01
Okt 2008

Warum geht sowas bei uns nicht?

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Ja, ich weiß – wieder Jon Stewart. Aber mehr als sehenswert, denn der gute Jon hat endgültig die Schnauze voll von der Unfähigkeit der Politiker, sich zu einigen. Man schaue den Clip bitte bis zum Ende – ab Minute 5 geht es richtig zur Sache:



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18 Kommentare
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bastian
1. Oktober, 2008 14:39

Habe den Clip heute morgen bereits geschaut und war ziemlich begeistert. Und das nicht nur aufgrund der hohen Piep-Dichte.

Ich befürchte, in Dtld wäre bei derartigem gleich wieder ein eifriger Anwalt dabei, Verleumdungsklagen o.ä. zu versenden. Zudem müsstwe hierzulande dringend noch an irgendeiner Stelle ein hitlervergleich eingebaut werden….

Brandenburgerin
Brandenburgerin
1. Oktober, 2008 15:39

Ich muss ehrlich sagen, dass mir das Englisch in dieser Show schwer fällt, aber über einiges konnte ich sehr lachen 🙂

Den Gag mit der Muschel rall ich aber gar nicht. Ist das ein Insider?

Wortvogel
Wortvogel
1. Oktober, 2008 15:58

Wenn ich da nicht ganz falsch liege, geht das auf amerikanische Gesprächstherapien zurück, in denen man irgendeinen Gegenstand nimmt, der es dem Haltenden erlaubt, seine Meinung zu sagen – in der Gruppe darf nur reden, wer z.B. den “talking stick” (so hieß das wohl bei den Indianern) hält. Will man was erwidern, muss man um den Gegenstand bitten. Ergebnis: niemand redet mehr dazwischen, niemand redet mehr ungefragt. Glaube ich zumindest.

Wile-E
Wile-E
1. Oktober, 2008 16:04

Hallo Bradenburgerin,
der “Gag mit der Muschel” bezieht sich auf die Anspielung auf “Lord of the Flies”, die Stewart davor gemacht hat. Die Muschel ist ein Symbol in dem Roman. Kurz gesagt: Wer die Muschel hat, hat die Authorität.

Wortvogel
Wortvogel
1. Oktober, 2008 16:08

Ahhh, so wird auch ein Schuh draus – danke, Wile-E, man lernt nie aus!

Wile-E
Wile-E
1. Oktober, 2008 16:24

Gern geschehen, freut mich, auch mal für was Nutze zu sein.. *g*

Das mit dem Talking Stick trifft es schon ganz gut, aber die Muschel ist schon ein bisschen mehr als das. Ursprünglich wird sie im Roman von den gestrandeten Jungs nur dann eingesetzt, um Meetings einzuberufen und dann ist die funktion tatsächlich einfach der Talking Stick. Aber später geht es dann tatsächlich darum, dass derjenige, der die Muschel hat, der Führer ist (weil ja nur er die Möglichkeit hat, die Zusammenkünfte einzuberufen und weil die Muschel ja von allen akzeptiert wird). Am Ende ist die Muschel das Symbol für Demokratie an sich, dass zerbrochen wird, als Anarchie ausbricht.

Sorry, wenn das nach Klugscheißerei klingt, wollte das nur etwas ausführen, weil du ja halt so falsch nicht liegst mit deiner Annahme.

Stefan
1. Oktober, 2008 17:11

Die Lord-of-the-Flies-Anspielung gefällt mir, allerdings könnte man auch noch den Pig´s Head mit einbringen :o))

Dieter
Dieter
2. Oktober, 2008 01:24

Der ist nicht nur extrem witzig, sondern auch ehrlich empört. So viel dieser Late-Night-Schows sehe ich nicht, aber wie schon bei der Sache mit Britney Spears sieht es für micht so aus, als liege Stewart ehrlich etwas an dem, was er sagt. Er versteckt sich nicht hinter einer Grundhaltung wie Sarkasmus (Harald Schmidt) oder Beliebigkeit (Stefan Raab).

Holger
Holger
2. Oktober, 2008 01:30

Ich fand Bill Maher danach sehr gut! Wer’s nicht gesehen hat, es gibt auch die ganzen Folgen im Netz:
http://www.thedailyshow.com/full-episodes/index.jhtml?episodeId=186752

Dieter
Dieter
2. Oktober, 2008 01:46

Quatsch, das mit Spears war ja Ferguson. Und ,,Schows” sind das auch nicht.

Brandenburgerin
Brandenburgerin
2. Oktober, 2008 15:01

@Wile-E + Wortvogel:

danke für die Erklärung, werde mir das Video gleich nochmal mit dem neu erworbenen Wissen anguggn 🙂

Andreas
Andreas
2. Oktober, 2008 23:21

ich hatte das glück, mitte september die daily show live in new york sehen zu können. stewart brennt wirklich für seine show! es war fantastisch. wir haben zwar drei stunden schlange gestanden (für ne halbe stunde aufzeichnung), aber es war fantastisch. stewart kommt beim warm-up auch persönlich raus und beantwortet fragen aus dem publikum (das sehr gemischt war, viele junge leute, aber auch anwälte und lobbyisten aus washington etc.). was mich beeindruckt hat, war, wieviel engagement stewart selbst in seine show steckt. das ist alles echt, denke ich mal. im gegensatz dazu waren wir zuvor auch bei einem taping von conan o’brien. der hat nicht mehr so richtig spaß an seiner show – zumal er natürlich unpolitisch ist (und bei nbc auch sein muss) und damit auch etwas langweiliger als stewart. o’brien war zuletzt während des writers strike in top form, ist aber ja auch schon wieder neun monate her (ich glaube auch, seine autoren tun conan nicht gut, vor allem die geschriebenen skits sind teilweise grausam!). stewart ist brilliant, egal ob mit oder ohne autoren. im aktuellen us-rolling-stone war ein interview mit letterman, in dem auch über dessen nachfolge spekuliert wurde. der erste name, der genannt wurde, war stewart. wäre auch meine erste wahl, wenn man ihn bei cbs machen lassen würde…

Ein Autor
Ein Autor
3. Oktober, 2008 15:54

Hi Wortvogel,

Interesse an einer Teilantwort zu Deiner Headlinefrage “Warum geht sowas bei uns nicht?”?

Da Du fleißig hinter Deine Kulissen schauen lässt, kann ich ja ebenfalls mal ein wenig aus dem Comedy-Nähkästchen plaudern:

Ich war längere Zeit fester Autor eines freitagabendlichen Comedy-News-Formats. (Remember? Anyone?…)

Obwohl es ein derbes, oft plattes und dreistes, manchmal aber auch hauchend satirisches Format war, lege ich für meine Mitautoren die Hand ins Feuer – man könnte in Deutschland ebenfalls intelligente Satire zaubern, die qualitativ zumindest in die “Daily Show”-Richtung geht.

Aber – wie so oft – der Autor entscheidet ja in Deutschland kaum was. Immer wieder wünschte sich der Comedy-Chef des großen Senders unserer kleinen Sendung “Ihr müsst mehr wie die `Daily Show´werden!”.
Reines Blabla! Denn:
Problem 1 waren die Bilder. Während die `Daily Show´ offensichtlich das komplette CNN-Original-Material beliebig verwenden darf, durften wir aus rechtlichen Gründen nicht mal Nachrichtenmaterial des eigenen Senders verwenden. Tolle Grundlage!
Stattdessen gab´s REUTERS-Bänder voll stundenlanger Pressekonferenzen, gefilmt vom zwergenwüchsigen REUTERS-Kameramann in der letzten Reihe…

Problem 2: Als eine toughe Frau den großen Sender übernahm und forderte, sie wolle mehr “intelligente Unterhaltung” haben wir zwei Wochen lang versucht, die MAZen “satirisch” zu machen. [Natürlich für den Anfang nur in einem Maß, in dem die Stammzuschauer keinen Kulturschock erleiden…]
Ergebnis dieser Bemühungen: Unsere zuständige Senderredakteurin verstand kaum einen der aktuellen Bezüge und subtileren Gags und bat uns – NATÜRLICH nur dem doofen Publikum zuliebe – wieder mehr Hinfallbilder (á la “Superpannenshow”, etc.) einzubauen.

`Daily Show´ a.D.!

Das ist jetzt schon eine Weile her und… geändert hat sich eigentlich nix. Alle wollen “Daily Show”, aber (vom fehlenden Moderator ganz abgesehen!) keiner traut dem Publikum zu daran Spaß zu haben wenn man nicht mindestens einen Merkel-Parodisten mit ins Boot holt.

Ich lege also ein weiteres Mal meine Hand ins Feuer:
Die nächsten 5 Jahre ist in Deutschland mit intelligenter Comedy-Satire (im TV) nicht zu rechnen.

Und ich danke jedem auf Knien, der es schafft, mir das Gegenteil zu beweisen!

Gruß,
ein Autor

Wortvogel
Wortvogel
3. Oktober, 2008 20:42

@ Autor: Danke für den spannenden und erhellenden Einblick, der ziemlich genau dem entspricht, was ich bei den Sendern auch erlebt habe. Das Problem mit dem Quellmaterial ist hierzulande in der Tat schwer zu lösen, und die Attitüde “wenn nicht ALLE den Witz verstehen, ist er auch nicht GUT” kenne ich nur zu genau…

Paddy-o-
Paddy-o-
6. Oktober, 2008 14:35

Gut, bei der genannten Freitagabend-Sendung waren die Einspieler echt noch das beste. Den Rest konnte man getroßt vorspulen (Tivo wäre was feines gewesen..), besonders den ‘talentierten’ Comedians sei dank. (Bis auf den Frontmann, der hatte irgendwas).

Hätte nicht gedacht, dass die Autoren da wirklich dermaßen in eine Richtung geprügelt werden. Denn das ging ja wirklich stark an der DailyShow vorbei und eher auf Pannenshow-‘Niveau’ – also schon eine Stufe, bei der ich mich fast fragen würde “Was, die haben echt auch noch Autoren?”

Was ich mich frage:
Wenn man die Autoren von der Leine ließe, kann man dann aus einem Raab einen Ferguson machen?
Aus einem Pocher einen O’Brien?
Oder wenigstens sowas ähnliches?

Wenn man die Anforderungen an das Talent unserer Showmaster mal eher als zweitrangig betrachtet – könnte man allein mit dem richtigen Material Fernsehdeutschland retten?

Paddy-o-
Paddy-o-
6. Oktober, 2008 14:36

Zusatz:
Habe übrigens am WE mal endlich ne komplette Folge von Herrn Ruf’s Show gesehen.
Leide immer noch unter Magenkrämpfen *würg*

Wortvogel
Wortvogel
6. Oktober, 2008 14:51

@ Paddy: Ich sehe das Problem zuerst einmal konzeptionell:
– Material ist fast unmöglich zu lizensieren
– Politische Comedy ist verpönt (ENTWEDER Kabarett ODER unpolitische Comedy)
– Politik ist in Deutschland einfach nicht sehr glamourös

Wenn man das alles mal beiseite lässt, dann mag es Autoren geben, die (nach einiger Einarbeitung) sowas auch könnten. Es spricht ja auch nichts dagegen, sie zum Praktikum zur “Daily Show” zu schicken.

Was die Moderatoren angeht: Raab wird nie ein Stewart, Pocher nie ein Colbert. Da braucht es eine ganz neue Liga. Auch die “Daily Show” hat Jahre gebraucht, um das jetzige Format zu finden – Craig Kilborn war nicht gerade eine Granate als Moderator.

Aber es muss ja keine EXAKTE Kopie der Daily Show sein – “Wochenshow”, “Freitag Nacht News” und “RTL Samstag Nacht” waren zu ihren besten Zeiten der Beweis, dass Deutschland auch qualitativ hochwertige und halbwegs aktuelle Comedy zustande bringt. Es wird nur nicht durchgehalten.

Auch das Pointen- und Sprachlevel von “Ehrensenf” (nicht umsonst von zwei ehemaligen “Wochenshow”-Autoren) macht Hoffnung.

Ich denke, am Ende müssen speziell auf den deutschen Markt zugeschnittene Formate kommen, die genug Zeit haben, sich zu entwickeln. Und danach muss man nicht permanent mehr dran schrauben, sondern einfach mal mit einem Team langfristig dranbleiben. Das geht schon.

milan8888
milan8888
10. Oktober, 2008 18:08

Evtl. im Pay-TV?