15
Aug 2009

Funky Videos – 80’s Style!

Themen: Film, TV & Presse |

Ich habe in letzter Zeit viele alte Videokassetten angesehen, und auch ein paar DVDs mit Klassikern der frühen 80er angeschaut – vielleicht deshalb, weil diese Ära die stärksten nostalgischen Gefühle hervorruft.

Aufgefallen ist mir dabei, wie radikal der visuelle Wechsel im Fernsehen um 82/83 war. Bis dahin war der Look von den 70ern definiert – blass, gerne braun, nur nicht zu hektisch. Spießige Gemütlichkeit.

NDWMit diversen neuen Pop-Stilrichtungen (nicht nur NDW), Heimcomputern, und einer generellen Neu-Orientierung der Konsumindustrie auf die Jugendlichen fluteten plötzlich Farben, schnelle Schnitte, und Synthie-Klänge den Bildschirm. Wenn ich mich recht erinnere, war die erste NDW-Compilation (“Moderne Zeiten”?) in pinkem und neongrünem Vinyl erhältlich. Alles war zackig, zerrissen, kontrastiert – kein Wunder, dass “schrill” eine Modewort der Zeit wurde.

Unvergesslich (zumindest für mich): der erste auf Video gedrehte TV-Film mit dem Titel “Chérie, mir ist schlecht”. Der Zuschauer konnte das nachvollziehen.

Jeder erinnert sich an den Vorspann von “Formel Eins”, den knallroten Minirock von Nena im “Musikladen”, und unerträgliche, aber für ihre Zeit typische Musikvideos wie das hier:

http://www.youtube.com/watch?v=lD7QmKJ1LyQ

Es gilt die Faustregel: je extremer der Trend, desto kürzer die Halbwertszeit. Popgruppen, die sich sehr stark in den Zeitgeist hingen, sind heute praktisch vergessen – Kajagoogoo, Hayzee Fantayzee, Sigue Sigue Sputnik. Etwas zurückhaltendere Mode-Bands hingegen produzierten Musik, ohne die das aktuelle Radioprogramm zur Hälfte aus White Noise bestünde: Spandau Ballet, Duran Duran, Erasure.

Überrascht war ich, dass auch Sketch-Shows einen Wandel durchmachten – zumindest in England. Während man hier noch dem Cabaret-Song von “Sketchup” zuhörte (Hut ab, Bart ab, Knopf ab, Kopf ab), fuhren die Briten für die Intros ihrer Sendungen alles auf, was das AV-Equipment an Effekten, Schriftarten, und Überblendungen hergab.

“A kick up the Eighties” vereinte viele der wegbereitenden Komiker der 80er und 90er, von Tracy Ullman bis Robbie Coltrane. Aber eine Sketch-Comedy würde man hinter einem solchen Vorspann sicher nicht vermuten:

[viddler id=36f7b6eb&w=370&h=322]

Beliebt war auch grober Zeichentrick mit nervös flackernden Buntstift-Schraffuren – schön zu sehen in “Naked Video”, einer der ersten Clip-Sendungen. Auch hier – das Intro erlaubt keinen Rückschluss auf die eigentliche Sendung:

[viddler id=19755b23&w=370&h=308]

Damals schon mein Favorit war die “Lenny Henry Show”, die man in Düsseldorf über das Kabel-Pilotprojekt sehen konnte – krude Video-Technik regierte einmal mehr:

YouTube

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Wenn man das heute sieht, möchte man meinen, die Vorspänne wären von Aliens gemacht worden. Es wurde halt ausprobiert, was ging. Erst in den 90ern pendelte sich das wieder ein, und eine gewissen Entschleunigung machte sich breit. Auch die Sakkos der Moderatoren von SAT.1 mussten nicht mehr in schreienden Primärfarben gehalten werden.

Gäbe es ein Buch über die Form- und Bildsprache der 80er – ich würde es sofort kaufen.



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Dietmar
Dietmar
16. August, 2009 07:38

,,Gäbe es ein Buch über die Form- und Bildsprache der 80er – ich würde es sofort kaufen.” Du könntest es ja schreiben. Das hier finde ich jedenfalls sehr genau beobachtet.

Das 1. Video ruft mir schmerzhaft in Erinnerung, warum ich die NDW damals wie heute bis auf wenige Ausnahmen unerträglich fand. Dieser ,,Gesang” alleine schon! Buah!

pa
pa
16. August, 2009 09:05

Erinnern tut es mich etwas an die Anfangszeit des “allgemeinen” Webs Ende der 90’er, als die breiten Massen Zugang zum Internet bekamen. Damals (gibt’s auch heute noch) existierten ja zahlreiche “Me too”-Webseiten, die eigentlich bloss eine Sammlung von technischen Spielereien waren (grausam animierte GIFs, banales JavaScript, animierte Menüs, etc…). Man wollte halt einfach alle Möglichkeiten ausprobieren, die es gab, ohne daß man irgendein Konzept dahinter stecken hatte.

So ähnlich stelle ich mir das auch in den 80’er vor. Endlich gab es neue technische Möglichkeiten für billige Spezialeffekte, da mußte man diese natürlich auch gebrauchen, auch wenn es noch so unnötig war.

Ungefähr so, wie CNN bei den letzten amerikanischen Wahlen diese TouchScreen-Wände benutzte, die letzten Endes auch nur ein technisches Gimmick waren, das nicht mal gut funktionierte und keinen Mehrzweck brachte.

Chris
Chris
16. August, 2009 13:52

Ha, der Blade Runner-Vorspann hat was. Ansonsten…”Everything´s drawn and super 80s!” 😀

Heino
Heino
16. August, 2009 15:05

Ich sperre mich ja immer noch dagegen, Kommerz-Auswüchse wie Zsa Zsa oder Fräulein Mencke als NDW zu bezeichnen. Für mich ist das Deutscher Schlager mit gewollt blöden Texten. Die NDW entsprang immerhin dem Punk und wurde nicht von Nena oder Hubert Kah begründet, aber das kann man heute leider keinem mehr beibringen. Gute Aufklärungsarbeit leistet da aber “Verschwende deine Jugend” von Jürgen Teipel.

Was die Videos und die Optik angeht stimme ich dir voll und ganz zu. Eigentlich müssten wir alle inzwischen an Augenkrebs erblindet sein, bei dem, was uns in den 80ern so zugemutet wurde.

Oh………und Sketchup war toll:-)

GrinsiKleinPo
GrinsiKleinPo
16. August, 2009 16:02

Ich sach nur Fehlfarben “Es geht voran!” und “Erstfall”

Moss
20. August, 2009 21:45

@GrinsiKleinPo: es heißt «Ernstfall». Graue B-Film-Helden regieren die Welt allerdings immer noch.

Alexander
26. August, 2009 12:11

“Gäbe es ein Buch über die Form- und Bildsprache der 80er – ich würde es sofort kaufen…”

Mein Rat: Schreib dieses Buch!! Dann kaufe ICH es!!!!