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Mrz 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (57) Heute: Mann unter Feuer (2004)

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

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USA 2004. Regie: Tony Scott. Darsteller: Denzel Washington, Dakota Fanning, Radha Mitchell, Christopher Walken, Giancarlo Giannini, Rachel Ticotin, Marc Anthony, Mickey Rourke

Ich empfehle, vor diesem Review noch einmal die Kritik zur ersten Verfilmung des Romans zu lesen.

Es hat ein wenig länger gedauert, aber nun habe ich endlich die Zeit gefunden, mich auch mal mit Tony Scotts “Man of Fire”-Version auseinander zu setzen. Was mich so lange aufgehalten hat? Ganz einfach: ich kann Tony Scott nicht besonders leiden, bin kein massiver Fan von Denzel Washington, und scheue mich jeden Abend, einen Film einzulegen, der fast zweieinhalb Stunden Laufzeit mitbringt. Das schlaucht.

Das ändert aber nichts daran, dass es wirklich faszinierend ist, beide Fassungen miteinander zu vergleichen. Sie sind sich ähnlicher, als ich zuerst vermutet hatte – und auch verschiedener.

Das Grundkonstrukt ist erhalten geblieben: John Creasy wird als Bodyguard für die kleine Pita angeheuert (diesmal ist Mexiko City der Schauplatz). Widerwillig freundet er sich mit dem Mädchen an. Sie wird brutal entführt, Creasy durch mehrere Kugeln verletzt.

An dieser Stelle schielte ich überrascht auf den Timer des DVD-Players: es war nicht mal eine Stunde rum, der Film hatte noch eine komplette Spielfilmlänge für das, was in der ersten Version nur noch der dritte Akt gewesen war: Creasys Jagd nach den Schuldigen.

Aber dazu kommen wir später. Erst einmal fällt auf, dass “Mann unter Feuer” in der ersten Stunde alle von mir monierten Schwächen von “Man on Fire” nicht wiederholt: die Figuren werden ordentlich vorgestellt, bekommen Background und Charakter, werden für den Zuschauer nachvollziehbar. Die Beziehungen, die existenten und die sich entwickelnden, erscheinen plausibel, fast schon unvermeidlich. Creasy ist kein Sozialautist mehr, Pitas/Sams Familie keine Ansammlung von Gesichtern im Hintergrund.

Es wäre wirklich ein faszinierendes Experiment, beide Fassungen mal nebeneinander laufen zu lassen, denn eine Stunde lang erzählen sie die gleiche Geschichte in der gleichen Geschwindigkeit – einmal spröde und unzugänglich, einmal glattgeschliffen und durchgestylt.

Nach einer Stunde trennen sich allerdings die narrativen Wege. Wo “Man on Fire” im dritten Akt von Creasys Versuch handelt, Sam zu retten, geht es Creasy in “Mann unter Feuer” nur darum, das Mädchen zu rächen – er glaubt ja bis kurz vor dem Ende, sie sei bereits tot. Diese Unterscheidung der Motivation reißt die beiden Versionen stärker auseinander, als man im ersten Augenblick glauben mag. Tony Scotts Creasy ist eine (wenn auch verletzte) Killermaschine, die professionell daran geht, die Schuldigen auszumerzen. Der alte Creasy hingegen ist ein verzweifelter Schwerverletzter, der sich gegen das Schicksal aufbäumt. Dass dieser Unterschied natürlich dem Hollywood-Kommerz geschuldet ist, dürfte niemanden verwundern.

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Denzel Washington geht also nach der Entführung von Pita 90 Minuten lang auf Rachefeldzug – und das ist ungefähr 60 Minuten zu lang. Wir befinden uns nach dem sorgfältigen Setup plötzlich auf Tony Scott-Territorium: hochgejazzte Bilder, schicker Splatter, eiskalte Typen, viel Geballer, Explosionen. Das sorgsam aufgebaute Drama der ersten Stunde ersäuft in Hollywood-Klischees vom starken Helden, der den Abschaum ins Jenseits pustet.

Ich will damit nicht sagen, dass dieser Teil von “Mann unter Feuer” langweilig oder unbefriedigend ist – Scott ist zu sehr Profi, um sich die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Aber je mehr er sich in der Technik und der Mechanik der Geschichte verliert, desto unmenschlicher wird der Film auch. Creasys Alkoholproblem? Vergessen. Seine Verletzungen? Unwichtig.

manonfire3 Teil des Problems ist auch Denzel Washington, der zu glatt, zu kalkuliert, zu sauber spielt. Sein Creasy wirkt trotz aller Bemühungen niemals so gebrochen wie Scott Glenn. Und Dakota Fanning ist als Pita auch niemals mehr als furchtbar süß. Die ganzen unausgesprochenen Subtexte in der Beziehung von Creasy und Sam aus “Man on Fire” haben in “Mann unter Feuer” keinen Platz, und das ist sehr schade. Wenn man die Unterscheidung treffen kann, will ich es hiermit tun: “Mann unter Feuer” ist wahnsinnig erpicht darauf, “edgy” zu sein, hat aber keinerlei Ecken und Kanten.

Auf der positiven Seite sei allerdings vermerkt, dass die Scott-Version die Umstände der Entführung erheblich glaubwürdiger und zugänglicher auflöst – Verdienst von Drehbuchautor Brian Helgeland, dem wir auch schon den weithin unterschätzten “Payback” verdanken.

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“Mann unter Feuer” ist in jeder Beziehung ein knallhartes Mainstream-Produkt, perfekt inszeniert, mit atmosphärischen Bildern, rasiermesserscharfen Schnitten, und durchweg hoher Geschwindigkeit. Er funktioniert erheblich reibungsloser als “Man of Fire”,  weil es ihm über weite Strecken gelingt, sich an die emotionalen Befindlichkeiten des Zuschauers anzudocken. Irgendwann driftet er aber zu lange und zu deutlich in die Klischees des Remmidemmi-Actionsfilms ab, und bekommt am Schluß nur noch mühsam und halbherzig die Kurve zurück zum eigentlichen Drama.



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Peroy
Peroy
26. März, 2009 10:39

Und welcher ist jetzt besser ? Los, Stellung beziehen…

Wortvogel
Wortvogel
26. März, 2009 10:58

Das sollte klar geworden sein – Tony Scotts Version. Brillant ist keiner von beiden, aber Scotts Film ist wenigstens nicht langweilig.

Peroy
Peroy
26. März, 2009 11:20

Ich finde den zwar nach wie vor unwatchable… aber wenn du meinst…

Paddy-o
Paddy-o
26. März, 2009 11:31

Eine ähnliche Meinung hatte ich bei dem Denzel-Film auch gebildet.
Schöne Bilder, nettes Setting, aber ab der Hälfte ham se mich irgendwann verloren.

Und das Ende empfand ich persönlich als ausgesprochen schlampige Frechheit.

Wortvogel
Wortvogel
26. März, 2009 11:37

@ Paddy: Dazu muss man wissen, dass es ein alternatives Ende auf der DVD gibt, in dem Creasy den verantwortlichen Entführer mit einer Afterbombe, die er sich selbst eingeführt hat, in die Luft sprengt…

Peroy
Peroy
26. März, 2009 11:47

“Arschbombe Deluxe”… *freak*

Tornhill
26. März, 2009 11:51

Oha – ich mag Tony Scott und Denzel Washington (ich glaube letzterer ist sogar mein schwarzer Lieblingsschauspieler), aber unnötige Überlänge kann ich auch nicht ab.

Stilistisch fand ich den Film jedenfalls lecker, doch mich empörte das – wie ich fand – UNGEHEUER unbefriedigende Ende (gerade weil der Film ja den Action- und nicht den Drama-Pfad geht). Überhaupt verspricht man uns kalte, exzessive Rache, aber immer wieder bekommt der Film (trotz einiger famoser Exekutionen) doch kalte Füße.
Da schwört Creasy lauthals, JEDEN zu töten, der mit der Entführung zu tun hat, behält sich aber die Fussnote vor, dass Frauen (auch, wenn sie die zentrale Verteilung von Kinderprostitution und Erpressung organisieren) selbstverständlich ausgenommen sind, sondern nur mal unwirsch angefaucht werden.

Tja…und eben das Ende…das Ende… Dass beide Filme das Mädchen (anders als im Buch, wo auch gleich ihre Leiche gefunden wird) überleben lassen ist ja nichts negatives, aber zu diesem Preis…Nee.

Tornhill
26. März, 2009 11:53

Oh, erst jetzt sehe ich den Hinweis auf das alternative Ende: DAS wäre es gewesen!
Hätte zwar die “Frauenklausel” als Mangel weiterhin drin gelassen, aber zumindest die Sache vernünftig beendet.

Wortvogel
Wortvogel
26. März, 2009 11:54

@ Tornhill: Ob der erste Film das Mädchen überleben lässt, ist ja noch ungeklärt.

Der Steffen
Der Steffen
26. März, 2009 11:55

Sag ich doch!!!

Paddy-o
Paddy-o
26. März, 2009 12:22

@Wortvogel & Tornhill:

Ja verdammt! DAS wäre ein Ende gewesen! ^^
Wesentlich besser als “Ich liege hier in der Limo rum und.. äh.. ‘schlafe ein’..”.. oder so 😉

Peroy
Peroy
26. März, 2009 12:35

Also, ich finde, kein Film sollte damit enden, dass der Held sich einen explosiven, artfremden Gegenstand in den Arsch schiebt…

Just my two cents… 😕

Wortvogel
Wortvogel
26. März, 2009 12:43

Peroy… Arsch… artfremder Gegenstand… hhhmmm…

Dieter
Dieter
26. März, 2009 12:50

Mich überrascht, dass ich den überlangen Action-Teil nicht als solchen in Erinnerung habe. Wahrscheinlich hatte ich da keine kritische Distanz.

Ich finde gerade dieses offene Ende ausgesprochen gelungen: Creasy rettet das Kind, kann für sich selbst aber nichts mehr tun und ergibt sich in sein Schicksal bzw. stirbt auf dem Rücksitz.

(,,Payback” finde ich übrigens großartig!)

Sascha Bunzel
26. März, 2009 13:23

Helgeland im Zusammenhang mit “Payback” zu nennen, kann eigentlich nur sarkastisch gemeint sein, oder? Der Film fängt zwar klasse und sehr vielversprechend an, aber irgendwann erfolgt dann der üble stilistische Bruch, ab dem Mel Gibson nur noch seinen Vogel auf dem Drahtseil meets Riggs spielt.

Ich hätte zu gerne eine nicht-vermelte Version gesehen, bevor Gibson das Projekt an sich gerissen hat, aber soweit ich weiß, ist selbst der Director’s Cut aufgrund der Tatsache, dass Originalmaterial verschütt gegangen war, nur halbgar. Oder reichte das womöglich schon, um den Film zu retten?

Dieter
Dieter
26. März, 2009 15:52

,, … ab dem Mel Gibson nur noch seinen Vogel auf dem Drahtseil meets Riggs spielt.”

@Sascha Bunzel: Was kann Gibson dafür, dass Du ihn nur mit diesen Rollen in Verbindung bringst?

Oder spielt Dustin Hoffman für Dich auch immer nur Tootsie? Sylvester Stallone spielt Rambo meets Rocky?

Lutz
Lutz
26. März, 2009 16:00

Ah… schön zu sehen, dass es noch andere Menschen gibt, die Denzel Washington nicht mögen. Ich dachte immer, ich wäre der Einzige. Washington mag zwar ein passabler Schauspieler sein, aber seine Filme sind für mich immer uninteressant.

Tony Scott ist für mich fast so ein rotes Tuch wie Michael Bay. Mag sein, dass er die Entwicklung von Charakteren besser hinbekommt, trotzdem macht ihn das meiner Meinung nach nicht wirklich besser. Der Mann hat sich in all den Jahren seiner Karriere nicht wirklich weiterentwickelt. Man kann bei ihm immer noch dieselben dummen Klischees und Tricks finden, die er schon in den 80ern angewandt hat. Ich find seine Filme einfach nicht interessant.

Peroy
Peroy
26. März, 2009 16:17

“Ich find seine Filme einfach nicht interessant.”

Kenn’ ich… ich finde alle Sack Schneider-Filme scheisse.

Wortvogel
Wortvogel
26. März, 2009 16:23

@ Lutz: So schlimm wie Bay finde ich Scott nicht. Im Gegenteil: Ich finde sein Talent ALS ACTIONREGISSEUR sogar unterschätzt. Er macht halt hohles Mainstream-Kino. Ich würde gerne mal einen groß budgetierten Genre-Film von ihm sehen (“The Hunger” zählt nicht).

Bay ist nur sinnlose Geld & Materialverschwendung mit epileptischen Schnittfolgen. Geht gar nicht.

@ Bunzel: Das ist dann aber eher dein Problem, und nicht das des Films. Und wenn du “Payback” ohne Gibson sehen willst, steht dir das frei – “Point Blank” heißt er. Auch großartig.

Mencken
Mencken
26. März, 2009 18:14

Ist True Romance nicht ein “groß budgetierter Genre-Film” von Scott?

Wortvogel
Wortvogel
26. März, 2009 18:16

@ Mencken: “Genre” umfasst meistens Horror, Fantasy, oder SF. Da sehe ich True Romance eigentlich nicht drin – ich habe den Film allerdings auch nicht gesehen. Irre ich mich?

Mencken
Mencken
26. März, 2009 18:23

Wenn “Genre” nur Horror, Fantasy und SF umfasst eher nicht, aber ich würde den “Pulp inspirierten” Gangsterfilm ebenfalls mit einbeziehen und in diesem Fall würde True Romance passen.
Warum sollte “The Hunger” übrigens nicht zählen?

Wortvogel
Wortvogel
26. März, 2009 18:28

@ Mencken: soweit ich das sehe, spricht man gemeinhin von Horror, SF, und Fantasy, wenn man von “Genre-Filmen” spricht. Vielleicht habe ich da aber auch was missverstanden. Wenn wir (wie du es tust) den Gangsterfilm dazu rechnen, dann wäre Scott in der Tat ein Genrefilmer (auch wenn “True Romance” nicht gerade groß budgetiert war).

“The Hunger” war kein groß budgetiertes Spektakel, sondern Tony Scott am Beginn seiner Karriere.

Was mich interessiert ist: wie würde ein Tony Scott HEUTE einen Film wie “Constantine” oder “End of Days” drehen? Oder “Event Horizon”?

(Ich habe bewusst Filme gewählt, die ein gutes Remake brauchen könnten)

Heino
Heino
26. März, 2009 18:30

Nein, tust du nicht. “True Romance” ist ein typischer Tarantino-Film, also mehr oder weniger cooles Gangsterkino. Allerdings mag ich den Film sehr und habe auch grundsätzlich nix gegen Tony Scott. Und meiner Ansicht nach gewinnt er dadurch, dass Tarantino nicht selbst Regie geführt hat, enorm, denn Scott hat wesentlich mehr Ahnung von Spannungsbögen. Und ein Film mit Christopher Walken kann schonmal soooooooooo schlecht nicht sein:-))

SB
SB
26. März, 2009 19:46

@Dieter&Wortvogel

Es geht mir nicht um den Schauspieler oder sein Gesicht, sondern um die zwei Rollen, die Gibson in diesem Film spielt. Zu Beginn von “Payback” hatte ich tatsächlich den Eindruck, er spielt einen für ihn völlig untypischen Charakter. Da dachte ich: Wow. Den haben Sie mal schön gegen den Strich gecastet. Das muss Gibson selbst wohl ähnlich gesehen haben, mit dem Unterschied, dass er das längst nicht so klasse fand wie ich. Und das Ruder übernahm und die Rolle mitten im Film uminterpretierte. Und das eiert, vermutlich je nachdem, wann die Szenen gedreht worden waren, munter hin und her.

Für meine Begriffe ist der Typ, der dem Lieferjungen den Ohrring rausreißt und Carter und Resnick abknallt, schlicht und ergreifend ein völlig anderer als der, der Fairfax’ Leibwächter in Schach hält und von den Chinesen aufgemischt wird.

Keine Ahnung, ob und wie man in den Kommentaren Links einbauen kann, aber hier im Trailer kann man es mMn schön erkennen:

http://www.dailymotion.com/video/x2lj3p_payback-theatrical-trailer_ads?from=rss

Etwas länger als bis zur Halbzeit ist es der Film mit dem ersten Porter. Der, den ich gerne gesehen hätte. Danach krempelt Gibson den Streifen um.

Und macht daraus diesen Film:

http://www.dailymotion.com/video/x5fu8q_payback_shortfilms

Peroy
Peroy
26. März, 2009 20:46

“Was mich interessiert ist: wie würde ein Tony Scott HEUTE einen Film wie “Constantine” oder “End of Days” drehen? Oder “Event Horizon”?

(Ich habe bewusst Filme gewählt, die ein gutes Remake brauchen könnten)”

“Event Horizon” ist perfekt so wie er ist (und ein gutes Remake der Kackfilme “Hellraiser” und “Shining”).