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Mrz 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (34) Heute: Extreme Movie

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

extreme1USA 2008. Regie: Adam Jay Epstein, Andrew Jacobson. Darsteller: Frankie Muniz, Michael Cera, Jaimie Kennedy

Kennt ihr das auch: Filme, die aus dem Nichts kommen? Ich behaupte ja, halbwegs auf dem Laufenden zu sein, was aktuelle Produktionen angeht. Doch immer wieder knallen mir Streifen auf den cineastischen Kühler, die ich einfach nicht habe kommen sehen. Fertige Filme, abgedreht, geschnitten, und auf Silberscheibe gepresst. Die halte ich dann mit diesem unattraktiven „Hä?“-Gesichtsausdruck in der Hand, und dem blöden Gefühl, hintergangen worden zu sein.

„Extreme Movie“ ist so ein Film. Hat mir keiner gesagt, dass der kommt. Hat sich mir auch nicht vorgestellt. Dem Titel nach vermutete ich eine weitere Variante der „Date/Disaster/Epic Movie“-Reihe, zumal die Macher auch schon verantwortlich waren für den recht gelungenen „Not another Teen Movie“. Bestärkt wurde der Verdacht durch die Mitarbeit einiger Saturday Night Live-Komiker am Script. Michael Cera ist in dem Genre Teen-Comedy seit „Superbad“ und „Juno“ ja sowas wie ein Star.

Doch wieder mal weit gefehlt: „Extreme Movie“ ist ein Sketchfilm. Über Teenager. Teenager und Sex. Teenager und Analsex. Teenager und Homosex. Teenager und Sex mit Abraham Lincoln. Teenager und Sex mit Schafen. Teenager und Sex mit Schaumstoff-Vaginas. Teenager und Sex mit Handys. Teenager und Sex mit Puppen. Mit dabei: Geschlechtskrankheiten und jede Menge Fürze. Irgendwo mittendrin: eine Mini-Rahmenhandlung – und Matthew Lillard, der bedenkliche Sex-Tipps gibt: „Wenn du beim Sex gerne gewürgt wirst, ist das okay – steht doch jeder drauf, zumindest ein bisschen. Aber nicht übertreiben: ein blaues Gesicht ist ein Warnsignal!“

extreme2

Ihr merkt schon: „American Pie“ ohne die Handlung zwischen den unappetitlichen Teilen. Reduziert auf das Nötigste. Zielgruppe: verklemmte 13jährige, Hohlköpfe und Kiffer. Zutreffendes bitte ankreuzen, Mehrfachnennungen sind möglich.

Kann man das lustig finden? Kann man. Auf dem denkbar niedrigsten Level. Da, wo sich auch „Mädchen, Mädchen“ und „Disaster Movie“ rumtreiben. Aber man muss humortechnisch schon arg dehydriert sein.

„Extreme Movie“ funktioniert weniger als Comedy, und mehr als Studienobjekt über das verklemmte Amerika, in dem Sex grundsätzlich peinlich, schmutzig, oder pervers sein muss. In einem anderen Kontext kann und wird Teen-Sex ja nie behandelt. Oberpeinlich ist demnach, wenn man für schwul gehalten wird. Und trotzdem ist alles nur Gerede – haltet unsere Leinwand sauber! Exakt EINE Darstellerin zeigt zwei Sekunden lang ihre Brüste (Parodie auf Girlfriend-Webcam-Filme, die im Netz kursieren), und der Rest der Nippelage kommt von zwei Pornoschauspielerinnen. Männliche Genitalien oder weibliche Full Frontal? Fehlanzeige.

Was für eine verlogene Sülze. Und dann auch noch den Plot von „Weird Science“ komplett für einen superlahmen Sketch klauen. „Extreme“ my ass!

Solltet ihr auf der Suche nach Teenager-Komödien sein, die euch vielleicht entgangen sind, empfehle ich „Trojan War“. Wenn ihr was zu den komplizierten Mann/Frau-Beziehungen wissen wollt, greift zu „Sexual Life“. Falls Sketche euer Ding sind, besorgt euch ein DVD Box Set von „The Fast Show“.

Im Fall von „Extreme Movie“ rate ich in der Tradition von Pain und der Obertunte Splatter zu „extreme stehenlassing“.

Trailer kann nicht eingebettet werden, ihr findet ihn hier.



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31 Kommentare
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Christian H.
Christian H.
3. März, 2009 12:23

Hm… zwei Sekunden Brüste? Ich habe Filme schon für weniger ertragen 😉
Als ich gerade Michael Cera auf dem Filmplakat sah dachte ich: “Woah, bestimmt eine Perle! Muss ich schauen”. Aber das erübrigt sich dann jetzt wohl eher 😉

Mencken
Mencken
3. März, 2009 12:33

“„Extreme Movie“ funktioniert weniger als Comedy, und mehr als Studienobjekt über das verklemmte Amerika, in dem Sex grundsätzlich peinlich, schmutzig, oder pervers sein muss”

Naja, beim Sex bin ich in zwei von drei Punkten sogar einer Meinung mit Amerika.

Dieter
Dieter
3. März, 2009 13:04

@Mencken: Echt? Wenn man bedenkt, dass Jugendlichen in einigen Staaten Gefängnisstrafe droht, beispielsweise, wenn ein 16jähriger mit einer 15jährigen intim wird, wird er wegen Verführung Minderjähriger verfolgt, die Wirklichkeit mit den verfetteten Jugendlichen, wo die Mädchen tausend Klamotten unter den Tops tragen, um ja alles zu verhüllen, im TV die Charmed-Hexen aber nur mit einem Hauch bekleidet sind, fällt mir nur ein: Verlogen, bigott, erbärmlich, lebensfeindlich.

David Bowie sagte mal sinngemäß, irgendwann gehe das so weit, dass man auf den Konzerten die Beine des Klaviers verhüllen müsse.

An meinem Gymnasium waren mal amerikanische Austauschschüler. Im Sommer. Denen fielen fast die Augen aus dem Kopf, als sie die Mädchen sahen.

Wortvogel
Wortvogel
3. März, 2009 13:14

@ Dieter: Da kenne ich auch genügend Geschichten. In den USA ist ein geflügeltes Wort zum Thema Jugendfreigabe: “Im Film darf man eine Brust abschneiden – küssen darf man sie nicht”.

Mädels tragen da selbst nachts gerne BH.

Ach ja: Sex vor der Ehe mag absolut no no sein – aber oral und anal geht auch in der Mittagspause…

Stephan
Stephan
3. März, 2009 13:46

@Dieter
Ich glaube Du hast Menckens Witz nicht verstanden…

Tornhill
Tornhill
3. März, 2009 14:01

Aber lustig, dass ein gewisser Sexyness-Grad da in manchen Gegenden wohl schon erwartet wird: Eine Klassenkameradin von mir war mal als Austauschstudentin in den Staaten und erzählte, dass es zwar als unmöglich galt, sich am Strand umzuziehen, es aber ebenso daneben angesehen wurde, einen einteiligen (also den Bauch mit bedeckenden) Badeanzug zu tragen. Musste schon Bikini sein, der aber bitte im Verborgenen angelegt wird.

Peroy
Peroy
3. März, 2009 14:11

“Doch wieder mal weit gefehlt: „Extreme Movie“ ist ein Sketchfilm. Über Teenager. Teenager und Sex. Teenager und Analsex. Teenager und Homosex. Teenager und Sex mit Abraham Lincoln. Teenager und Sex mit Schafen. Teenager und Sex mit Schaumstoff-Vaginas. Teenager und Sex mit Handys. Teenager und Sex mit Puppen. Mit dabei: Geschlechtskrankheiten und jede Menge Fürze. Irgendwo mittendrin: eine Mini-Rahmenhandlung – und Matthew Lillard, der bedenkliche Sex-Tipps gibt: „Wenn du beim Sex gerne gewürgt wirst, ist das okay – steht doch jeder drauf, zumindest ein bisschen. Aber nicht übertreiben: ein blaues Gesicht ist ein Warnsignal!“”

Liest sich wieder der neueste Larry Clark-Streifen…

Marco
Marco
3. März, 2009 15:26

“Solltet ihr auf der Suche nach Teenager-Komödien sein, die euch vielleicht entgangen sind, empfehle ich „Trojan War“. ”

Und ich empfehle “Weil ich ein Mädchen bin” (“But I’m a Cheerleader”), eine der ehrlichsten Teeniekomödien, die ich seit langem gesehen habe. Das ist dann auch gleich noch ein Beitrag zum Thema Prüderie und Doppelmoral.

Peroy
Peroy
3. März, 2009 15:28

Ich will meine Komödien nicht ehrlich, ich will sie lustig…

Lutz
Lutz
3. März, 2009 15:53

Oh, bitte keine Plattitüden über amerikanische Teenager und Sex. Meine Erfahrung ist, dass es jede Menge von denen gibt, die da wesentlich lockerer mit umgehen und nicht gleich in jedes dieser typischen Film Klischees fallen. Natürlich gibt es auch viele, die in die andere Gruppe gehören, aber das ist ja überall so. Wenn ich mir ansehe, wie viele Teenager in Deutschland so drauf sind, muss ich sagen dass man die Klischees zu einem Großteil auch auf Deutschland anwenden kann. Nur dass es hier nicht so diese krassen Typisierungen gibt.

Als ich “Extreme Movie” las, dachte ich zuerst auch, das wäre ein weiteres werk der Herren von “Epic Movie” und Konsorten.. Nach lesen des Artikels mag das zwar nicht ganz so mies sein, aber interessant klingt es trotzdem nicht. Ich wünschste mir ganz ehrlich mal eine Teenager Sex Komödie (die auch gerne platt sein kann), in der Sex nicht peinlich, pervers und schmutzig ist, sondern diejenigen, die es so sehen mal richtig vorgeführt werden.

Wortvogel
Wortvogel
3. März, 2009 16:03

@ Lutz: nicht gleich “Plattitüden” unterstellen – ich weiß schon, wovon ich rede. Der Umgang mit Sex ist bei amerikanischen Teenagern tatsächlich vielfach anders als bei uns, weil religiöse, erzieherische, und gruppendynamische Mechanismen sich unterscheiden.

Nach meiner Erfahrung sieht das stark vereinfacht in etwa so aus: Sex ist versteckter, aber oft aggressiver und häufiger. Hinzu kommt, dass die Regeln klarer gesetzt sind: blowjobs sind eher Kleinkram, und bedeuten nicht, dass die brave Prediger-Tochter sowas wie Sex hat. Wie gedated wird, hat einen ganz eigenen Kodex, den wir hier gar nicht nachvollziehen können. Es ist alles sehr ritualisiert. Die prüde Moral, die Amerika durchzieht, führt dazu, dass Sex (auch gerne kinky) nicht als unmoralisch gilt, solange man sich nicht erwischen lässt. Die Heuchelei hat ganz andere Ausmaße als bei uns. Wir reden schließlich von einem Land, das sich immer noch mit dem Sexualkundeunterricht sehr schwer tut, und in dem an Schulen Abstinenz als sicherstes Mittel gegen Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten gelehrt wird. Da helfen auch keine Statistiken, die zumindest nahelegen, dass viele Teenager-Schwangerschaften die Folge solcher Ignoranz sind.

Deutschland ist ERHEBLICH liberaler als die USA, und unsere Jugend reflektiert das. Dass hier auch nicht alles Rosen und Regenbogen ist, liegt auf der Hand. Aber der Erfolgsdruck, dem amerikanische Teenager ausgesetzt sind, existiert hier nur marginal.

Lutz
Lutz
3. März, 2009 16:05

@ Wortvogel
Ich meinte damit nicht deinen Artikel, sondern die Kommentare.

Werde erstmal kurz aus dem Haus gehen und mich dann eingehender mit deiner Reply beschäftigen.

milan8888
milan8888
3. März, 2009 16:06

Der Erfolgsdruck nicht schwanger zu werden?

Marco
Marco
3. März, 2009 16:13

“Deutschland ist ERHEBLICH liberaler als die USA, und unsere Jugend reflektiert das.”

Ob das besser ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Wortvogel
Wortvogel
3. März, 2009 16:15

@ Marco: Nö. Anders als in den USA ist Liberalität hier kein Schimpfwort, und es ist nicht synonym mit “promisk”.

Grinsi KleinPo
Grinsi KleinPo
3. März, 2009 16:20

@milan8888: Der Erfolgsdruck ein würstchen zu grillen (einen weg zu stecken) oder genügent Holz fürs grillen zu haben. Nehme ich mal an. Nicht um sonst gibt es das Klische das man auf dem College nach möglichkeit keine Jungfrau mehr seinen sollte und du als Quaterback nicht nur die gegnerische Footballmanschaft vernaschen mußt.

Grinsi KleinPo
Grinsi KleinPo
3. März, 2009 16:21

btw die Amies überbewerten Sex einfach zu sehr. Wie so manch anderes auch.

Am Ende soll nur die Art erhalten bleiben oder Gottes Gebot vom fruchtbar sein und sich mehren erfüllt.

Marco
Marco
3. März, 2009 16:25

@Wortvogel
Das ist schon richtig. Aber wenn ich mich so umsehe, bin ich mir nicht sicher, ob man da noch von Liberalität sprechen kann. Sozialwissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang ja gerne auch von “sexueller Verwahrlosung”. Ich will ja mit meinen 34 Jahren nicht vom Krieg erzählen, aber bei uns war das alles doch noch ein bisschen anders.

Wortvogel
Wortvogel
3. März, 2009 16:27

@ Marco: Das ist ein anderes Thema – ein bedenkliches, zugegeben. Manchmal habe ich das Gefühl, es zählt bei den Teenies mehr, wie radikal man sich verschenkt, als wie rar man sich macht. Den Preis zahlen fast immer die Mädchen.

Aber ich bin da kein Experte. Ist nur mein Eindruck.

Peroy
Peroy
3. März, 2009 16:29

“Abstinenz als sicherstes Mittel gegen Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten”

Na ja, das isses auch… eigentlich, wenn man mal so drüber nachdenkt… 😛

Grinsi KleinPo
Grinsi KleinPo
3. März, 2009 16:34

@Peroy: Hmmm noch besser wäre es gewesen, wenn die Eltern ihre Kinder erst garnicht bekommen hätten, dann würde die Gefahr einer Schwangerschaft oder einer Geschlechtskrankheit erst garnicht aufkommen und das Thema “Versuchung” hätte sich dann auch in Luft aufgelöst. Nur das mit Gottes Auftrag, du weißt schon fruchtbar sein und sich mehren, das würde dann ein Problem werden.

Ich gebe hier dann mal zu bedenken, dass verbotene Früchte immer die süssesten sind und die Versuchung immer obsiegt.

Peroy
Peroy
3. März, 2009 16:38

Man muss halt lernen, sich durzuwieseln… das ist es, was den Mensch vom Tier unterscheidet.

Das Wiesel ausgenommen…

Grinsi KleinPo
Grinsi KleinPo
3. März, 2009 16:39

mal was ganz anderes. Wenn man sich diesen Film a la was sie schon immer wissen wollten, aber nie wagten zu fragen anschaut und sich auf der anderen Seite die hübschen Magazine auf Papier ansieht, dann kann man schon so ins grübeln kommen. Ich meine jetzt nicht solche Kunstdrucke wie Hustler, Playboy, Penthouse, ich meine viel mehr die Veröffentlichungen von Marvel, DC, Epic, Dark Horse und Co. Da gibt es auf Papier mehr zu sehen als es je in einem Film aus Hollywood zu sehen gab. Sei es nun Gewalt, Perversion oder Sex/Erotik/Exotik.

Lutz
Lutz
3. März, 2009 16:51

So, wieder da… Ich will noch auf ein paar Statements eingehen.

Zunächst: Dass ich längere Zeit in den USA lebte, ist inzwischen schon weit über zehn Jahre her und ich weiß auch, dass sich Jugendkultur in dieser Zeit erheblich verändert. Dennoch habe ich immer Kontakt mit “Drüben” gehalten und habe auch noch weiterhin Kontakt mit Jugendlichen.

Du hast schon recht, dass in den USA Dating und all diese Sachen erhebliche ritualisierter sind. Blowjobs sind auch in den USA kleine “Kleinigkeit”, aber während sie hier eher zum Vorspiel gehören, ist es unter weiblichen Teenagern dort akzeptierter, auf diese Weise Sexualität zu erleben, ohne gleich Sex zu haben. Auf die Weise kriegt der Junge, was er will und die Jungfernschaft bleibt (vorerst) erhalten, wie du schon andeutetetest.

Ich finde trotzdem, dass man all das nicht auf die ganzen Teenager verallgemeinern kann. Ich bin der Ansicht, dass die USA ein sehr vielfältiges Land sind, bei dem jedes gegensätzliche Klischee, dass man anwendet, immer gleichzeitig stimmt und nicht stimmt. Man kann sagen, dass die Amis fett sind und man kann sagen, dass die Amis Sportskanonen sind. Ebenso kann man sagen, dass sie religiöse Fanatiker sind und dass sie gottlose “Liberals” sind. Daher lässt sich das so schwer diskutieren, weil jeder sein eigenes Bild von Amerikanern im Kopf hat, das oft aus gegensätzlichen Vorurteilen besteht.

Was das ganze Datinggeschehen angeht, habe ich das für mich immer in der Form vereinfacht, dass es ein beklopptes Spiel ist, bei dem die Eltern unter allen Umständen verhindern wollen, dass die Kinder Sex haben und die Kinder unter allen Umständen versuchen, das zu umgehen. Auch das trifft nicht auf alle zu, es gibt auch eine Menge liberaler Eltern (und extrem konservativer Jugendlicher) aber das Dating-Ritual baut dennoch auf diesem Mechanismus auf.

Ich finde, man muss dabei im Kopf behalten, dass die USA aus verschiedenen Regionen besteht, die unterschiedlich konservativ sind. Ich lebte damals beispielsweise im Bible Belt, aber auch dort gab es jede Menge offener und liberaler Leute. Es ist nur eben immer so, dass diejenigen, die am lautesten Schreien die meiste Aufmerksamkeit bekommen, und dadurch, dass sie sich an puritanische Traditionen klammern, aus denen die USA nun einmal kommen, wird dies besonders in diesen Regionen stärker diskutiert. Ich will das nicht verharmlosen, gerade im Bible Belt kann das schon gefährliche Auswüchse haben und gerade dort ist die Anzahl konservativer Deppen auf jeden Fall größer.

Aber dennoch gibt es überall auch jede Menge Anderer und unterschwellig ist das Verhalten auch schon stark anders als das, was von den Schreihälsen gepredigt wird.

Dass Sexualkunde in den Schulen noch immer ein Thema ist, liegt übrigens vor allem daran, dass der Unterrichtsstoff halt nicht von einem Kultusministerium, sondern von einem Board of Education bestimmt wird, dass sich in jedem Schuldistrikt unterscheidet und zu einem Großteil aus normalen Bürgern zusammensetzt. Dadurch kommt es dort immer wieder zu Auseinandersetzungen und darum kann dort auch immer wieder jede durchgeknallte Mutter ihr Anliegen vortragen. Ich bin mir wirklich sicher, dass das in Deutschland nicht so sehr viel anders wäre, wenn wir hier ähnliche Verhältnisse hätten. Auch hier gibt es jede Menge Menschen, die ein erhebliches Problem im Umgang mit Sexualität und sexueller Aufklärung haben. Die Anzahl der Eltern, die in Deutschland frühzeitig mit altersgemäßer Aufklärung beginnen, ist auch hier wesentlich kleiner als man glauben mag.

Ich stimme dir zwar zu, dass sich Deutschland unterm Strich liberaler gibt als die USA und dass wir das Glück haben, dass hier die Meinung vorherrscht, dass nicht jedem religiösen Fanatiker ein Sprachrohr dargeboten wird, aber ich denke trotzdem, dass diese Liberalität nicht wirklich das ausdrückt, was das viele in der Gesellschaft denken und fühlen. Gerade was Themen wie Homosexualität angeht, ist die Spannweite der verschiedenen Meinungen gar nicht mal so anders als in den USA. Nur hat sich hier eben von oben durchgesetzt, dass man darüber nicht mehr zu diskutieren hat. Dadurch diskriminieren die meisten halt für sich im Stillen vor sich hin.

Wortvogel
Wortvogel
3. März, 2009 17:11

@ Lutz: Zuerst einmal habe ich durchaus klargemacht, dass man meine Aussagen nicht verallgemeinern kann. Das macht sie aber tendenziell nicht falsch – weil es auch liberale und sexuell befreite Amerikaner gibt, ändert dass nichts in der Tatsache, dass die Amerikaner en gros eher anders sind. Und natürlich ist in den USA der Umgang mit Sexualität sehr stark abhängig vom jeweiligen Bundesstaats und den geographischen Gegebenheiten – aber auch das widerlegt keine meiner Aussagen.

Fürs Protokoll: Ich meine nie ALLE Amerikaner, sondern nur eine statistisch relevante Mehrheit. Und da stimmst du mir ja weitgehend zu.

Was den Sexualkundeunterricht angeht: Deine Begründung, WARUM es so ist, invalidiert meine Aussage nicht. Die USA haben in vielen Lebensbereichen das Problem, dass der Staat keinen verbindlichen Konsens vorgibt, und man immer hoffen muss, dass die Nachbarn keine Spinner sind: Kirche, Gewerkschaft, Schule. Die mögen das für Freiheit halten, ich halte es für destruktiv.

Ich halte auch die Ritualisierung für gefährlich, weil sie jeden Diskurs erstickt: Tochter will vögeln, Papa ist streng dagegen. Sie tut es heimlich, er beruhigt sich mit: “Wenigstens habe ich es versucht”. Hauptsache, der Vater hat seinem erwarteten Modell entsprochen. So ist es ja auch mit der Abstinenz – man predigt sie, aber wenn die Statistik beweist, dass sie nicht funktioniert, ist das kein Grund zum umdenken. Wichtig ist der moralische Anspruch, nicht das Ergebnis.

Sarah Palin war doch ein schönes Beispiel: die Tochter hat minderjährig Sex, wird schwanger – aber was die Konservativen interessiert, ist die Tatsache, dass sie nicht abgetrieben hat. Die relevante Diskussion (hat Palin als konservative Mutter versagt, oder funktioniert das Abstinenz-Prinzip in weiten Teilen nicht?) wird gar nicht geführt.

Lutz
Lutz
3. März, 2009 17:39

Nun ja, mit der Gefahr der Ritualisierung hast du recht, aber es ist ja weniger so, dass der Papa sagt “Ich habe es wenigstens versucht.” In der Regel weiß er, wenn Töchting nicht schwanger wird, ja gar nichts davon. Das liegt aber auch an dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, dass in den USA vorherrscht. Eltern sind noch wesentlich mehr Respektspersonen, zu denen man zwar auch ein herzliches Verhältnis hat, deren Regeln aber nicht gebrochen werden dürfen (bestes Beispiel ist das Riesen Tam-Tam, dass immer gemacht wird, wenn man nur 5 Minuten nach der abgesprochenen Zeit nach Hause kommt). Aus dem Grund läuft eben alles heimlich ab.

Was die Doppelmoral der religiösen Rechten und der Ultra-Konservativen angeht, sind wir ebenso d’accord. Nur, ebendas, was du über Sarah Palin sagst, wurde eben auch von vielen Amerikanern auch so gesagt.

Es geht mir gar nicht darum, deine Argumente zu entkräften. Mein Hauptpunkt ist eigentlich auch ein Anderer: Auf den Punkt gebracht bin ich eben der Meinung, dass die Einstellungen des Einzelnen auch in Deutschland in vielen Bereichen nicht weniger spießig, prüde und bigott sind als die der Amerikaner. Nur ist halt der Unterschied, dass es dem Einzelnen in Deutschland nicht so leicht gemacht wird, sich zu Wort zu melden und damit auch noch Einfluss zu bekommen. Ich will damit nicht sagen, dass wir letzendlich alle gleich sind, es gibt schon noch kulturelle Unterschiede. Aber gerade was die Einstellung zu Sexualität angeht (und auch gerade innerhalb der Jugend), denke ich, dass viele in Deutschland nicht so sehr anders sind. Und ehrlich gesagt kann ich da in deinem letzten Posting auch keinen allzugroßen Widerspruch dazu lesen.

Mich ärgert es halt, dass wir uns immer sehr schnell herablassend auf “Die prüden verrücken Amerikaner” herabsehen, wenn nach meiner Erfahrung, die meisten in Deutschland nicht weniger prüde und verrückt sind, nur dass eben der gesellschaftliche Grundkonsens ein wenig anders ist.

Wortvogel
Wortvogel
3. März, 2009 18:13

@ Lutz: Ich denke auch, dass wir uns generell einig sind, aber zwei Punkte scheinen mir noch wichtig:

– Ich bleibe dabei, dass wir in Deutschland, historisch und kulturell bedingt, in der Masse liberaler sind
– Wenn eine Tochter ihre Eltern hintergeht, sind die eben KEINE Respektspersonen. Es geht um den ANSCHEIN des Respekts. Das ist die Heuchelei, von der ich sprach. Beide Seiten lügen sich in die Tasche, aber solange es nach außen proper bleibt, ist das okay.

Stephan
Stephan
3. März, 2009 20:00

Auch wenn ich Torsten in der Sache zustimme, möchte ich anmerken, daß mir persönlich ein Plus an Freiheit (wie Du es oben ansprichst) lieber wäre, als ein Oktroy an Denk- und Sprechverboten (ich möchte den ausgelutschten Begriff der political correctness nicht strapazieren, aber er trifft es recht gut).
Sollte es im übrigen zutreffen, daß “ja die meisten Leute auch in Deutschland eh so denken” (freies Zitat), es aber nicht gesagt/geschrieben werden darf, ist das Totalitarismus. Einer mit besten Absichten – aber die hat ja eigentlich jedes totalitäre System.

Wortvogel
Wortvogel
3. März, 2009 20:55

@ Stephan: Aber genau so sieht es doch aus – man hat hierzulande (abgesehen von ein paar historisch bedingten Sensibilitäten) extrem viel Meinungsfreiheit. Dagegen ist Amerika ein Gulag. Nach meinem Gefühl verlangt unsere Gesellschaft deutlich weniger, dass man sich an eine Sackladung Spielregeln hält, um einem Volksbild zu entsprechen.

Lutz
Lutz
3. März, 2009 21:17

In den USA ist der Lobbyismus einfach wesentlich tiefer verankert wenn es um Belange geht, die mit Werten zu haben.

Ich bin was die “Freiheit” angeht, zwiegespalten. Einerseits finde ich es in der Tat oft bewundernswert, wieviel Einfluss der Staat der Bevölkerung einräumt, aber andererseits kann dies auch schnell ausgenutzt werden. Und da, wie ich ja immer wieder gerne postuliere, jedem, der nur laut genug schreit, in den Medien auch Raum geboten wird, werden somit Dinge, die meistens nur Ansichten von aufmerksamkeitsheischenden Minderheiten sind, auf einmal zu Themen, die ernsthaft diskutiert werden müssen.

Stephan
Stephan
3. März, 2009 22:23

@Torsten
Das sehe ich anders. Von den “historischen Sensibiliäten” abgesehen, brauchst Du auch nicht versuchen Dich öffentlich über “Gender-Mainstreaming”, “Gay-Rights” oder “Kriminalität mit Migrantenhintergrund” zu sprechen. Aber ich fürchte das würde nun zu weit führen.