23
Dez 2010

Secret Identity! Wortvogel alias…

Themen: Neues |

… der Weihnachtsmann!

Niko

Es war um die Jahrtausendwende. Meine Chefin rief an: Im Freundeskreis ist der “Santa” ausgefallen. Ungefähr ein Dutzend Kinder aus obszön wohlhabendem Hause drohte die “instant gratification” abhanden zu kommen. Ob ich nicht vielleicht…?

Zeit für ein richtig gutes Kostüm war nicht mehr, billiger Plunder aus dem Kaufhaus musste reichen. Eine Schriftrolle, auf der sich seit Teenager-Zeiten meine Gäste verewigen, wurde zur “naughty & nice”-Liste umfunktioniert. Um der Authentizität willen färbte ich mir aber auch die Augenbrauen. Kissen als Ersatz für den damals noch nicht real vorhandenen Wanst unter den Mantel – fertig!

Egal, wie sehr man über diesen Dingen zu stehen behauptet – es war ein Spaß! Die Kinder rangierten von 2 bis 12, einige hatten Lieder und Gedichte einstudiert, erzählten von ihren ersten Karate-Stunden, oder trauten sich anfangs gar nicht hinter Mamas Rock hervor. Ein Bengel von 10 hatte natürlich längst geschnallt, dass es keinen Weihnachtsmann gibt, und machte einen auf “mich kannste mit der Nummer nicht beeindrucken”. Das war mir an sich egal, aber es brachte Unruhe in die begeisterte Kinderschar. Ich rief ihn zu mir und flüsterte in bester Don Corleone-Manier: “Ich bin nicht der Weihnachtsmann. Du weißt es, ich weiß es. Aber die anderen wissen es nicht. Und du bist jetzt alt genug, dass man von dir erwarten kann, dass du ihnen das Fest nicht versaust”. Von da an blieb er still.

Auf die Probe gestellt wurde meine Geduld dann noch bei zwei Jungs, die ihre Klavier- und Gesangskünste zu Gehör bringen wollten. Mit einem Lied. Einem sehr langen Lied. Und es fehlte an der Bereitschaft, auch nur eine Strophe auszulassen. Da traten selbst die anwesenden Eltern nervös von einem Fuß auf den anderen.

Es lief gut, kein Gör riss mir am Bart, und nach einer halben Stunde war der Spuk dann auch vorbei. Ich trottete im Kostüm und mit Bollerwagen in den dunklen Garten hinaus (reiche Kinder bekommen VIELE Geschenke). Mein Wagen parkte auf der Rückseite des Grundstücks. Natürlich macht man so was nicht für Geld, und ich war sauer, als ich hinterher einen Umschlag entdeckte, den mir eine Hausbedienstete heimlich in den Sack gesteckt hatte. 500 Euro.

Mein Problem: Ich war ein zu guter Nikolaus/Weihnachtsmann. Die Kinder waren offenbar begeistert, und sofort wurde ich für das nächste Jahr “gebucht”. Auf drei Feiern. Ich war nicht gerade außer mir vor Freude, aber trotzdem geschmeichelt, und besorgte mir ein deutlich besseres Outfit: Kostüm vom Verleih, mächtiger Rauschebart, altes Buch als Chronik.

Es war das Jahr, in dem ich auch ein mal ganz privat den Weihnachsmann machte. Eine Freundin hatte eine andere Freundin zum Advent geladen, und beide (alleinerziehend) hatten Söhne im gerade mal schulpflichtigen Alter.  Ich machte “ho ho ho”, brachte Geschenke, und hörte mir total aufgeregt erzählte Anekdoten aus dem Kindergarten an. Als ich mich kurz einem Tee zu wandte, sah ich, wie die beiden Jungs tuschelten. Streng forderte ich sie auf, keine Geheimnisse vor dem Weihnachtsmann zu haben. Der kleine N. raffte allen Mut zusammen: “Wir haben da eine Frage. Weil du doch weißt, ob wir böse oder brav waren. Kannst du… kannst du durch Wände gucken?”. Ich dachte einen Augenblick über die üppigen satirischen Möglichkeiten nach, die sich mir nun boten, riss mich aber dann doch zusammen: “Natürlich kann ich das”. N. schaute seinen Kumpel D. triumphierend an: “Siehst du? Ich habe dir doch gesagt, dass das anders nicht geht!”

Ich machte mich “auf den Heimweg zum Nordpol”, der in diesem Fall hinter der nächsten Straßenecke lag. Man muss aufpassen, auch beim Umziehen nicht gesehen zu werden – ist ja nicht schön, wenn man dem Kind im Haus nebenan die Illusion raubt. Why is Santa wearing Nike boots? Dann fuhr ich mit dem Auto zu McDonalds, um eine halbe Stunde verstreichen zu lassen, bevor ich bei der kleinen Adventsfeier als “mild mannered reporter” Torsten wieder auftauchte. N. empfing mich an der Tür, immer noch ganz aufgeregt: “Du hast den Weihnachtmann verpasst! Der war gerade da!” Ich ließ die Schultern hängen: “Menno! Ich habe aber auch immer ein Pech mit dem!”

Das zweite Jahr war allerdings auch das letzte “in costume”. Das Problem war, dass ich den verkleideten Hampelmann für Leute machte, mit denen ich teilweise in der Woche darauf harte Geschäftsverhandlungen führen musste. Es ist eine Frage von Respekt und Augenhöhe. Die Entscheidung, ob ich als “Entwicklungschef” oder “Weihnachtsmann” in Erinnerung bleiben wollte, fiel zu Gunsten des Entwicklungschefs aus.

Den Bart, das Buch, und die einfache Kutte habe ich allerdings hier immer noch in einem Rucksack stehen. Wer weiß – vielleicht braucht Santa ja irgendwann mal kurzfristig eine Urlaubsvertretung?



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Lukas
23. Dezember, 2010 14:01

Ich bin vor Jahren mal bei der Dezemberausgabe des geheimnisvollen Filmclubs Buio Omega so rumgelaufen. Allerdings mit schwarzem Vollbart (künstlich), langen, schwarzen Fetthaaren (auch künstlich) und Biker-Sonnenbrille. Und ich war nicht der Weihnachtsmann oder der Nikolaus, sondern der Nitrolaus. Ja, so war das damals.

Shah
Shah
23. Dezember, 2010 14:19

Achja, das hab ich auch hinter mir. Allerdings war ich dank meiner “Bucher” schlecht vorbereitet und hätte beinahe die Geschenke von Omi und Opi vergessen. Was solls. Nach dem Akt gabs dann auch erstmal n Cognac zum Beruhigen 😀

Dietmar
Dietmar
23. Dezember, 2010 14:23

Ich bin eher selten als Weihnachtsmann in Erscheinung getreten. Öfter aber lese ich auf Veranstaltungen vor und suche immer neues Material. Da wäre diese eine schöne Geschichte, aber leider kontraproduktiv, wenn Kinder da sind. Schade …

DMJ
DMJ
23. Dezember, 2010 14:34

Wortvogel als Weihnachtsmann? Erstaunliche Mischung!

Bei der Röntgenaugenfrage hattest du aber verdammtes Glück, dass die nicht versuchten, dich zu testen. Ich glaube ich hätte mich lieber mit einer Engels- und Elfen-Stasi rausgeredet, die heute natürlich frei hat, so dass ich ihre Wirksamkeit leider gerade nicht demonstrieren kann.
Aber dein Clark Kent-Auftritt am Ende rult natürlich.

Marko
23. Dezember, 2010 14:39

Sag Bescheid, wenn Du mal um Weihnachten rum in Hamburg bist — wärst bestimmt auch für meinen Sohnemann ein prima Weihnachtsmann. 😎

Stephan
Stephan
23. Dezember, 2010 16:23

Elender Ami-Mist. Der Typ heißt Nikolaus. Und bringt Nüsse. Und Mandarinen. Die Geschenke bringt das Christkind. Wenn das Glöcklein läutet. So ist das. Und nicht anders.

Dietmar
Dietmar
23. Dezember, 2010 16:37

@Stephan: Gar nicht wahr! Der Weihnachtmann ist eine Tradition aus dem vorvergangenen Jahrhundert. Die rot/weiße Tracht ich Coca Colas Schuld.

So. Da hastes!

(Das Christkind ist viel zu klein zum Schleppen der Geschenke.)

plumtree
plumtree
23. Dezember, 2010 20:48

Da freue ich mich doch gleich auf morgen abend. Ich darf für zwei Nachbarfamilien den Weihnachtsmann geben (natürlich für umme, mir macht das ja auch Spaß 🙂 ) – und bin mal auf die diesjährigen Gedichte gespannt…

Am lustigsten ist die inzwischen 16-jährige Tochter, die natürlich IMMER die Augen verdreht, wenn ich sie frage ob sie auch artig war und die natürlich auch ein Gedicht aufsagen muss, damit ihre zwei 5-jährigen Brüder den Schwindel nicht bemerken.

Joe P.
24. Dezember, 2010 05:24

Anno ’86 trug ich einmal die Kutte und den Bart –
zivil-dienstlich.
“Mild-mannered reporter” Torsten. Geil.
Frohes Fest allerseits!

Cajadehorros
Cajadehorros
24. Dezember, 2010 14:02

“(Das Christkind ist viel zu klein zum Schleppen der Geschenke.)” ‘n verfluchter Embryo mit Flügeln…

Chris
Chris
24. Dezember, 2010 14:19

Wunderschöne Geschichte! Frohes Fest dem Wortvogel, seinen Liebsten, seinen Lesern und seinen liebsten Lesern! 🙂

Andy
Andy
25. Dezember, 2010 03:30

Ich war heute auch wieder einmal der Weihnachtsmann.
1 Stunde in der ”Maske” damit die Kinder meines Bruders mich nicht erkennen.
Die größere: Du bist ja nicht echt usw. bis ich sagte
zieh doch am Bart.
Da der sehr stark angeklebt war und sich nicht vom Gesicht rührte war auf einmal Ruhe…bzw. eher Ehrfurcht angesagt.
Danach war ich dann nur noch der Weihnachtsmann!!
Bei den ganz kleinen muss ich immer aufpassen das Sie keine angst bekommen da ich auch sehr groß und breit bin.
Es gibt aber nichts Schöneres wenn die Kinder noch diesen Glanz in den Augen haben und an den Zauber glauben.
Glanz hatte ich auch in den Augen bzw. rechts im Auge da die Blaue Kontaktlinse gebrannt hat wie Feuer.
Gruß an alle und ein Frohes Fest.

Achim
Achim
25. Dezember, 2010 15:40

Ich stelle mir vor, du hättest gesagt, der Weihnachtsmann könne nicht durch Wände sehen, sondern die Eltern melden alles.
Das hätte doch sicherlich für Empörung gesorgt? 😉