14
Feb 2011

Gastro-Rotation: Das Prinzip Hoffnung

Themen: Neues |

Es gibt solche Läden. Jeder kennt sie. Manchmal liegen sie in gar keiner schlechten Gegend, in gar keiner so menschenleeren Straße, vielleicht sogar in einer Fußgängerzone zwischen “H & M” und “Starbucks”.

Schwarze Löcher in Form von Ladenlokalen. Ständig wechselnde Pächter, ständig wechselnde Schilder, ständig wechselnde Konzepte. Als ich 1990 in München anfing, gab es unter der Redaktion eine winzige Eisdiele. Die wurde über die Jahre zum Schmuckladen, zum Schlüsseldienst, zur Suppenküche, zum Coffee-Shop, etc.
Keine Ahnung, wieso das so ist. Wieso manche Locations einfach nicht “gehen”.

Direkt gegenüber von meinem Haus ist auch so ein Teil. Ein riesiges Speiselokal mit großer Fläche zur belebten Tegernseer Landstraße, wo es kaum Konkurrenz gibt, und einer ruhigen Seite zur Gietl-Straße, wo im Sommer ein paar Tischchen draußen stehen.
Als ich 2002 her zog, war da ein mittelmäßiger Italiener drin – praktisch ohne Gäste.

Danach folgte ein weiterer mittelmäßiger Italiener, dann noch einer. Ich hielt das Restaurant für eine Geldwaschanlage der Mafia, die gar nicht das Ziel hat, Umsatz zu generieren. Die Besitzer wechselten so schnell, dass die Abdrücke der “Neueröffnung!”-Aufkleber meist noch zu sehen waren, wenn wieder mal für drei Monate dicht gemacht wurde.

Bei Google-Streetview mit dem Bildmaterial von 2008 kann man noch einen Italiener sehen:

thai3
Man fragt sich irgendwann, warum keiner der potentiellen Pächter seine Hausaufgaben macht: Entweder liegt auf dem Ladenlokal ein Fluch, oder die Obergiesinger bevorzugen die beiden McDonald’s, die das Viertel im Norden und Süden einrahmen (plus 1 Wienerwald). Vielleicht liegt die Erklärung aber auch in der Tatsache versteckt, dass ich acht Jahre lang zehn Schritte von dem Restaurant entfernt gewohnt habe, aber nicht ein mal den Drang verspürte, es aufzusuchen.

Im Herbst letzten Jahres war es wieder mal soweit: Mieterwechsel. Diesmal richtig. Große Renovierung, alles neu, alles besser. Orientalisch statt italienisch. Ich dachte: Kann ich ja mal ausprobieren, wenn die aufmachen.

Nun bin ich nicht mehr so oft in meinem Häuschen, weil ich den größten Teil der Zeit bei der LvA verbringe. Und als ich neulich mal wieder in der Oberen Grasstraße einlaufe, um den Kühlschrank endgültig abzuschalten, traue ich meinen Augen kaum.

Neueröffnung:

thai2
Ein Vietnamese.

Der Orientale, der so aufwändig renovieren ließ, hat schon die Segel gestrichen, bevor ich die offizielle Eröffnung miterleben konnte!

Ein Nachbar hat mir jetzt versichert, doch doch, das sei schon eröffnet worden. Saßen auch ein paar Leute drin. Sah aber immer eher nach geschlossener Gesellschaft aus – bis es nach Rekordzeit geschlossen wurde.

Habe ich zehn oder zwölf Pächter kommen und gehen sehen? Ich wünschte, ich hätte es protokolliert.

Ich würde dem Thai Vietnamesen viel Glück wünschen, aber das klänge vermutlich zynisch.



Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

17 Kommentare
Älteste
Neueste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Baumi
14. Februar, 2011 09:02

Hier in Köln gab’s auch mal eine Kneipe mitten auf *der* Studentenmeile, in die sich nie jemand verirrte. Selbst zu Weiberfastnacht nicht, obwohl wirklich jeder Laden im Umfeld aus allen Nähten platzte.
Die müssen aber schon irgendwas mit Geldwäsche am Hut gehabt haben: Als wir – jung und noch unerfahren in Köln – mal mit einem Dutzend Leuten da aufschlugen (als einzige Gäste), mussten die für die 2. Runde Bier vom Kiosk gegenüber holen. Trotzdem haben die sich bestimmt 5 Jahre gehalten. Da kann dann was nicht stimmen.

Mencken
Mencken
14. Februar, 2011 10:02

“Ich würde dem Thai viel Glück wünschen, aber das klänge vermutlich zynisch.”
Zumindest dürfte es nicht so gut beim Vietnamesen ankommen.

Wortvogel
Wortvogel
14. Februar, 2011 10:11

Grmbrlm… korrigiert.

alligateuse
14. Februar, 2011 11:23

Vielleicht ein Fall für Herrn Rach? 😉

Achim
Achim
14. Februar, 2011 13:44

“Als ich in 1990 in München anfing”
War das erste “in” Absicht? Ich finde es ja schöner, wenn die Wannangaben, die nur innerhalb von ganzen Jahren erfolgen, ohne das überflüssige “in” auskommen, also klassisch deutsch, nicht dieses von einer anderen Sprache übernommene “in”.
Übrigens kam ich mir als Schüler mal total cool vor, als ich auch dieses Quark-in benutzte. OMG, ich erröte bei dem Gedanken daran.
Mehr so zum Thema. Es gibt ja auch Ladenlokale, die immer wieder neue Betreiber haben, so ganz ohne Nahrungsverkauf, und das, obwohl sie immer Kunden haben.

Wortvogel
Wortvogel
14. Februar, 2011 13:46

@ Achim: Schreibfehler kommen vor. Ist korrigiert.

Achim
Achim
14. Februar, 2011 14:20

@Wortvogel
OK, es war ein Schreibfehler, das finde ich gut. Hätte ja auch Absicht sein können.
Warum ich das gut finde, habe ich ja schon erklärt.
Ich weise bei so etwas auch immer gerne auf Schreibfehler hin, da die Autoren ja ungerne Schreibfehler machen.
Würde jemand mein Blog lesen, wäre ich auch froh, auf Schreibfehler hingewiesen zu werden.

heino
heino
14. Februar, 2011 19:27

In Köln gibt es Unmenge solcher Läden, nicht nur Restaurants oder Kneipen, auch Einzelhandelsgeschäfte, die einfach nie gingen und im Halbjahrestakt verschwanden. Ich vermute, dass den Betreibern mangels genügender Geldreserven einfach schnell die Luft ausgeht.

Nardon
Nardon
14. Februar, 2011 21:04

Gibt es in Giessen auch zu genüge. Allerdings auch der andere Fall. Es gibt Orte da kann das Lkal/Bistro/Cafe noch so schlecht sein, die Kunden kommen denoch.
Die Besitzerin hat nach Jahren ihr gut laufendes Cafe aufgegeben um mit ihrem Mann um zu ziehen (umzuziehen?).
Jetzt haben die aus dem Cafe so eine gewollte Chilloutlounch gemacht (argh) die Bedienung ist nicht unfreundlich aber unkoordiniert. Das Ding sieht jetzt aus wie ein McCafe. Aber die Leute rennen hin.

Doc Knobel
15. Februar, 2011 12:28

Wir überlegen gerade ein Café aufzumachen, und dann kommst du mir jetzt mit diesen ständigen Wechseln. 😀

Wortvogel
Wortvogel
15. Februar, 2011 13:01

@ Doc Knobel: Immer mal bei den Nachbarn fragen, wie oft die Location den Pächter wechselt!
Ich mag übrigens deine Webseite – gute Reviews von Zeug, das mir nomalerweise nicht unter die Finger kommt.

Fake
Fake
15. Februar, 2011 22:02

Soweit ich gehört habe gestatten die Vermieter den Pächtern oft eine “Probezeit” von einem Quartal bis zu einem Jahr. In dieser wird manchmal auch keine oder kaum Pacht sondern im wesentlichen nur die Nebenkosten verlangt. Danach müssten sich die Pächter oft für 10-20 Jahre fest binden. Eigentlich eine gute Sache da die Pächter so die “Location” testen können und vieleicht auch schon ein Teil der Investionen zurückbekommen.
Die “Rotation” entsteht imho zu einem aufgrund zu hoher Forderungen (finanzell und in der Zeitdauer) der Vermieter (die oft auch “keine andere Wahl” haben da “zu niedrige” Pachtverträge den Wert der Immobilie senken und so deren Kredite nicht mehr ausreichend gedeckt wären) und zum anderen aus dem “Unwillen” der Pächter sich für Jahrzehnte zu binden. (Aus solchen Verträgen kommt man eigentlich nicht mehr “raus”)
Es soll aber auch “zwielichtige” Geschäftsleute geben die nie vorhaben sich fest zu binden und nur jeweils Zwischenstation machen um zur nächsten “Probezeit” weiterzuziehen.

Howie Munson
Howie Munson
15. Februar, 2011 22:34

hmm ich weiß nicht, wieso sollte man auf 10 Jahre bestehen, wenn bsilang keiner länger als ein halbes Jahr durchgehalten hat?? und welche Bank macht das 8 Jahre mit?

gerrit
gerrit
16. Februar, 2011 08:46

Wir waren neulich mit einer Clique hier in Bremen essen. Super-edel eingerichtet, der Oberkellner bat um Geduld, mehr als 8 Gäste habe man im letzten Jahr nicht gleichzeitig gehabt.
Aus einem anderen Lebenszusammenhang kannte ich den Besitzer, er erkannte mich auch wieder, es gab zur Feier des Tages für jeden von uns Freigetränke.
Ich dachte mir “Wovon refinanzieren die diese Einrichtung hier, wenn quasi nie jemand hier reinschaut?” Bei der Endabrechnung kannte der Besitzer die Preise nicht mal von den Gerichten auswendig, die der Kellner als “Renner” identifiziert hatte.
Zuhause äusserte ich Unmut, dass wir eine Drogen-Geldwaschanlage besucht hätten. “Hat’s geschmeckt, musstest du dir nen Schuss setzen?”
Scheisse, ich dachte, ich sei der Pragmatiker daheim.
@Howie “Welche Bank macht das […]” – Immer ne andere. Und wenn man das Ganze als Geldwaschanlage braucht, hat man einen verdammt niedrigen Kreditbedarf…

Baumi
16. Februar, 2011 10:35

@Fake: Danke für die Info. Jetzt weiß ich endlich, was für ein Konzept hinter diesen Billigläden steckt, die sich oft kurzzeitig in leerstehenden Geschäftsräumen einnisten.

Doc Knobel
16. Februar, 2011 15:16

@Wortvogel: In den letzten zwei Jahren wechselte es da recht häufig, aber das lag eher an den Pächtern. Einer gab sich nun wirklich keine Mühe, ein anderes Pärchen trennte sich usw. Man kann da echt was draus machen, aber wenn man es jetzt angeht, dann eben auch richtig – und dazu muss man sich auch erst einmal die Summe X ans Bein binden und Ausdauer beweisen. Wir stellen gerade so eine Art Finanzplan und Konzept auf, holen uns dann fachliche Hilfe und lassen das mal alles durchleuchten. Ich werde da sicher nicht blind reinstolpern, auch wenn es ohnehin eher von meiner Gattin gemeitet würde. Aber mit zwei Kindern muss man ja auch da einiges bedenken und regeln.
Bzgl. der Seite: Danke, freut mich, dass du mal hin und wieder rein schaust. Das hatte sich so entwickelt und wurde von mir dann vor ein paar Monaten in diese Richtung der Direct-to-DVD-VÖ gelenkt. Mit dem einen oder anderen Special sowie den Interviews fahren wir damit ganz gut, auch wenn es da durchaus qualitative Unterschiede bei den Reviews gibt.

Karin
Karin
16. März, 2011 15:31

😀 Mir ist erst Montag aufgefallen, dass ich da, seit ich in München wohne, jeden Tag vorbeifahr. Hat sich bisher mal noch niemand die Mühe gemacht, die “Neueröffnung”-Kleber abzumachen.