17
Mai 2020

Fotostory: ATOMIC EDEN oder: Feuer frei auf Freddie

Themen: Film, TV & Presse, Fotostory, Neues |

Die heutige Fotostory sollte eigentlich nur ein normaler Review werden, und das nur als Freundschaftsdienst. Nico Sentner hatte mich angerufen und gefragt, ob ich nicht mal seinen ATOMIC EDEN vorstellen wolle, der zwar ein paar Jahre auf dem Buckel hat, aber als Stream durchaus noch Umsätze bringt, die in Corona-Zeiten mehr als nötig sind. Was soll ich sagen? Ich bin einer von den Guten…

Nach fünf Minuten wusste ich allerdings – der Streifen ist eine meiner patentierten Fotostorys wert. Und nach einer Rücksprache mit Nico wurde außerdem beschlossen, in den nächsten Tagen noch was Fettes zu verlosen, wenn ihr dafür konstruktiv am (festhalten!) eventuellen Sequel (!) des Films mitarbeitet. Lasst euch überraschen!

Für die Nicht-Eingeweihten ein wenig Background: Nico Sentner produziert Werbe- und Industriefilme, aber sein Herz schlägt für den Genrefilm. Alle paar Jahre trommelt er deshalb ein Team zusammen und dreht ein Herzensprojekt. Über seinen Slasher-Film SIN REAPER hatte ich seinerzeit ausführlich geschrieben. Man mag den Streifen (mit einem Gastauftritt von Lance Henriksen) für Kappes halten, aber ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass die Figur des Sin Reapers genug Saft für eine Franchise hätte:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Noch erfolgreicher war Sentner mit seinem Martial Arts-Film ARENA OF THE STREET FIGHTER, der primär von den beeindruckenden Skillz des Mike Möller lebt:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Und nun (wobei nun relativ ist – 2015) – ATOMIC EDEN! Ein Ensemble-Actionfilm mit Blaxploitation-Legende Fred Williamson und viel Geballer. Niemand kann Sentner nachsagen, er würde sich nur in ein Genre festbeißen.

Ich bin ganz froh, zur Abwechslung mal eine Filmkopie in digital erstklassiger Qualität für eine Fotostory zur Verfügung zu haben – doppelt, weil einer der nächsten Kandidaten so scheiße aussieht, dass die meisten Screenshots wie Screenmatsch wirken. Das hier ist für euch eine Atempause vor dem Augenkrebs.

Chips auf, Bier raus, Film ab!

Von vorne. Und wenn ich vorne schreibe, meine ich vorne. Das Produktions-Intro:

Ordentliche 3D-Animation. Kann man nix sagen. Als jemand “aus der Branche” empfinde ich es allerdings mit 20 Sekunden als deutlich zu lang. Und die abschließende Einblendung des Logos ist dann erheblich zu überladen mit verschiedenen Schriftarten verschiedener Größen. Das gehört simplifiziert:

Wir fangen in Tschernobyl an – unheilschwangerer geht’s ja nicht:

Ich habe allerdings den Verdacht, dass diese Industriebrache nicht WIRKLICH in Tschernobyl liegt und außerdem die primäre Location des Films sein wird:

Da stehen ein paar zusammen, die wir nicht kennen, und fragen jemanden, den wir nicht kennen, ob es Ärger gibt. Es fallen der Name Komorov – und Schüsse:

Männer in Turnschuhen, Masken und Maler-Overalls aus dem Baumarkt stürmen das Gelände. Ende der Corona-Ausgangssperren in Putins Russland 2021?

Es macht piff, es macht paff, es fällt wer um, hektischer Aktionismus beherrscht das Bild – und wenn das mal nicht Fred “The Hammer” Williamson ist!

Die spätestens seit Black Widow beliebte eingesprungene Nackenschere – ausgeführt von Mike Möller, dem drahtigen Asskicker aus Sentners ARENA OF THE STREET FIGHTER (hier bei Netzkino komplett und kostenlos):

Mini-Auftritte weiterer Castmitglieder – der Frauenanteil des Films agiert großkalibrig angesichts der maskierten Eindringlinge:

Das Kunstblut – es spritzt im bezaubernd selbstgemixten Erdbeerrot:

An dieser Stelle hadere ich bereits – kaum eine Minute vergangen. Ist das hier der vielleicht schnellste Film der Welt? Wer sind diese Menschen, was tun und was wollen sie? Wurden die Rollen vertauscht und wir sehen schon das große Finale?

Abrupter Stopp. Wie es scheint, war das alles ein Appetitanreger und das Versprechen baldiger Action-Highlights. Bis dahin drehen wir erstmal das Rad der Zeit zurück. “Irgendwo” in Rumänien hilft mir zur Lokalisierung aber auch nicht wirklich weiter:

Ahhh, die plötzliche Ruhe wird für die Credits genutzt. Schauen wir doch mal, was sich da entdecken lässt. “Po’ Boy Inc.” – das ist die fast schon (zumindest unter Trash-Fans) legendäre Produktionsfirma von Fred Williamson himself:

Kein Wunder, dass der Mann sich als Erster listen lässt – ich hatte eigentlich gedacht, der würde nur einen glorifizierten Cameo-Auftritt wie Lance Henriksen in SIN REAPER absolvieren. Hat er sich womöglich doch mehr als einen Tag am Set aufgehalten?!

Anmerken möchten ich noch, dass ich den Stencil-Font für extrem ausgelutscht halte und mir für den Vorspann etwas anderes ausgesucht hätte.

Erst FRANCIS FORD COPPOLA’S DRACULA – jetzt NICO SENTNER’S ATOMIC EDEN! Ich würde mich drüber lustig machen, aber der Sentner ist Produzent, Autor, Darsteller UND Regisseur. Kein Zweifel, das hier IST Nico Sentners Film.

Es folgt ein Besetzungscoup, den ich (im Gegensatz zum Film) nicht vorab spoilern werde. Den hätte ich auf jeden Fall mit einem “special guest appearence by…” in den Nachspann ausgelagert, um mir das begeisterte Gejohle der Trashfans im dritten Akt nicht zu versauen.

Nun denn, so lasset den Film endlich beginnen! Sind schon drei Minuten rum!

Stoker, denn so heißt der Hammer in diesem Film, zündet sich lässig das unverzichtbare Zigarillo (oder die Mini-Zigarre, meine Expertise in Sachen Tabakwaren ist begrenzt) an der Kirchenkerze an, während der Pfaffe seine Predigt hält.

Das Gotteshaus ist gut besucht, die Vorstellung findet für genau diese eine Frau statt:

Und natürlich, natürlich salbadert Pfarrer Heinrich was von dem “fahlen Pferd”, dessen Name Tod war. Die Stelle kennen wir aus unzähligen Italo-Western und Einblendungen zum Beginn schlechter Horrorfilme. Sie ist das biblische Äquivalent zu “is all that we see and seem but a dream within a dream?” von Poe.

“Based upon” einer Kurzgeschichte von Sentner? Ich bin entzückt.

Stoker sagt Heinrich, dass er seine Hilfe braucht. Heinrich sagt, er kann ihm echt nicht helfen. Stoker sagt, dass er aber dringend Hilfe braucht. Heinrich sagt okay, ich helfe.

Wofür Stoker Hilfe braucht, woher er Heinrich kennt – es bleibt im Dunkeln. Es fällt wieder der Name Komorov.

Es mag euch komisch vorkommen, aber merkt euch das babyglatte Gesicht des Pfaffen. Für später. Ich komme darauf zurück.

Tschernobyl, Rumänien, Quedlinburg – on Tour mit Fred Williamson.

Ja, das ist Quedlinburg. Woher ich das weiß?

Ich war schon mal da – genau da:

Wir haben an dieser Stelle eine Reportage für die LIEBES LAND über ein sensationelles Käsekuchen-Café produziert, und zwar ein Jahr, nachdem das Team von Sentner dort die Kameras aufgestellt hatte. What are the odds?!

Nicht aufgefallen ist mir damals, dass es in Quedlinburg heiß her geht. Hier kloppen sich die Kampfsportler im Dojo, dass es für eine flotte Montage und ein paar Kalenderweisheiten zum Thema Kriegsführung reicht.

Reiseführer Stoker schaut vorbei und erkennt: Sunzi. Die Kunst des Krieges. Auch so ein Standard, auf den faule Drehbuchschreiber gerne zurück greifen, wenn sie ihren Actionhobel mit ein wenig Philosophie aufhübschen wollen.

Es wird keine Zeit verschwendet, nach “Priester” werden die Gefährten “Samurai” und “Fighter” für die bisher unerklärte Mission rekrutiert. Und ja, jede Figur in diesem Film hat einen beschreibenden Spitznamen. Und darum dürft ihr dreimal raten, wie der Cowboyhut schwingende Cowboy aus dem Land der Cowboys heißt:

Der “Texaner” natürlich. Ich will nicht ausschließen, dass diese Szene nicht in San Antonio, sondern auf einem Ponyhof in Sachsen-Anhalt gedreht wurde:

Kann man “dank” Corona schon nicht verreisen, kann man es dank ATOMIC EDEN – die Minute ist noch nicht rum, da geht es bereits weiter:

Auf (an? in?) einem Schießstand trifft Stoker nun John, den super lässigen Scharfschützen, der nie sein Ziel verfehlt. Behauptet er zumindest. Adleräugige Zuschauer erkennen es vielleicht – hier gibt sich der Regisseur selbst die Ehre:

Und weil man als Regisseur ein Ego zu streicheln hat, nimmt sich der “Sniper” gleich mal 20 Minuten für Adult Entertainment mit ein paar Provinzischen – was natürlich nicht gezeigt wird. No sex please, we’re German!

Irgendwo muss ein Ausverkauf von Establishing Shots stattgefunden haben, denn statt ins Schlafzimmer geht es in einen Steinbruch:

Es gehört zu den Tugenden wirklich guter Low Budget-Produzenten, nicht zu bezahlenden Aufwand einfach abzugreifen, wenn er einem kostenlos vor die Füße fällt. In diesem Fall hat Nico Sentner einfach abgewartet, bis im Steinbruch eh gesprengt wurde. KAWUMMM für 0 Euro!

Die folgende Szene spielt im, wurde aber sehr deutlich nicht mal in der Nähe des Steinbruchs gedreht. Stoker rekrutiert Laurie, die “Anfängerin”, eigentlich Sprengstoffexpertin, als solche aber Tochter des Mannes, mit dem Stoker eigentlich immer zusammen gearbeitet hat. Wir finden heraus, dass dieser gewisse Komorov (den die Credits, nicht aber der Film “das Phantom” nennen) wohl Lauries Vater auf dem Gewissen hat. Dadurch wird es nicht schwer, sie für die gute Sache (? Wir haben keine Ahnung, worum es geht) zu gewinnen.

Alder, langsam sollte ich Fliegermeilen gutgeschrieben bekommen:

Mike Möller ist dran und arschkickt zwei tumbe Schinken, die mehr Zeit mit posen als mit kämpfen verbringen – das resultiert im Verlust der Kauleisten:

Derweil im Gewölbe bildet sich eine offensichtlich sinistre Dame ein, ein handelsüblicher Taser wäre die ultimative Folterwaffe:

Den angeschnürten “Blade” (wir ahnen seine Spezialität) kitzelt es wenig – und Ko-Autor Dominik Starck hat auch augenscheinlich nicht wirklich recherchiert, wie sich jemand windet, dem man viele Volt durch die Wampe jagt:

Für eine größere Konversation ist keine Zeit, “Sniper” macht kurzen Prozess.

Heinrich ist übrigens auch da und fühlt sich bemüßigt, einem Gesprächspartner mitzuteilen, dass er sich einen künstlichen Bart ankleben musste, um unerkannt nach Belgien reisen zu können.

Und das, meine Damen und Herren, gehört zu den Kirschen des Low Budget-Filmemachens: Darsteller Wolfgang Riehm hatte sich während des Dreh sichtlich einen Bart stehen lassen, der nun erklärt werden musste. Eine Umkehrung des Problems, dass Schauspielern mitunter Bärte angeklebt werden, wenn sie sich voreilig rasiert haben. Lovin’ it!

So, das Team ist vollständig und ich kann schon mal resümieren. 15 Minuten sind für diese “ich trommel die alte Gang zusammen”-Nummer nicht zu viel und ATOMIC EDEN hält dieses Intro erfreulich straff. Aber einerseits gibt es einfach zu wenig Infos zur gemeinsamen Vergangenheit der kleinen Truppe und andererseits sollte man super duper tolle Spezialisten nur dann einführen, wenn ihre super duper tollen Spezialitäten auch wirklich von Belang sind. Mehr dazu später.

Auf geht’s nach Tschernobyl, diesmal augenscheinlich in den “kontaminierten” Teil. Ich sollte googeln, ob es überhaupt einen nicht kontaminierten Teil von Tschernobyl gibt, habe dazu aber explizit keine Lust.

Das Team hat sich nun weitgehend im Second Hand Army-Shop eingekleidet, was ein wenig drollig wirkt, denn weder brauchen sie Uniform noch sind sie auf dem Weg in den Dschungel, wo Camo-Outfits einen gewissen Sinn machen würden.

Selbst der Texaner trägt Olive – und ein Repetiergewehr wie im Winnetour-Film:

Was das alles soll? Stoker erklärt es “bare bones”: Die Russen haben angeblich irgendwas in Tschernobyl entdeckt, was so schlimm war, dass sie den nuklearen Zwischenfall inszeniert haben, um es zu vertuschen. Ich freue mich auf Monster, Aliens, oder irgendwas mit Dimensionstoren.

Um der Sache näher zu kommen, muss ein Safe geöffnet werden – und siehe da, “Samurai” ist eigentlich “Safeknackerin”, verkündet aber, für ihren Job eine ganze Weile zu brauchen (wir sehen sie übrigens nie mit entsprechendem Werkzeug wie Schweißbrenner oder Stethoskop hantieren).

Und ja sicher, “Blade” ist Meister an den Messern, wie erwartet:

Laurie findet altes russisches Dynamit, von dem ich selbst als Laie weiß, dass man es nicht anfassen sollte. Aber wie viel Gefahr kann schon von einer Sprengladung ausgehen, die aussieht, als sei sie aus einem “Road Runner”-Cartoon?!

Blade will Laurie gleich mal anbaggern, was sie mit einer Backpfeife quittiert:

Ich verstehe jetzt nicht genau, warum Laurie sich entnervt fragt, mit wem sie schlafen müsse, um endlich ernst genommen zu werden, wenn die Antwort doch klar “mit niemandem” ist. Und dann zeigt sie es dem ollen Chauvi Blade aber so richtig:

Heinrich taucht auch wieder auf – den “künstlichen” Bart hat er wohl unterwegs verloren. Dafür trägt er die perfekte Camouflage für den russischen Winter:

Es gibt wieder ein bisschen Exposition: Stoker hat Komorov festgesetzt, aber dessen Auftauchen löst Unwohlsein bei Scharfschütze John aus (was allerdings nie erklärt wird, soviel kann ich jetzt schon verraten). Komorov kennt die Tunnelanlagen unter dem Gelände, in dem die Nazis (!) seinerzeit angeblich eine Art Kommandozentrale errichtet haben, die Stoker durchsuchen will.

Es braucht kein Abitur, um die Löcher in der Story zu riechen wie die Löcher in einem Schweizer Käse: als ob die Russen eine ganze Gegend nuklear verseuchen würden, um eine 40 Jahre alte deutsche Kommandozentrale zu vertuschen…

Nun sind wir aber wenigstens mit dem Prolog up to date. Komorov wird von draußen erschossen (was den Subplot, dass Laurie ihren Vater rächen will, im Sande verlaufen lässt), und unsere Helden müssen sich eilends verschanzen.

Wer auf Overall-Porn steht, der findet hier seinen Fetisch. Wenn der Sentner schon mal ein Dutzend Komparsen zur Hand hat, wird er sie verdammt noch mal auch zeigen:

Und zeigen:

Und zeigen:

Und zeigen:

Und zeigen:

Ich habe mir irgendwann die Zeit damit vertrieben, die verschiedenen Schuhmarken zu identifizieren. Besonders strenge Kleiderordnung haben die Bösewichte hier auch nicht.

Manchmal sind es kleinen Details, die für großes Entertainment sorgen. So können sich die Autoren den alten Schnarch-Dialog von “Brauchst du keine Waffe?” und “Ich BIN eine Waffe!” nicht verkneifen:

Zehn Sekunden später:

Ich gebe zu: ich habe gut gelacht.

Auch die asiatische Safeknackerin/Samurai haut den Bösen ordentlich was vor den Latz:

Und so eröffnet Sentner satte zehn Minuten wilder Ballerei von links nach rechts, von oben nach unten, über die Achsen und durch Türen und Wände. Beliebige Shots von feuernden Waffen und wechselnden Figuren, die sich vielleicht gegenüber stehen, vielleicht aber auch durch Tage und Kilometer getrennt sind.

Da kommt einer rum und macht päng.

Die hier schießt vielleicht zurück, eventuell aber auch ganz woanders hin.

Schießt er gerade auf seine Teamgefährtin? Der Schnitt deutet es an.

Auch wer außerhalb des Gebäudes steht, schießt fröhlich mit:

Scharfschütze John am Abzug, auch wenn kaum Präzision von Nöten ist – schließlich laufen 30 Angreifer wie die Hühner über den Hof, da kann man blind abdrücken:

1…. 2 oder 3! Du musst dich entscheiden, drei Gegner sind frei…

Deckung ist sowieso was für Pussys:

Auch Stoker ballert tüchtig was weg:

Im Namen des Herrn!

Aber oh weh! John ist während der Frühstückspause mit dem Marmeladenbrot eingeschlafen!

Natürlich nicht – Sentner wollte sich vermutlich nur zeitnah aus dem Film nehmen, um nicht immer vor UND hinter der Kamera gleichzeitig agieren zu müssen.

Im Namen des Herrn!

Äääähhh…. HALT! STOPP! MOMENT! Haben wir da einen doppelt und müssen ganz “Dalli Dalli” einen Punkt abziehen? Leider nein. ATOMIC EDEN erlaubt sich tatsächlich den Taschenspielertrick, in der Hektik der Schießerei Szenen stickum zweimal zu zeigen. Angesichts der Tatsache, dass die Action extrem redundant und ausgewalzt ist, tut er sich damit allerdings keinen Gefallen.

Wie es scheint, hatte man auch einen Komparsen mit Parkour-Erfahrung, was zwar nix mit nix zu tun hat, aber für ein paar kamerataugliche Hüpfer gut ist:

Weil im Team augenscheinlich jeder über seine Expertise hinaus auch noch ein Superfighter ist, erledigt sogar die schmächtige Laurie eigenhändig ihre Gegner:

Nach dem Regisseur erwischt es als nächstes den Ko-Drehbuchautor – Blade, Sie sind raus! Ne, wieso denn?!

Weil Stoker aka Williamson die coole Obersau ist, zieht er einen der Widersacher einfach mal durch die Wand – was einen Tacken beeindruckender wäre, wenn die Wand nicht gar so offensichtlich für den Film gestapelt worden wäre:

Nach satten 10 Minuten und einem hohen Bodycount scheinen die Bösewichte ihre Taktik “reinstürmen und ungedeckt drauflos ballern” als defizitär zu erkennen und ziehen sich zurück. Sie nehmen die Fahrzeuge unserer Helden mit, was aber keine Auswirkungen hat und auch nicht weiter thematisiert wird.

Eine Montage zu melancholischer Musik zeigt uns die grausigen Folgen des Massakers – bei den gesichtslosen Schergen, was etwas fehl am Platz wirkt. Sollen wir um die trauern? Sie SIE vielleicht die wahren Opfer? Is there in death no beauty?

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was das jetzt sollte. Aber der Tod zweier Teammitglieder und eines Dutzends Handlanger setzt Stoker unter Druck, den wahren Grund für die Mission aufzudecken: die Nazis haben unter Tschernobyl nicht nur eine Kommandozentrale, sondern auch eine Weltuntergangsmaschine namens “Atomic Eden” gebaut! Und die gilt es zu finden, bevor sie in die falschen Hände fällt.

Okay, hier muss ich als Drehbuchautor mal einhaken. All das geht gar nicht. Das ist völlig fehlkonstruiert. Das Team wurde zusammen gestellt, ohne die geringste Ahnung von der Mission zu haben. Warum sollten sie da mitmachen? Wer sind die überhaupt? Waren die mal in so etwas wie einer internationalen Armee? Geheimdienst? Söldner? Wer ist Stoker überhaupt? In wessen Auftrag handelt er? Woher weiß er von der Maschine? Was schert sie ihn? Warum hat er sie bisher verschwiegen? Woher wissen die Bösewichte von der Maschine? Warum waren unsere Helden bewaffnet, als hätten sie mit der Attacke rechnen müssen?

Wie Stoker so schön sagt:

“Die Waffe darf nicht in die falschen Hände geraten – wer auch immer die da draußen sind.”

Wir haben keinen Grund zu glauben, Stoker und seine Kumpanen seien die “richtigen Hände”. Der Film hatte bis zu diesem Moment wahrlich genug Zeit, seine Backstory knapp, aber ausreichend einzuführen und die Involvierung der einzelnen Figuren logisch zu verankern. Es wäre sogar ausreichend Gelegenheit gewesen, persönliche Motive zu vertiefen, um Beziehungen zu bauen und uns mitfühlen zu lassen. Stattdessen dreht ATOMIC EDEN nun in einen ballerfreudigen Belagerungs-Plot um, statt die Entdeckung einer Weltuntergangsmaschine angemessen zu erzählen. Für den Belagerungs-Plot braucht er allerdings keine “Experten” – was den ganzen Prolog rückwirkend komplett überflüssig wirken lässt.

Es ist wie so oft beim (gerade deutschen) Low Budget-Film: man übernimmt Motive und Tropen der Vorbilder, ohne deren Funktionen oder Mechanismen zu verstehen. Als actionreicher “last mission”-Streifen hätte ATOMIC EDEN gut funktionieren können, aber für mehr als wildes Geballer in einem nicht existenten zweiten Akt hat es bei den Autoren nicht gereicht.

Wobei – der zweite Akt ist ja noch gar nicht rum. Die Helden entdecken entgeistert, dass sich unter den getöteten Angreifern sogar Frauen befinden:

Was das bedeutet und wohin das führt? Nichts und zu nichts.

Beim toten Komorov findet Stoker den Schlüssel für den Safe – und wieder zeigt sich die Faulheit des Drehbuchs. Warum führt man eine Safeknackerin ein, die erklärt, sie brauche eine Weile, um den Tresor zu öffnen – nur um dann 10 Minuten später den Schlüssel aus dem Hut zu zaubern? Damit sind schon drei der Expertisen (Safeknacker, Messerwerfer, Scharfschütze) komplett unnütz gewesen. Drei Versprechen, die nie eingelöst wurden, weil man sich dafür Gedanken über die Funktionen und Fähigkeiten der Figuren hätte machen müssen.

Der Safe wird also problemlos aufgeschlossen und enthält natürlich die zweite Hälfte der Karte für das Tunnelsystem:

Alder – eine zweigeteilte Karte? Ehrlich? Ein älteres Klischee ist euch nicht eingfallen? Woher hatte Stoker seine Hälfte? Wieso hatte Komorov den Schlüssel zur zweiten? Warum wird eine Karte zu einem Tunnel, den niemand finden soll, nicht einfach vernichtet? Und ach ja: Der Tunnel wird sich später als problemlos zu lokalisierender Teil der Anlage entpuppen. Auch die Karte – eine Nebelkerze.

Ist aber sowieso wurscht, weil es ATOMIC EDEN ja nicht um “Atomic Eden” geht, sondern um fröhliche Ballereien mit gesichtslosen Angreifern. Warum die sich zurück gezogen haben? Weiß man nicht. Warum sie wiederkommen werden? Weiß man nicht. Warum Stoker nicht einfach die Behörden informiert, um eine gottverdammte Weltvernichtungsmaschine schützen zu lassen? Weiß man nicht. Was da alles im Hintergrund werkelt, ist wahrlich nicht durchdacht. Ich gebe den Autoren aber gerne eine Bühne, sollte ich nur alles mal wieder nicht richtig verstanden haben.

Die überlebenden Helden rüsten sich für den unvermeidlichen (?) nächsten Angriff – Laurie will zwar vom verrotteten russischen Sprengstoff die Finger lassen, meint aber, mit ein paar willkürlich herum stehenden Chemikalien könnte sie “etwas Ähnliches wie Napalm” zusammen mischen. Sicher.

Fighter David installiert derweil Flutlichter, um die Bösewichte kommen zu sehen. Warum ein geregelter Rückzug nicht die weit bessere Taktik wäre? Keine Ahnung.

Es wird Nacht in Tschernobyl.

Ich bin nicht ganz sicher, ob die paar Lampen wirklich einen massiven Schutz bieten und nicht nur die Orientierung für die anonymen Angreifer erleichtern.

Stoker setzt derweil die Karte zusammen, die wir nie zu sehen bekommen und deren Notwendigkeit bestenfalls frech behauptet ist:

Weil keine wirkliche Geschichte erzählt wird und die Figuren sich null entwickeln, ist alles außerhalb der Action blasses Wassertreten – in verschiedenen Konstellationen unterhalten sich die Teammitglieder über dies und das.

Weil kein Safe zu knacken war, besinnt sich Reiko bei der Lektüre von Sinzi wieder auf den Samurai-Aspekt, was aber – das kann ich schon verraten – keinerlei Folgen hat.

Der Texaner und die Sprengmeisterin geben sich noch was Hochprozentiges:

Und dann kommen die maskierten Bösewichte wieder. Taktik erneut: drauflos laufen, wild ballern und sich über den Haufen schießen lassen. Wash, rinse, repeat.

Einzige Abwechslung: Dank Lauries “Napalm” kann Sentner auch ein paar Stuntmänner in Brand setzen. Davor habe ich Respekt, das ist auf diesem Budget-Level nicht üblich:

Gleich wieder einen Punkt Abzug gibt es für den Versuch, mir dreimal den selben “kill” im Abstand von jeweils 20 Sekunden aus verschiedenen Kameraperspektiven unterzujubeln:

Weil in dieser Sorte Film der Cast immer weiter ausgedünnt werden muss, ist nun Priester Heinrich dran – was etwas überrascht, denn wir haben nicht gesehen, wie er getroffen wurde. Coverage, Herr Sentner, Coverage!

Stoker sieht ein, dass sie sich nun für das finale Gefecht rüsten müssen. You can check out any time you like, but you can never leave!

Die mittlerweile arg reduzierten Reihen der Angreifer werden von ihrem Anführer mit Propaganda über die Weltvernichtung aufgeputscht. Auch hier bleibt der Dialog knallhart am Klischee: “Unser Name ist Legion, denn wir sind viele!”. Gähn. Tausend Mal gehört, tausend Mal ist nix passiert. Aber die Handlanger jubeln begeistert – eine Szene, die mehr verwirrt als erklärt: wieso jubeln die? Haben sie was davon? Ist das gar ein Kult, der irgendeiner Prophezeiung folgt? Wir werden es nie erfahren.

Laurie versieht das ganze Gebäude derweil mit zeitgesteuerten Bomben:

Fighter David verrammelt irgendeine Tür – eher notdürftig:

Weil Laurie ihre Funktion erfüllt hat, darf sie sich eine Kugel einfangen gehen:

Und auch der Texaner, dessen spezielle Expertise nie wirklich geklärt wurde, muss schwer verletzt auf die Suche nach dem Tunnel und Atomic Eden verzichten. Dabei fällt schmerzhaft auf, dass uns diese Charaktere leider überhaupt nicht scheren.

Weil man Mike Möller nicht anheuert, um ihn dumm rumstehen zu lassen, gibt es auch für ihn einen finalen Fight mit einem hünenhaften Angreifer:

Something for the ladies:

Und das ist sie dann – die große Nazi-Kommandozentrale. Ich war schon mal mehr beeindruckt:

Stoker empört sich ob der bereitliegenden Lektüre:

Die groß angekündigte Maschine Atomic Eden findet sich in einem alten Koffer. Stoker öffnet ihn und wir sehen nur ein seltsames Leuchten, das sich auf seinem Gesicht spiegelt:

Ich könnte hier monieren, dass sich die Macher des Films nicht mal die Mühe gemacht haben, eine anständige Requisite für die titelgebende Maschine zu bauen. Andererseits: wer REPO MAN gesehen hat, der weiß, dass es sich dabei um eine legitime Umschiffung des MacGuffin-Problems handelt. Ich unterstelle also der Fairness halber, dass die Macher hier einfach REPO MAN die Ehre erweisen wollten.

Stoker und Reiko gelingt die Flucht aus der unterirdischen Anlage – es ist mittlerweile wieder Tag, auch wenn ich bestreiten würde, dass diese verballerte “Nacht” mehr als eine Stunde gedauert haben kann.

Mit ein bisschen CGI wird die Anlage gesprengt, wobei Stoker zynisch entscheidet, dass für die Rettung von Fighter David und dem ja nur verletzten Texaner keine Zeit ist. Ein schöner Anführer, der seine besten Leute nicht mal zu retten versucht.

Aber was für ein Glück – David hat trotzdem überlebt. Muskeln aus Stahl!

Zeit für den Epilog und damit noch ein bisschen Weltreise:

Und hier ist es – das letzte weiße Kaninchen, das die Macher von ATOMIC EDEN aus dem Casting-Hut ziehen:

Lorenzo Lamas, aka Lorenzo das Lama, aka Lorenzo Lahmarsch. Der Schnösel aus FALCON CREST, der einzig wahre SNAKE EATER, Langhaar-Legende RENEGADE! Für mittlerweile über 60 sieht der noch relativ frisch aus.

Er ist also der Bösewicht hinter den Kulissen und sein gesamter Auftritt ist sehr auffällig in einem generischen Hotelzimmer gedreht worden. Geschätzter Aufwand: 30 Minuten. Aber wenigstens hat er die richtige Antwort auf den Versuch parat, ihn um die Atomic Eden-Maschine zu prellen:

Es stellt sich raus, dass er wohl gleichzeitig Stoker angeheuert und die Bösewichte auf ihn angesetzt hatte. Warum? Weiß ich auch nicht. Er ist aber entschlossen, Stoker nicht mit der Maschine davon kommen zu lassen.

Ein allerletzter Ortswechsel, ich schwör’s!

Da war ich übrigens auch schon. Mehrfach. Zuletzt vor zwei Jahren.

Stoker und Reiko bekommen Nachricht von David, dass Bösewicht Nathan (aka “Snake”) nicht eben glücklich ist. Stoker, weiß, was das bedeutet: “Krieg”.

Und damit ist der Film rum – quasi ohne Auflösung, ohne einen wie auch immer gearteten Einsatz der endgültig als MacGuffin entlarvten Maschine, ohne finale Konfrontation unserer Helden mit einem Bösewicht. Katharsis sieht anders aus.

Finale Gedanken

Was halten wir davon? Zuerst einmal gibt es viel zu loben. Ähnlich wie SKIN CREEPERS ist ATOMIC EDEN sehr augenscheinlich nicht das runter gerotzte Wochenendprojekt irgendwelcher Gorebauern. Hier wurde Geld investiert, hier wurden Schauspieler angeheuert, hier ist der feste Wille erkennbar, ein international vermarktbares Produkt zu erschaffen. Endlich mal kein Killer mit der Axt, keine Porno-Schönheiten auf der Streckbank und keine Suhlerei in Eingeweiden. ATOMIC EDEN hat den Anspruch, auch für den Mainstream goutierbar zu sein.

Dieser Anspruch zeigt sich beim Casting ebenso wie bei der weitgehend ordentlichen Synchronisation, den kristallklaren Bildern und den schicken, aber teilweise etwas auffällig inszenierten Fights. Man müht sich redlich und diese “soll doch nur Spaß sein”-Dauerausrede des deutschen Amateurfilms glänzt durch Abwesenheit.

Das Casting von Fred Williamson ist zudem kein Stunt fürs Cover – der Mann ist wirklich vollumfänglich dabei und hängt sich gänzlich unironisch rein. Respekt!

Für das sehr limitierte Budget wird auch durchaus rangeklotzt: viele Locations, eine vergleichsweise hohe Anzahl an Komparsen und viele, viele, zu viele Schießereien lassen ATOMIC EDEN aus dem Bodensatz heraus stechen. Manchmal wurde ich an den missglückten, aber ähnlich ambitionierten KAMPFANSAGE erinnert:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Und schon für diese Punkte lohnt sich der Stream. ATOMIC EDEN ist vielleicht nicht Gold, aber er ist ein mutiger Versuch, der durchaus gewürdigt gehört. Dafür winkt man auch Sachen wie ein paar amateurhafte Darsteller oder sich wiederholende music cues durch. Wer das nicht abkann, sollte keine B- und C-Movies schauen.

Trotzdem muss man auch über die Defizite sprechen. Diese fallen umso mehr ins Gewicht, weil sie den Film davon abhalten, sein durchaus vorhandenes Potenzial auszuschöpfen. Das Problem kennen wir noch von SIN REAPER.

Hat man dieses Budget, diese Expertise, diese Locations, Darsteller wie Williamson, Lamas und (ja auch) Möller, dann muss man auf Drehbuch-Ebene einfach mehr reißen als ein paar wirre Shootouts in einer Industriebrache. Man braucht einen zweiten Akt, über den sich die Figuren entwickeln und die Story ein paar Wendungen erfährt. Es reicht nicht, tausendfach gehörte Dialogklischees aus alten Filmen zu kopieren, Charaktere posen zu lassen und zu denken “den Rest fülle ich mit Action”. Auch hier ähnelt ATOMIC EDEN der Horrorkomödie SKIN CREEPERS: man hatte eigentlich alles, was man für einen deutlich besseren Film gebraucht hätte, und das ist ungleich frustrierender, als wenn das Projekt mangels Möglichkeiten von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen wäre.

ATOMIC EDEN hätte ein “mission movie” über die Bergung der Maschine sein müssen. Die Ballereien, die den gesamten zweiten Akt füllen, hätten dabei allenfalls ein Hindernis sein dürfen, zumal die Gegner als gesichtsloses Kanonenfutter null Wert haben. Über einen tatsächlichen Antagonisten hätte ich mich auch gefreut.

Es lässt sich nicht bestreiten: Der Autor Nico Sentner hat dem Regisseur Nico Sentner ein zu schwaches Drehbuch in die Hand gegeben, das von diesem streckenweise zu fußlahm umgesetzt wurde – beide haben damit dem Produzenten Nico Sentner einen Bärendienst erwiesen. Und darum kann die Botschaft nur (und wieder mal) lauten: Wer Geld ranschaffen kann, soll Geld ranschaffen. Wer drehen kann, soll drehen. Wer schreiben kann, soll schreiben. Es gibt einen Grund, warum das verschiedene Berufe für völlig verschiedene Menschenschläge sind.

War ich es früher leid, dass der deutsche Nachwuchs sich nicht mal bemüht, bin ich es heute leid, dass er sich bemüht, aber gegen die immer gleichen Wände rennt. Ein Fortschritt, der nicht ausreicht. Es sollte, es kann nicht so schwer sein. Ein gutes (oder wenigstens besseres) Drehbuch ist kein Hexenwerk.

Nichtsdestotrotz: E for Effort, wie man in Amerika so schön sagt. Da steckt viel Liebe und Einsatz drin und heute soll mir das mal für eine Empfehlung reichen.

Wir sehen uns dieser Tage zur Verlosung!

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden



Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

1 Kommentar
Älteste
Neueste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Pascal
Pascal
21. Mai, 2020 17:37

Nachdem der Produzent den Regisseur Nico Sentner rausgeworfen hat, wird es eines Tages einen ,,Nico Sentner-Directors Cut“ geben? 😁