15
Dez 2009

Movie Mania Minis (1)

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

Das Kabinett des Dr. Parnassus

USA, England 2009. Regie:Terry Gilliam. Darsteller: Lily Cole, Heath Ledger, Johnny Depp, Jude Law, Colin Farrell, Christopher Plummer, Tom Waits u.a.

Das Kabinett des Dr. Parnassus

Inhalt: Dr. Parnassus zieht mit seinem “Imaginarium” durch die Lande. In diesem altmodisch aussehenden Panoptikum können sich willige Zuschauer die Konsequenzen ihrer geheimsten Wünsche zeigen lassen. Was niemand weiß: Dabei geht es um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, und diesmal scheint Parnassus gegen den Teufel zu verlieren, weil er nicht genug anständige Seelen finden kann. Doch ihm und seiner Tochter Valentina kommt der Rumtreiber Tony zu Hilfe, der vielleicht ganz eigene Ziele verfolgt…

Kritik: “Dr. Parnassus” ist für Terry Gilliam striktes Mittelmaß – und damit besser als 90 Prozent des Mülls, der sonst die Leinwände blockiert. Sicher nicht so brillant wie “Brazil”, oder so zugänglich wie “Der König der Fischer”, aber auch nicht so halbgar wie “Die Gebrüder Grimm”, oder so charmefrei wie “Münchhausen”.

Visuell wird natürlich wieder mit der ganz großen Kelle geschöpft – “Dr. Parnassus” birst förmlich auseinander vor Phantasie und Spielfreude. Das größte Problem ist (nicht zum ersten Mal bei Gilliam) der Mangel einer klaren Hauptfigur mit einem eigenen Erzählbogen: Zwar wimmelt es nur so von kuriosen Gestalten, aber man kann als Zuschauer bei niemandem wirklich andocken. Dem Film fehlt das Zentrum.

Die wirklichen Überraschungen gibt es auf der Darsteller-Ebene: Lolita-Model Lily Cole, die ich bisher immer gruselig bis mongoloid fand, entpuppt sich als perfekte Gilliam-Muse von elfengleicher Schönheit. Und die Notwendigkeit, den während der Produktion verstorbenen Heath Ledger zu ersetzen, sorgt für einen der faszinierendsten dramaturgischen Kunstgriffe, den ich seit langem gesehen habe – und er funktioniert!

Schon allein deshalb ist “Dr. Parnassus” allemal sehenswert, auch wenn er wenig wirklich bleibenden Eindruck hinterlässt.

http://www.youtube.com/watch?v=6jU3AimFaz0



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Dietmar
Dietmar
16. Dezember, 2009 12:52

1. Mir fehlt das pantomimische Urteil 🙁

2. Üppige Bilderbögen, operettenhafte Sets und ebensolche CGI machen mir oft Schwierigkeiten. Moulin Rouge habe ich deshalb keine Viertelstunde durchgehalten. Ich glaube, das ist nichts für mich …

Lutz
Lutz
16. Dezember, 2009 12:55

War die Kritik zwischenzeitlich in den Weiten des Internets verschollen gegangen? Oder durftest du das nicht früher veröffentlichen? Das hatte ich vor ein paar Tagen schonmal hier gelesen.

Also, ich gehöre ja zu den wenigen, die “Die Abenteuer des Baron Münchhausen” klasse finden, besonders in der Originalfassung mit dem seltsamen deutschen Akzent von Janathan Pryce. Ich freue mich auch gerade deshalb so sehr auf “Parnassus”, weil dieser Film mich visuell so sehr an Münchhausen erinnert wie kein anderer Film von Gilliam (oder sonst irgendwem).

Gilliam hat ja öfter das Problem, dass seine einzelnen Ideen besser sind als der fertige Film, aber das nehme ich hier bereitwillig in Kauf. Ich will mich einfach mal wieder in einem visuell überbordenden Film verlieren und dafür scheint mir “Parnassus” sehr gut geeignet.

Lutz
Lutz
16. Dezember, 2009 12:58

@ Dietmar: Bei “Moulin Rouge” ist die erste Viertelstunde aber absichtlich wesentlich krasser gestaltet als der Rest des Films. Das ist ähnlich wie vorher schon bei “Romeo und Julia”. Luhrmann mach das, um den Zuschauer dazu zu kriegen, sich auf das Kommende einzulassen. Alles irgendwie Teil von seiner “Red Curtain Theater”-Theorie. Spul einfach mal die erste Viertelstunde vor und versuchs nochmal 🙂

charlotte sometimes
16. Dezember, 2009 14:06

Da ich 1. Lily Cole auch gruselig finde (jetzt mal im ernst, hübsch ist die nicht), 2. sowohl Jude Law als auch Colin Ferrell unterirdisch finde, werde ich mir den sparen.

Dietmar
Dietmar
16. Dezember, 2009 14:08

@Lutz: Danke, ehrlich. Aber der lief damals im Fernsehen, ich habe weg- und immer wieder mal reingeschaltet. Trifft einfach meinen Geschmack nicht.

(Es gibt da so etwas Ähnliches, wo Robin Williams irgendwie in Bildern seine verstorbene Frau sucht oder so. Nä, nix für mich …)

Peroy
Peroy
16. Dezember, 2009 16:01

“Brothers Grimm” war spitze.

Heino
Heino
16. Dezember, 2009 18:06

Gilliam ist für mich schon wegen “12 Monkeys” heilig und auch, wenn seine Filme ab und an etwas zu überbordend und ohne emotionales Zentrum sind, bleiben sie doch immer sehenswerter als der Rest. Sein Sinn für Optik verbindet ihn mit Tim Burton, der bei seinen letzten Filmen ja auch unter schwachen Scripts litt, aber mit “Alice im Wunderland” dem Trailer nach zu urteilen wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat. Zu gönnen wäre es beiden.

@Dietmar:kann ich gut verstehen, ich hab Moulin Rouge auch nie länger als 10 Minuten ertragen. Aber Gilliam hat sich da besser im Griff als Luhrmann.

Montana
Montana
17. Dezember, 2009 02:07

@Dietmar: “Üppige Bilderbögen, operettenhafte Sets und ebensolche CGI machen mir oft Schwierigkeiten. Moulin Rouge habe ich deshalb keine Viertelstunde durchgehalten.”

Augen zu! 😉 Alles nur Beiwerk. Da zu einem Film nunmal Bilder gehören, hat man halt gleich zum Quast gegriffen. Viel wichtiger ist die Musik.

“Some people wanna fill the world with silly love songs – Well what’s wrong with that?” Elephant Love Medley FTW!

Dietmar
Dietmar
17. Dezember, 2009 07:45

@Montana: ,,Viel wichtiger ist die Musik.” Ja, die ist klasse! (Man hört ja mal den einen oder anderen Titel, ohne den Film gesehen zu haben.)

@Heino: Hast Du ,,Tim Burton” gesagt? Hm. ,,Edward mit den Scherenhänden” fand ich ja nun wieder großartig … *ins-Grübeln-komm*

Thies
Thies
22. Dezember, 2009 00:16

Nachdem ich gestern “Avatar” von James Cameron gesehen habe und heute “Parnassus” von Terry Gilliam würde ich sagen: das Match geht eindeutig an Gilliam. Anstatt eine zwar perferkt animierte, aber dabei stehts steril bleibende Welt zu erschaffen wie in “Avatar”, macht Gilliam seine Schwächen zu Stärken. Die Fantasy-CGI-Sequenzen sind stark begrenzt, aber der Film dafür in seiner Struktur derart offen, dass jederzeit alles Mögliche oder Unmögliche geschehen kann.

Anstatt der vorformulierten Handlungsbögen von Camerons “Avatar” gibt es hier das unbegrenzt freie Fabulieren von Terry Gilliam. Der Film bleibt deshalb nicht ohne Fehler – das Fehlen einer Hauptfigur wurde benannt, der oft ins Stocken kommende Erzählfluss und die nicht immer sauber greifende innere Logik des Geschehens wären andere Punkte an denen man sich aufhängen könnte, aber dazu habe ich heute keine Lust. Ich bin schlicht und einfach begeistert.