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Mrz 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (53) Heute: Stan Lee’s Mosaic

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

mosaic1USA 2007. Regie: Roy Allen Smith. Sprecher: Anna Paquin, Kirby Morrow, Cam Clarke u.a.

Es mag in Deutschland ein wenig untergegangen sein, aber Teil der aktuellen Superhelden-Welle ist auch eine Reihe von D2DVD-Filmen, die in den letzten drei bis vier Jahren auf den Markt geworfen wurden. Die lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Marvel, DC – und Stan Lee.

Marvel ist besonders fleißig, wenn es darum geht, die neu entflammte Popularität seiner Figuren für den Silberscheiben-Markt zu schröpfen: Ultimate Avengers, Iron Man, Dr. Strange, Hulk, Thor, Wolverine – alles solides Material mit anständiger Umsetzung, aber gerade angesichts der erheblich anspruchsvolleren Realverfilmungen doch insgesamt meist enttäuschend. Oft genug wird einfach die “origin story” nochmal durchgekaut, ohne dem Stoff irgendeinen Mehrwert zu gönnen. Kann man gucken – kann man aber auch lassen.

strange

DC, im Realfilmmarkt bis auf Batman eher vom Glück verlassen, macht es da schon besser: man setzt erfolgreiche Graphic Novels wie “New Frontiers” um, produziert spielfilmlange Ableger der etablierten “Batman”- und “Superman”-Serien, und glänzt durch sorgsam entwickelte Edel-Produktionen wie “Wonder Woman” (und demnächst “Green Lantern”). Das ist nicht alles perfekt, aber immerhin mit Ambitionen versehen. Selbst “The Death of Superman” war nicht das befürchtete Desaster. Mein Geheimtipp: “Batman vs. Dracula”.

batmandracula

Da der ehemalige Marvel-Chef Stan Lee im Verlag selber nichts mehr zu sagen hat, und nur noch Credits und Cameos bei den großen Blockbustern sammelt, hat er sich darauf verlegt, mit neu entwickelten Heldenfiguren zu punkten. Im Realfilmbereich lässt er seit “Lightspeed” davon die Finger – was für alle “Lightspeed”-Geschädigten eine wirklich gute Nachricht ist.

lightspeed

Nun hat Lee auf Zeichentrick umgesattelt. Zum Zwecke der Kritik habe ich mir den ersten Lee-Trickfilm ausgesucht, der Anfang 2007 in den USA veröffentlicht wurde: “Mosaic”.

Es geht um Maggie Nelson, die Tochter eines Professors, die eines Nachts von einem Blitz getroffen wird, und sich dabei in der Nähe ihres Chamäleons aufhält. Sie wird dadurch zu einer mythischen Kämpferin für das Gute, mit allen Kräften, die man als Chamäleon vermutlich so hat: sie kann sich unsichtbar machen, an Wänden hochkrabbeln, ihre Gestalt und ihre Stimme beliebig wandeln, die DNA anderer Menschen sehen, und superstark ist sie auch noch. Irgendwie hat das mit einer Rasse von Gestaltwandlern aus einem untergegangenen Inselreich zu tun, deren Vertreter alle irgendwie schwer symbolträchtige Namen haben: Facade, Mannequin, Mosaic, und so weiter. Es fällt Maggie zu, die Menschen vor einem Putschversuch der Chamäleaner (?) zu beschützen.

mosaic2

Die ganze Plotte liest sich nicht von ungefähr so, als hätte sie sich ein hyperaktiver 12jähriger ausgedacht. Was in den 60ern angesichts der jüngeren und deutlich weniger anspruchsvollen Zielgruppe vielleicht noch als B-Story durchgegangen wäre, wirkt im Jahr 2009 nur noch kindisch und hilflos. Die Kräfte, die Backstory, die mythologischen Elemente – ohne Zusammenhang aus der Grabbelkiste geklaubt. Es gibt kein wirkliches Drama, sämtliche Figuren bleiben funktionsgebunden (der Freund, der Beschützer, der Vater), und Maggie selbst ist über weite Strecken einfach nur nervig – besonders dann, wenn sie das tut, was Stan Lee augenscheinlich für “typisch Teenager” hält: in Unterwäsche rumtanzen, und mit dem Haustier reden.

Und natürlich gibt es den unvermeidlichen Gastauftritt des Meisters selbst – findes das noch irgendwer cool?

Auch in der technischen Umsetzung wird strikte Magerkost geboten: Das Voice Acting fade, die Hintergründe einfach, die Figurenzeichnung einfallslos, und in der Animation limitiert wie eine mittelprächtige TV-Serie. Dazu passt, dass die Charaktere oft seltsam unpassende Gesichtsausdrücke aufsetzen, die von ihrem emotionalen Zustand nicht gedeckt werden. Nette visuelle Details, ein Gespür für Farben, oder gar eine durchdachte Bilddramaturgie sucht man vergebens.

Aufgefallen ist mir (und nicht nur mir) lediglich, dass Maggie immer dann, wenn sie unsichtbar ist, augenscheinlich auch nackt ist:

mosaic3

What the fuck?

Kurz gesagt: “Spider-Man” für anspruchslose Mädchen. Stan Lee hat damit nachdrücklich bewiesen, dass seine große Zeit vorüber ist. Seit ungefähr 30 Jahren.

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Der zweite Versuch Lees, sich mit neuen Figuren zu etablieren, ist “The Condor”, ein Superheld für die mexikanische Minderheit im Lande: ebenso schwerfällig in der Dramaturgie, belehrend in der Toleranz-Message, und komplett ideenfrei.

condor

Über weite Strecken wirken die Filme wie der billige Versuch, Stan Lees frühere Erfolge möglichst genau zu kopieren, ohne dabei in lizenzrechtliche Kuhfladen zu treten. Und genau das ist auch der Sinn der Übung, machen wir uns nichts vor.

Gelohnt haben kann es sich nicht: Nach “Mosaic” und “The Condor” hat Lee keine weiteren Superhelden-Trickfilme nach eigenem Konzept mehr veröffentlicht. Nicht schade drum.



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Peroy
Peroy
22. März, 2009 11:33

“Aufgefallen ist mir (und nicht nur mir) lediglich, dass Maggie immer dann, wenn sie unsichtbar ist, augenscheinlich auch nackt ist”

Zeit für Rule 34… 8)

Heino
Heino
22. März, 2009 13:37

“Lightspeed” hatte ich mal im Saturn in der Hand, aber die Beschreibung hat mir schon gereicht. Lee hatte von 1962 – ca. 1978 einen unglaublichen Run und ohne ihn wäre im Superhelden-Genre sicher einiges anders gelaufen, wenn es denn überhaupt noch existieren würde. Aber er sollte es echt gut sein lassen und in Rente gehen

Wortvogel
Wortvogel
22. März, 2009 13:43

@ Heini: Abgesehen davon, dass “Lightspeed” ein erbärmlicher Abklatsch von Flash, bzw. Quicksilver ist, komme ich einfach über das armselige Kostüm mit der Skibrille nicht hinweg – Jason Connery taugt einfach nicht zum Superhelden.

Auf dem Videocover sieht der Held natürlich erheblich beeindruckender aus: http://bit.ly/XY716

Tornhill
22. März, 2009 14:40

Mit Schaudern werfe ich hier einmal kurz “Striperella” in den Raum… 🙁

Wortvogel
Wortvogel
22. März, 2009 14:43

@ Tornhill: Stimmt, hatte ich ganz vergessen!

Tornhill
22. März, 2009 15:40

Wahrscheinlich verdrängt…ich kann es verstehen.

Ich hab zwei Folgen gesehen (will zugeben, dass in einer davon tatsächlich zwei gute Gags waren) und praktisch ununterbrochen gedacht “Stan ‘the dirty old man’ Lee…”

Grinsi KleinPo
Grinsi KleinPo
23. März, 2009 08:58

Striperella von Stan Lee? WOW! Der alte Sack, der. Vielleicht sollte er bei einem anderem alten Sack klauen gehen was die Geschichte angeht. Ich persönlich würde auf Robert A. Heinlein und die Leben des Lazarus Long oder Freitag tippen wollen. Halbwegs intelligent und Titten/Sex gibt es auch reichlich.

Ansonsten sollte einer mal den Sarg vom Stan ordentlich zu nageln. Der Typ bringt seit 20 Jahren nichts mehr auf die Reihe. Superhelden aus USA sind eh etwas komisch. Persönlich stehe ich ja auf die Europäischen Helden. Frankreich und Belgien haben da so einiges zu bieten.