16
Jan 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (11)Heute: Two Lane Blacktop

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

twolane1

USA 1971

Regie: Monte Hellman

Darsteller: James Taylor, Warren Oates, Laurie Bird, Dennis Wilson, Harry Dean Stanton

Ich beginne, meinen Review-Marathon zu genießen. Die meisten Klassiker, die ich nun nachhole, sind tatsächlich ziemlich cool. Man lernt nie aus, und ich muss mich in Zukunft auch nicht mehr schämen, wenn in der Kneipe das Gespräch auf einen dieser Filme kommt.

Es gibt aber auch Fälle, da kratze ich mich am Kopf, hebe die rechte Augenbraue, und mache mit den Lippen ein leises Furzgeräusch. Das ist nämlich meine mimische Umsetzung des ungleich knapperen “What the fuck?!”.

“Two Lane Blacktop” hat sich im Laufe der 80er und 90er Jahre einen absoluten Kultstatus erarbeitet: Tarantino und Linklater (“like a drive-in movie directed by a French New Wave director”) vergöttern ihn, er taucht regelmäßig in den Listen der “lost classics” auf, und provoziert masturbative Kritiken wie diese:

“Vermutlich war es diese Verweigerung eines narrativen Aufbaus, der Two-Lane Blacktop damals um seine Chance an der Kassa brachte, doch heute lässt ihn diese Vorgangsweise ungeahnt modern und frisch erscheinen: Im klaren Blick auf die Figuren und Landschaften gelingt es Hellmans Film als einzigem ohne falschen Pathos oder verklärende Ideale das Lebensgefühl des Fahrens einzufangen.”

“Von der Langeweile zu erzählen ohne selbst langweilig zu werden, ist natürlich eine der schwierigsten Aufgaben. Es spricht für den Künstler Hellman, dass sich diese Frage nicht einmal stellt. “

“Während Taylors Wortlosigkeit ein brennendes Verlangen dahinter ahnen lässt, wirkt Wilson ausgewogener, zufrieden mit seiner driftenden Existenz, allerdings mehr aus bekiffter Ambitionslosigkeit, ein bisschen wie die Helden von Pynchons Romanen, mit denen dieser Film auch die zerfallende Struktur teilt) – ein seltsames technobabble, das für den Uneingeweihten genausogut aus einem Science-Fiction-Film stammen könnte.”

Willkommen zu “Two Lane Blacktop”. Endlich ein Film-Klassiker, für den ich augenscheinlich zu doof bin. Die Drögnis und Leere des Lebens als Straßenrennnen-Fahrer wird perfekt transportiert durch die unglaubliche Drögnis und Leere in der Inszenierung.

Nicht, dass der Film konzeptionell falsch angelegt wäre – im Gegenteil: hier gibt es alles, was ein knackiger B-Film braucht. Zwei Jungs mit einer aufgemotzten Karre, ein Hippie Girl ohne BH und sexuelle Spießbürgerlichkeit, ein Großkotz mit einem gelben GTO, der eine Lektion verdient. Die Spielwiese: endlose Straßen durch das amerikanische Hinterland, Richtung Ostküste.

twolane2 Leider hat sich Hellman (vermutlich unter dem Einfluss bewußtseinsbeschränkender Drogen) entschieden, einen existenzialistischen Autorenfilm zu drehen, der dem neu-römischen Spektakel der Straßenrennen die Maske vom hässlichen Gesicht reißt. Das erreicht er durch ein Maximum an filmischer Langeweile, und den völligen Verzicht auf Charaktere, Handlung, und… ääähhh… genau, Straßenrennen.

Zu “verdanken” haben wir einen Gutteil des Fiaskos der Tatsache, dass Hellman trendy trendy mit Non-Schauspielern drehen wollte (es war die Zeit – Fassbinder hat das auch gerne gemacht). Allerdings nerven die ausdruckslosen Fressen der Musiker James Taylor (Sangespartner von Carly Simon) und Dennis Wilson (Beach Boys) schon nach 15 Minuten, und Laurie Bird ist zwar niedlich, aber doch provozierend abwesend. Einzig der großartige Warren Oates (siehe auch “Race with the Devil”) fällt in der schmerzhaften Eintönigkeit auf – weil er tatsächlich schauspielt, tatsächlich einen Charakter darstellt, der unser marginales Interesse weckt.

Die handelnden Personen haben keine Namen. Vielleicht, weil sie als Archetypen für uns alle stehen. Oder für niemanden. Möglicherweise bedeutet das was. Oder auch nicht. In “Driver” hab’ ich’s verstanden. Hier – Furzgeräusch.

Womöglich gehöre ich zur falschen Generation, vermutlich ist es meine Schuld, dass ich etwas nicht sehen will, was ich sehen sollte. Aber der ganze verquaste Kram aus der oben verlinkten Kritik erschließt sich mir nicht. Mag sein, dass die Langeweile des Films irgendwie analog zur Langeweile des Alltags der Protagonisten stehen soll – aber ist die Aufgabe des Regisseurs, auch in einem Film über die Natur der Langweile, nicht immer noch die Unterhaltung des Publikums? Es kann doch kein Bonus sein, wenn ich mich nach faktischen 102, aber gefühlten 182 Minuten so sehr nach dem finalen Rettungsschuss sehne wie die Hauptfiguren.

Minutenlanges Schweigen, Leute tanken, Leute sitzen, Leute fahren. Man trinkt, isst, schläft. Ersatzteile für das Auto. Ein Anhalter. Noch einer. Mehr Schweigen. Willst du ein Ei? I can’t get no satisfaction. Geld heißt “bread”.

Klar kann man das Ende so beschreiben: “Wo es kein Verstehen mehr gibt, bleibt nur noch die völlige Auflösung der Fiktion. Two-Lane Blacktop hat eines der einzigartigsten Enden der Filmgeschichte, das gnadenlos die eigene Selbstauslöschung betreibt.”

Ich aber sage: Das Ende ist eine Frechheit, die noch durch die Tatsache gesteigert wird, dass man nicht mehr an die Kinokasse gehen kann, um sein Geld zurückzuverlangen. Auflösung, Selbstauslöschung – du mich auch.

Ein Film, der nervt. Einfach nur nervt.

Der Trailer verkauft ein Versprechen von Spannung, Action und Konflikt, das der Film bewusst nicht einzulösen gedenkt:

http://de.youtube.com/watch?v=JKcIGPQST9s



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22 Kommentare
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Marko
16. Januar, 2009 11:33

Kannste das Ende nicht mal (versteckt) spoilern? Ich werde den Film eh nicht sehen und würde trotzdem gerne wissen, warum das Ende eine Frechheit ist.

Gruß,
Marko

Peroy
Peroy
16. Januar, 2009 12:00

Ich kenne Monte Hellman nur als Regisseur von “Silent Night, Deadly Night III”… da war es mit der Autorenfilmer-Kariere wohl nicht weit hin…

Lutz
Lutz
16. Januar, 2009 12:04

Bin gerade etwas verwundert, dass das so ein Kultfilm ist und ich noch niemals davon gehört habe. Man lernt eben nie aus.

Ich muss dir aber widersprechen. Vielleicht liegt es daran, dass ich Filme, in denen Autos im Mittelpunkt stehen, generell eher langweilig finde, vielleicht auch an der altmodischen Art, wie dieser Trailer daherkommt, aber für mich verheißt dieser Trailer keine Spannung, sondern vor allem nerviges Motorengeräusch und uninteressante Charaktere.

Wortvogel
Wortvogel
16. Januar, 2009 12:12

@ Lutz: genau, und jetzt stell dir DAVON mal die langweilige Version vor 😉

Mencken
Mencken
16. Januar, 2009 16:05

Ich finde den Film eigentlich ziemlich super, allerdings hauptsächlich weil mir der Look gut gefällt, ich derartige Autofahrten auch gerne selbst gemacht habe und Warren Oates natürlich immer rockt. Den Verzicht auf Action etc. fand ich auch ganz erfrischend, kann aber verstehen, warum das Leute nerven mag. Idealerweise sollte man den Film als eine Art “Kaminfeuer-DVD” betrachten und dann kann die Angelegenheit schon unterhalten.

Peroy
Peroy
16. Januar, 2009 16:58

“Ich finde den Film eigentlich ziemlich super, allerdings hauptsächlich weil mir der Look gut gefällt, ich derartige Autofahrten auch gerne selbst gemacht habe und Warren Oates natürlich immer rockt. Den Verzicht auf Action etc. fand ich auch ganz erfrischend, kann aber verstehen, warum das Leute nerven mag. Idealerweise sollte man den Film als eine Art “Kaminfeuer-DVD” betrachten und dann kann die Angelegenheit schon unterhalten.”

Ja, glotz auch stundenlang ins Aquarium und bin gebannt vor Spannung… 😕

Mencken
Mencken
16. Januar, 2009 19:07

Der Punkt ist ja, daß ich Spannung in diesem Fall nicht brauche oder erwarte, aber mag sein, daß es auch Leute gibt, die sich ein Aquarium in der Hoffnung holen, etwas mehr Spannung in ihr Leben zu bringen (und das vielleicht sogar auch noch schaffen).

Wortvogel
Wortvogel
16. Januar, 2009 19:13

@ Mencken: Funktion eines Aquariums ist Entspannung. Funktion eines Films ist Spannung. Filme sind keine Aquarien.

Jack Crow
Jack Crow
16. Januar, 2009 19:27

Hm, wenn die Funktion eines Filmes = Spannung ist, muss der Begriff hier in einem weiteren Sinne gemeint sein – ansonsten find ich das ein wenig eng (andererseits bist du natürlich der Experte ;-)) – ich finde es gibt genug Filme in denen im Prinzip nichts passiert und die trotzdem unterhaltsam sind (“Coffee & Cigarettes” oder “Before Sunrise” fallen mir spontan ein). Nur muss dann natürlich der Dialog gut sein und von glaubwürdigen Charakteren rübergebracht werden – was hier augenscheinlich nicht geschieht. Das Grundprinzip “Leute fahren mit nem Auto durch die Gegend und unterhalten sich” an sich könnte IMO durchaus was hergeben.

Lindwurm
16. Januar, 2009 19:46

Wenn schon 70er-Jahre-Autofilme, dann bitte “Vanishing Point”, “Duel” und “Death Race 2000” 🙂

Marko
16. Januar, 2009 19:49

Ein Aquarium soll Entspannung sein? Ts, Ihr habt offensichtlich niemals versucht, Skalare zu züchten! 😉

Gruß,
Marko

Wortvogel
Wortvogel
16. Januar, 2009 19:50

@ Jack: Spannung ist hier nicht im Sinne von Suspense gemeint – so wie bei der “Astro Saga”-Diskussion Konflikt nicht im Sinne von “Streit” gemeint war.

Spannung bedeutet nur ein aktives Interesse des Films, des Zuschauer an sich zu binden – er soll “gespannt” bleiben, was passiert.

Im Fall von “Coffee & Cigarettes” sind es die witzigen Dialoge, die seltsamen Charaktere, und die Unberechenbarkeit des Plots, die uns am Schirm halten. Ebenso bei Filmen wie “Smoke” und “Blue in the face”. Die sind durchaus “spannend”.

In meinen Augen unternimmt “Two Lane Blacktop” einfach keinen Versuch, den Zuschauer mitzunehmen, oder sich ihm weit genug zu öffnen, dass er überhaupt Interesse entwickeln kann.

Will Tippin
Will Tippin
16. Januar, 2009 19:54

Das ist der langweiligste Trailer den ich je gesehen habe.

Mencken
Mencken
16. Januar, 2009 20:14

Mag sein, aber wenn wir Spannung lediglich mit “aktivem Interesse” gleichsetzen hinkt natürlich auch der Aquariumsvergleich.

Kent
Kent
16. Januar, 2009 20:16

vielleicht trifft das eher den allgemeineren Geschmack

Dead Snow
http://www.youtube.com/watch?v=nhdjCo5CEZw

leo
leo
16. April, 2009 20:01

ich denke, wer all das gelesen hat, was hier geschrieben wurde, sollte sich den film nicht mehr ansehn…
in erwartung eines seichten action-krachers wie … keine ahnung … “nur noch 60 sekunden” an den film heranzugehen ist grund falsch. der film ist was für leute, die seltsame filme mögen und autos mögen.

aus meiner sicht ist es eine fehlinterpretation, den fahrer und den mechaniker als die hauptdarsteller zu sehen, sondern folgende charaktere:
– die straßenrennszene, repräsentiert durch den 55er chevy inkl. driver und mechanic: hauptsächlich gefährlich, absolut freakig, aber im grunde eben stink langweilig
– der fahrer des g.t.o: ein blender erster güte, der sich die fahnen der gefahr anheftet und jedem aufs auge drückt, weil sein eigenes leben fürn arsch war/ist
– the girl: im prinzip das einzige, was in dem film irgendwie sinnbehaftet ist und damit das ganze ziemlich aus dem ruder bringt

ich finde, das ende ist absolut in ordnung! es führt den film wieder zurück an seinen beginn. die “selbstauflösung” unterstreicht die sinnlosigkeit.

der klappentext auf der dvd-hülle ist absolut irreführend. mir tun die leute leid die sich den film deshalb kaufen und oben genanntes erwarten…

(a pro pros langeweile: zieht euch “dark star” rein…)

Dr. Acula
16. April, 2009 22:00

Jetzt spiel ich mal den Peroy und sage, wer “Dark Star” und “langweilig” in einem Satz verwendet, sollte zu Filmen besser gar nix sagen…

leo
leo
17. April, 2009 08:38

für dark star gilt das selbe wie für two lane black top (IMHO): nicht der film ist langweilig, der film thematisiert die langeweile!

Wortvogel
Wortvogel
17. April, 2009 10:33

@ leo: Die Frage ist aber, ob die Thematisierung gelingt: “Dark Star” ist einfach ein interessanter Film, trotz des Themas Langeweile.

Ich kann auch zwei Stunden lange jemanden auf dem Sofa in der Nase popeln lassen und behaupten, das thematisiere Langeweile. Ist aber immer noch kein Film.

Dun unterstellst sehr viel, z.b. dass ich keine seltsamen Filme mag (falsch), oder wer die Hauptfiguren sind (woher nimmst du diese Erkenntnisse?).

Außerdem setzt du schon falsch an, nämlich bei meinen Erwartungen: solange man einen Film nicht gesehen hat, können Erwartungen nicht richtig oder falsch sein. Und wenn man ihn gesehen hat, geht es allein um die Frage, wie man mit den eventuell enttäuschten Erwartungen umgeht. Ich bin durchaus in der Lage, einen Auto-Film auch ohne Action anzuerkennen.

Schön wäre halt, wenn du dich an deine Meinung hältst, statt zu unterstellen, ich hätte den Film nicht kapiert.

leo
leo
17. April, 2009 11:56

ok, ich gebe zu, dass meine formulierungen z.t. ungeschickt sind.

@wertvogel: deine interpretation der hauptdarsteller ist natürlich nicht falsch, ich will auch nicht behaupten, meine wäre richtiger. eigentlich wollte ich eine alternative interpretation aufzeigen, um darzustellen, wie ich den film sehe.

was deine erwartungen an den film waren, oder ob du welche hattest, weiß ich nicht. worauf ich hinaus will, ist, dass kritiken, trailer, klappentexte, etc. eben erwartungen an einen film wecken, die möglicherweise enttäuscht werden – in diesem fall ist die wahrscheinlichkeit dazu eben recht hoch.

meiner meinung nach, funktioniert der film dann gut, wenn man grade wirklich zeit und lust hat, sich einen film reinzuziehen, es einem aber echt egal ist, was da auf einen zukommt (es sollte einem grad langweilig sein…). das wollte ich damit sagen.
somit ist es auch kein wunder, dass der film gefloppt ist… wer geht schon ins kino, ohne erwartungen in den film zu setzen?

dark star hab ich nur erwähnt, wegen dem thema langeweile und um auf den film aufmerksam zu machen, weil er gut ist. mir gefallen beide filme und ich denke, es könnte da auch anderen leuten so gehen wie mir.

(bitte gebt mir in 1-2 worten bescheid, ob das, was ich hier von mir gebe, irgendeinen wert hat, sonst lass ichs einfach…)

Wortvogel
Wortvogel
17. April, 2009 12:22

@ Leo: Deine Beiträge sind hier sehr willkommen. Zum einen gibt es wenige Leser, die sich auch mit den ungewöhnlicheren Filmen abgeben, zum anderen formulierst du ja durchaus nachvollziehbar.

Natürlich mögen andere Menschen “Two Lane Blacktop” mögen – ich habe ja auf eine Kritik verlinkt, die ihn in höchsten Tönen lobt.

Ich halte aber dieses Argument der thematisierten Langeweile für dünn, weil eine Auseinandersetzung mit Langeweile eben keinen langweiligen Film voraussetzt.

Ich schaue selber gerne schräge Filme (u.a. Jodorowsky), aber “Two Lane Blacktop” ist für mich ein Anti-Film, weil er die grundlegenden Aufgaben eines Films (eine Geschichte in einer für den Zuschauer relevanten Form zu erzählen) nicht erfüllt.

leo
leo
17. April, 2009 12:44

@wortvogel: deine aussage bzgl. anti-film finde ich gut. ich habe den film gestern erst gesehen und er beschäftigt mich. aber es ist so wie du sagst, er beschäftigt mich nicht so sehr wegen der geschichte, die er mir erzählt hat, sondern weil er so gestrickt ist, wie er gestrickt ist – also als film an sich…

ich finde den film außerdem sehr sehr realistisch. das reizt mich. ich sehe darin eine recht kritische auseinandersetzung mit themen, mit denen ich mich konfrontiert sehe/beschäftige (repräsentiert durch das, was ich für mich als hauptdarsteller identifiziert habe: straßenrennen, “versager/blender” und begehren). der unterhaltungswert ist aber gering, das ist wohl wahr.