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Mrz 2012

Dolce Vita & Bella Donna: Eine Reise nach Sizilien (1)

Themen: Neues |

Das hier ist Sizilien:

Der rote Kasten zeigt den Teil, den wir in einer Woche geschafft haben.

Warum Sizilien und nicht Türkei oder Ibiza? Das hatte private Gründe. Wir wollten zudem Sonne UND Kultur. Rumsitzen und braten war nicht angesagt. Also buchten wir die “Villa Politi” im altehrwürdigen Syrakus an der Ostseite der Insel.

Eine ideale Vorbereitung war die BBC-Dokumentation “Sicily unpacked”:

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Der Flug dauerte keine zwei Stunden, den Mietwagen hatten wir nach zehn Minuten, und dank deutschem Navi waren wir eine gut Stunde später im Hotel, das sich selbst so beschreibt:

“One of the finest and most famous 4 star luxury resort hotels in Italy”

And penguins fly out of my butt.

Ja, die Villa Politi mag vor 60 oder 70 Jahren mal ein Top-Hotel gewesen sein. Man hat dann allerdings beschlossen, sich darauf auszuruhen und weder die Sessel in der Lobby noch die Teppiche oder die Tapeten zu erneuern. Man kann das “verstaubten Charme” nennen oder “den nostalgischen Hauch vergangener Zeiten”, aber ich zeige einfach mal den Wasserhahn im Bad:

Hinzu kam, dass wir die einzigen Gäste zu sein schienen, was sich in einer völligen Abwesenheit von Personal und Service widerspiegelte. Auch beim “Frühstücksbüffet”, für das sich jede Jugendherberge geschämt hätte, glänzte die versammelte Kellnerschaft durch Versteckspiel.

Aber ich habe in zu vielen Kaschemmen übernachtet, um mich über sowas zu ärgern. Die Matratzen waren okay, es war leise, und die Aussicht vom Balkon war auch toll:

Die Villa Politi liegt nämlich an einer Art Grube mit dschungelähnlicher Vegetation und in Stein gehauenem Theater. Springt man aus dem zweiten Stock, fällt man fünf Stockwerke tief:

In der Lobby gab es außerdem WLAN in ausreichender Geschwindigkeit. Sowas stimmt mich immer versöhnlich, zumal ich in den ersten zwei Tagen des Urlaubs noch eine achtseitige LandIdee-Geschichte über heimische Wildorchideen schreiben musste. Schön, wenn man sich den Urlaub IM Urlaub verdienen kann.

Der erste Spaziergang durch Syrakus war eher ernüchternd – Erhalt von Bausubstanz steht bei den Italienern nicht gerade ganz oben auf der Prioritätenliste:

Auch das kann man unter Charme verbuchen, aber mir scheint eher, als ob der Italiener seit 200 Jahren bautechnisch nichts mehr auf die Reihe bekommt – mit Ausnahmen:

Die Kommandozentral von “Shado“? Nein, eine Arztpraxis.

Ebenfalls jenseits aller Norm – eine Kirche in Syrakus, die nur aus Turm besteht:

Was die Elektrifizierung der urbanen Gesellschaft angeht, geht Italien eher den Weg über Putz und “wenn es geht, ist es doch in Ordnung”:

Irgendwo bricht gerade ein deutscher TÜV-Prüfer mit Herzinfarkt zusammen.

So wenig der Sizilianer auf Sauberkeit, Ordnung und Genauigkeit setzt, so wenig schert ihn augenscheinlich internationales Copyright:

Auch bei den fliegenden Spielzeughändlern gab es bekannte, aber rechtlich fragwürdige Ballons zu kaufen:

Bei näherem Hinsehen entpuppt sich “Batman” auch eher als “Luchsman”:

Der Häufigkeit der unlizensierten Verwendung nach ist übrigens Minnie Maus die beliebteste Comicfigur Italiens.

Erfreuen konnten wir uns am Wetter – strahlend blauer Himmel (am Anfang zumindest), Zitronenernte und die größten Dönerspieße der Welt:

Im Gegensatz zu Ibiza liegen auf Sizilien gerne mal Hunde auf der Straße herum:

Nicht tot, nur faul. Wie die Kellner in unserem Hotel.

Andere Artgenossen suchen sich höher gelegene Wachtposten:

Katzen gibt es auf Sizilien auch – diese hier hätte meine LvA am liebsten sofort eingesteckt und mit heim genommen:

Ich bezweifle allerdings, dass der Krallenträger da mitgespielt hätte. Die Katzen auf Sizilien leben dem Augenschein nach nicht schlecht, tollen entspannt durch Blumenbeete und plündern Mülltonnen. Ist ein Exemplar zwei Jahre alt, hat es sich das auch verdient – Narben und sonstige Ehrenspuren sind hier eher die Regel als die Ausnahme.

Unser erster richtiger Ausflug führte uns nach Noto. Das ist ganz bezaubernd und genau so, wie man es sich als Tourist vorstellt/erhofft:

Hier ass ich auch mein erstes echtes italienische Eis, was mir nur wieder bestätigte, dass die meisten Klischees und Vorurteile gegenüber anderen Ländern und deren Bevölkerungen der Wahrheit entspringen. Eis, Kaffee, Pizza und Pasta – das können sie unvergleichlich gut, die Italiener. Da schmecken sogar die Nudeln vom Pappteller, die man mit der Plastikgabel schaufeln muss. Und der edle Cappuccino kostet auch im besseren Restaurant gerne mal 80 Cent.

Und Süßspeisen haben die da – Süßspeisen, sage ich euch:

Hinzu kam, dass gerade Karneval war. Am Sonntag liefen die kleinen Kinder herzigst verkleidet umher:

Der war bestimmt nicht lizensiert!

Es ist in Noto schöne Tradition, riesige Gemälde aus Blumen zu stecken, die an Festtagen die Stadt schmücken:

Es gab auch landestypische Paraden in der Altstadt von Syrakus – erkennt jemand den Song?

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Kein Zweifel: In Syrakus und Noto gibt es beeindruckende Architektur zu bestaunen, große Kirchen mit der Frequenz von Pizza-Restaurants, postkartiges Italien der protzigen Sorte:

Der LvA zuliebe ließ ich mich auch IN die Sakralbauten schleifen, die teilweise dringender Renovierung bedürfen, teilweise aber auch fast trotzig den Prunk der alten Zeit beschwören. Man trifft auf Statuen von Obi-Wan

ebenso wie auf Buddy Christ

Auf dieser launigen Note entlasse ich euch aus dem ersten Teil…



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casajaime
casajaime
12. März, 2012 08:21

Sorry, aber Buddy Christ ist natürlich Buddy John the Baptist (http://en.wikipedia.org/wiki/John_the_Baptist).

Wortvogel
Wortvogel
12. März, 2012 08:57

@ casajaime: Und du hast den Witz nicht verstanden.

PabloD
PabloD
12. März, 2012 10:35

>>>Irgendwo bricht gerade ein deutscher TÜV-Prüfer mit Herzinfarkt zusammen.

Ich bin im letzten Jahr mal mit einem angehenden Doktor der Elektrotechnik (deutsche TU) durch Sevilla spaziert. Nach einer Weile wusste ich nicht mehr, ob das leise Wimmern nun ungläubiges Lachen oder doch eher frustrierte Verzweiflung darstellen sollte 😀

Shah
Shah
12. März, 2012 11:03

Das mit der Bausubstanz ist mir auch in der Toskana aufgefallen, da fasst man sich an den Kopf. Aber ebenso interessant war auch die Tatsache, dass die Häuser von innen wesentlich, wesentlich besser aussahen. Versteh einer die Italiener…

Und der deutsche TÜV-Prüfer sollte nie nach Frankreich und sich ein typisches Beispiel von “Bricolage” angucken.

Und wieso sollte man in Italien noch was anderes benötigen als Eis? 😀

Rex Kramer
12. März, 2012 11:38

“Das mit der Bausubstanz ist mir auch in der Toskana aufgefallen, da fasst man sich an den Kopf.”

Dabei muss man bedenken, dass Sizilien Europas Erdbebenzentrum No.1 ist. Kaum aufgebaut, fällt es auch schon wieder zusammen – oder wird von Lava überdeckt 😉
Wie ich sehe, haben sie die Kathedrale von Noto schon wieder aufgebaut. Die war bei unserem Besuch noch hinter Baugerüsten verborgen (das Dach war eingestürzt)

Lothar
Lothar
12. März, 2012 12:34

@wortvogel

> @ casajaime: Und du hast den Witz nicht verstanden.

Sei nicht so dogmatisch

Jojo
12. März, 2012 12:49

Die alte Bausubstanz fand ich noch ganz charmant. Was ich eher unschön fand, waren die ganzen Beton-Bauruinen, die man am Straßenrand sieht wenn man aus Syrakus herausfährt. 😀

Wortvogel
Wortvogel
12. März, 2012 12:56

@ Jojo: Ich ziehe da auch einen klaren Unterschied – natürlich hat es Charme, dass z.B. die Altstadt von Syrakus etwas verfallen wirkt und nicht perfekt rausgeputzt wie Garmisch Partenkirchen. Aber außerhalb der touristischen Blickwinkel ist viel erhaltenswerte Substanz einfach verrottet. Und auch bei Einfamilienhäusern scheinen die Besitzer sich wenig um Äußerlichkeiten zu scheren.

Deutlich mehr genervt hat mich allerdings der Zustand der Straßen.

Frankie
Frankie
12. März, 2012 13:25

“Deutlich mehr genervt hat mich allerdings der Zustand der Straßen.”

Tja, jedes Land setzt halt andere Prioritäten.

Wortvogel
Wortvogel
12. März, 2012 13:29

@ Frankie: Sollte die Priorität demnach nicht auf Verkehrssicherheit und Schutz von Eigentum liegen?

Frankie
Frankie
12. März, 2012 13:32

Ach, ich überlasse das immer dem jeweiligen Land. Sollte, könnte, müsste. Wer sagt denn, dass die Werte und Ansprüche die ich an etwas habe, unbedingt auch die anderen haben “müssen”.

Es gibt keine absolute Wahrheit. Von daher sehe ich das eher gelassen und erfreue mich an der Andersartigkeit “ferner” Länder.

Jörg
Jörg
12. März, 2012 14:24

TÜV-Prüfer würden einen Indien-Urlaub nicht überleben.

Hier klemmt sich jeder selbst seine (Lautsprecher-)Kabel unentwirrbar an den Strommast und zieht die dann quer über die Straße oder frei schwingend am Haus hoch. Bei Feuchtigkeit dampfen und sirren die verkohlten Leitungen und hin und wieder knallt auch mal ein Lichtbogen quer über den ungeschützt auf der Verkehrsinsel stehenden Transformator. Erwähnte ich schon, dass in vielen Städten Affen auf den Häusern und den Leitungen herumtoben?

Reini
12. März, 2012 15:30

Nimm unbedingt in Palermo die Gruft mit! Echt bizarr… Der Ätna beeindruckt auch. Und in Taormina gibt es eine Pizzeria, deren Chef sich mit den zahlreichen prominenten Gästen fotografieren lässt und damit die Wände zupflastert – wie der Zufall so will, saß ich dann genau unter dem Bild mit Dario Argento 🙂

Marcus
Marcus
13. März, 2012 19:11

“eine Kirche in Syrakus, die nur aus Turm besteht:”

Die wächst vermutlich noch.

“Der Häufigkeit der unlizensierten Verwendung nach ist übrigens Minnie Maus die beliebteste Comicfigur Italiens.”

Kann sogar sein – die ganzen Disney-Comics in Micky Maus und LTB kommen doch zu einem großen Teil aus Italien.

“Und Süßspeisen haben die da – Süßspeisen, sage ich euch:”

Ich sag’s dir ungern, aber dein Kuchen hatte Grünspan angesetzt. 🙂