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Mrz 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (41) Heute: Hollywood Man

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

hollywoodman1USA 1976. Regie: Jack Starrett. Darsteller: William Smith, Mary Woronov, Don Stroud, Carmine Caridi, Ray Girardin u.a.

Ich geb’s zu – nach “Race with the Devil” war ich scharf darauf, noch mehr Filme von Jack Starrett zu sehen. Da kam es mir gerade recht, dass der australische DVD-Versand, bei dem ich “No Blade of Grass” bestellte,  “Hollywood Man” für ein paar Dollar mehr ins Paket zu legen bereit war.

Natürlich ist die DVD ein Bootleg – der Film ist allenfalls (semi-legal) in einem 50er-Pack von Mill Creek zu bekommen. Das bedeutet: unscharfes Bild, fullscreen, und noch dazu schwer geschnitten. Die ursprüngliche amerikanische Fassung ist mindestens zehn Minuten länger.

Wird Zeit, dass “Hollywood Man” mal einen anständigen Release bekommt – zumal Quentin Tarantino den Streifen 1996 persönlich für sein erstes Filmfestival in Texas auswählte. Und Hauptdarsteller William “Big Bill” Smith ist immer noch frisch genug, um einen Audiokommentar aufzunehmen. An die Arbeit, meine Herren!

Wo wir gerade bei William Smith sind: auch so ein Typ, auf den ich einen ungesunden Mancrush habe. Smith ist einer von den harten Kerlen, bei dessen Biographie man meint, das müsse doch zu 90 Prozent erfunden sein: Bodybuilder, Boxer, Champion im Armdrücken, Football-Spieler (bei den Wiesbaden Flyers!), Gewichtheber, Ski-Abfahrtsläufer, Soldat, Fitnesstrainer, Universitätsabschluss in Russischer Literatur, Vater von Schwarzenegger in “Conan”, “Adonis” in der letzten Folge von “Batman”, und ebenbürtiger Gegner von Clint Eastwood in “Any which way you can”. Hatte die Rolle von John Saxon in “Enter the Dragon” ebenso verpasst wie die Hauptrolle in der Serie “Kung Fu” – “Tarzan” hat man ihm angeboten, wollte er aber nicht.

Was habe ich den Mann gehasst, als er in der TV-Serie “Reich und arm” Ende der 70er den Bösewicht “Falconetti” spielte. Der hatte immerhin Nick Nolte ermordet! Und im großen Finale bekam er zwar seine gerechte Strafe, nicht jedoch, ohne Peter Strauss mit in den Tod zu nehmen! Unfassbar! Und das alles mit Glasauge!

Smith hätte prima in große Studio-Filme gepasst, zu Regisseuren wie Don Siegel und Sam Peckinpah. Aber wie seinem deutsches Gegenstück Raimund Harmstorf war es Smith nie vergönnt, in die A-Klasse aufzusteigen. Schlimmer noch: trotz seines unbestreitbaren Charismas wurde er meistens als Bösewicht besetzt. Eine gottverdammte Schande!

“Hollywood Man” ist einer der wenigen wirklichen “Showcases”, in denen Smith seine Fähigkeiten zeigen kann. Er spielt de facto sich selbst, den B-Actionstar “Rafe Stoker”. Seine letzten Biker-Filme haben guten Profit eingespielt, aber sein neues Projekt will Hollywood nicht mehr finanzieren. Rafe ist gezwungen, sich mit dem Mafioso Angelo einzulassen, der nicht nur pünktliche Lieferung eines kommerziellen Films verlangt – sondern bei Nichteinhaltung des Vertrages auch gleich alles bekommt, was Rafe noch besitzt. Rafe ist überzeugt, mit seiner vertrauten Crew schnell genug drehen zu können – doch er ahnt nicht, dass Angelo mit Hilfe des durchgedrehten Harvey sicherstellen will, dass er beides bekommt: den Film und Rafes Vermögen. Schon bald hängt Rafe im Zeitplan hoffnungslos hinterher, und sieht sich immer wieder von skrupellosen Gangstern bedroht.

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Schon faszinierend – der Film eines B-Stars, der sich etwas beweisen will, in dem er einen Film über einen B-Star dreht, der sich etwas beweisen will. Art imitates life. Würde man “Hollywood Man” mit Smiths Karriere abgleichen – die Schnittmengen wären vermutlich enorm. An vielen Stellen wirkt der Film geradezu kathartisch, als habe Smith die angesammelte Wut über den Wahnsinn der Filmfinanzierung irgendwie kanalisieren müssen. Dem Mann fehlt ein Blog.

Da ist es fast schon konsequent, dass ein Film über einen Low Budget-Filmer sichtbar am fehlenden Geld krankt: “Hollywood Man” ist mit deutlich mehr Liebe als Dollars gemacht. Harte, krude Schnitte, Anschlussfehler, blecherner Sound, mangelnde Übergänge zwischen den Drehorten, kompletter Verzicht auf Studio-Sets – ich bezweifle, dass der Film mehr Geld gekostet hat als der fiktive Film, den Rafe Stoker drehen will. Das Ergebnis ist nicht schön, nicht elegant, aber wenigstens spannend und mit ungeheuer viel Energie gemacht.

Die meisten Szenen am Set des neusten Stoker-Streifens sind bewusst pseudo-dokumentarisch gehalten, fast als wären sie schnell mal “behind the scenes” bei einem anderen, größeren Projekt gedreht worden (was vermutlich auszuschließen ist). Die besten Stunts, die wir sehen, stammen aus diesem “Film im Film”.

Zu den obskureren Details von “Hollywood Man” gehört zweifellos der Titelsong von Tony Chance, der so gar nicht zum harten Ton passen mag (und ausgerechnet zu Biker-Szenen gespielt wird):

Smiths “likability” als Stoker ist enorm – ein taffer Typ, autoritär am Set, aber immer da für seine Leute, wenn es hart auf hart kommt. Kein Wunder, dass die Crew ihm fast hündisch folgt. Ein geborener Anführer, wie man es als B-Regisseur sein muss. Seine beim Film erworbene Fähigkeit zu improvisieren erweist sich als unschätzbar, wenn es gegen die Mafiosi geht, die alles torpedieren, was er auf die Beine stellen will. Stoker ist kein gebrochener Charakter – er ist ein schwer arbeitender B-Star, der nichts anderes will als Filme machen.

Auch die anderen Darsteller, größtenteils aus Smiths eigener Bikerfilm-Vergangenheit rekrutiert, leisten sich keine Schnitzer. Von Don Stroud kann man nie genug sehen, und von Mary Woronov jederzeit mehr (hier noch als “Waronov”). Sie ist ein echter Hingucker, und als Smiths Freundin ein weit interessanterer Charakter, als die Rolle vermuten läßt.

Gangster Anthony wird übrigens von Carmine Caridi gespielt, der 2004 aus der Academy of Motion Picture Arts and Sciences geflogen ist, weil er Screener der Oscar-nominierten Filme einem Raubkopierer weitergereicht hat.

Das mangelnde Budget und die massiven Schnitte in der mir vorliegenden Fassung lassen nur mangelhafte Rückschlüsse auf die Regie von Jack Starrett zu, aber soweit ich das beurteilen kann, hat er im Rahmen der Möglichkeiten wieder saubere Arbeit abgeliefert.

“Hollywood Man” ist kein edler Studiofilm wie “Race with the Devil”, wirkt teilweise regelrecht unfertig. Das mag auch daran liegen, dass vieles improvisiert scheint, und die Handlung eher “zwischen den Zeilen” erzählt wird. Kein Wunder, wenn man im Vorspann nach den Autoren Ausschau hält:

hollywoodman3VIER Schreiberlinge, und dann noch “assisted by the Cast and the Crew”? Sowas sollte verboten werden! Ein Skript ist kein Hippie-Happening, bei dem jeder mal mitreden darf. Kein Wunder, dass “Hollywood Man” vollgepackt ist mit oberflächlich sympathischen Details, die en gros aber ablenkend wirken (z.B. der Stuntman, der regelmäßig vergisst, bei den Stunts Rafes Lederjacke zu tragen). Und das Ende? Erscheint mir ein bisschen willkürlich, aber besser als das von “Two Lane Blacktop” ist es allemal. Man weiß wenigstens, woran man ist.

Neben der vagen und nicht gut durchstrukturierten Story leidet “Hollywood Man” an einer weiteren Parallele zu seinem eigenen “Film im Film”: er ist zu spät dran. 1976 war die Zeit der Independent-Actionfilme vorbei, Biker und Hippies out, das Drive-In praktisch tot. Mit “Der weiße Hai” hatte die Ära der Blockbuster begonnen, “Star Wars” stand vor der Haustür. Der Produzent, der am Anfang ablehnt, Rafes neusten Film zu produzieren? Er hat vermutlich Recht. Diese Melancholie gibt “Hollywood Man” noch mal einen ganz neuen Subtext.

Letztlich erlaubt die Bootleg-DVD keine abschließende Bewertung. Es lässt sich nicht auseinanderhalten, welche Schnitte aus der Produktion stammen, und welche in späteren Jahren gemacht wurden. Somit ist “Hollywood Man” in der vorliegenden Fassung mehr der Rumpf eines Film. Trotzdem ist er schon ungemein sympathisch, und hat echte Underdog-Qualitäten. In Breitwand, ungeschnitten, und digital restauriert könnte das allerdings eine richtige Perle sein.

Weil online kein Trailer zu finden war, habe ich euch einfach mal einen typischen Arbeitstag von Rafe Stoker hochgeladen, der den pseudo-dokumentarischen Stil des Films gut repräsentiert:

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Im gleichen Jahr entstand übrigens mit “Hollywood Boulevard” ein weiterer Film, der hinter den Kulissen der Traumfabrik spielt, und den ich mir demnächst mal vorknöpfen werde.



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5 Kommentare
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Peroy
Peroy
10. März, 2009 14:28

“Hollywood Boulevard” ist brillant. Von dem gibt es mittlerweile auch eine hübsche DVD von Anolis mit einem Audio-Kommentar, der sich gewaschen hat. Die Fortsetzung ist auch ‘nen Blick wert…

Wortvogel
Wortvogel
10. März, 2009 14:33

@ Peroy: Wenn du 24 Stunden zu dem Thema still hältst, ziehe ich den “Hollywood Boulevard”-Review von nächster Woche auf morgen vor, okay?

Peroy
Peroy
10. März, 2009 14:45

Öh, okay…

Mencken
Mencken
10. März, 2009 17:55

Welcher australische Versand ist das denn? Ich benötige öfter Filme aus Australien 8beruflich), bin mit meiner derzeitigen Wahl (ezydvd) aber nicht sonderlich zufrieden.

Wortvogel
Wortvogel
10. März, 2009 17:56

@ Mencken: Das ging über Ebay.