02
Jun 2008

Tiergeschichten

Themen: Neues |

Ich bin in den 70ern aufgewachsen, mit der damals vertretbaren und gesellschaftlich anerkannten Mischung aus Haustieren.

LuxDie frühste Kindheitserinnerung, die ich überhaupt habe, spielt am Düsseldorfer Hafen, im strömenden Regen. Ich kann keine drei Jahre alt sein. Ich sitze im froschgrünen Ford Capri meiner Großmutter. Oma rennt zu einem Rhein-Kahn, ich warte ungeduldig. Nach zehn Minuten kommt sie wieder, ihre große Tasche an den Körper gepresst. Als sie einsteigt, sehe ich ein winziges Köpfchen aus dem Beutel ragen.

So kamen wir zu Lux, dem Schäferhund der Familie, der kurz darauf mit Oma in den Bauernhof nach Bremerhaven zog, und mit dem ich einen Großteil meiner Kindheit verbrachte. In Norddeutschland heißen übrigens der Legende nach alle Schäferhund-Rüden Lux, die weiblichen hingegen Senta. Man macht sich da keinen großen Kopf.

Auf dem Bauernhof meiner Oma (die wissenschaftlich erwiesen beste Oma der Welt und aller Zeiten) gab es noch diverse andere Tiere, z.B. Kaninchen und Katzen. Hauptsächlich aber Enten, weil Oma die züchtete. Ich habe oft geholfen, die kleinen gelben Küken unter der Wärmelampe aus den Eiern zu pellen. Ein schönes Ende nahm es natürlich nie. Wann immer meine Oma mich entgegen ihrer Gewohnheit mal nicht mit den Worten “Guten Morgen, meine Sonne!” früh aus dem Bett warf, wusste ich: Heute wird geschlachtet. Oma holte dafür immer einen Nachbarn, sie selbst brachte es auch nicht über das Herz. Dafür hatten wir immer die kuscheligsten Daunenkissen im Ort.

Oma Mangliers

Omas Katzen waren auch (freundlich ausgedrückt) eigen: Peter war ein Monster von geschätzten 30 Kilo, der sich nie blicken ließ, wenn auf dem Hof Besuch war. Ein misstrauisches, missgelauntes Biest, vermutlich der Chef aller Streuner im Dorf. Aber er wusste, was sein Job war: An guten Sommertagen machte er bis zu 30 Mäusen den Garaus. Das lief regelrecht industriell-perfektioniert ab: Er schleppte einen Nager zu uns in den Garten, zeigte ihn mit einem “bitte protokollieren”-Blick vor, verschlang ihn hastig, und zog wieder los. Es dauerte selten länger als zehn Minuten. Insgeheim vermute ich, dass er selber Mäuse züchtete, um seinen Status zu wahren.

Peter lebte nicht nur wie eine echte Kater-Legende, er starb auch wie eine: Eines Tages kam er einfach nicht mehr wieder. In meiner Vorstellung merkte er, dass es Zeit war, und schlenderte einfach in den Sonnenuntergang wie der alternde John Wayne.

Wenn Peter das Leittier war, dann war Schnucki das Leidtier. Man hatte sie als Baby auf dem Postamt in Bremerhaven ausgesetzt, wo meine Oma sie sofort ins Herz schloss. Trotz dieser frühen traumatischen Erfahrung schien Schnucki nie zu lernen, dass man nicht wahllos jedem Menschen vertrauen darf: Sie lief begeistert auf jeden Fremden zu, ließ sich streicheln, hochheben, etc. Wenn Sie wieder zum Hof kam, trommelte sie mit den Pfötchen gegen die Balkontür, was meine Oma immer mit dem Satz kommentierte: “Madame telefoniert wieder”. Schnucki war ungefähr drei Jahre alt, als sie plötzlich mit nur noch einem Auge nach Hause kam. Keine Ahnung, was passiert war, aber sie erholte sich von dem Schicksalsschlag gerade rechtzeitig, um auch noch den Großteil ihres Schwanzes zu verlieren. Doch sie blieb zutraulich. Und augenscheinlich treudoof.

Soweit meine Ferien auf dem Bauernhof. Zu Hause war weniger los, weil weniger Platz. Wir hatten wohl mal einen Fisch, als ich ganz klein war, aber an den kann ich mich nicht mehr erinnern. Den Hamster kenne ich noch, aber der starb schnell weg.

MarloweZur meiner Einschulung kaufte meine Mutter im Zooladen, der sich gleich in unserem Haus befand, eine Schildkröte samt Mini-Terrarium. Der Ladenbesitzer hatte ihr versichert, dass diese Tier kaum über die Größe eines Fünfmarkstücks hinaus wachsen, und nach zwei bis drei Jahren wegsterben. Wer diesen Artikel gelesen hat, weiß, wie falsch er damit lag.

Felltiere gingen bei uns zu Hause gar nicht – mein Bruder und meine Mutter waren allergisch, bei meinem Bruder führte das zu lebenslangem Asthma. Keine schöne Sache.

Eines Tages, ich war wohl sieben oder acht, kam ich vom Fußball-Training nach Hause, und wollte mich erschöpft auf das kleine schwarze Kissen auf dem Sofa im Wohnzimmer fallen lassen. Mitten in der Bewegung hielt ich verrenkt inne, weil ich dachte: “Seit wann haben wir ein kleines schwarzes Kissen?!”. Ich schaute genauer hin: Es war eine winzige, zusammengerollte Katze! Michael hatte sie in einem Hinterhof gefunden, und es nicht übers Herz gebracht, sie dort zu lassen.

Zwei Leute mit Fellallergie. Gesundheitlich ein inakzeptables Risiko. Wer sollte sich auch um das Tier kümmern, bei zwei arbeitenden Erwachsenen und zwei schulpflichtigen Söhnen?

Ich denke, es wundert niemanden, dass wir Katinka behielten.

Katinka wurde im Laufe der Jahre zum Prototypen der fetten, faulen Wohnungskatze, die sich nur noch in Bewegung versetzte, wenn sich eine Wespe ins Wohnzimmer verirrte, oder wenn jemand nach der Reisetasche griff, in der sie immer zum Tierarzt transportiert wurde. Wir haben sie geliebt.

Katinka

Katinka und die Schildkröte Marlowe allerdings, das war eine ganz eigene Geschichte. Jahrelang hatte ich eine launige Version ihrer Beziehungdramen parat, die bei Partys für Erheiterung sorgte.

Dann las ich “Die gemeine Hauskatze” von Terry Pratchett – und stellte fest, dass Kati und Marlowe anscheinend typisch für das Verhältnis zwischen den beiden Spezies waren. Und darum übergebe ich nun an den Gottvater der britischen Fun-Fantasy:

Pratchett“Das einzige Haustier, das meines Wissens jemals eine Katze in Erstaunen versetzt hat, ist die Schildkröte. Das hat vielleicht damit zu tun, dass die Katze Schwierigkeiten hat, die Schildkröte als ein Tier einzuordnen. Sie scheint ein kleines Stück der Umgebung zu sein, das sich auf unerklärliche Weise bewegt. Schildkröten führen ein friedliches Leben ohne Sorgen, das der Katze jedoch nicht gefällt, weil man eine Schildkröte nicht erschrecken kann. Sie kennt die Bedeutung des Wortes “Angst” genau so wenig wie die Bedeutung anderer Wörter. Sie zieht den Kopf ein, sobald nur ein Schatten auf sie fällt. Aber eine Katze vor dem Kamin ist für sie etwas Rundes, Pelziges, unter dem man sich schön warm verkriechen kann. Sie schleicht sich heran – Schildkröten können es einfach nicht anders-, und die Katze bemerkt sie erst, wenn der Panzer sie vom Teppich hochstemmt. Daraufhin erhebt sich die Katze, und setzt sich mit einem besorgten Gesichtsausdruck in eine andere Ecke.”

Ich vermisse Haustiere. Meine Freundin und ich denken darüber nach, uns einen Boston Terrier anzuschaffen. Warum und wieso gerade den – ein andermal.



Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

17 Kommentare
Älteste
Neueste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Achim
Achim
2. Juni, 2008 18:10

Peter muss ja riesig gewesen sein, wenn der mit 30 Kilo ein herausragender Mäusejäger war, ansonsten sind 30-Kilo-Kater doch einfach nur fette, faule Individuen.
Und wenn ihr einen Boston Terrier anschafft, dann lasst bitte den Schwanz dran und die Ohren ganz, dann sehen sie zwar anders aus, als die Viehcher auf den verlinkten Bildern, aber bestimmt viel besser. Unser Nachbar hat nen Boxer, auch ne Rasse, wo gerne verstümmelt wird, aber mit Schwanz und ganzen Ohren sieht der einfach besser aus. Übrigens ein ganz lieber Kerl, der Dibo.

Joe
Joe
2. Juni, 2008 18:41

Der sieht ja genauso aus wie unser Schäferhund der Siebziger und frühen Achtziger. Der Name war allerdings Hasso. Es folgten Nero, Anton, und jetzt Leo.
“mit der damals vertretbaren und gesellschaftlich anerkannten Mischung aus Haustieren.”
Im Einzelunterricht in Englisch und Französisch hindert mich, anders als in Deutsch, keine Rechtschreibreform daran, auf meine alten Schulbücher (und aus dem Freundeskreis besorgte Exemplare gleicher Auflage) zurückzugreifen. Inhaltlich haben die Schüler selten Probleme, auch wenn es mal um “record-player” und ähnlich antiquierte Geräte geht. Nur einmal sah ich mich dem Einwand gegenüber, dass es doch völlig unmöglich sei, dass eine Familie so viele Haustiere hielte wie die Protagonisten im Englischbuch… 😉

Wortvogel
Wortvogel
2. Juni, 2008 18:51

Ich glaube, ich verrate nicht zuviel, wenn ich mal die Menagerie von Dr. Acula aufliste: Zwei Zimmer, geschätzte 3000 DVD, Freundin, zwei Meerschweinchen, drei Katzen, ein Hund. Noch Fragen?

Wortvogel
Wortvogel
2. Juni, 2008 18:53

@ Achim: Boston Terrier werden nicht kupiert. Im Gegenteil: kupierte Tiere werden von Zucht und Wettbewerb ausgeschlossen. Käme mir auch nicht ins Haus. Das Tier soll gottgewollt aussehen.

Peroy
Peroy
2. Juni, 2008 18:57

Der arme Hund… 🙁

OnkelFilmi
OnkelFilmi
2. Juni, 2008 19:56

Bis vor einem Jahr hatte ich auch noch vor mir einen Boston Bully zuzulegen. Aber dann habe ich mich dann doch bei einem spontanen Tierheim-Besuch in eine Podenco/Border-Mischung namens “Idi” verguckt. Und die bekam dann nur 5 Monate später noch ‘nen Jack Russell als Stiefbruder…

Bestandsaufnahme: zwei Hunde, eine Katze, zwei Wellensittiche, 21 Kanarienvögel, 4 Degus, 1 Hamster, zwei Schildkröten, ein Aquarium mit Zierfischen, ein Aquarium mit Piranhas, ‘nen Gartenteich mit Monster-Goldfisch und zwei Fledermäuse unter’m Dach 😉

Und irgendwo dazwischen meine DVDs und ich 😉

Marko
2. Juni, 2008 21:06

Meine beiden Stubentiger: http://www.markoheisig.de/cats.jpg

🙂

Gruß,
Marko

Dr. Acula
2. Juni, 2008 22:55

Ich protestiere energisch. Es sind DREI Meerschweine. Aber die sind bald wieder weg (Nein, sie werden weder zu Katzen- noch zu Hundefutter verarbeitet. Die bekommen einen schönen neuen Platz mit Freigehege…). 😀

DerTim
3. Juni, 2008 14:26

Hast Du nie “Rockos Modernes Leben” gesehen? Da heiratet Rocks Freund Filbert (eine Schildkröte) seine große Liebe Doktor Hutchinson (eine Katze und Zahnärztin). Bei der Hochzeit sitzen die Verwandten gut getrennt voneinander und beäugen sich die ganze Zeit mißmutig.

Achim
Achim
3. Juni, 2008 16:02

DerTim:
Du hast vergessen, dass Hutch mindestens eine Hand als Haken hat und diese Hakenhand auch an den Nachwuchs vererbt.
Jaja, läuft wieder bei den Cartoons für Erwachsene Nick-Zuschauer.
Und gestern habe ich wieder in der Werbepause von TV Total bei Grisu auf Nick reingeschaut, wäre auch ein schöner Film für Bully.

Wortvogel
Wortvogel
3. Juni, 2008 16:25

“Grisu” macht die Wasabi-Film – einer der “Hui Buh”-Autoren sitzt dem Vernehmen nach am ersten Entwurf.

nameless
nameless
3. Juni, 2008 16:40

“einer der “Hui Buh”-Autoren sitzt dem Vernehmen nach am ersten Entwurf”

NEEEEIIIIN!!

ach ja:
hunde doof, katzen toll, vögel überflüssig und nervig.

Achim
Achim
3. Juni, 2008 19:20

Grisu soll wirklich kommen?
GEIL!
Als Realfilm, Realfilm mit teilweiser Animation?
In Hui Buh war doch auch Bully drin, aber auch AFAIK nur drin, nicht dran (kreativ beteiligt).

comicfreak
5. Juni, 2008 13:28

[URL=http://img151.imageshack.us/my.php?image=wlfchen4rn2.jpg][IMG]http://img151.imageshack.us/img151/1103/wlfchen4rn2.th.jpg[/IMG][/URL]

unser Mäuslein mit Junior; allerdings sollte man die perspektivische Verzerrung abziehen, Mäuslein starb, ehe Junior auf “Rückenhöhe” ankam

comicfreak
5. Juni, 2008 14:06

http://img151.imageshack.us/my.php?image=wlfchen4rn2.jpg

..das war das Wölfchen. 93cm Schulterhöhe, 1,40m vom Kopf bis zum Schwanz (also, der Rücken *g*)

Achim
Achim
5. Juni, 2008 15:58

Ein Irischer Wolfshund?
Naja, wenn der gutmütig ist, warum nicht.

comicfreak
5. Juni, 2008 16:09

..irische Wolfshunde sind durchweg übergroße Katzen, die sich aber für klein und niedlich halten;
ds fällt besonders auf, wenn Besuch da ist und 2 Hündchen sich grazil und unauffällig unter dem Tisch durchschlängeln (aus ihrer Sicht), um unbemerkt auf die Küchenbank zu gelangen..