30
Jul 2013

Cinematsch

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Ich bin mal wieder etwas funkstill. Die neue “Liebes Land” musste fertig werden, ich bin viel auf Reportage (nächste Woche wieder drei Tage am Stück), es liegen neue Aufträge aus anderen Bereichen an (mehr dazu, wenn es konkret wird), meine Mutter hatte eine schwere Operation (alles gut gegangen), und es stapeln sich die Filme, Bücher und Serien, die ich endlich mal besprechen müsste. Kennt jemand einen Laden, in dem man Zeit kaufen kann?
Heute erlaube ich mir, euch ein paar Sachen vorzustellen, die mich mal wieder am Kino berauscht haben. Die den Kopf nach zu viel “Wolverine“, “Man of Steel” und “Lone Ranger” durchblasen und daran erinnern, dass Kino viel mehr ist als tumbe Blockbuster. Es ist Magie und Taschenspielerei, Droge und Geliebte.
Oft tut es mir leid, dass die Jugend von heute mit DVD und Streaming aufwächst, mit 30 Sendern und Videotheken überall. Zu meiner Zeit war nicht nur die Zahl der augenblicklich verfügbaren Sender beschränkt und unkontrollierbar, sondern auch die Zahl der Filme. Man schaute nicht, was man schauen wollte (woher sollte man auch wissen, was man schauen wollte?), sondern was auf den entsprechenden Sendeplätzen angeboten wurde. Das konnten neuere James Bond-Filme sein, aber auch Klassiker, die bis in die Stummfilmzeit zurück reichten. Wir haben dienstags die “Flash Gordon”-Serials zur Schlafenszeit gesehen, bei “Dracula” mit Lugosi saß ich mit dem Kommunionskreuz vor dem Fernseher. Klassische Slapstick-Komödien kannte ich nur mit der Erzählstimme von Hanns Dieter Hüsch, Bugs Bunny nur mit Schnoddersprache (“Was liegt an?”). Sonntags mittags schauten wir die Tanzfilme mit Fred Astaire und Ginger Rogers.
Das führte dazu, dass man als Kind der 70er eine recht genaue Vorstellung hatte, was die Geschichte Hollywoods angeht. Man kannte Stummfilme, Schwarzweißfilme, Cinemascope und Technicolor. Streifen oben und unten hieß Kino, Keine Streifen hieß Fernsehen. Je breiter die Streifen, desto teurer der Film – und desto näher rutschte man auf dem Teppich an den Apparat. Man wollte ja was sehen.
Vielleicht irre ich mich, aber (wie in vielen Dingen) habe ich das Gefühl, dass die nächste Generation von Filmfans fast ausschließlich mit der Muttermilch zeitgenössischer Filme aufgezogen wird. Sie kennen nicht die Filme, die Tarantino zitiert – sie kennen aber die C-Filme, die Tarantino nachäffen. Tarantino ist für sie das Original, nicht Peckinpah, nicht Kurosawa, nicht Huston oder Ford. Sie sind sich vage bewusst, dass es ein “altes Hollywood” gab, vielleicht haben sie mal vom “studio system” gehört, vom Film Noir. Aber das ist nur noch angelesen, Hintergrundinfo zu den Besprechungen aktueller Kinostreifen.
Das soll nicht wertend klingen. Wir haben die Geschichte Hollywoods seinerzeit nicht gelernt, weil wir so scharf darauf waren, sondern weil man uns nichts anderes geboten hat. Wir hatten ja nix, sozusagen. Und es ist schon beneidenswert, dass man heute dank DVD-Extras und Online-Ressourcen einen intimeren Blick hinter die Kulissen werfen kann, als uns jemals vergönnt gewesen ist. Es ist so viel einfacher, heute ein Filmfan zu sein (aber das Thema hatten wir ja schon).
Es klingt vielleicht jetzt wie ein radikaler Themenwechsel, ist es aber nicht: wenn man z.B. mit iMovie auf dem Mac ein Filmchen schneidet, kann man sich verschiedener Effekte bedienen. Einer davon heißt “Ken Burns”. Der hat zur Folge, dass eine “virtuelle Kamera” über ein Standbild fährt, als würde schon dieser schweifende Blick eine Geschichte erzählen. Dieser Effekt ist eher aus der Not geboren worden, nämlich für Dokumentation, die viel mit alten Fotografien arbeiten, aber nicht gar so statisch aussehen sollen. Kreditiert wird mit der Popularisierung dieses Verfahrens… genau, Ken Burns. Der Mann ist ein Phänomen, er hat (u.a. mit Dauer-Sponsoring von “General Electric”) einige der besten historischen Dokumentationen gedreht. Wenn man sich umfassend über den amerikanischen Bürgerkrieg, die Prohibition, Baseball, Jazz oder die Nationalparks der USA informieren will – Ken Burns hat die entsprechenden DVD-Sets.
Nun bin ich eher zufällig auf eine aktuelle Dokumentation gestoßen, die ich nach flüchtiger Ansicht Ken Burns zurechnete. Irrtum meinerseits. Sie ist von KEVIN Burns. Hätte ich das geahnt, hätte ich sie vielleicht gar nicht angeschaut – und damit eine der faszinierendsten Dokumentation über das System Hollywood verpasst, die je gedreht wurde:
http://www.dailymotion.com/video/x3qxu2p
Die Produktion von “Cleopatra” ist megalomaner Wahnsinn gewesen, dagegen sind “Titanic” und “John Carter” absoluter Fliegenschiss. Hochgerechnet auf heutiges Geld hat der Film 440 Millionen Dollar gekostet. Sets und Requisiten für Millionen wurden in London aufgebaut und einfach wieder abgerissen, als die Hauptdarstellerin krank und der Regisseur gefeuert wurde. Den Produzenten von “Cleopatra – The Film that changed Hollywood” ist es gelungen, viele der Protagonisten noch zu Lebzeiten zu interviewen, rares “Behind the scenes”-Material auszugraben und bisher unbekannte “deleted scenes”. Präziser protokollieren und spannender illustrieren kann man die Entstehungsgeschichte dieses “Blockbusters aller Blockbuster” nicht.
Nicht minder faszinierend, wenn auch etwas kleiner im Ansatz ist dieser Vergleich zweier Versionen des selben Films, die dasselbe Material verschieden interpretieren – Regisseur de Sica huldigt als Vertreter des Neorealismus dem Raum und dem Leben um die Figuren, Produzent Selznick konzentriert sich für die US-Fassung auf Tempo und die Protagonisten:

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Und zum Abschluss noch etwas gute Lektüre: “The Slate” analysiert den Einfluss des Dramaturgie-Ratgebers “Save the Cat!“, an dessen 0815-Spielregeln des Spannungsaufbaus sich mittlerweile alle Drehbuchautoren halten, die hoffen, mal einen Blockbuster zu platzieren. Die Auswirkungen dieser Gleichschaltung lassen sich gerade in diesem Kinosommer ausgiebig besichtigen.



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Peroy
Peroy
30. Juli, 2013 20:58

Wenn du keine Zeit hast, kannst du ja outsourcen. Ich guck’ für dich die Filme und Serien. Kost’ auch nich viel…

Lutz
Lutz
30. Juli, 2013 21:28

So sehr aktuell ist die Cleopatra-Doku aber nicht. Die ist schon auf meiner DVD drauf, kann sogar sein, dass sie damals für die DVD produziert wurde. Aber du hast recht, das ist eine wirklich sehenswerte Behind the Scenes Doku, die einem den Wahnsinn, der damals abgelaufen ist, sehr schön nahebringt.

Wortvogel
Wortvogel
30. Juli, 2013 21:31

@ Lutz: Stimmt – GANZ aktuell ist die Doku nicht. Ich bin nur erst jetzt drüber gestolpert und wollte meine Begeisterung teilen.

Dietmar
Dietmar
31. Juli, 2013 00:17

bei “Dracula” mit Lugosi saß ich mit dem Kommunionskreuz vor dem Fernseher.

Bei mir musste dann nach solchen Filmen immer Licht an sein, und ich habe mich ernsthaft gefragt, ob ein Fensterkreuz zur Abwehr auch genügen würde, wenn der Vampir denn käme.

Vielleicht irre ich mich, aber (wie in vielen Dingen) habe ich das Gefühl, dass die nächste Generation von Filmfans fast ausschließlich mit der Muttermilch zeitgenössischer Filme aufgezogen wird.

Nein, Du irrst nicht. Ist auch meine Beobachtung. Immer wieder. Im kleinen familiären Rahmen arbeite ich dagegen an und erziehe meinen Sohn zum Nerd, der bei der letzten “Mentalist”-Folge begeistert ausrief: “Ha! Der Doktor der “Voyager”! Robert Picardo!” Das macht mich stolz. 😎

Shah
Shah
31. Juli, 2013 00:52

So ist des halt. Für mich als 87er war des auch eine Verwunderung, mit dem Papa vor den “Glorreichen Sieben” zu hocken und später rauszufinden, dass die Japaner (damals a ganz a ferne Kultur) bei den “Uralt”-Western abgekupfert haben. Was hab ich mich geschämt, als mich ein Bekannter einmal aufklärte..
Ist aber auch generell die Frage: Ist die heutige Generation vielleicht auch einfach uninteressierter an generellen Filmtechniken, die “damals” neu waren? vielleicht einfach aus der Konsumenten-Mentalität heraus? Mein eigenes Beispiel wär die Bullet Time aus Matrix, die ja heutzutage jeder Resident Evil Streifen im Dutzend einsetzt. Damals n Knaller, heute Geschnarche.

Peroy
Peroy
31. Juli, 2013 01:40

Das war auch damals Geschnarche, das hat nur keiner gemerkt…

CthIngo
CthIngo
31. Juli, 2013 07:13

Okay, das ist der richtige Augenblick zu fragen:
Es gibt da einen (in meinen Augen) “Verwandten” des Ken-Burns-Effekts, der in letzter Zeit vermehrt zu beobachten ist, in Vorspännen, Dokus, Rückblenden, whatever.
Dabei wird ein Foto, Gemälde, Bild… nicht statisch abgefahren, sondern die einzelnen _Ebenen_ des Bildes sind offenbar freigestellt und verschieben sich bei der Bewegung über/in das Gesamtmotiv zueinander (Objekt(e) im Vordergrund, Mitte, Hintergrund…). Eine besondere 3D-Illusion, bei der die einzelnen Ebenen aber bewusst 2D bleiben. Kennt jemand den Namen für diesen Effekt?

Marko
31. Juli, 2013 07:58

@ CthIngo: “Theaterbühneneffekt”? 😀
Wahlweise auch “Parallaxscrolling”. 😉

Earonn
Earonn
31. Juli, 2013 08:12

Wobei ich bei Slates Schelte ‘Save the movie!’ finde, dass hier eher der Missbrauch einer an sich nützlichen Sache bemängelt wird.
Ja, Geschichten haben (brauchen?) Struktur. ‘Save the Cat’ treibt doch lediglich die Umsetzung der Heldenreise in Filmen auf die Spitze. Ein talentierter Drehbuchautor kann auch innerhalb dieses Rahmens ein spannendes Drehbuch schreiben, dem man den Rahmen nicht anmerkt.
Klar, es gibt zu viele Filme, die eine zu ähnliche Struktur aufweisen. Aber ist das Schuld des Buches (echt, *eines* einzigen Buches? Lesen angehende Drehbuchautoren etwa nicht die Odysee der Heldenreise oder Story oderoderoder?).
Soweit ich mich erinnere, wurde bei der Odyssee der Heldenreise doch dieselbe Kritik vorgebracht, oder?

Dietmar
Dietmar
31. Juli, 2013 08:51

vor den “Glorreichen Sieben” zu hocken

Ah, das war großartig!

Dirk
31. Juli, 2013 08:51

Ich kann das mit der Sozialisierung von Filmen nachvollziehen. Während ich eben auch noch mit dem beschränkten Angebot von wenigen Programmen aufgewachsen bin, wo man eben geschaut hat, was es gab, und damit alles kennenlernte, kenne ich auch einige deutlich jüngere Leute, die eben viel mehr Auswahl hatten. Wenn ich da mit einem schwarz-weiß-Film ankomme, dann schauen die mich komisch an, und wollen sowas gar nicht sehen. Alte Filme interessieren einfach nicht (und alt ist so ungefähr alles vor 2005).
Zu Ken Burns noch: Passend, dass du ihn jetzt ausgegraben hast, denn vorgestern (also am 29.7.) ist er 60 geworden. Er kann also noch ein paar Jahre arbeiten.

Lutz
Lutz
31. Juli, 2013 10:42

Deiner These zur Erziehung zur Filmhistorie kann ich nur zustimmen. Vor allem hat man dadurch gelernt, auch alte Sachen relativ vorurteilsfrei anzugehen. Für mich ist das beste Beispiel dabei immer die “Klamottenkiste”, die ja, genau wie Dick und Doof immer im Kinderprogramm lief. Ich war damals zu jung um wirklich zu schnallen, WIE alt wie Filme schon in den 80ern waren, aber ich habe gemerkt, DASS sie alt waren. Aus diesem Grund waren sie halt anders und man schaute das automatisch etwas anders als das übliche Kinderprogramm.
Ich glaube, jeder KiKa-Redakteur würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn man heute anfragt, etwas auch nur in schwarz-weiß zu zeigen. Dieses ganze Argument, dass Kinder von heute sowas nicht mehr sehen können, weil sich die Sehgewohnheiten geändert haben, halte ich größtenteils für Schwachsinn. Sicher, durch das Überangebot auf verschiedenen Sendern gibt es mehr Auswahl und die Frage ist, ob Kinder sich dann wirklich für eine alte Produktion entscheiden, wenn sie noch woanders hinschalten, aber zunächst einmal sind Kinder wesentlich offener für unterschiedliche Sehgewohnheiten als man Ihnen unterstellt. Die Abstumpfung erfolgt erst DURCH das eintönige Programm, dass ihnen geboten wird.
Ich hatte vor ein paar Wochen ein Gespräch mit einem Jugendlichen über Filme aus meiner Kindheit und Jugend (also 80er und frühe 90er) und war schockiert, dass selbst aus dieser Zeit viele Titel Jugendlichen von heute schon total unbekannt sind. Ich war dann allerdings hocherfreut, als er mich einige Tage später bat, ihm eine Liste mit Filmen “von damals” zukommen zu lassen, die er dann mal, quasi als etwas Neues, mit seinen Freunden schauen kann. Noch ist also nicht alles verloren. 🙂

Mencken
Mencken
31. Juli, 2013 11:09

Anscheinend vertrete ich hier die Minderheitsmeinung, aber ich halte die These zur Film Sozialisation für nicht so stimmig. Die Beobachtungen sind sicherlich richtig und mir ging es da auch nicht anders, aber andererseits sollte man nicht vergessen, dass die meisten Leute hier auch Filmfans sind und dementsprechend vermutlich auch früher schon einfach ein größeres Interesse am Thema zeigten und dementsprechend eben sahen, was gerade lief. Gab auch damals genügend Leute, die bei S/W Programmen und älteren Filmen dann eben einfach was anderes gemacht haben, ebenso, wie es auch heute genügend Leute gibt, die sich auch ältere Sachen ansehen, einfach weil sie Interesse an Film haben.
Zumindest bei der Musik und Mode ist es sogar so, dass das Interesse an z.B. Klassik. Jazz, älteren Sachen wie Elvis oder den Beatles ist derzeit stärker als es in Jahrzehnten war und ähnliches kann man u.a. bei der klassischen Herrenmode erkennen. Das Internet und der dadurch gegebene Zugriff auf ältere Sachen ist da ganz eindeutig der entscheidende Faktor und ich würde mich wundern, wenn ähnliche Tendenzen nicht auch beim Film zu erkennen sind (zumindest habe ich auch den Eindruck, dass derzeit / in den letzten Jahren auch mehr Klassiker restauriert und in guten Editionen auf den Markt gekommen sind).

Lutz
Lutz
31. Juli, 2013 13:21

@ Mencken: Ich würde dir teilweise widersprechen. Ich weiß nicht genau, wo du dich altersmäßig befindest. Ich weiß, dass ich noch 10 Jahre unter Torsten stehe und daher schon ein in Teilen anderes Fernsehprogramm erlebt habe, in dem aber dennoch viele Sendungen gleich waren.
Zugegeben, ich habe mich mit meinen Grundschulklassenkameraden damals nicht über die Klamottenkiste oder andere alte Serien unterhalten. Wenn wir über das Fernsehen sprachen, dann ging es um “Ein Colt für alle Fälle”, Bud Spencer oder “Der kleine Vampir”, aber ich denke schon, dass auch ein guter Teil meiner Klassenkameraden auch diese Sendungen gesehen hat.
Vor allem denke ich, dass man allein daran, dass das Sommerferienprogramm der ARD über Jahre vor allem daraus bestand, dass “Fury” aus dem Archiv gekramt wurde… und “Fury” sah damals teilweise schon älter aus als die Filme der Klamottenkiste. Bei “Fury” weiß ich sogar, dass das zumindest einige meiner Freunde gesehen haben, weil das im Sommer oft die einzige halbe Stunde am Nachmittag war, in der sie Fernsehen durften, da konnte man dann erst um 15 Uhr vorbeischauen. 🙂
Allerdings hast du sicher recht, dass auch damals genügend Leute da nicht eingeschaltet haben, weil es alt war (für mich war das ARD Ferienprogramm zum Beispiel immer auch das uncoole Ferienprogramm, weil ich nach ein paar Folgen “Fury” einfach genug davon hatte, im Gegensatz zum modernen und hippen ZDF-Sommerferienprogramm). Der Unterschied ist aber dennoch, denke ich, dass es weniger Berührungsängste davor gab als heute. Dadurch, dass es im normalen Programm lief, hat es jeder irgendwann mal eingeschaltet und ein bisschen geschaut. Dadurch wurde zumindest akzeptiert, dass es zum Kanon gehörte, egal ob man es schaute, oder nicht. Die Abneigung heute besteht dagegen größtenteils auf Ignoranz und den daraus gebildeten Vorurteilen. Ich schaue heute auch nicht mehr viele Stummfilme oder alte Klamotten, aber ich erkenne ihren Wert an und diese Wertschätzung ist es glaube ich, die da verloren geht.
Großartig ist, dass durch die modernen Medien viele Sachen viel einfacher zugänglich sind und man viel umfassender als es selbst damals mit den paar ausgewählten immer wieder wiederholten Filmen möglich war, in die Materie eintauchen kann. Schade dagegen ist, dass es kaum Impulse gibt, die das Interesse an alten Filmen bei jungen Leuten und Jugendlichen überhaupt erst entfachen können. Du hast zwar recht, dass das Interesse bei vielen Filmfreunden irgendwann auch so kommt, aber dennoch gehört es heute, anders als früher eben nicht mehr zum Kanon und ist dadurch einer großen Masse verschlossen. Und das finde ich eben schon bedauerlich.

Wortvogel
Wortvogel
31. Juli, 2013 14:25

@ Mencken: Es bestätigt mal wieder meine These, dass du nur kommentierst, um zu widersprechen 😉
Lutz hat mir den größten Teil dessen, was ich antworten würde, netterweise abgenommen. Fernsehen war in meiner Kindheit ein Familien-Event. Man schaute zusammen. Mein Vater hat mich 1979 um 4 Uhr morgens geweckt, damit ich die Unterzeichnung der SALT II-Verträge live sehen kann. Wir waren keine fernsehverrückte oder filmaffine Familie. Aber weil man damals auch nur im Ausnahmefall Zugriff auf mehrere Geräte hatte, war Fernsehen ein Konsens, an dem sich alle beteiligten (zumindest abends, wenn es auch für die Kinder kaum spannende Alternativen gab).

Wortvogel
Wortvogel
31. Juli, 2013 14:27

@ Earonn: Natürlich hat das Problem nicht mit “Save the Cat!” angefangen und natürlich ist der Slate-Artikel überspitzt, aber er weist sehr gut auf die Tendenz hin, Filme immer mehr “nach Formel” zu drehen – auch wenn (wie z.B. im Falle von “Wolverine”) eine andere Herangehensweise vernünftiger wäre.

Howie Munson
Howie Munson
31. Juli, 2013 14:48

hmm, war das bei Fury wo “die Farm” in einer Folge wegen einer überbrückten Sicherung abbrannte oder war das Lassie… oder bei beiden? *g*
Für mich war da oft das Problem das einige Erwachsenen in den Serien “dümmer” gehandelt haben, als das jeweilige Titeltier, fand ich auch als Teenie nicht sonderlich überzeugend auf Dauer…
“Unsere kleine Farm” fand ich aber uninteressanter, wenn ich mich recht entsinne, ich hab bis heute generell eher ein Problem mit “zu alter Handlungszeit” als mit der technischen Entstehungszeit.

Peter Krause
31. Juli, 2013 16:04

@Earonn: das schreibt Suderman ja auch selbst in seinem Fazit. Auch sein Artikel ist nach diesem Skelett konstruiert, was dabei hilft, die Gedanken zu ordnen und eine Struktur zu erhalten, aber wenn man sich sklavisch daran hält und sogar Szenen einfügt oder wegläßt, nur um im Korsett zu bleiben, dann schränkt es die Kreativität ein.
“It made writing easier, in other words, but it also made me less creative.”

Mencken
Mencken
31. Juli, 2013 17:49

@Lutz/Wortvogel: Diesen Teil bestreite ich auch gar nicht (das Sehen älterer Filme/Serien mangels Alternativen), ich glaube nur nicht, dass sich daraus automatisch ein größeres filmgeschichtliches Wissen ergab.
Heutzutage gibt es sicherlich weniger Leute, die solche Sachen “gezwungenermassen” sehen müssen, aber dafür denke ich, dass die Zahl der tatsächlich Interessierten eher größer sein dürfte, einfach weil man leichter an Informationen und Material kommen kann.
Peckinpah, Kurosawa, Ford usw. kannten und kennen auch die überwiegende Mehrheit der Kinder der 70er und 80er Jahre nicht, eventuell haben die mal zufällig ein Werk gesehen, aber ohne entsprechendes Interesse an Film dürfte dies folgenlos geblieben sein.
Umgekehrt gibt es heute die Möglichkeit, Filme dieser Leute problemlos zu sehen und ich denke schon, dass diese Möglichkeit wahrgenommen wird, wenn z.B. Tarantino sie als Inspiration in einem Interview oder Making-of nennt (wohingegen damals dies auch als Motivation fehlte – warum sollte man denn z.B. Kurosawa (bewusst) ansehen?).
Zumindest bei der Musik sehe ich dies immer wieder, die grundsätzliche Bereitschaft der Jugend, sich Sachen anzuhören, die 30, 40 oder gar 80 Jahre alt sind, ist deutlich höher, als dies in den 70ern, 80ern oder 90ern der Fall war.

Peter Krause
31. Juli, 2013 17:54

@Mencken:
“Zumindest bei der Musik sehe ich dies immer wieder, die grundsätzliche Bereitschaft der Jugend, sich Sachen anzuhören, die 30, 40 oder gar 80 Jahre alt sind, ist deutlich höher, als dies in den 70ern, 80ern oder 90ern der Fall war.”
Das deckt sich so ganz und gar nicht mit meiner Erfahrung.
Wenn ich mit Jugendlichen zusammen bin, fällt es mir stets schwer, ein älteres Lied zu finden, bei dem die nicht schreiend wegrennen.
(Lemon Tree ist eins der wenigen, die fast immer funktionieren.)

Wortvogel
Wortvogel
31. Juli, 2013 17:56

@ Mencken: Ich glaube, dass mich missverstehst – ich sage nicht, dass die Leute früher MEHR über Film wussten. Sie wussten BREITER über Film. Es war weniger konkretes Expertenwissen als mehr ein allgemeines Gefühl dafür, dass Filmgeschichte mit Stummfilm in den 10er Jahren anfing und über den Schwarzweißfilm zum Farbfilm kam – samt Ausflügen in Cinemascope und 3D. Der Kontext, das grundsätzliche Verständnis der Filmgeschichte war da. Heute wissen die Leute (so zumindest mein Gefühl) erheblich mehr über die Filme ihrer Generation, weil sie mit Informationen dazu zugeschissen werden, können das aber selten wirklich kontextualisieren.
Natürlich kann man heute auch über alte Filme viel im Internet nachlesen. Aber das ist angelesen Wissen aus zweiter Hand – und wird oft genug auch nicht genutzt. Die meisten Leute, die ich kenne, wissen zwar, wer die “3 Stooges” waren, haben aber niemals einen der Filme gesehen.
Der Vergleich mit Musik hinkt in meinen Augen. Man wird deutlich stärker mit “alten” Musikrichtungen konfrontiert und es geht dabei nur um persönlichen Geschmack, nicht um die Geschichte der Musikindustrie oder der Aufnahmetechniken (analog zu den Studios und den Trickeffekten).

Lutz
Lutz
31. Juli, 2013 18:22

@ Mencken, Wortvogel
Das meine ich auch. Ich würde in vielen Fällen unterstellen, dass vieles nicht einmal bekannt ist. Meiner Meinung nach gehört es zum Allgemeinwissen, dass Ginger Rogers und Fred Astaire für Tanzfilme berühmt waren, sogar völlig unabhängig davon, ob man jemals einen dieser Filme gesehen hat. Vielen sind diese Namen aber heute nicht einmal mehr ein Begriff. Das finde ich problematisch. Film ist neben Musik die Art von Kunst, die heutzutage am häufigsten bewusst konsumiert wird. Ich würde aber sagen, dass es bei Film, auf Grund von Erzähltechniken, aber vor allem auch durch postmoderne popkulturelle Verweise, essentiell ist, einen größeren Überblick über die Filmgeschichte zu haben, um Filme besser zu verstehen, nicht einmal auf eine elitäre oder wissenschaftliche Art und Weise, sondern ganz platt auf der Handlungsebene.
Das zweite ist, dass diejenigen, die zwar wissen, dass Astaire und Rogers für Tazfilme berühmt waren, dass es die 3 Stooges, die kleinen Strolche, Keaton oder inzwischen selbst auch schon Charlie Chaplin gab, dieses in der Regel nur durch die immergleichen 3 oder vier Ausschnitte kennen, die bei einem Bericht oder Verweis eingespielt werden. Sie wissen nicht mehr, wie sich so ein Film “anfühlt”, es verkommt immer mehr zu einer Kuriosität. Und gerade weil Film neben Musik immer noch die beherrschende Kunstform der heutigen Zeit ist, weil auf Grund von intertextuellen Techniken ein gewisses Filmwissen zum Verständnis vieler Filme unabdingbar ist,wenn man nicht einfach nur dumm vor der Leinwand sitzen will und vor allem auch, weil die Filmgeschichte letztendlich noch relativ jung ist und einigermaßen übersichtlich, ist es lohnend, etwas tiefer zu gehen. Nur dies wird heute der breiten Masse eben verwehrt.
Ich klinge langsam wirklich wie ein alter Sack, glaube ich. Es geht ja auch wirklich nicht darum, dass jeder ein Filmgeschichts-Experte werden soll. Wir haben die Sachen ja auch früher nicht unbedingt gesehen, weil wir gesagt haben, dass wir etwas über die Geschichte des Films lernen wollen. Man hat es halt mitbekommen und dadurch gelernt es einzuordnen. Aber heute bekommt man es eben nicht mehr einfach so mit, sondern muss sich schon direkt sagen, dass man etwas über die Filmgeschichte lernen will.
Ich erinnere mich, dass ich in der Mitteilstufe einmal ein Referat über Alfred Hitchcock gehalten habe und dafür vorher in der Klasse eine Umfrage gemacht habe, welcher Film der Lieblingsfilm war. Es gab nur zwei Personen, die noch nie einen Hitchcock gesehen hatten, alle anderen hatten jeweils mehr als einen gesehen. Ich würde einfach mal in den Raum werfen, dass es unter den heute 15 jährigen (also 20 Jahre später), in den meisten Schulklassen nur noch 3 oder 4 Schüler geben würde, die überhaupt einen Hitchcock gesehen haben.

Exverlobter
Exverlobter
31. Juli, 2013 19:46

“Man wird deutlich stärker mit “alten” Musikrichtungen konfrontiert”
Wie sagte der Soldat in Jarhead so schön: “Können wir nicht mal unsere eigene Musik bekommen”?

Howie Munson
Howie Munson
31. Juli, 2013 20:17

@Lutz: wieviel aus deiner klasse hatten “damals” komplette Fritz Lang Filme gesehen? Metropolis in der Moroder Version zählt nicht. *duck*
Also bei mir würde ich da auch allenfalls auf 2-5 schätzen. Radio Ga Ga kannten natürlich alle… Ist schwierig da einen “objektiven” Benchmark zu finden.

comicfreak
comicfreak
31. Juli, 2013 22:30

..Junior hat gerade “Die Mumie” sowie die zwei erste Brendan-Frasier-Mumien durch, Raumschiff Enterprise, danach Galaxy Quest, für Freitag haben wir den Start von Babylon 5 und zwischendurch Van Helsing geplant..

Wortvogel
Wortvogel
31. Juli, 2013 22:37

@ comicfreak: Beeindruckend. Aber zeig dem mal die alte “Mumie” mit Karloff, “Enterprise” mit Kirk und Spock, alte Dick & Doof-Episoden, den ersten “Planet der Affen” mit Charlton Heston!

perseus
perseus
1. August, 2013 00:09

…oder die Sinbad-Filme von Harryhausen, die haben den kindlichen perseus noch in den 90er eben im TV (kabel1 füllt(e) mit sowas ja sein Nachmittagsprogramm) tief beeindruckt.

Lutz
Lutz
1. August, 2013 03:21

@ Exverlobter: Das habe ich sie leider nicht gefragt 🙂 Und wie gesagt, wir haben auch nicht viel über alte Produktionen gesprochen.
Außerdem muss man ja auch sagen, dass lange Stummfilme auch damals, eher zu Nischenzeiten liefen.

Printe71
Printe71
1. August, 2013 12:03

Ich habe in meinem Freundeskreis mehrere Lehrer(innen), die Deutsch und/oder Englisch unterrichten und die die Beobachtungen bestätigen. Es geht nicht darum, dass es heute weniger filmbegeisterte Jugendliche gibt, aber das Wissen und das Gespür, dass es so etwas wie Filmgeschichte gibt und was da grob abgelaufen ist, ist inzwischen sehr dünn geworden. Dabei geht es weniger darum, einzelne Regisseure und deren Werk genau zu kennen, sondern eher darum, zu wissen, dass es zu bestimmten Zeiten bestimmte Genre und Techniken gab und auch mal das ein oder andere Beispiel selbst gesehen zu haben.
In dieser Hinsicht war unsere Generation “zwangsläufig” privilegiert, denn wir hatten ja nix anderes 🙂
Ich weiß auch, dass zumindest eine meiner lehrenden Freundinnen schon mal einen Vorschlag an die entsprechende Stelle (Kultusministerium?) eingereicht hat, dass man soetwas wie einen “Filmhistorie-Kanon” entwickeln und in die jeweiligen Sprachfächer einbringen sollte, ähnlich wie das bei Literatur ja auch der Fall ist. Das hielte ich für eine gute Idee.

Wortvogel
Wortvogel
1. August, 2013 12:20

@ Printe71: Was den Film-Kanon angeht, kann man es sich (mit Einschränkungen, da Ergänzungen speziell für den deutschen Markt notwendig wären) einfach machen:
http://de.wikipedia.org/wiki/The_Criterion_Collection
http://www.zeit.de/2007/32/Filmschule_im_Wohnzimmer

Jake
Jake
1. August, 2013 13:42

@Lutz
“Ich hatte vor ein paar Wochen ein Gespräch mit einem Jugendlichen über Filme aus meiner Kindheit und Jugend (also 80er und frühe 90er) und war schockiert, dass selbst aus dieser Zeit viele Titel Jugendlichen von heute schon total unbekannt sind.”
Ich hatte neulich ein ähnliches WTF-Erlebnis. Eine Bekannte von mir ist Gymnasiallehrerin und unterrichtet u.a. die 9. Klasse in Deutsch. Vor ein paar Wochen lieh sie sich bei mit “Rocky IV” und zeigte ihren Schülern den Kampf zwischen Ivan Drago und Apollo Creed (allerdings nicht den tödlichen Ausgang). Darüber mussten die dann irgendwas schreiben. Im Anschluss fragte sie die Schüler, wer denn den Film kenne. Von 27 Schülern meldete sich ein einziger. Als sie den Melder dann fragte, wie der Kampf ausgeht, meinte er, das wisse er nicht, da ihm der Film zu langweilig wurde und er deshalb vorgespult hatte.
Das hat mich schon sehr überrascht. Ich nahm eigentlich doch an, dass zumindest die handlungstechnisch eher “seichten” Kultfilme aus meiner Kindheit, wie die der Rocky-Reihe, auch bei den jungen Leuten von heute noch einen gewissen Bekanntheitsgrad genießen. Tja, da lag ich wohl mächtig auf dem Holzweg…

Wortvogel
Wortvogel
1. August, 2013 13:54

@ Jake: Ich möchte nicht wissen, wie viele 20jährige noch nie “Zurück in die Zukunft”, “Gremlins”, “Ghostbusters” und “Nur 48 Stunden” gesehen haben.

Printe71
Printe71
1. August, 2013 14:41

@WV Die Links werde ich weitergeben. Danke dafür.
Ob die Idee an sich allerdings irgendwann mal umgesetzt wird, wird sich zeigen müssen.

Jake
Jake
1. August, 2013 14:54

“Ich möchte nicht wissen, wie viele 20jährige noch nie “Zurück in die Zukunft”, “Gremlins”, “Ghostbusters” und “Nur 48 Stunden” gesehen haben.”
Also diesbezüglich hat sich mein Weltbild mittlerweile gehörig geradegerückt. Dass ein heute 16 – 20-Jähriger kein “Apocalypse Now” mehr kennt bzw. bei Sichtung des Films wahrscheinlich nach 10 Minuten einpennen würde, ist mir völlig klar. So rosarot ist meine Brille dann auch nicht. Aber zumindest den jugendfreien Kultfilmen der 80er, wie Rocky oder den von Dir zitierten Streifen (“Nur 48 Stunden” mal außen vor gelassen) hätte ich wie schon gesagt immer noch einen gewissen Kultfaktor auch bei der jungen Generation unterstellt. Zumal diese Filme ja immer mal wieder im Free-TV laufen. Offenbar scheint es aber überspitzt formuliert tatsächlich so zu sein, dass alles, was sich cinematografisch außerhalb des Twilight-, Harry Potter-, Marvel- und Pixar-Universums abspielt, für die Teens und Twens von heute böhmischen Dörfern gleichkommt. Von den wahren Klassikern jenseits des Farbfilms will ich gar nicht erst anfangen (aber da habe auch ich als Mittdreißiger zugegebenermaßen noch einigen Nachholbedarf ^^).

Peroy
Peroy
1. August, 2013 15:05

Ich kenne einen 15jährigen, der keine Ahnung hat, wer George Lucas und Steven Spielberg sind…
Soviel dazu…

heino
heino
12. August, 2013 15:56

Hier mal eine Gegenmeinung aus dem Profilager zu “Save the cat”. Das Blog ist generell empfehlenswert:
http://thebitterscriptreader.blogspot.co.uk/