27
Mai 2016

Werbung, die das Blut kochen macht

Themen: Neues |

Ich bin aktuell mal wieder viel unterwegs – von München nach Salzburg nach Südtirol, von Günzburg nach Fulda und rauf in die Berge. Man ahnt: Der Dewi arbeitet mal wieder fleißig für den Erhalt der Printpresse – mehr dazu Mitte Juni.

(Foto: Johannes Geyer)

(Foto: Johannes Geyer)

Wie gesagt: Salzburg. Treffpunkt Mozartdenkmal. Busweise Asiaten, die mit ihren Smartphones und iPads zuerst das Denkmal separat, dann sich selbst mit dem Denkmal im Hintergrund als Selfie fotografieren. Salzburg.

Ein Laster hält, er bringt Lebensmittel für eines der Restaurants. Ich schaue mir die Plakatierung des LKWs an. Es ist wie Hypnose, wie ein irrer Rorschach-Test: Je länger ich schaue, desto bizarrer, ja ekliger wird das Motiv. Schließlich muss ich das Handy zücken, um es zu fotografieren:

salzburg

Zu Einführung: Werbungen sind wie Filme. Sie haben ein Thema, eine Message, eine Präsentation in Wort und Bild, manchmal einen Cast und gerne auch Effekte. In vielen Fällen erzählen sie eine kleine Geschichte, die ein Produkt sympathisch machen soll. Die Mechanismen der Werbung sind bekannt, die Werkzeuge auch. Fleischwaren anpreisen sollte seit den 50er Jahren keine schwierige Aufgabe sein, auch nicht in Cinemascope.

Aber hier? Das hier ist eine Photoshop-Katastrophe mit vielen Verletzten.

Ich weiß nicht, wo ich fangen soll… beim Slogan “Frische bringt’s”, der nur dann Sinn machen würde, wenn die Firma tatsächlich Frische hieße und nicht Kroswang? Weil “Frische bringt’s” nämlich null Inhalt besitzt und keine Message transportiert? WAS bringt die Frische?

Oder heißt die Firma gar nicht Kroswang, sondern Kröswang? Die grafische Spielerei beim O macht es unmöglich, das zu beurteilen.

Hat man bei “Frische bringt’s.” (sollte man als Claim übrigens eher ohne Punkt schreiben) vergessen, die korrekte Schriftart einzustellen und deshalb Standard-Serifa verwendet?

Wieso lässt man den Claim in das Fleisch rüber lappen, statt ihn z.B. unten links vor freien Hintergrund zu stellen?

Warum ist das Steak so grässlich falsch mit hartem Licht fotografiert worden, dass es nach rechts immer mehr wie glänzendes Plastik aussieht?

Warum wird das Steak einfach ohne Kontext hausgroß in den Hintergrund geklebt?

Ich weiß, dass “Photoshop für Dummys”-Bücher gerne raten, Elemente mit einem weißen Glow zu versehen, um sie aus dem Hintergrund zu heben – bei hausgroßen Steaks sieht das aber eher nach Radioaktivität aus.

Und dann der “Metzger” – war ein dem Beruf angemessen authentisch wirkender Darsteller nicht zu bekommen? Musste es ein Frisurenmodel sein, das nicht mal ohne Schlafzimmerblick ein Stück Fleisch anpreisen kann – geschweige denn ein Hackmesser halten?

Was genau soll die Bedeutung der Körperhaltung in der Totale aussagen? “Hey, falscher Alarm, ich habe mein Hackmesser wieder gefunden”? “Hallo Taxi, zum Schlachthaus bitte”? “Schiri, wir wissen, wo dein Pudel parkt”? Hat dieser junge Mann jemals ein echtes Stück Fleisch mit einer echten Klinge bearbeitet, ohne sich dabei ein böses Aua zu holen?

Nur weil man bei Photoshop Ebenen transparent machen kann, heißt es noch lange nicht, dass man das MUSS. Warum zur Hölle ist die Großaufnahme des jungen Mannes an der rechten Schulter transparent, damit man seine Gestalt in der Totalen noch mal vollständig durchscheinen sehen kann? Wa-rum? WARUM???

Dies ist keine Werbung für Fleisch – die ist ein kongenial verkürzter Grundkurse in Sachen “Photoshop-don’ts”. Alles, was hier gemacht wurde, ist falsch. Jedes einzelne Element.

Wer eine gute Fleischwaren-Werbung entwerfen will, braucht einfach nur alles anders zu machen.

Und ja – ich kann mich über so etwas aufregen. Ist das nicht furchtbar?



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Manuela
Manuela
27. Mai, 2016 13:10

Hihihi…. Das hätte ich nicht besser ausdrücken können …..
Mir fällt sowas auch immer auf und ich muss es anstarren….
Und ich rege mich auch darüber auf !!

Wie schön, dass es mir nicht alleine so geht ….

Weiterhin happy travelling 🙂
LG aus Hamburg
Manuela

Babe17
Babe17
27. Mai, 2016 13:35

Ich kann mich über so etwas auch aufregen – einfach nur irgendetwas “hinrotzen” ohne darüber nachzudenken.
Fürchterlich – dann lieber nur den Namen oder einen Claim und gut ist es.

…und für mich ein Grund, dort nicht zu kaufen.

Georg
Georg
27. Mai, 2016 13:41

Haha wie immer sehr amüsant geschrieben. Ich gehöre auch zu den Leuten die sich darüber herzlich aufregen können.

Du warst in Salzburg? Schade, als langjähriger Leser deines Blogs wäre es mir eine Ehre gewesen dich auf einen Drink einzuladen.

PabloD
PabloD
27. Mai, 2016 13:42
Wortvogel
Wortvogel
27. Mai, 2016 13:49

@ PabloD: Oh Gott, da gibt’s noch mehr von?!

Manu
Manu
27. Mai, 2016 13:53

Ich bin der Meinung, man sollte bzw. muss sich sogar über so etwas aufregen. Wenn überhaupt, geht das gar nicht.

Kastanie
Kastanie
27. Mai, 2016 14:45

Das ist ein bizarrer Mindfuck erster Güte 😀 Ich LIEBE sowas – weil es so verdammt surreal-bizarr ist, so in einer eigenen Welt gefangen für keinerlei Blick von außen, dass es eine Freude ist.
Ich habe bei dem Bild noch einen anderen Kontext hergestellt: will der junge Mann im Hintergrund seinem Zwilling gerade den Kopf abhacken und folglich zu Steak verarbeiten? Sein Blick spricht dafür.
Alles in allem: ein tolles Fundstück! Einer meiner Dozenten sprach in diesem Zusammenhang immer von einer sogenannten Kommunikationsstörung und hat solche Dinge fotografisch zu hunderten gesammelt.

perseus
perseus
27. Mai, 2016 15:41

Er setzt mit dem Beil an um seinen bösen Zwillingsbruder zu schlachten und dessen Fleisch zu verzehren, um seine Kräfte zu erhalten, was aber nur funktioniert, wenn es frisch und roh und bei Sonnenauf- oder untergang verschlungen wird.

Krischn
Krischn
27. Mai, 2016 19:21

Wegen des Claims: die nennen sich “Frische-Lieferant” und deshalb bringen sie Frische und die Frische bringt’s? Würde jedenfalls passen, wenn’s auch ziemlich doof ist.

Die Frage danach, WAS die Frische denn nun bringt, ist auch falsch gestellt, in dem Satz fehlt nix. Frische bringt’s = Frische ist toll/fein/supi. Und um das zu verstehen, muss man nicht mal Österreicher sein.

Dass das immer noch nicht viel Sinn ergibt, seh ich schon ein, aber über den Aspekt kannst Du Dich dann schon mal etwas weniger aufregen vielleicht.

Wortvogel
Wortvogel
27. Mai, 2016 20:27

@ Krischn: Wäre das die Intention, wäre “Die Frische bringt’s” aber sehr viel deutlicher gewesen.

robert
robert
27. Mai, 2016 21:50

Der Slogan ist vielleicht besser zu verstehen, wenn man weiß, dass es eine österreichweite Kampagne mit Slogan “Fleisch bringt’s” gibt, die – Überraschung – für Fleisch im Allgemeinen wirbt.

Dass die Originalkampagne auch schon eher mau war – geschenkt.

Moss the TeXie
Moss the TeXie
27. Mai, 2016 23:10
Marcus
Marcus
28. Mai, 2016 15:04

@Kastanie & Perseus: ein Glück, ich bin nicht der einzige, der diese Psycho-Assoziation hatte. 🙂

HERDIR
HERDIR
28. Mai, 2016 23:47

Und dann wundern wenn man Unfälle baut …

Howie Munson
Howie Munson
29. Mai, 2016 20:27

@ Krischn: Wäre das die Intention, wäre “Die Frische bringt’s” aber sehr viel deutlicher gewesen.

Das wäre zu dicht an “Die Milch macht’s”… somit also eindeutig zu 80er und pief(k)ig… *duck*

Dietmar
Dietmar
30. Mai, 2016 02:01

Meine Güte, bin ich abgestumpft! Ich sehe bei solchen Dingern immer mal, da stimmt was nicht, aber dann schalte ich auch schon wieder ab. Meistens erklärt mir Meike, warum da etwas gar nicht in Ordnung ist. Und hättest Du das jetzt hier nicht zerlegt, hätte ich längst nicht alle Schwachsinnigkeiten entdeckt.

Steffen
Steffen
30. Mai, 2016 09:37

Ich kriege da eher spontan Krämpfe durch das allüberall überbordende Deppen-Apostroph bei “Frische bringt’s”.

Fraggle
Fraggle
30. Mai, 2016 10:11

@Steffen: “Frische bringt’s.” Der Apostroph in dem Fall kürzt ja das “es” ab (lang: Frische bringt es.) Das ist in dem Fall korrekt, auch wenn die Rechtschreibreform dann sagt, dass man den Apostroph auch weglassen könne. Es ist mittlerweile also eine Kann-Regel, ursprünglich stand dort aber schon immer ein Apostroph.

Steffen
Steffen
30. Mai, 2016 12:01

@Fraggle: Jein. Im Englischen ist diese Nutzung absolut korrekt, aber im Deutschen gibt es das so in der Form nicht. Oder hat sich da in den letzten Jahren wieder etwas geändert? Das Problem mit dem Kann ist, dass es jeder nutzt und es einfach falsch aussieht in meinen Augen (ich finde allerdings die damals neue Rechtschreibregelung zum Großteil auch eher schlecht).
Noch schlimmer und grassierender finde ich aber das Deppenleerzeichen, was immer mehr genutzt wird.