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Okt 2007

Scheißkalt: “Der eiskalte Tod” & “30 days of night”

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Ich fasse jetzt mal zwei Kinokritiken zusammen, weil sie thematisch gut zueinander passen. Wer sich dieses Double Feature auf der großen Leinwand gibt, sollte Glühwein und Angora-Socken mitnehmen…

30 days of night Poster Fangen wir mit der lange erwarteten Umsetzung der Splatter Graphic Novel “30 days of Night” an. Lang erwartet deshalb, weil die Vorlage Kultstatus hat, weil der Regisseur mit “Hard Candy” positiv aufgefallen ist, weil mit Josh Hartnett tatsächlich sowas wie ein “seriöser” Schauspieler dabei ist, und weil Ain’t It Cool News des Film pusht, als seien sie am Einspielergebnis beteiligt. Im Fandom erwartet man sowas wie einen neuen “Das Ding aus einer anderen Welt”, und zumindest am ersten Wochenende konnte sich der Film an die Spitze der US-Charts setzen. Aber taugt er auch was?

Story: Barrow ist die am nördlichsten gelegene Stadt Alaskas, und einmal im Jahr kommt es dort zu einer Nacht, die 30 Tage dauert. Die meisten Menschen machen in der Zeit Urlaub in sonnigeren Gefilden, nur etwas mehr als 150 Bürger bleiben als “Notbesetzung” zurück – ein tödlicher Fehler, wie sich schnell heraus stellt: Eine Horde außerordentlich starker und blutrünstiger Vampire fällt in den Ort ein, schneidet ihn von der Außenwelt ab, und veranstaltet ein beispielloses Massaker. Nur Sheriff Eben und ein paar Bekannte können sich auf einen Dachboden flüchten. Eine direkte Konfrontation mit den Blutsaugern fällt aus – man kann nur 30 Tage lang ausharren, bis die Sonne wieder aufgeht.

Kritik: Schade. Was hätte man aus DEM Thema nicht alles rausholen können! 30 Tage eingesperrt, mit Monstern überall, Hunger, Isolation, Angst, Verrat, Paranoia. Leider begnügt sich 30don mit dem armseligsten Horrorklischees, und setzt statt auf Spannung lieber auf Hardcore-Splatter und Action-Routine. Da werden saftig Hälse aufgerissen, Köpfe abgehackt, und Körper zerbröselt. Irgendeine innere Logik hat die Story nicht, und das Drehbuch hält es wie Adenauer: Was geht mich mein Geschwätz von gestern an? Ein schönes Beispiel ist die Szene zu Beginn des zweiten Aktes, als unsere Eingepferchten feststellen, dass die Vampire konsequent jedes Haus nach Überlebenden durchsuchen. Das führt allerdings weder dazu, dass unsere Protagonisten sich ein anderes Versteck suchen müssen, noch dazu, dass die Vampire sie finden. Es wird einfach nicht wieder aufgegriffen. Außerdem wird am Anfang großes Bohei gemacht, wie sorgfältig die Vampire sich auf die Blutjagd vorbereitet haben (z.B. haben sie alle Handys der Bewohner geklaut und verbrannt). Auf die Idee, auch den Laden mit den Nahrungsmitteln und Werkzeugen zu zerstören oder wenigstens zu bewachen, kommen die blutgeilen Schlauberger allerdings bis zum Schluß nicht.

30b.jpg

Da reißt auch die Besetzung nicht viel raus: Josh Hartnett guckt deprimiert, und Melissa George hat zuviel an.

Für einen Studio-Streifen ist 30don zudem ziemlich schlampig inszeniert. Der visuelle Stil wechselt permanent, und die Kulisse sieht nur in den einleitenden Szenen realistisch aus, danach regieren Schaumstoff-Flocken und Spray-Schnee. Es gelingt dem Film in keiner Szene, das Gefühl von Verlorenheit und Isolation zu erzeugen, das “Das Ding aus einer anderen Welt” ausgezeichnet hat.

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Was aber endgültig den Nagel in den Sarg schlägt, ist die Unfähigkeit von Skript und Regie, den Fortgang der Zeit zu verdeutlichen. Der ganze Gimmick, dass es in Barrow einen Monat lang nicht mehr hell ist, wird komplett verschwendet. Die Ereignisse des Films hätten sich genauso gut in einer einzigen Nacht abspielen können, und es fühlt sich auch so an. Die elende Warterei, die Angst, die Panik, all das bleibt komplett außen vor. Manchmal wirkt der Streifen wie eine weitere Variante von “Rio Bravo”, “Night of the Living Dead” oder “Assault – Anschlag bei Nacht” – mit dem Unterschied, dass die Vampire die meiste Zeit nicht wissen, wo sich Hartnett & Co. befinden, und daher das Versteck auch nicht belagern. Wo da die Suspense herkommen soll, hätte man sich auch schon in der Vorbereitung des Projekts fragen können.

Fazit: Splatter-Fans kommen auf ihre Kosten, aber alle, die von der Sam Raimi-Produktion mehr als durchschnittliche Horrorkost erwarten, werden hungrig nach Hause gehen. 2 von 6 Belas.

Wind Chill Poster Machen wir gleich mal mit dem zweiten Winter-Horrorfilm weiter.

Story: Eine Studentin sucht eine Mitfahrgelegenheit nach Delaware über die Weihnachtsfeiertage. Tatsächlich hat ein Kommilitione einen Platz in seinem Wagen frei. Doch der Fahrer entpuppt sich sehr schnell als mysteriös, und biegt auf eine abgelegene Nebenstraße ab. Und dann rast der Wagen in eine Schneewehe, und bleibt stecken. Auf die beiden Reisenden wartet eine lange Nacht voller Mißtrauen und unerklärlicher Ereignisse…

Kritik: Nein, ich war nicht zu faul, in der IMDB nachzuschlagen – die Protagonisten dieses Films haben keine Namen. Vielleicht soll es verdeutlichen, dass sie Chiffren sind, oder Archetypen, wie schon in “Rebecca” oder “Driver”. Nachvollziehen kann ich es allerdings nicht.

Im Gegensatz zu 30don ist “Der eiskalte Tod” eine bewußt “kleine” Produktion, die sich den Großteil der Laufzeit auf zwei Personen in einem eingeschneiten Wagen konzentriert. Produziert wurde der Film übrigens von George Clooney und Steven Soderbergh, die ihrem langjährigen Second Unit Director mal die Chance geben wollten, selber Regie zu führen. Als erster Gehversuch eignen sich Horrorfilme ja durchaus.

Bleiben wir erstmal positiv: “Der eiskalte Tod” baut ein nettes Szenario auf, die Darsteller sind gut, und die Isolation ist deutlich spürbarer als in 30don. Für ein Bruchteil des Budgets bringt uns der Streifen den “Horror Kälte” deutlich näher. Außerdem ist der Film nicht so dumm, einfach eine externe Bedrohung einzuführen – unsere Studentin kann nie sicher sein, ob die wirkliche Gefahr nicht direkt neben ihr sitzt.

wc2.jpg

Aber damit hat es sich dann auch schon. Der Film zieht niemals wirklich an, was das Tempo angeht, verfällt immer wieder in dramaturgische Lethargie, und bringt ab und an scheinbar willkürlich okkulte Elemente ins Spiel, die am Schluß nur sehr unbefriedigend aufgelöst werden. Nach der Hälfte ist man als Zuschauer komplett verunsichert, was nun “wahr” und was nur “phantasiert” ist – hieraus zieht der Film aber keine Spannung, sondern nur Verwirrung. Es scheint, als hätten die Autoren der Simplizität ihres Konzepts nicht vertraut und deshalb versucht, es durch immer wieder neue Hinweise und Andeutungen “aufzupumpen”. Das klappt leider nur sehr bedingt, die Mythologie des Films bleibt krude und konfus.

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Am Ende bleibt ein Film, den man sich nach der Inhaltsangabe interessanter gewünscht hätte, der aber nie wirklich einen Rhythmus oder “flow” findet. 2 von 6 Belas.



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11 Kommentare
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Peroy
Peroy
22. Oktober, 2007 14:50

Zu 30don: Was die “schlampige Inszenierung” anbelangt, bin ich nach der “Ferryman”-Jubelarie skeptisch… andererseits war ja Slades “Hard Candy” auch schon inkompetent zusammengeschustert… oh, Zwickmühle.

Werd’ ich mir wohl selbst ansehen müssen… hab’ ja eh nix Besseres zu tun…

Tornhill
Tornhill
22. Oktober, 2007 16:13

Um “30 Days of Night” ist es wirklich schade. Ich mochte den Comic recht gerne, aber trotz der guten Grundidee war es wohl auch da schon hauptsächlich der düster, realistische Stil mit seinen fratzenhaft unwirklichen, aber saubrutalen Vampiren, der ihn auszeichnete, nicht so sehr die Story selber.
Schade; schon, da ich auch den hundertsten Aufguss des “Rio Bravo”-Schemas immer wieder mag, aber ohne richtiges Belagerungsfeeling wirds natürlich nichts.

Lindwurm
22. Oktober, 2007 16:28

Gut geschriebe Reviews, denen ich nach deiner Fehlbeurteilung von “The Ferryman” aber doch ein bisschen misstraue.

Wortvogel
Wortvogel
22. Oktober, 2007 16:32

“Fehlurteil” impliziert, man könne einen Film “richtig” oder “falsch” sehen. Das ist natürlich Kappes. Nur weil ich nicht deiner Meinung bin, liege ich noch lange nicht daneben…

Peroy
Peroy
22. Oktober, 2007 16:44

““Fehlurteil” impliziert, man könne einen Film “richtig” oder “falsch” sehen. Das ist natürlich Kappes. Nur weil ich nicht deiner Meinung bin, liege ich noch lange nicht daneben…”

Und deswegen ist “Alone in the Dark” doch ein guter Film… 8)

Peter Krause
Peter Krause
22. Oktober, 2007 22:48

Sorry, aber Alone in the Dark geht gar nicht!

Peroy
Peroy
23. Oktober, 2007 03:52

“Sorry, aber Alone in the Dark geht gar nicht!”

Doch. Der geht gut. Auch mehrmals hintereinander… 8)

Und gegen den “Ferryman” ist der “Citizen Kane”…

Peroy
Peroy
14. November, 2007 23:57

Kino: 30 Days of Night

30 Days of Shit” ! Was für ein riesiger Haufen Kacke, HIMMELHERRGOTTSAKRAMENT ! Der ultimative Vampir-Schrott, saublöd, inkompetent zusammengeschustert und dabei KOMPLETT quer durchs Genre gefleddert. Der nimmt Anleihen bei (und das sind nur die Streifen, die mir aufgefallen sind) “Das Ding aus einer anderen Welt”, “Blade II”, “Vampire” und sogar “Vampires: Los Muertos” und selbst DER war besser! Die Action-Szenen wirken wie aus “28 Days later” übernommen (Wackel-Kamera galore!), da passen Szenen-Anschlüsse nicht zusammen (Achsen-Sprünge en masse) und ich kann mir nur denken, dass da die Hälfte der Geschichte des zugrundeliegenden Comics einfach unter den Teppich gekehrt wurde, in der Annahme, dass es eh keinem auffällt. Dabei ist das Tempo völlig verschleppt und prinzipiell hätten es auch “3 Days of Night” oder glatt nur einer sein können, das hätte keinen Unterschied gemacht und vielleicht ein paar Plotholes gestopft. Ständig tauchen neue Personen auf, die man nie zuvor gesehen hat und einen Vampir, der durch ‘nen Hechsler gedreht wird, hab’ ich ein paar Minuten später wieder in ‘nem Insert-Shot gesehen, ich schwör’s ! Und diese Phantasie-Vampir-Sprache, Jesses… und dann muss einem das Gelaber auch noch per Untertitel eingeprügelt werden (is’ ja nicht so, als hätten die was Interessantes zu erzähllen). Und zwischendrin wird ständig rumgeheult, vom Feeling her hätte die Wichse glatt abwechselnd von Mike Mendez (was den allgemeinen Look und den Splatter angeht) und M. Knight Shyamalan (viel Rumgeheule, Geflüster und verquaste Melodramatik) inszeniert worden sein können. Okay, sinnlos blutig isser, aber das hilft hier auch nix mehr. Dreck, und dafür hab’ ich Eintritt gelöhnt…

Wie beim “Ferryman” ist mir auch hier nicht klar, wo die Belas herkommen, selbst wenn’s nur zwei sind…

Wortvogel
Wortvogel
15. November, 2007 00:31

AUTSCH! Es muss dir weh tun, meiner Meinung zu sein 😉

Peroy
Peroy
15. November, 2007 01:04

Bin ich ja nicht, ich fand ihn SCHLECHTER als du…

Der ist nur im MST3K-Modus mit mindestens einem Kumpel brauchbar, so kann man ihn wenigstens im Team verspotten (haben wir im Kino recht lautstark gemacht, es gab’ keinerlei Beschwerden von den fünf oder sechs anderen Zuschauern)…

Dumpfbackiger Highlight-Dialog, nachdem drei Viertel der verbliebenen Dorf-Bevölkerung von Vampiren geplättet wurden:

Dödel: “Die Typen haben sie ausgesaugt wie so eine Art Vampir.”

Melissa George: “So was wie Vampire gibt es nicht…”

DAS ist dreist… passt aber allgemein zu einem Film, der den Zuschauer für blöd verkauft…

Peroy
Peroy
10. Juli, 2008 22:56

Zu “Wind Chill”:

“Wind Chill” klingt nach Nacht und Kälte und brrrr, “Der eisige Tod” klingt nach Käse, danke deutsche Titelschmiede…

Der Film ist ein absoluter Schocker. Das heißt, Teile von dem Film sind ein absoluter Schocker. Nein, halt, eigentlich meine ich: Die Grund-Prämisse hätte Potential für einen absoluten Schocker geboten und genau dieses Potential sieht man an vereinzelten Stellen immer wieder aufblitzen. Ja, so passt’s. Aus dem Stoff hätte man 70 Minuten Hölle destilieren können und es hätte gerockt wie Sau. Und dafür hätte man genau zwei Dinge gebraucht: Zuerst mal die beiden Studenten im Auto und dann den schwammigen Typ vom Foto oben. Da gibt’s so zwei, drei Szenen, wo man denkt “Heilige Scheisse, wie geil ist das denn ?!?” wenn der Schwammkopp einfach nur am Auto vorbeiläuft, oder sich im Hintergrund was bewegt und man weiß nicht, ist es eine Person oder doch nur der rieselnde Schnee.

Leider kotzt der Typ dann aber irgendwann Aale, die Geister-Bagage tanzt an, die ganze Mystery-Backstory ist gleichzeitig zu simpel und überladen, der Kerl hat ein Teleportations-Brecheisen, mit dem er sich immer wieder in die Karre zurückbeamen kann, die zwingende Notwendigkeit im Auto die Nacht zu verbringen, wird nicht plausibel genug herausgearbeitet, die Action-Szenen sind in dem Film sowas von Fehl am Platz und irgendwie das Ganze einfach auch 20 Minuten zu lang. Der Geister-Sheriff nervt, die Flashbacks nerven (und passen weder stilistisch zum verschneiten Rest noch machen sie dramaturgisch irgendeinen Sinn), der spukige Glatzkopp ist total ungruselig und irgendwie packt sich die Geschichte mit ihrer ganzen kuddelmuddeligen Masse an übernatürlichem Krimskrams selbst in Watte. Da schockt dann nix mehr…

Also nochmal: Mit reduzierter Handlung (Uni. Highway. Tankstelle. Unfall. Typ) wär’s ein Meisterwerk.

So isses nur Durchschnitt…

Pluspunkte muss ich allerdings dafür anrechnen, dass sich der Streifen nicht wie anfangs nach dem “ewige Wiederkehr”-Gelaber und den zwei Kreuzen am Straßenrand befürchtet in eine “Surprise, you’re dead!”-Auflösung flüchtet. Das Ende ist so wie es ist zwar nicht toll, aber immerhin nicht das schlechteste, was möglich gewesen wäre. Und so himmelschreiend mies wie “30 Days of Night” ist “Wind Chill” dann auch nicht…

3 Belas.