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Jun 2012

Redaktionsalltag vor 20 Jahren – schwarz auf weiß

Themen: Film, TV & Presse |

Ich trage mich mit dem Gedanken, mal eine Mappe mit Texten aus allen möglichen Quellen zusammen zu stellen, um meine Arbeit als Autor kompakt präsentieren zu können. Ehrensache, dass ich dabei auch auf Artikel zurück greife, die ich seinerzeit als Jungredakteur für den GONG geschrieben habe.

Im Rahmen unseres Umzugs nach Schwabing fiel mir kürzlich ein Ordner mit Fotokopien in die Hände, die ich vermutlich gemacht habe, als ich den GONG 1995 in Richtung ProSieben verlassen sollte. Es sind ausgesuchte Beiträge zu allen möglichen Themen, die ich damals als soliden Querschnitt meiner Arbeit betrachtete. Ein paar davon habe ich euch gescannt und ein wenig aufpoliert.

Links seht ihr z.B. eine typische Kurzmeldung aus dem Bereich “Vermischtes”. Die hatte ich geschrieben, weil sie mich betraf – als Programmredakteur betreute ich damals den Sender SAT.1 und war stinkig, dass ich den Zuschauern die restaurierte Langfassung ans Herz gelegt hatte, die dann versehentlich gar nicht gesendet wurde. Wie es beim GONG üblich war, musste ich jeden einzelnen erbosten Leserbrief, der uns dazu erreichte, persönlich beantworten.

A propos SAT.1: Die typische Programmspalte, von der ich damals sieben pro Woche erstellen musste, war eher stupider und repetetiver Natur.vDas Meiste konnte man aus den Senderinformationen abtippen, aber es gab GONG-typische Zusatzinfos, die recherchiert werden mussten, z.B. das “bekannt aus…” oder die Wiederholungsdaten. Kritiken zu Spielfilmen bekam man aus entsprechenden Nachschlagewerken, manchmal schrieb ich sie allerdings auch selbst (wie hier im Fall von “Christine”):

Das ist eine gute Überleitung zum Thema “Kritiken”. Der GONG hatte eine Seite, auf der Redakteure (im Nachhinein, wohlgemerkt) ihre Meinung zu TV-Programmen kund taten. Als RTL vor 20 Jahren seine erste Daily Soap produzierte, wollte sich kein etablierter Kollege an der “TV-Billig-Dauerwurst” die Finger fettig machen. Ich hatte weniger Skrupel und gab zum Entsetzen der Redaktion und einiger Leser sogar vier von sechs Punkten:

Anecken ist zwar keine Leistung an und für sich, kann aber dazu führen, dass man auffällt. Und 1992 war ich genug aufgefallen, um meine ersten großen Artikel für den Mantelteil des GONG schreiben zu dürfen, beginnend mit dem wohl ersten deutschen Artikel zur “Superboy”-Serie:

Ich weiß, ich weiß: Ich habe Richard und Max Fleischer verwechselt. Peinlich…

Der Artikel ist übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie breit die Auswahl der Themen Anfang der 90er noch war – heute würde KEINE TV-Zeitschrift mehr eine halbe Seite an eine US-Jugendserie verschwenden, die am Sonntag vor dem Frühstück ausgestrahlt wird.

Im Jahr darauf (auch das wissen fleißige Leser meines Blogs schon) konnte ich eine echte Exklusivgeschichte eintüten – Star Trek wanderte komplett vom ZDF zu SAT.1, wie mir ein Synchronredakteur vertraulich gesteckt hatte:

Schreibt man über Trends und Prognosen, liegt man naturgemäß oft (meistens?) daneben. Mein großer Aufmacher-Artikel zum Thema “Fernsehen der Zukunft” von 1993 trifft es daher auch nicht GANZ genau und hapert hauptsächlich daran, dass er die Aufspaltung der Unterhaltungs- und Infokultur in Fernehen und Internet nicht voraussagen konnte. Damals herrschte tatsächlich noch die Meinung vor, das heimische TV-Gerät würde der Knotenpunkt aller vernetzten Interaktivitäten werden:

Es ist vermutlich schwer, sich heute vorzustellen, dass man damals ein ganz anderes Basiswissen mitbringen musste – es gab keine Wikipedia, man konnte Fakten nicht einfach googeln und selbst wenn es Bücher zum Thema gab, musste man von diesen Büchern erstmal wissen. Das Herz der Redaktion war das Archiv mit seinen massenhaft gesammelten Zeitschriften, Büchern, Dias und Mikrofilmen. Aber letztlich war entscheidend für die Vergabe eines Themas an einen Redakteur das Fachwissen, das er mitbrachte. Dank Internet kann heute jeder über alles schreiben, wenn er sich nicht allzu doof anstellt. Das ging damals noch nicht. Und das ist auch der Grund, warum ich so viel über Kino, US-Serien, Videospiele und Stars schrieb…

Das waren jetzt samt und sonders nur GONG-Beiträge. Ich schrieb in der Zeit ja auch für “Die2”, vor allem aber für die “TV Serien”, deren Kolumnist ich war. Vielleicht komme ich irgendwann dazu, auch aus diesem Pulk ein paar Perlen zu pulen.



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Exverlobter
Exverlobter
4. Juni, 2012 09:59

Ich finde, der Artikel trifft es doch ganz gut. Das sich das Internet als Zusatzmedium etablierte ändert doch nicht die Tatsache, dass vieles aus dem Bericht in etwa (aus Sicht des Fernsehens) eingetreten ist.
(Spartenkanäle für den Scheiß, mehr Programme,Pay-TV usw.)

Exverlobter
Exverlobter
4. Juni, 2012 10:04

“Damals herrschte tatsächlich noch die Meinung vor, das heimische TV-Gerät würde der Knotenpunkt aller vernetzten Interaktivitäten werden:”

Das stimmt aber. Erst gab es das Buch, dann das Radio, dann TV, und dann das Internet. Und immer prognostizierte man , dass das eine Medium das andere verdrängen würde. Aber das ist eben doch nie so gekommen.

Howie Munson
Howie Munson
4. Juni, 2012 12:06

ja wenn man den “Rückkanal” mit Internet über Kabel übesetzt kommt die Prophezeihung doch der Wahrheit relativ nah, nur ein Gameshow-Channel hat sich nicht etabliert *g* (warum eigentlich nicht? nur weil evil9 das “Mitmachfernsehen” versprochen hatte und mit hanebüchenen call-in verbrannte??)

Wortvogel
Wortvogel
4. Juni, 2012 12:10

@ Howie: Viele der Ideen hatte ich damals aus den USA – u.a. den Gameshow-Sender. Die Idee eines Fernsehsenders, der selbst als Programmzeitschrift fungiert, wurde dann als “TV Guide Channel” realisiert.

Natürlich kann man den Fernseher mit Rückkanal auch als Internet interpretieren – ich habe ja auch zu meiner Freude nicht völlig daneben gelegen. Aber es war halt doch so, dass damals der PC bestimmt war, die digitale Zukunft einzuleiten, nicht der Fernseher.

Peroy
Peroy
4. Juni, 2012 19:05

Felix Huby… bei dem Namen klingelt was. Ich hab’ noch ein Drehbuch von dem… der hat den Tatort geschrieben, bei dem ich Ausstattungs-Praktikum gemacht habe. Damals wurde mir gesagt, das wär’ ein Pseudonym und den Kerl gäb’ es gar nicht… stimmt das… ? 😛

Wortvogel
Wortvogel
4. Juni, 2012 19:14

@ Peroy: Den gibt es. Ich habe selber mal mit ihm gesprochen. Allerdings kann ich nicht ausschließen, dass er seinen Namen hin und wieder als “Dachmarke” für Autorenteams nutzt.

OrlandoFurioso
4. Juni, 2012 20:06

Ich weiß nicht, was mich mehr überrascht, dass 1993 noch alte Schwarzweiß-Filme auf Sat1 gezeigt wurden oder dass die Sender noch “Filmrollen” geliefert bekamen. 🙂

K. Lauer
K. Lauer
5. Juni, 2012 03:21

Bei dem Tagesprogramm von Sat1 kriegt man als TV-Junkie ja beinah feuchte Augen, wenn man das zu heute vergleicht…und Wolfgang Büser hat mal für die gearbeitet! Wahnwitzig.

CrazyEddie
5. Juni, 2012 07:34

Sehr schöner Beitrag. Und ich kann mich als einer der täglich mit TV-Geräten zu tun hat meinen Vorrednern nur anschließen: Du hast in gewisser Weise recht gehabt. Anders als eigentlich gedacht, aber trotzdem recht. TV-Sendungen auf Abruf? Kein Problem dank Mediatheken und Onlinevideothek auf dem Fernseher. Familienmittelpunkt? Schaut man sich die aktuellen Samsung-Geräte an, gibt es sogar eine passende App dafür. Und Skypen und so mit den Lieben in Verbindung bleiben können die Geräte der “großen” Hersteller alle.
Was mich am meisten erschaudern lässt ist bei letzterem die Möglichkeit, dass Ray Bradburys Vision des Fernsehens (Freitags Frau schaut immer so eine Soap-Opera, bei der die Worte “Mittendrin statt nur dabei” eine vollkommen neue Bedeutung bekommen) ziemlich nah an der Realität ist.
Der Herr Dewi ist scheinbar in gewisser Weise ein Prophet. Oder ein Mensch aus der Zukunft, der ein wenig entschärft hat, damit es heute keiner merkt.

Achim
Achim
5. Juni, 2012 11:22

Die Hochschüler Jerry Siegel und Joe Shuster?
War das nicht genau so falsch, wie High-School-Studenten gewesen wäre?

Michael Netsch
5. Juni, 2012 12:45

Hach, da werden Erinnerungen wach. Ich bin Jahrgang 1980. Ende der 80er/Anfang der 90er war das erste Highlight eines jeden Wochenendes, wenn mein Vater den neuen Gong vom Bäcker mitbrachte. Ich hab das Programm nur so verschlungen. Die Lektüre hat mir damals schon ein recht umfassendes Filmwissen vermittelt. Die meisten Werke, über die ich als Schüler schon bescheid wusste, habe ich dann erst Jahre später gesehen.