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Jun 2016

Liebe Presse: Gedanken zum EM-Honorar-Skandal

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

(Disclaimer: Ich bin DWDL seit langem freundschaftlich verbunden)

Ich mache es für meine Verhältnisse kurz, weil ich gleich wieder auf Reportage muss. Background: Der kress-Report hat berichtet, die Kommentatoren wie Kahn und Scholl würden von den öffentlich-rechtlichen Sendern (und damit von unseren Gebühren) exorbitante Honorare für ihre Arbeit bei der EM beziehen. Da kress ein Branchen-Informationsdienst von nachlassender Relevanz ist, wäre das vielleicht versandet, aber DWDL hat groß damit aufgemacht, dass die genannten Ex-Spieler sich empören, die Zahlen zurückweisen und gar rechtliche Schritte prüfen. Jetzt wird landauf, landab über diesen “Skandal” berichtet – als Skandal des verantwortungslosen Mediendienstes kress, nicht als Skandal der öffentlich-rechtlichen Gebührenverschwendung.

Und damit habe ich ein Problem.

Ich weiß nicht, wie viel Geld Kahn und Scholl bekommen. Woher auch? Die Kollegen, die nun eilfertig die Empörung der Ex-Spieler in die Echokammer werfen, wissen es aber auch nicht. Für mich liegt das Problem in den Nebensätzen, den Aussagen, die immer nur indirekt zitiert werden.

Nehmen wir die oben verlinkten Artikel als Beispiel. Da wird ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky (scheinbar) ganz deutlich:

“…diese derzeit im Raum stehenden Summen entsprechen nicht annähernd der Realität und entbehren jedweder Grundlage.”

Alles klar? Jein, denn eingeleitet wird der Satz mit der Bemerkung

Generell wolle man sich zu vertraglichen Inhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht äußern, sagte Balkasuky:

Den Zahlen von kress wird widersprochen, sie werden aber nicht widerlegt. Das ist der elementare Unterschied zwischen Behauptung und Beweis – und der ist wichtig.

Mir fällt auch auf, dass die Ex-Spieler gar nicht wirklich die konkreten Summen bestreiten. So wird sich eher darauf berufen, dass man ja mehrjährige Verträge mit den Sendern habe und deshalb die Errechnung von “Tagesgagen” Unsinn sei. Das klingt für mich nicht nach Gegenangriff, sondern nach Salami-Taktik. Vor allem habe ich das Gefühl, dass viele Kollegen den Ex-Spielern und den Sendern allzu willfährig dabei helfen, Nebelkerzen zu werfen, anstatt die einzige Frage zu recherchieren und zu beantworten, die tatsächlich Aufklärung brächte:

Wie viel Geld bekommen Kahn und Scholl eigentlich für ihre (je nach Auslegung) schlauen Sprüche?

Als öffentlich-rechtliche Sender, die von den deutschen Haushalten bezahlt werden, sehe ich hier durchaus eine Auskunftspflicht. Den Mauerbau mit den “vertraulichen Vertragsdetails” halte ich für unredlich. Das mag bei den Privaten akzeptabel sein, aber ARD und ZDF müssen Rechenschaft ablegen. Muss es jedes Mal einen Zirkus wie bei der Verpflichtung von Jauch und Gottschalk geben – bei dem fast zwangsläufig eben doch unappetitliche und zumindest fragwürdige Praktiken ans Tageslicht kommen?

Wie gesagt: Vielleicht irrt kress, vielleicht wurden die Honorare falsch berechnet. Aber das wissen (zumindest) wir nicht. Wir wissen nur, dass es von den Beteiligten, die guten Grund haben, es zu bestreiten, bestritten wird. Das kann nicht das Ende der Geschichte sein – es muss der Anfang sein.

Vielleicht ist das Problem nicht die von mir empfundene Komplizenschaft von Schreibern und Sportlern. Vielleicht ist das Problem auch einfach eine gewisse Trägheit. Twitter- und Facebook-Dementis hübsch von einem “Kahn wehrt sich:” gerahmt ins Blatt zu heben, das ist einfach. Die Mauern von ARD und ZDF zu knacken, um seriöse Zahlen zu bekommen, die den kress-Bericht vielleicht widerlegen könnten, das ist schwer. Oder anders gesagt: Journalismus.

Gebt euch ran!



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16 Kommentare
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gerrit
gerrit
30. Juni, 2016 09:54

Die Zahlen sind mir egal, aber ein Skandal ist, dass die mit dieser Intransparenz-muss-so-sein-Nummer durchkommen, (vgl. http://www.planet-interview.de/interviews/ard-pressekonferenz-vom-28-06-2016/48984/ )
Da behauptet der Programmdirektor, er wisse nichts über die Vertragslaufzeiten. Entweder lügt er, was ich nicht schön fände, oder er ist unfähig, denn mit der Frage musste er doch rechnen.
Mein Boss weiss zu jeder Aushilfe und zu jedem Gerät, wie lang der Vertrag geht, und der ist nicht der cleverste.

HERDIR
HERDIR
30. Juni, 2016 10:13

@gerrit
Ich befürchte das es ihnen egal ist …

Wir werden als Konsumenten und GEZ-Zahler nicht ernst genommen und das stört mich auch schon länger …

Ob das zu viel gezahlte Kohle ist an Herrn Scholl u.a. mag ich gar nicht bewerten … aber das man nicht transparent ist und bei nachfragen so reagiert wie sie es aktuell wieder tun, stört mich gewaltig … Ich hoffe auch auf Journalisten, die sich des Themas annehmen, befürchte aber …

Dann hätte ich diesen Programmdirektor aus der Konferenz entlassen mit der festen Zusage die Antworten bis dann und dann nachzuliefern … aber schon der Sachverhalt des Auftretens zeigt schon wie ernsthaft sich mit dem “Skandal” beschäftigt wird …

Muriel
30. Juni, 2016 10:14

Das ganze ÖR-System ist ja ohnehin ein Pet Peeve von mir, genau wie die Berichterstattung überhaupt (Hm… Jetzt wo ich überlege, fallen mir gar nicht mehr so viele Lebensbereiche ein, mit denen ich nicht fundamental unzufrieden bin. Aber ist das unangemessen?), insofern ist das aus meiner Perspektive lediglich das falsche Leben, das es notwendigerweise im falschen nur geben kann, aber … also, was ich sagen wollte: Ja, genau.

Rainer
Rainer
30. Juni, 2016 10:21

Habe ich da etwas verpasst? Müsste kress nicht erst den Nachweis für seine Behauptung liefern? Erst dann kann ich doch verlangen, dass ein Gegenbeweis erbracht wird. So stehen Behauptung gegen Behauptung?
So journalistisch scheint mir das auch nicht.

Wortvogel
Wortvogel
30. Juni, 2016 10:32

@ Rainer: kress darf die Zahlen in den Raum werfen – wenn sie die zu gegebener Zeit auch belegen können. Das wird die Zeit zeigen. Journalistisch hat sich hier bisher niemand mit Ruhm bekleckert.

Trantor
Trantor
30. Juni, 2016 11:19

Ich weiß, auf welches Glatteis ich mich bewege, aber ich möchte doch (möglichst/hoffentlich argumentativ) Deinem Artikel ein bißchen widersprechen. Dass die gezahlten Summen im Profifußball jeglicher Normalität entschwunden sind, sowohl was Spielergehälter, Wechselsummen, TV-Rechte als auch “Experten-Gehälter” angeht: keine Frage. Aber irgendwie verstehe ich die Quintessenz Deines Kommentars so: “Sowohl ARD/ZDF-Verantwortliche als auch Kahn und Scholl eiern mit Dementis etwas herum – bitte liebe Journalisten gebt Euch damit nicht zufrieden sondern identifziert die echten Zahlen” Korrigiere mich, wenn ich das falsch verstanden habe?

Dem letzten Punkt stimme ich vollkommen zu: Aufgabe von Journalisten sollte es zwar auch sein, Stimmen der Gegenseite einzufangen, diese aber genauso kritisch zu hinterfragen bzw. zu recherchieren, was die echten Tatsachen sind.

Aber: Ich habe Probleme mit Deiner Argumentationskette, die dahin leitet. Warum?

Du schreibst über das Dementi des ARD-Sportkoordinators: “Den Zahlen von kress wird widersprochen, sie werden aber nicht widerlegt. Das ist der elementare Unterschied zwischen Behauptung und Beweis – und der ist wichtig.” Hier hat Rainer in den Kommentaren ja schon darauf hingewiesen, dass es aber doch eigentlich nicht jetzt darauf hinauslaufen kann, dass die “Angeklagten” in der Beweispflicht sind. Wenn ich behaupte, dass der Wortvogel 10 Porsches in der Garage stehen hat, dann liegt es doch an mir das zu beweisen und nicht als Aufklärung zu verlangen, dass Du doch mal bitte Deine Garage für uns öffnest, um das Gegenteil zu beweisen.

Dann schreibst Du über die Dementis der Experten: “Mir fällt auch auf, dass die Ex-Spieler gar nicht wirklich die konkreten Summen bestreiten.” Hmm, also ich finde, dass sowohl Scholl als auch Kahn ziemlich explizit die konkrete Höhe abstreiten. Was sagt Scholl? “Die von einem offenbar bösartigen Journalisten in Umlauf gebrachte angebliche Höhe meines Honorars ist von der Realität genauso weit entfernt wie die Engländer von einem EM-Titel, nämlich meilenweit” Also das nenne ich mal eine ziemlich klare Aussage, oder?. Was sagt Kahn? “Hierbei handelt es sich um eine eklatante Falschmeldung, die jeglicher Grundlage entbehrt” – finde ich auch recht klar. Ja, was beide nicht machen, ist zu sagen “Nein, es sind nicht 1,6 Mio. EUR die ich verdiene, sondern 0,5 Mio.” – aber wie schon gesagt, ich finde nicht, dass es an den Beschuldigten liegt, den Gegenbeweis anzutreten, indem sie ihre Verträge offenbaren.

Wortvogel
Wortvogel
30. Juni, 2016 11:33

@ trantor: Ich sehe das anders. Zuerst einmal darf kress durchaus die Zahlen OHNE Quellen nennen, wenn es Quellen zu schützen gibt. Wichtig ist, ob sie im Diskurs (und sei es hinter verschlossenen Türen) Belege bringen können. Das bleibt abzuwarten. Die Ex-Spieler sagen nur, die Zahlen seien von der Realität weit entfernt. Du interpretierst das (gewünscht) als “Die Zahlen stimmen nicht”. Genau so können die damit aber auch meinen “Ich bekomme zwar diese Summe, aber dafür arbeite ich viel mehr, als kress behauptet – genau genommen ist jedes Spiel, das ich anschaue, Recherche für meine Kommentare!”. Ich habe den Verdacht, dass am Ende die Taktik darauf hinaus laufen wird, nicht die Zahlen, sondern nur die Umlegung auf eine Tagesgage zu bestreiten. Das kann ich nicht beweisen, aber mir erscheint der Umkehrschluss logisch: wären die Zahlen von kress nämlich tatsächlich so absurd falsch, wie die Dementis implizieren, hätte man die konkreten echten Zahlen dagegen gestellt, weil es die Profis gut hätte aussehen lassen.

Matze
Matze
3. Juli, 2016 22:36
Reply to  Wortvogel

Lieber Wortvogel,
Alle Menschen machen Fehker und haben auch mal schlechte Tage. Der Tag an dem. Du diesen Beitrag geschrieben hast, gehört definitiv zu deinen (glücklicherweise sehr seltenen) extrem schlechten Tagen.

Klaus
Klaus
30. Juni, 2016 11:47

Das mit der Beweispflicht sehe ich anders: Wenn wir dazu verpflichtet wären, dem Hausherren jedes Jahr eine gewisse Summe abzutreten, die er dafür verantwortungsvoll einsetzen will, wäre es schon an ihm, zu beweisen, dass er kein Schindluder damit treibt. Da würden mich die 10 Porsche dann tatsächlich mal interessieren 😉

Peroy
Peroy
30. Juni, 2016 11:55

Ich hab’ immer noch nicht ganz verstanden, warum DAS der Skandal ist, und nicht die Gebühren-Handhabe der öffentlich rechtlichen im Allgemeinen… im Prinzip kann’s mir doch wurscht sein, wieviele Millionen Kahn/Scholl/Karl Napp in den Arsch geblasen werden, unabhängig von der Verhältnismäßigkeit (grundsätzlich finde ich, ein jeder ist die Summe wert, die jemand bereit ist, für ihn zu zahlen, und sobald ein Verantwortlicher bei ARD/ZDF der Meinung ist, das ist gut investiertes Geld, bin ich raus), denn mein Metspracherecht bei der Verwendung meines Rundfunkbeitrags liegt doch eh bei exakt 0,0%.

gerrit
gerrit
30. Juni, 2016 13:52

Eine Hinterbänkler-Karriere auf nem Ticket der cducsuspd und anschließende Wahl in einen Rundfunkbeirat steht dir frei, Peroy. Nachteil: du kannst Bilanzen lesen, also überqualifiziert…

Wortvogel
Wortvogel
30. Juni, 2016 15:32

Meedia ist nun auch aufgefallen, dass keine Antworten gar keine Antworten sind: http://goo.gl/mrUYh9

Peroy
Peroy
30. Juni, 2016 16:11

@gerrit: Ich hab’ kein’ Zeit für so’n Scheiss, ich werd’ schon britischer Premier, weil’s sonst keiner machen will.

Earonn
Earonn
1. Juli, 2016 10:59

@Peroy
Beeil dich, vielleicht brauchen wir dann ja doch nicht aus dem UK aussteigen.

Peroy
Peroy
3. Juli, 2016 22:43

“Alle Menschen machen Fehker”

Genial.

Wortvogel
Wortvogel
4. Juli, 2016 09:37

@ Matze: Ohne den geringsten Hinweis, was deiner Meinung nach einen “schlechten Tag” ausmacht, muss ich dich für einen japanischen Abteilungsleiter mit kleinem Mäusepimmel halten.