02
Nov 2016

Kinokritik: Doctor Strange

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

doctor-strange-comic-con-poster USA 2016. Regie: Scott Derrickson. Darsteller: Benedict Cumberbatch, Tilda Swinton, Chiwetel Ejiofor, Rachel McAdams, Mads Mikkelsen

Offizielle Synopsis: Der egozentrische, hochintelligente Neurochirurg Dr. Stephen Strange steht nach einem Autounfall, bei dem seine wichtigsten Instrumente, seine Hände, schwer verletzt wurden, vor dem Nichts. Seine letzte Hoffnung auf Heilung führt ihn nach Tibet zu einem sonderbaren Einsiedler, doch überfällt ihn dort eine komplett neue, übernatürliche Realität. Nur sehr langsam schwinden seine Zweifel an der Existenz magischer Kräfte und beginnt er sich seiner wahren Begabungen und Fähigkeiten bewusst zu werden. Immer weiter dringt er in neue, mystische Dimensionen vor, doch als Mittelsmann zwischen Raum und Zeit, entdeckt er nicht nur kosmische Parallelwelten, sondern entfesselt auch deren dunkelste Mächte, die unserer Welt bisher verborgen blieben…

Kritik: Vorab – ich habe “Doctor Strange” auf deutsch gesehen und in 3D. Das mag meine Experience ein wenig trüben, auch wenn die Synchronisation okay ist und das Bild tiefenscharf. Erwartungsgemäß bin ich über ein paar “strange”-Pointen gestolpert, die sich einfach nicht übersetzen lassen und einige der Actionszenen wirken fahrig und unübersichtlich – das hat nicht die Eleganz der Fights von “Captain America: Civil War” oder “Ant-Man”. Your mileage may vary.

Mit Doctor Strange (wenn man Scarlet Witch mal ausklammert) kehrt Magie in das MCU ein – bigly, wie Donald Trump sagen würde. Die Kreation von Stan Lee und Steve Ditko gehörte für mich immer in einen anderen Strang als die Avengers oder die X-Men, bevölkert für mich immer ein Parallel-Marvelversum, in das auch Dracula, Blade und Man-Thing gehören. So wie Perry Rhodan und John Sinclair kein Crossover vertragen würden, halte ich Dr. Strange für ein “unique animal”, denn seine Kräfte sind nicht mechanistisch quantifizierbar und passen nicht in eine Welt, in der Kraft ausschließlich mechanistisch quantifiziert wird. So absurd übermenschlich das MCU auch ist – es ist seiner internen Logik nach eben nicht übernatürlich. null

Aus diesem Grund wird es sehr interessant sein, wie sich Strange in den angekündigten Teamups in das etablierte MCU einpasst. Sein erstes Solo-Abenteuer hat dieses Problem ja noch nicht: Diese Geschichte existiert fast vollständig außerhalb der Marvel-Realität. Was allerdings die Frage aufwirft, wo zur Hölle die ganzen anderen Superhelden sind, während Stranges Antagonist mal eben London, New York und Hongkong zerlegt. Hallo? Iron Man? Thor? Hulk? Niemand zu Hause? Das ist ein Problem des “shared universe”, das sich nie ganz wird auflösen lassen – und es spricht für Marvel, dass sie es auch nie wirklich versuchen.

Und schließlich möchte ich, bevor ich zum Film komme, noch ein paar Worte über die bisherigen Strange-Verfilmungen verlieren. Der 1978er-TV-Film stand ja in den 80ern in jeder deutschen Videothek:

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Trotz meiner Affinität zu okkulten Abenteuern und Comic-Verfilmungen habe ich ihn damals konsequent stehen lassen – Hauptdarsteller Peter Hooten war für mich einfach indiskutabel.

Deutlich besser war da schon der unlizensierte Ripoff “Doctor Mordrid” aus der Full Moon-Factory von Charles Band, der in Deutschland fatalerweise während des Dino-Fiebers als “Rexosaurus” vermarktet wurde. Die neue Blu-ray-Fassung des Films ist wirklich beeindruckend und als sympathische B-Version des MCU-Blockbusters absolut sehenswert:

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Vor ein paar Jahren schob Marvel dann noch eine Zeichentrick-Version nach, die kurioserweise erstaunliche Parallelen im Storytelling zur aktuellen Verfilmung aufweist:

https://www.youtube.com/watch?v=3IPhA7rbCnk

Tatsächlich hätte es dem MCU gut getan, wenn man mit dieser Fassung die Origin Story von Strange abgehakt hätte und im neuen Film mit einem simplen “hier ist der Sorcerer Supreme mit den Zauberkräften” eingestiegen wäre. Denn – und das muss als Kritik erlaubt sein – die Routine, mit der Marvel jeder neuen Figur einen Solo-Film mit Origin Story abzwingt, ermüdet langsam. Sooo sehr unterscheiden sich die einzelnen Heldengeschichten ja nun auch nicht: Brillante Figur, traumatisches Erlebnis, Depression, Entdeckung sagenhafter Kräfte, Erlösung, Erkenntnis, Kostümkauf.

Aber ich schweife ab, bzw. greife vor. Das liegt u.a. daran, dass ich zum eigentlichen Film wenig zu sagen habe. Er ist erwartungsgemäß klasse, auf dem hohen Niveau der letzten zehn MCU-Filme produziert, präsentiert poppige und pompöse Spezialeffekte, balanciert das Pathos mit ausreichend Comedy und gibt Benedict Cumberbatch mal wieder die Gelegenheit, als übermächtiges Genie die schauspielerischen Eier zu schaukeln. Nichts davon muss eigentlich erwähnt werden, weil es überraschungslos ist – die MCU-Maschine hat eine fließbandmäßige Perfektion erreicht, die man seelenlos finden kann, von der sich aber nicht bestreiten lässt, dass sie liefert. Großes Entertainment ohne Risiko, solider Gegenwert für den Eintrittspreis, ein weiteres buntes Puzzleteil für das immer weiter wachsende MCU. Mittlerweile könnte man solche Reviews auch mit dem Baukasten schreiben und nur die Namen der Figuren und Locations austauschen.

null

Was würde ich meckern, wenn ich meckern müsste? Wie gesagt: Die Action ist manchmal etwas chaotisch. Die Inception-Sequenzen mit den sich übereinander faltenden Realitäten sind letztlich nur Eye Candy. Die Post Credits-Szenen werden immer mehr zu hohlem Selbstzweck (es gibt zwei – also wieder bis GANZ zum Schluss sitzen bleiben). Das sind so selbstverliebte Marvel-Standards, die man ruhig auch mal in Frage stellen könnte.

Davon ab und darüber hinaus: Für Fans des MCU ein Muss, für Gegner des MCU ein weiterer Beweis, dass das Blockbuster-Kino tot ist.

Fazit: Ein erwartbar smoother Blockbuster für die Nachsaison, dessen perfektes Casting und die aufwändigen Spezialeffekte locker aufwiegen, dass Marvel erneut Dienst nach Vorschrift liefert. Für das Kostüm von Doctor Strange würde ich fast zum Cosplayer mutieren.

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Markus
2. November, 2016 15:08

Da ist schon was dran – Grund für die Ähnlichkeiten der Origins ist vermutlich ihr Comic-Ursprung in den 60ern. Damals reichte “fantastisch” und war an “originell” noch nicht zu denken.

Ich war etwas euphorisierter: http://www.sitzkartoffel.de/?p=886

Peroy
Peroy
2. November, 2016 16:57

MCU und Magie ist okay. Was nie passieren darf ist MCU und Mutanten.

EVO2ORANGE
EVO2ORANGE
2. November, 2016 19:19

@Peroy: Schaut man sich Deadpool an, sieht man die Verknüpfung schon existieren. Hint: Endkampf auf dem auygedienten Helicarrier

Markus
2. November, 2016 19:40

@EVO2ORANGE Ist eher eine Art Cameo. Gerade der Erfolg von Deadpool macht unwahrscheinlich, dass die Mutanten-Idee ins MCU integriert wird. Darum verbiegen sie sich bei “Agents…” ja so mit den Inhumans als Alternative.

Peroy
Peroy
2. November, 2016 21:21

Das ist nur ein (zu ignorierender) Insider-Gag.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
4. November, 2016 11:38

Soll das bei Deadpool wirklich ein Helicarrier sein? Sah eher nach ausgemustertem Schiff aus…

Wortvogel
Wortvogel
4. November, 2016 11:52

@ Rudi Ratlos: Es soll nicht sein, es WAR ein Helicarrier. Kann man nachlesen.

robert
robert
4. November, 2016 12:48

@ Markus:

SPOILER (Agents of Shield!

Naja, gut aber momentan behandelt AoS auch den ghostrider und Geister bzw. das Buch. “Wissenschaftliche” Erklärungen haben sie in der ersten Folge selbst verworfen.

Dietmar
4. November, 2016 20:18

Für Fans des MCU ein Muss

Dann müssen wir wohl. Ich wollte den eigentlich auslassen. Ist mir zu “phantastisch”.

Stuckimann
Stuckimann
5. November, 2016 14:43

Für das Kostüm von Doctor Strange würde ich fast zum Cosplayer mutieren.

Warum nicht? Gibt sicher Maßanfertigungen.

Exverlobter
Exverlobter
6. November, 2016 17:26

“Die Post Credits-Szenen werden immer mehr zu hohlem Selbstzweck (es gibt zwei – also wieder bis GANZ zum Schluss sitzen bleiben). Das sind so selbstverliebte Marvel-Standards, die man ruhig auch mal in Frage stellen könnte.”

Ich bin stets (bei jedem Film) ein Abspannhocker, und bin froh, dass Marvel viele Leute dazu zwingt bis zum Schluss sitzen zu bleiben.

BJCarpenter
BJCarpenter
7. November, 2016 08:37

“Was allerdings die Frage aufwirft, wo zur Hölle die ganzen anderen Superhelden sind, während Stranges Antagonist mal eben London, New York und Hongkong zerlegt. Hallo? Iron Man? Thor? Hulk? Niemand zu Hause?”

Die Avengers mussten auf den Einsatzbefehl der UN warten und Captain America ist erstmal nicht erreichbar.
Zudem war das Zerstören der “Magierschulen”, welche das Schutzschild aufspannen, vermutlich bislang nicht als Weltbedrohung wahrgenommen worden. Der Eingang zur Schule von Strange wirkt äußerlich nicht so, dass man eine Zerstörung einer solchen Schule als Terroristischen Akt wahrnehmen würde.

Die Zerstörung in London war zu plötzlich da, als dass die UN hätte reagieren können. Ob die Avengers auch ohne die UN schnell genug gewesen wären, ist die andere Frage.

[SPOILER]
Thor hatte das scheinbar im Blick und hat dennoch nicht reagiert. Aber vielleicht war er gerade in einer anderen Welt aktiv und hat seinen Vater gesucht.
[SPOILER]

Wortvogel
Wortvogel
7. November, 2016 10:21

BJCarpenter: Ich meine gelesen zu haben, dass Strange zur Zeit von Iron Man 2 spielt. Damit wäre der Sekovia Accord nicht das Problem. Es gab zwar keine Avengers, aber diverse Superhelden, die hätten helfen können. Das Problem ist sehr komplex:
http://moviepilot.com/p/when-in-doctor-strange-set-mcu-continuity/4136034

Marko
7. November, 2016 10:23

Ich fand ihn sehr unterhaltsam. Optisch jetzt nicht wirklich neu, weil alles wie ein Mix aus den Effekten von “Matrix” und “Inception” wirkte – dank straffer Story und toller Darsteller aber sehr launig und kurzweilig inszeniert. Humorig war der Streifen auch noch – was will man mehr? 🙂

BJCarpenter
BJCarpenter
8. November, 2016 08:46

Laut folgender Seite spielen Civil War und Dr. Strange teilweise parallel:
http://marvelcinematicuniversegerman.jimdo.com/komplette-timeline/seite-5-2015-2017/

Nach Aussage von Scott Derickson ist der Bruchpilot mit dem experimentellen Anzug (im Gegensatz zur Timeline obiger Seite) nicht War Machine, doch auch, dass der letzte Teil “in real time” spielt und somit parallel (oder gegen Ende) zu Civil War und dem Sekovia Accord.
Je nachdem wie lange die Zeitspanne zwischen Stranges Unfall und seinem Aufstieg zum Helden dauerte, scheint mir Iron Man 2 zu weit weg zu sein. Strange ist nicht unbedingt der Geduldigste, als dass er Jahre lang mit seinem Handycap gewartet hätte.

Die Frage wer gerade nicht helfen wollte oder konnte ergibt sich glaube ich in einem solch großen Universum immer.

Wie immer gute Filmkritik.

kp
kp
8. November, 2016 16:00

argh! weniger embedded youtube zeugs please! firefox bleibt ständig hängen oder schließt sich gleich, wenn noch andere tabs offen sind…

heino
heino
10. November, 2016 20:41

Der war erwartbar gut und viel witziger, als ich gedacht hatte. Die Inception-Sequenzen haben das geliefert, was mir in Inception selbst zu kurz kam und der ungewöhnliche Showdown verdient Bonuspunkte. Die PC-Szenen fand ich aber nicht so selbstzweckhaft wie bei IM3 oder GOTG, da sie diesmal wenigstens wieder Bezug zu den folgenden Filmen haben.

invincible warrior
invincible warrior
11. November, 2016 04:20

Ich fand Dr Strange zu witzig. Hatte mir doch eher einen ernsten Film erhofft (falscher Nolan :p). Naja, muss ich wohl auf die Verfilmung von “Defenders of the Earth” hoffen.
Edit: Grade Hoffnung aufgegeben, Sacha Baron Cohen wird als Mandrake gehandelt…

Leonie
Leonie
25. November, 2016 19:01

MCU, TeamUps, bigly, mileage, Sorcerer Supreme, Inception – um diese Rezi zu verstehen, muss man wohl irgendwie Insider sein.

Ich hab den Film gesehen und fand ihn großartig. Hier wurde mal aus 3D wirklich was gemacht, und nicht mit billigen Mitteln wie in Richtung Publikum fliegender Geschosse. Ganz tolle Bilder, wie sich die Welten da verwandelt und zurück verwandelt haben… allein dafür lohnt sich der Film.

“Hallo? Iron Man? Thor? Hulk? Niemand zu Hause?” Was sollten die denn da? Sind das nicht Figuren aus ganz eigenständigen Filmen? Mich hätte es gestört, wenn sowas vorgekommen wäre.

Der ganze Film lebt vom Aufeinandertreffen der normalen Moderne und einer Magierwelt mit mittelalterlichem Fantasie-Outfit – und ist nur deshalb gut sehbar für Leute wie mich, die reine Fantasy öde finden.

Benedict Cumberbatch diesmal mit den Eigenschaften aus Sherlock, jedoch ergänzt um eine Emotionalität, die Sherlock gerade NICHT hatte. Evtl. hat ihn das an der Rolle gereizt….

Dietmar
12. März, 2017 20:25

Endlich mal wieder zum Filmgucken gekommen! Fühlte mich gut unterhalten. Mag an der langen Entwöhnungsphase liegen. Aber “Mr….?” – “Doctor!” – “Mr. Doctor?” – “It is: Strange!” – “Who am I to judge.” Ja: sehr lustig!