung, aber mit so einer Mutter ist das Leben (sicher nicht nur bei der Partnerwahl) sicher nicht einfach.