10
Sep 2008

(Non-)Chat mit Uwe Boll(ocks)

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Uwe BollIch bin kein großer Fan von Uwe Boll. Wer den Namen auf meinem Blog googelt, stößt auf ein paar ausnehmend harsche Kritiken zu seinen Filmen “Bloodrayne 2” und “Postal”. Neulich habe ich “Seed” gesehen, und der überschreitet mehrfach die Grenze von debil zu widerlich.

Gestern abend gab es auf der Webseite des deutschen Sci Fi Channel einen Live-Chat mit Uwe Boll. Ich selbst hatte leider nicht die Zeit, mich zu beteiligen, bat die Jungs von Badmovies.de aber, für mich folgende Fragen zu platzieren:

  • Was genau wollte Boll beweisen, als er seine Kritiker zum Boxkampf eingeladen hat – dass der Recht hat, der stärker ist? Geben seine Siege ihm Recht, wo es die Filme selbst nicht tun?
  • Was genau ist denn die Aussage hinter den Tiersnuff-Szenen im Vorspann von “Seed”, und was genau ist der Kontext zu einem brutalen Slasher?
  • Merkt er nicht, dass er deshalb stärker angegriffen wird als andere Regisseure, weil er sich grundsätzlich Videospiel-Properties mit einer starken Fanbase greift, großmäulig seine Filme vorab als bahnbrechend preist, sich zum Hollywood-Underdog stilisiert, und dann nicht “delivered”?
  • Wenn seine Filme auf DVD so viel Kohle machen, und das Kino-Boxoffice so irrelevant ist – warum wurde dann immer wieder versucht, die Filme mit mehr als 1000 Kopien ins Kino zu bringen?
  • Würde er retrospektiv “Bloodrayne”, “Bloodrayne 2”, “In the name of the king”, und “Seed” als “gute” Filme bezeichnen?
  • Warum durfte der Killer in “Seed” seine Maske bis zum elektrischen Stuhl tragen?
  • War ihm nicht klar, dass er sich mit der gesamten Fanbasis überwerfen würde, wenn er “Bloodrayne” komplett aus dem Kontext des Spiels nimmt?
  • Hat er ein Problem mit Frauen? Entweder sind Frauen in seinen Filmen nur hilfloses Beiwerk, oder (falls Protagonistin) ständig erfolglos (beide “Bloodrayne”-Filme)
  • Wie läuft aktuell die Finanzierung seiner Filme jetzt?

Am Ende des wirren und vergleichsweise faktenfreien Chats wurde zumindest die Frage nach dem Tiersnuff in “Seed” beantwortet – irgendwie:“die tierszenen in seed machen am anfang darauf aufmerksam, was der mensch fähig ist, zu tun. und dass der mensch nicht von geburt an gut ist!”

Mit dieser Argumentation könnte man jedem Film, in dem grausame Menschen vorkommen, Tiersnuff-Szenen voranstellen.

Auf die Frage nach der Maske von Max Seed wurde sinnfrei entgegnet: “in seed wurde ihm für die hinrichtung eine neue maske aufgesetzt, so dass sie ihm seine alte maske abnahmen. bei hinrichtungen vor dem publikum werden dem verurteilen immer masken aufgesetzt.”

In Bolls Welt hätte man Jason Voorhees sicher auch im Knast die Hockeymaske tragen lassen…

Boll ist dafür bekannt, seine Filme vorher zu loben, und hinterher zu verleugnen. Entlarvend daher seine Antwort auf die Frage, wie gut “Far Cry” ist: “eines verspreche ich: der film wird nicht nach der hälfte schlecht. wie seed oder postal… “

Immer das gleiche Lied: Klar waren meine anderen Filme schlecht, aber der nächste, der wird ein Knaller, versprochen!

Das Highlight des Chats kam aber nicht von Boll, sondern von einem Teilnehmer, der augenscheinlich richtig Plan hat: “dr. boll, ich denke man kann ihre Filme durch folgendes verbessern: Die Kameraführung sollte professioneller sein (sry, aber z.b. room1408 war hammer kameraführung!!!!), das Drehbuch sollte einen ordentlichen rahmen haben, die spannung für action is vieeel zu lasch. Ein film sollte nicht übertrieben viele lustige dialoge haben, dass wirkt sich negativ aus (postal, nach ner zeit wurde es nur noch nervig)…Man sollte auch die Charaktäre die Geschichte erzählen lassen durch ihre Gestik/Mimik davon is in ihren Filmen zu selten was zu sehen…”

Ansonsten gab es viel Lobgehudel ausgesuchter Boll-Fans, die augenscheinlich weder Geschmack noch Würde besitzen.



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Lari
Lari
10. September, 2008 17:03

Boah, gut, dass ich das verpasst habe. 😀

Stony
Stony
10. September, 2008 17:43

Nachdem ich mit dem Transkript durch war (welches ich im anderen Beitrag verlinkt hatte) dachte ich auch nur noch ‘Boah, was für ne lahme Veranstaltung!^^’
Es scheint wirklich so gewesen zu sein, daß ein paar Praktikanten (fast) alles was sinnvoll war rausgefiltert hatten und immer nur hier und da mal ne flapsige Meldung durchgelassen haben, um die eigentliche Intention des ‘Chats’ nicht zu offensichtlich rüberkommen zu lassen. Auch schön, daß hier und da Antworten kamen zu Fragen die man scheinbar vergessen hatte freizugeben (vorausgesetzt natürlich das Transkript ist vollständig, dafür kann ich halt nicht die Hand ins Feuer legen). Im Großen und Ganzen kann man das wohl eher als PR-Gag bezeichen denn als (Sci)Fight, haufenweise ‘Uwe wir lieben dich’, ein paar dumme Sprüche beiderseits und als Garnierung eben noch einige, wenn auch eher harmlose ‘Boll-Basher’.

Im Nachhinein bin ich froh das verpaßt zu haben, wäre imo die reine Zeitverschwendung gewesen…

@Torsten: Bei der Antwort auf deine Frage nach der Maske mußte ich fast lachen, wie blöd war das denn!?! 😀

Mencken
Mencken
10. September, 2008 17:48

Tiersnuff ist der Tom Gerhardt des Horrorgenres, passt doch ganz gut.

comicfreak
10. September, 2008 19:38

*muahaha*

Stephan
Stephan
10. September, 2008 21:01

Wo ist eigentlich Peroy um uns zu erzählen, daß Boll der deutsche Hitchcock ist?

Nathan
Nathan
10. September, 2008 21:20

Ich wage die Behauptung, dass selbst eine Made, die sich an Hitchocks Knochen lutschend labt, hernach mehr Talent im Leib hat als Boll je haben wird, und schüfe er tausend Klone seiner selbst und genösse sie mit einem Chianti. Slurp!

“In the Name of the King” gefiel mir allerdings. Klar ist Liotta offenkundig gewillt, diesen Film für den endgültigen Glaubwürdigkeits-Suizid zu nutzen, und nur die Szenen, die offenkundig nicht von Boll inszeniert wurden, sind nicht Popöchen-Endprodukt. Jedoch: Ich schämte mich während des Guckens nicht ob meines unbestreitbar merkwürdigen Filmgeschmacks. Immerhin.

Wenn Boll nur endlich, endlich, endlich begreifen würde, dass er einen Hammer-Produzenten abgäbe, so auch schön Kohle greifen könnte, sich aber nicht auf jenen Bereich begeben müsste, von dem er natürlich auch weiß, dass er dabei meist absolut beschissene Quarkware abliefert.

Muss er aber selbst drauf kommen, dabei kann ihm keiner helfen. You feeling me, Uwe?

Nathan
Nathan
10. September, 2008 21:22

Hitchcocks, dammich eins

Stony
Stony
10. September, 2008 23:25

@Nathan: Letzteres wäre wohl mit seinem Ego nicht vereinbar, aber was soll’s, vielleicht gewinnt er ja mit dem Alter mal noch etwas Gelassenheit und konzentriert sich auf seine eigentliche (?) Stärke… 😉

Jens
Jens
11. September, 2008 00:45

Naja, bei der Maskennummer befindet Boll sich in unerwarteter Gesellschaft: Ich hab’ mich ausgerechnet bei dem genialen “Dark Knight” (der ansonsten wirklich keinerlei Berührungspunkte mit dem Bollschen Werk hat) gefragt, wieso keiner dem Joker nach der Festnahme mal irgendwann die Schminke abgewaschen hat. (Möglich müsste es sein: Die Schminke sieht verschmiert aus und färbt bei der Vernehmung auch auf die Hände des Jokers ab, ist also offenbar kein Permanent Makeup.)

Klar, aus filmischer Hinsicht ist die Antwort einfach: Weil’s geiler aussieht und sowohl die Szene als auch die Figur des Jokers interessanter macht. Aber das sind vermutlich ähnliche Gründe wie die, aus denen Boll die Maske drauf gelassen hat, und beide Filme liefern keinerlei on-screen Erklärung für diese Aktion.

Aber so, wie der Batman-Film diesen Moment bewusster Unlogik problemlos überstanden hat, genauso hätte es umgekehrt “Seed” wohl nicht gerettet, wenn die Figuren logisch gehandelt und ihm die Maske abgenommen hätten.

(Und ja, ich weiß, dass ich jetzt irgendeine Filmhöllen-Strafe auf mich gezogen habe, weil ich Bolls Werk und “Dark Knight” miteinander verglichen habe…)

Nathan
Nathan
11. September, 2008 10:39

Batmans infantile Hauswand-Wendemanöver mit dem Batpod wurde meiner Einschätzung nach von Boll ersonnen, somit ein vollkommen legitimer Vergleich.

Noch interessanter stelle ich mir persönlich die langen, langen, laaaaangen Minuten vor, in denen Batman da hinten im Schatten stand und ja keinen Mux von sich geben durfte. Was mag er gedacht haben? “Leise sein. Geräusche vermeiden. Wie? Ablenken. Womit? Hm. Ja, richtig, denken. Düstere Gedanken. Alles außer Sex. Hörte ich da Sex? Nein, nein, denk nicht an Sex, denk nicht an Sex, wenn er sich regt, quietscht der Gummianzug! Moment, dachte ich gerade das Wort Gummianzug? Gummi. Perverse Sexspiele. Gott, nein! Nein, nein, nein! Lenk dich ab, lenk dich ab. Denk an … verdammt …. was Schlimmes, ja, richtig, denk an deine Eltern. Tot. Sie sind tot. Tote Eltern. Tot. Tot. Tot. Mausetot. Tränen, Komplexe, Albträume, Alfred, der dich beim Bettnässen erwischt. Peinlich, peinlich. Wirkt es? Ja, es wirkt. Aber was riecht hier so? Bin ich das? Es ist so irre heiß hier drunter. Hm. Nein, es ist dieser elende Creep auf dem Stuhl vor mir. Klar, ich könnte ihm auch jetzt schon auf die Fresse hauen, ist ja auch ein wenig eilig, oder, nicht dass er Rachel und Harvey noch auf tickendende Zeitbomben gesetzt hat, oder so’n Scheiß – hm, würde er sowas machen? Aber, ach egal, Gordon hat gesagt, dass er mir eine Stromrechnung fürs dusselige Batsignal schickt, wenn ich ihm seinen großen Auftritt vermassele. Aber was braucht der so lang? Hab Kopfweh, hab seit sechs Minuten nicht mehr geatmet. Vermutlich bin ich schon Blueman. Würde so gerne. Geht nicht, weil der blöde Stimmenverstärker das kleinste Geräusch aufbauscht. War Alfreds Idee. Wenn ich nach Hause komme und er schläft, lege ich seine Hand in einen Eimer voll warmem Teewasser. Drecks-Heldenleben!”

Siga
Siga
11. September, 2008 12:24

Boll ist ja u.U. durch FilmFonds groß geworden. Dieses Geschäftsmodell ist nie/(selten vielleicht aber mir nicht bekannt) korrekt erklärt worden. Die meisten ReporterPraktikanten machen halt keine Steuererklärung und/oder haben Leute dafür.

Er nimmt Geld und sorgt per Zahlungsstrom-Verzögerung(DVD-Verkäufe) dafür, das man weniger Steuern zahlen muss als wenn man die Kohle gleich Eichel gibt und dann gleich 43% abgezogen kriegt. Break even dafür sind 43% minus Epsilon evtl minus RisikoPrämie.

Aktuell ist die Filmförderung inzwischen iirc fett auf Deutschfirmenbeteiligung ausgerichtet. D.h. Till Schweiger macht u.U. mit, damit die DeutschQuote erfüllt wird und viele seiner Firmen/seine Firma/Verwandten kriegen auch noch Pöstchen,…
Siehe Premiere/Murdoch: die Gewinne/Umsätze werden im FirmenNetz dort gemacht, wo sie am angenehmsten anfallen. D.h. Premiere muss keinen Gewinn mehr machen und die Umsätze gehen in die Dienstleister, neues CryptSystem NDS, RechteFirmen,… und halt so, das Murdoch seine Ziele erreicht. Die Kleinaktionäre von Premiere sind egal. Gewinne bei Premiere sind egal, weil sie woanders anfallen.

Schade das es kein Wiki für Verhaltensweisen gibt.

Stony
Stony
11. September, 2008 14:45

@Nathan:

Großes Kino! Mußte herzlich lachen, danke für den Spaß! 😀

Tankleader
Tankleader
11. September, 2008 17:16

*hüstel* VoOrhees

Wortvogel
Wortvogel
11. September, 2008 17:27

@ Tankleader: oops, korrigiert. Danke.

Dieter
Dieter
12. September, 2008 08:44

@Stony:
Habe deine Links an anderer Stelle verfolgt. Da steht ,,Kunst kommt von Können” als deutsches Sprichwort. Besser passt das ganze Zitat auf Herrn Boll: ,,Kunst kommt von Können. Wenn es von Wollen käme, hieße es ja Wunst.” (Karl Valentin). Noch besser passt Karl Kraus: ,,Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.”

Dieter
Dieter
12. September, 2008 12:19

@Nathan:
Zum Schlapplachen! Spitze.

Stony
Stony
12. September, 2008 22:22

@Dieter: ,,Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.”

Wie treffend, nicht nur auf Boll bezogen!