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Mrz 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (42) Heute: Hollywood Boulevard

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

hollywood-boulevard1USA 1976. Regie: Joe Dante und Allan Arkush. Darsteller: Candice Rialson, Mary Woronov, Paul Bartel, Dick Miller, Rita George u.a.

Ich bin ja ein erklärter Fan der großen B-Movie-Produzenten wie Roger Corman, Sam Arkoff, William Castle, und Harry Alan Towers. Von Corman allein habe ich fünf Biographien in meinem Bücherschrank stehen. Darum ist es umso unverzeihlicher, dass ich ausgerechnet “Hollywood Boulevard” noch nicht gesehen hatte, einen echten Kultfilm. Der Besuch einer DVD-Börse mit Doc Acula gab mir kürzlich die Gelegenheit, diese Lücke zu schließen, und ich kann vorab schon sagen: wurde auch Zeit!

Mitte der 70er arbeitete der sehr junge Ex-Filmkritiker Joe Dante (“Gremlins”, “Explorers”) als Cutter bei Cormans Firma New World. Seine Aufgabe war es, für jeden Schrottfilm des Meisters einen knackigen Trailer zu schneiden. Diese Aufgabe erledigte er so gut, dass Corman ihm die Chance gab, zusammen mit seinem Kumpel Allan Arkush einen eigenen Film zu drehen. Sein Einsatz: 50.000 Dollar, 10 Drehtage, und Zugriff auf jede Menge Material aus früheren Corman-Filmen.

In der Erkenntnis, um eine Sackladung alter Szenen herum keinen wirklich plausiblen Film drehen zu können, entschieden sich Dante und Arkush, gleich richtig die Sau rauszulassen: “Hollywood Boulevard” wurde als “Film über Film” geplant, als satirischer Blick hinter die Kulissen einer B-Firma. Ein grandioser Name für das fiktive Studio war schnell gefunden: “Miracle Pictures”. Werbeslogan natürlich: “If it’s a good picture, it’s a Miracle!”

Das bisschen Handlung, was die vorhandenen Szenen zusammen hält, ist schnell erzählt: Starlet Candy Hope kommt nach Los Angeles, und wird über den Agenten Walter Paisley schnell an die Miracle Studios vermittelt, wo es gerade mal wieder eine Stuntfrau zerlegt hat. Nicht nur durch die Liebe zum Drehbuchautor Patrick steigt Candy in der Hackordnung schnell auf, reist für einen Actionheuler auf die Philippinen, und stellt fest, dass die Darstellerinnen bei Miracle gerne mal eines gewaltsamen Todes sterben.

In diesen Plot weben Arkush und Dante Action-Highlights aus ungefähr einem Dutzend älterer Filme ein, von “Caged Heat” bis “Big Bad Mama”, von “The Terror” bis “Unholy Rollers”. Als besonders clever erweist sich das Casting von Mary Woronov als B-Queen, denn es erlaubt die konkrete Verwendung einiger Szenen aus “Death Race 2000”, in dem Woronov auch schon mitspielte.

Nach allen Maßstäben des gesunden Menschenverstandes dürfte so ein Szenen-Eintopf nicht funktionieren. Das ist filmische Resteverwertung, wie sie sonst eigentlich nur Godfrey Ho betreibt.

Ebenso wie bei Science Fiction-Komödien bin ich auch bei Parodien auf die Filmbranche immer extrem kritisch. Es gehört eine gehörige Portion Einsicht in die Mechanismen des Business dazu, kompetent zu persiflieren. Charles Band selbst hat es neulich leidlich erfolgreich mit “Gingerdead Man 2” versucht, und den großartigen “The Independent” habe ich ja bereits besprochen. “Hollywood Boulevard” hat den Vorteil, nicht rein fiktiv zu sein, sondern auf echtes Material zurückgreifen zu können.

Und es funktioniert! Ein völlig überdrehter Comic von einem Film, mit vielen Action-Highlights, sympathischen Figuren, und derartig vielen Anspielungen und Hommagen, dass es schon den Audiokommentar auf der DVD braucht, um alle zu entdecken. Die verbindenden Teile sind dabei mit mehr Sorgfalt angepasst, als man erwarten sollte. Natürlich ist manche Alt-Szene verwaschen oder körnig, aber angesichts der satirischen Grundhaltung fällt das nicht weiter ins Gewicht.

Besonders erfreulich auch, dass sich Arkush und Dante für wirklich keinen auch noch so kleinen Gag zu schade sind – ein Bankräuber stirbt mit den legendären Worten von Edward G. Robinson aus “Little Ceasar” auf den Lippen: “Is this the end of Rico?”. Und als der “Star-Import aus Japan” das Skript zu “Atomic War Bride” liest, tut er das einzig Richtige:

hollywood-boulevard3

Kaum ein Name, kaum ein Titel, kaum eine Szene, die nicht auf irgendeiner Ebene die Branche durch den Kakao zieht. Autor Danny Opatoshu (ebenfalls ein Corman-Zögling) geht dabei weit über die reine Pflichterfüllung hinaus.

Candice Rialson, eine kleine B-Pflanze aus Cormans Erotik-Stall, ist die perfekte Besetzung für das Starlet “Candy Hope” – blond, niedlich, naiv, und trotzdem bereit,  für den Film alles (her) zu geben:

hollywood-boulevard2

Mary Woronov und Paul Bartel, zwei wirkliche Corman-Veteranen, haben sichtlich Spass daran, den dusseligen Regisseur und die arrogante B-Queen zu geben. Sie helfen mit Charisma aus, wann immer Frau Rialson überfordert ist.

Freunde und Kenner von Corman-Filmen werden also ihren Heidenspass haben. Neulinge werden sich sicher manchmal am Kopf kratzen, was der ganze Zirkus soll, aber Parodien sind schließlich primär für Zuschauer gedacht, die sich mit den Originalen auskennen.

Gewöhnlich empfehle ich Filme, nicht DVD-Extras, aber im Fall von “Hollywood Boulevard” mache ich gerne eine Ausnahme: Der Audiokommentar ist eine derartige Fundgrube an obskuren Anekdoten und Verweisen, dass er das Filmvergnügen glatt verdoppelt. Schlampig ist bei der Anolis-Version nur der Backcover-Text, der die Namen der Darsteller mit den Namen der Figuren verwechselt (bei Amazon ist es nicht besser, da wird Candy Hope “Candy Rialson” und “Candy Chandler” genannt).

Wirklich aufgestoßen ist mir nur eins: Candy wird im Laufe des Films zweimal fast vergewaltigt, und das nicht gerade auf zimperliche Weise. Das bricht mit dem ansonsten extrem launigen Tonfall von “Hollywood Boulevard”, und erscheint mir unappetitlich und unangebracht. Schlimmer noch: Dante geht auch auf dem Audiokommentar sehr nonchalant über diese Szenen hinweg, und reißt Witzchen. Dabei wäre gerade hier die Möglichkeit gewesen, solche Dinger aus einem heutigen Kontext heraus neu zu bewerten.

Trotzdem: ein echter Knaller vor dem Herrn, und für die Handvoll Euro, die er mittlerweile kostet, allemal Pflichtprogramm. Außerdem die ideale Ergänzung zu “Hollywood Man” aus dem gleichen Jahr, der einen eher dramatischen Blick hinter die Kulissen von Billigproduktionen wirft.

Das mäßige Sequel “Hollywood Boulevard II” ist allerdings nur Leuten zu empfehlen, die wirklich jede Nacktszene von Ginger Lynn mal gesehen haben wollen.

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milan8888
milan8888
11. März, 2009 11:44

Ist auf meiner Amazon Wunschliste eingetragen.

Achim
Achim
11. März, 2009 12:23

Hmm, sieht ja so aus, als hätte ich, wenn ich mir endlich mal die weiteren Filme von Ed Wood, von dem ich erst Plan 9 habe, angeschaut habe, noch viel wunderebaren Schrott entdecken kann.
Muss ich gleich mal auf Amazon suchen, am besten erst die anderen Filme, wenn ich den verstehen will.

Wortvogel
Wortvogel
11. März, 2009 12:28

@ Achim: Die anderen Filme sind zum Verständnis von “Hollywood Boulevard” nicht nötig – allenfalls “Death Race 2000” würde ich mir besorgen, weil er sowieso Pflichtprogramm ist (nicht allerdings das aktuelle Remake!). “Hollywood Boulevard” kostet bei Amazon in der sehr lohnenswerten Anolis-Edition nur 4,99.

Achim
Achim
11. März, 2009 13:12

Hmm, dann muss ich noch die 20 Euro vollkriegen, um Versandkosten zu sparen!
Danke für den Tip!

Achim
Achim
11. März, 2009 13:57

Was für ein Death Race 2000? Da gibts eines mit Stallone, Produktionsjahr 2002, das müsste doch auch falsch sein? Und das mit Jason Stratham oder so ist doch das aktuelle Remake? Death Race 2050 ist wohl eine Fortsetzung, aber die ist von 1978. Ach nein, da steht in der Rezension, der wäre von 1975, nur sind auf den Cover wohl aktuellere Photos von Stallone und David Carradine. 78 Minuten, ist der dann beschnitten oder komplett? Gib mal einen Tip für einen Schrottfilm, der die 20 Euro zum Überschreiten bringt, damit ich keine Versandkosten zahlen muss. Also einen Corman-Film, Hollywood Man hat Amazon scheins ja nicht oder nicht ordentlich.
Übrigens bereiten Ego-Shooter mir Kopfschmerzen, schlimme.

Wortvogel
Wortvogel
11. März, 2009 14:07

“Death Race 2000” mit Stallone und Carradine. Dazu vielleicht noch “Sador – Herrscher im Weltraum”. Die anderen guten Cormans gibt es in deutsch nicht bei Amazon (“Not of this earth”, “Mutant – Das Grauen aus dem All”, “Planet des Schreckens”, “Mächte des Lichts”).

Corman-Filme sind aus Kostengründen notorisch kurz, mit Schnitten kenne ich mich nicht aus.

Peroy
Peroy
11. März, 2009 16:28

Toller Film… und ich hab’ damals bei amazon sogar nur 2,97€ bezahlt… 8)

Dr. Acula
11. März, 2009 16:40

Vom alten “Death Race” mit Stallone und Carradine sind die FSK-16-Auflagen ungekürzt. Können also bedenkenlos gekauft werden (allerdings sollte man keine qualitativen Wunderdinge erwarten, so rein bild- und tontechnisch).